BAG Urteil v. - 1 AZR 499/18

Tarifvorrang - Öffnungsklausel

Gesetze: § 77 Abs 3 S 1 BetrVG, § 77 Abs 4 BetrVG, § 75 Abs 1 BetrVG, § 75 Abs 2 BetrVG, § 184 Abs 1 BGB, § 613a Abs 1 S 2 BGB, § 3 Abs 1 TVG, § 4 Abs 1 TVG, § 559 Abs 1 S 1 ZPO

Instanzenzug: Az: 2 Ca 1082 b/16 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Az: 1 Sa 289/17 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über Entgeltdifferenzansprüche.

2Der Kläger, welcher Mitglied der IG Metall ist, war langjährig bei der - dem Rechtsstreit auf Beklagtenseite beigetretenen - D AG (künftig Nebenintervenientin) in deren Niederlassung K beschäftigt. Die in den Tarifbezirken Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein an die Tarifverträge des Kraftfahrzeuggewerbes gebundene Nebenintervenientin schloss am mit dem in ihrem Unternehmen gebildeten Gesamtbetriebsrat die „Gesamtbetriebsvereinbarung zur Einführung des Vergütungssystems ERA Niederlassungen in den Niederlassungen, TruckStores und Logistik-Centern der D AG ‚ERA-NDL‘“ (GBV Einführung ERA-NDL) sowie die am in Kraft getretene „Gesamtbetriebsvereinbarung zum Vergütungssystem ‚ERA-NDL‘ in den Niederlassungen, TruckStores und Logistik-Centern der D AG“ (GBV ERA-NDL). Letztere regelt nach ihrer Nr. 1 „die Grundsätze der Vergütung für die Beschäftigten in den M-Niederlassungen, TruckStores und Logistik-Centern der D AG in Deutschland“. Nach Nr. 2 GBV ERA-NDL setzt sich das Entgelt der Beschäftigten in den Niederlassungen aus drei Entgeltbestandteilen - dem tariflichen Grundentgelt, dem tariflichen Leistungsentgelt und der tariflichen Erschwerniszulage - zusammen. Grundlage für die Ermittlung des Grundentgeltanspruchs der Beschäftigten ist nach Nr. 2.2.1 Abs. 2 GBV ERA-NDL die zugeordnete Arbeitsaufgabe. Gemäß Nr. 2.2.3 GBV ERA-NDL hat der Beschäftigte Anspruch auf Grundentgelt derjenigen Entgeltgruppe, die der Zuordnung der im Rahmen der festgelegten Arbeitsorganisation ausgeführten Arbeitsaufgabe zu einem (Arbeits-)Richtbeispiel entspricht. Für das Leistungsentgelt legt Nr. 2.3 GBV ERA-NDL zwei Modelle - LEG I und II - fest. Das Leistungsentgelt nach LEG I besteht aus den drei Komponenten Mehrleistungsprämie, Teamqualitätsprämie und Zulage für individuelles Arbeitsverhalten (Nr. 2.3.1 GBV ERA-NDL). Während Grundlage für die Ermittlung der Mehrleistungsprämie nach Nr. 2.3.1.1 GBV ERA-NDL ua. die „Gesamtbetriebsvereinbarung zum ‚Leistungslohn in den Niederlassungen vom in der Fassung vom ‘“ ist, legen Nr. 2.3.1.2 und Nr. 2.3.1.4 GBV ERA-NDL Vorgaben für die Ermittlung der beiden weiteren Komponenten fest. Nr. 2.3.2 GBV ERA-NDL regelt die Bestimmung des Leistungsentgelts nach dem LEG II; Nr. 2.4 GBV ERA-NDL trifft nähere Festlegungen zum Grund und zur Höhe einer Erschwerniszulage. Nr. 2.5 GBV ERA-NDL enthält Regelungen zum „Ausgleichsbetrag“ und zu einer ggf. zu zahlenden „Zulage für Altangestellte nach BV Effizienzsteigerung“, wobei für „Entstehung und Abbau“ dieser Entgeltbestandteile auf die GBV Einführung ERA-NDL verwiesen wird.

3Am schlossen die IG Metall und die Tarifgemeinschaft für Betriebe des Kraftfahrzeug- und Tankstellengewerbes Baden-Württemberg e. V. den nach seinem Geltungsbereich räumlich und fachlich „für die M-Niederlassungen, TruckStores und Logistik-Center der D AG in Baden-Württemberg“ geltenden Zusatztarifvertrag (ZTV BW). Dieser lautet auszugsweise:

4In der Anlage 1 zum ZTV BW ist ein Entgeltgruppenschlüssel niedergelegt, in dem 17 Entgeltgruppen jeweils Prozentsätze zugeordnet sind, wobei das Grundentgelt der Eckentgeltgruppe EG 7 (100 %) zur Berechnung der Entgelte für die Standorte 2.296,31 Euro (Stand Dezember 2009) beträgt.

5Am vereinbarten die IG Metall und die Tarifgemeinschaft des Kfz-Gewerbes Schleswig-Holstein e. V. einen „Ergänzungstarifvertrag“ (ETV SH) mit folgendem Inhalt:

6Die Anlage 1 zum ETV SH - Berechnung der Entgelte für die Standorte - listet für die beiden Niederlassungen L und K den „Eckwert EG 7“ - beginnend mit einem „Startwert“ iHv. 2.195,73 Euro unter dem Datum „“ und prozentualen Steigerungen (: 1,20 %; : 1,70 % und : 1,10 %) - als Nennwert auf. Der Eckwert wurde in der Folgezeit tariflich fortgeschrieben.

7Im Jahr 2014 beschloss die Nebenintervenientin eine Neuausrichtung ihres Eigenvertriebs. Mit dem Gesamtbetriebsrat traf sie hierzu am die „Rahmenbetriebsvereinbarung zur Umsetzung von Customer Dedication sowie der Neuorganisation der Niederlassungen der D AG und der Zukunftssicherung des Eigenvertriebs der D AG“ (RBV), welche auszugsweise lautet:

8In der Anlage 7 zur RBV sind die Konditionen für den Nachteilsausgleich nach Ziff. V Nr. 3 Buchst. a RBV festgelegt. Neben der Gewährung eines Mindestbetrags und einer Wechselprämie - bei Vollzeitbeschäftigten jeweils 10.000,00 Euro - ist die Zahlung eines Ausgleichsbetrags als Vielfaches des Bruttomonatseinkommens in Abhängigkeit vom Lebensalter unter Berücksichtigung eines nach Betriebszugehörigkeitsjahren gestaffelten sog. Korrekturfaktors vorgesehen.

9Am schlossen die Nebenintervenientin und zwei weitere Unternehmen mit der IG Metall den rückwirkend zum in Kraft getretenen „Tarifvertrag zur Umsetzung von Customer Dedication sowie der Neuorganisation der Niederlassungen und der TruckStores der D AG und der Zukunftssicherung des Eigenvertriebs der D AG“ (TV N 2015). Dieser sieht ua. Folgendes vor:

10Die in der Anlage 5 zur RBV aufgelistete Niederlassung K wurde von der Nebenintervenientin an die nicht tarifgebundene Beklagte veräußert, die den Betrieb derselben fortführte. Das Arbeitsverhältnis des Klägers ging infolgedessen im Wege eines Betriebsübergangs zum auf die Beklagte über. Diese gewährt dem Kläger ein Entgelt nach den Tarifverträgen des Kraftfahrzeuggewerbes Schleswig-Holstein. Die Nebenintervenientin zahlte dem Kläger gemäß Ziff. V Nr. 3 Buchst. a RBV einen Nachteilsausgleich iHv. 84.908,32 Euro brutto. Zudem trägt sie im Hinblick auf seine betriebliche Altersversorgung für einen Zeitraum von zehn Jahren ab Betriebsübergang weiterhin monatliche Beiträge.

11Der Kläger hat mit seiner Klage zuletzt die Zahlung von Entgeltdifferenzen geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, ihm stehe ein Anspruch auf ein Entgelt in zuletzt von der Nebenintervenientin bezogener Höhe zu. Dieser ergebe sich bereits aus den nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB in sein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten transformierten Bestimmungen des ETV SH und des ZTV BW. Jedenfalls folge er aus dem Zusammenspiel dieser Regelungen mit der nach dem Betriebsübergang normativ fortgeltenden GBV ERA-NDL. Deren Aufhebung sei unwirksam, weil dadurch § 613a Abs. 1 BGB in unzulässiger Weise umgangen werde. Zudem fehle es an der erforderlichen Zustimmung beider Tarifvertragsparteien.

12Der Kläger hat zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen,

13Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

14Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

15Die Nebenintervenientin hat im Revisionsverfahren vorgetragen, dass nach Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht sowohl die Tarifgemeinschaft für Betriebe des Kraftfahrzeug- und Tankstellengewerbes Baden-Württemberg e. V. mit Schreiben vom als auch die Tarifgemeinschaft des Kfz-Gewerbes Schleswig-Holstein e. V. mit Schreiben vom erklärt haben, sie stimmten „- auch rückwirkend -“ den „Änderungen“ der GBV ERA-NDL, „insbesondere der Aufhebung“ der GBV ERA-NDL „für die vom Verkauf betroffenen Niederlassungen … 24 Stunden vor dem jeweiligen tatsächlichen Betriebs(teil)übergang … umfassend, d.h. insbesondere auch für die Vergangenheit, zu“. Der Kläger hat mitgeteilt, dass er diesen Vortrag nicht bestreite.

Gründe

16Die Revision des Klägers ist erfolglos. Die Vorinstanzen haben im Ergebnis zu Recht angenommen, dass die Klage unbegründet ist. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Zahlung der begehrten Entgeltdifferenzen zu.

17I. Entgegen der Ansicht der Revision folgt dieser nicht aus den nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB infolge des Betriebsübergangs in das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Beklagten transformierten Regelungen des ZTV BW iVm. dem ETV SH.

181. § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB bestimmt für den Fall eines Betriebsübergangs, dass die durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder einer Betriebsvereinbarung geregelten Rechte und Pflichten zum „Inhalt des Arbeitsverhältnisses“ werden und vor Ablauf eines Jahres nach dem Betriebsübergang nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden dürfen. Danach gehen die in einem normativ beim Veräußerer geltenden Tarifvertrag geregelten Rechte und Pflichten der Arbeitnehmer bei einem Betriebsübergang als sog. transformierte Normen - statisch - in das Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Erwerber ein. Dieser muss die Verpflichtung aus dem zuvor geltenden Kollektivrecht gegenüber den übergegangenen Arbeitnehmern erfüllen. Die normative Fortgeltungsanordnung transformierter Bestimmungen eines Tarifvertrags unter Beibehaltung ihres kollektivrechtlichen Charakters betrifft „Rechte und Pflichten“ im Arbeitsverhältnis und erfasst damit grundsätzlich Inhaltsnormen, die „im Zeitpunkt des Übergangs“ beim Veräußerer in einem unmittelbar und zwingend geltenden Tarifvertrag geregelt sind (vgl.  - Rn. 34 mwN, BAGE 167, 264).

192. Danach sind die (Inhalts-)Normen des ZTV BW, die aufgrund der Bezugnahme in Nr. 2 Abs. 1 ETV SH auch für die unter den räumlichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich des ETV SH fallenden Arbeitnehmer der Niederlassung K gelten, zwar nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB Inhalt des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses geworden. Denn die tariflichen Regelungen galten vor dem Betriebsübergang auf die nicht tarifgebundene Beklagte am im Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Nebenintervenientin kraft beiderseitiger Tarifbindung gemäß § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG unmittelbar und zwingend. Die tariflichen Bestimmungen des ZTV BW iVm. dem ETV SH begründen jedoch allein noch keinen Anspruch des Klägers auf Zahlung eines bestimmten Arbeitsentgelts, da sie nicht alle für die Ermittlung eines individuellen Entgeltanspruchs maßgebenden Bestandteile regeln. Einen solchen Anspruch vermögen sie nur im Zusammenspiel mit den ergänzenden Bestimmungen der GBV ERA-NDL zu vermitteln.

20a) Der in Nr. 2 Abs. 1 ETV SH in Bezug genommene ZTV BW regelt nur einzelne Elemente der für die Berechnung eines individuellen Entgeltanspruchs erforderlichen Voraussetzungen; die Festlegung der notwendigen weiteren Einzelheiten sollte der - bei Abschluss beider Tarifverträge schon vereinbarten und in Nr. 3.1 ZTV BW ausdrücklich von den Tarifvertragsparteien in den Blick genommenen - GBV ERA-NDL vorbehalten sein. Hiervon ist das Landesarbeitsgericht zu Recht ausgegangen.

21aa) Nr. 3.2 ZTV BW und die dort genannte Anlage 1 enthalten ebenso wie Nr. 3.3 und Nr. 3.5 ZTV BW iVm. Nr. 2 Abs. 1 ETV SH lediglich Vorgaben für die Struktur des Entgelts, die generelle Höhe des Grund- und des Leistungsentgelts sowie zum Ausgleichsbetrag. Danach setzt sich das Entgelt der Arbeitnehmer aus einem Grundentgelt, einem Leistungsentgelt, ggf. einer Erschwerniszulage sowie einem Ausgleichsbetrag zusammen. In Bezug auf das Grundentgelt gibt der ZTV BW einen Entgeltgruppenschlüssel vor, aus dem sich die Anzahl der verschiedenen Entgeltgruppen und die prozentuale Höhe des für jede Entgeltgruppe zu zahlenden Grundentgelts - ausgehend von der Eckentgeltgruppe EG 7 - ergibt. Maßgaben, mittels derer sich die Höhe des dem einzelnen Arbeitnehmer individuell zu gewährenden Grundentgelts ermitteln ließe, enthalten die Tarifverträge nicht. Insbesondere fehlt es an Regelungen über die Zuordnung der Arbeitsaufgaben des Arbeitnehmers zu einer der 17 Entgeltgruppen. Vielmehr legt Nr. 3.2 Satz 3 ZTV BW ausdrücklich fest, dass das „Verfahren der Grundentgeltfindung … durch Gesamtbetriebsvereinbarung geregelt“ wird. Schon dies zeigt, dass die Tarifvertragsparteien nur einzelne für die Ermittlung eines individuellen Zahlungsanspruchs erforderliche Elemente selbst regeln und dies im Übrigen den (Gesamt-)Betriebsparteien überlassen wollten. Dementsprechend enthalten die Bestimmungen unter Nr. 2 GBV ERA-NDL nähere Einzelheiten zur Berechnung des individuellen Grundentgeltanspruchs. Erst aus dem Zusammenspiel der tariflichen Vorgaben mit den Regelungen in Nr. 2.2.1 Abs. 2 und in Nr. 2.2.3 GBV ERA-NDL lässt sich ableiten, wie hoch das dem einzelnen Arbeitnehmer zu zahlende Grundentgelt ist.

22bb) Entsprechendes gilt für das Leistungsentgelt und die Erschwerniszulage.

23Zwar normiert Nr. 3.3 Satz 1 ZTV BW iVm. Nr. 2 Abs. 1 ETV SH die „minimal[e]“ und „maximal[e]“ Höhe des Leistungsentgelts. Die für die Ermittlung eines konkreten Betrags zwingend erforderliche weitere Regelung obliegt jedoch nach Nr. 3.3 Satz 2 ZTV BW den Gesamtbetriebsparteien; diese haben das „Verfahren zur Bestimmung des Leistungsentgelts“ zu regeln. Im Einklang hiermit legen die weiteren Bestimmungen unter Nr. 2.3 GBV ERA-NDL fest, wie die Höhe des individuell zu zahlenden Leistungsentgelts - das nach den tariflichen Bedingungen einen bestimmten prozentualen Wert des Grundentgelts nicht überschreiten darf - jeweils zu ermitteln ist. Ohne die Vorgaben in der GBV ERA-NDL ist die Berechnung eines (etwaigen) Zahlungsanspruchs der Arbeitnehmer nicht möglich.

24Dies betrifft auch die Erschwerniszulage. Der ZTV BW enthält keinerlei Vorschriften, aus denen sich ergibt, wann, an wen und in welcher Höhe eine solche Zulage zu zahlen wäre. Wie der ausdrückliche Verweis in Nr. 3.3 Satz 3 ZTV BW auf Nr. 2.4 GBV ERA-NDL zeigt, sind die insoweit notwendigen Festlegungen („Voraussetzungen und Höhe“) vielmehr den Gesamtbetriebsparteien vorbehalten.

25cc) Den Ausgleichsbetrag haben die Tarifvertragsparteien in Nr. 3.5 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ZTV BW näher definiert und in Abs. 2 der Norm Maßgaben für seine Erhöhung, seine arbeitszeitabhängige Berechnung und seine Berücksichtigung bei „Durchschnittsberechnungen aller Art“ sowie bei der Berechnung des „Alterssicherungsbetrages“ getroffen. Im Übrigen sieht Abs. 1 Satz 3 der Tarifnorm ausdrücklich vor, dass „Entstehung und Ermittlung des Ausgleichsbetrages … durch Gesamtbetriebsvereinbarung geregelt“ werden. Damit sollte die nähere Ausgestaltung dieses Vergütungselements ebenfalls auf betrieblicher Ebene erfolgen. Entsprechend dieser Regelungsbefugnis sind die weiteren Einzelheiten für die Berechnung des Ausgleichsbetrags in Nr. 2.5 GBV ERA-NDL festgeschrieben.

26b) Auch die Annahme des Klägers, die transformierten tariflichen Bestimmungen des ZTV BW iVm. Nr. 2 Abs. 1 ETV SH seien jedenfalls infolge einer Unwirksamkeit der GBV ERA-NDL wegen eines Verstoßes gegen die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG geeignet, einen (höheren) Entgeltanspruch gegen die Beklagte zu begründen, vermag der Revision nicht zum Erfolg zu verhelfen. Eine Gesamtunwirksamkeit der GBV ERA-NDL hätte nicht zur Folge, dass die im Arbeitsverhältnis mit der Beklagten weitergeltenden tariflichen Normen eine ausreichende rechtliche Grundlage für die Begründung eines Vergütungsanspruchs des Klägers bilden würden. Im Übrigen verstößt die GBV ERA-NDL auch nicht gegen die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG, da ihre vergütungs(system)relevanten Bestimmungen nach dem ZTV BW iVm. Nr. 2 Abs. 1 ETV SH iVm. als konkrete, ergänzende Regelungen mit dem in der GBV ERA-NDL niedergelegten Geltungsbereich iSv. § 77 Abs. 3 Satz 2 BetrVG ausdrücklich zugelassen sind (vgl. ausf. dazu  - Rn. 40 ff., BAGE 167, 264).

27II. Der Anspruch des Klägers auf Zahlung einer höheren Vergütung folgt auch nicht aus der GBV ERA-NDL iVm. den nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB transformierten (Inhalts-)Normen des ZTV BW iVm. Nr. 2 Abs. 1 ETV SH. Die GBV ERA-NDL gilt in der Niederlassung K nicht normativ fort. Sie wurde durch Ziff. V Nr. 2 Unterpunkt 4 RBV 24 Stunden vor dem Übergang des Arbeitsverhältnisses des Klägers auf die Beklagte wirksam aufgehoben.

281. Der dem Streit der Parteien zugrunde liegende Sachverhalt unterfällt dem Geltungsbereich der RBV nach deren unter Buchst. A Satz 1 getroffenen Regelungen.

292. Die Voraussetzungen von Ziff. V Nr. 2 Unterpunkt 4 RBV liegen vor. Der Betrieb der Niederlassung K ist in der Anlage 5 zur RBV angeführt und mit Wirkung zum auf die Beklagte als Betriebserwerberin übergegangen.

303. Ziff. V Nr. 2 Unterpunkt 4 RBV ist auch nicht unwirksam.

31a) Unschädlich ist, dass die Norm eine an den Tatbestand des Betriebs(teil)übergangs anknüpfende 24-stündige „Vorwirkung“ der Aufhebung der GBV ERA-NDL anordnet.

32aa) Die Parteien einer Betriebsvereinbarung können von ihnen getroffene Regelungen jederzeit für die Zukunft abändern. Die neue Betriebsvereinbarung kann auch für Arbeitnehmer ungünstigere Bestimmungen enthalten. Im Verhältnis zweier gleichrangiger Normen gilt nicht das Günstigkeitsprinzip, sondern die Zeitkollisionsregel. Danach geht die jüngere Norm der älteren vor. Allerdings kann eine neue Betriebsvereinbarung bereits entstandene Ansprüche der Arbeitnehmer nicht ohne Weiteres schmälern oder entfallen lassen. Die Möglichkeit einer solchen Rückwirkung normativer Regelungen ist durch das Vertrauensschutz- und das Verhältnismäßigkeitsprinzip beschränkt ( - Rn. 51 mwN, BAGE 167, 264).

33bb) Hiervon ausgehend enthält Ziff. V Nr. 2 Unterpunkt 4 RBV keine Regelung, mit der rückwirkend in bereits entstandene Ansprüche der Arbeitnehmer eingegriffen würde. Auch hat der Kläger nicht etwa vorgebracht, dass sich seine bei der Nebenintervenientin bezogene Vergütung für die letzten 24 Stunden vor dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte wegen der Aufhebung der GBV ERA-NDL nicht mehr nach dieser bemessen habe.

34b) Ziff. V Nr. 2 Unterpunkt 4 RBV ist auch nicht deshalb unwirksam, weil die Regelung nicht mit § 75 BetrVG vereinbar ist. Weder verstößt die Bestimmung gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz noch stellt sie eine Gesetzesumgehung dar.

35aa) Soweit die Bestimmungen der RBV nach den (in der Anlage 5 zur RBV näher bezeichneten) „Niederlassungen und/oder Betriebsteile[n]“, die auf Betriebserwerber übergehen - und für die 24 Stunden vor den jeweiligen Betriebs(teil)übergängen ua. die GBV ERA-NDL ohne Nachwirkung aufgehoben ist - und den anderen Niederlassungen einschließlich ihrer Betriebe und Betriebsteile differenzieren, verstößt die damit bewirkte Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf die jeweiligen Betriebs(teil)erwerber übergeht, gegenüber den anderen unter den Geltungsbereich der RBV nach ihrem Buchst. A Satz 1 fallenden Arbeitnehmern nicht gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 BetrVG. Selbst wenn hierin eine personenbezogene Ungleichbehandlung läge, wäre diese gerechtfertigt. Denn die Gruppenbildung dient dem legitimen Zweck, die zu veräußernden Betriebe bzw. Betriebsteile wettbewerbsfähig zu machen, und ist zur Erreichung dieses Zwecks sowohl erforderlich als auch angemessen (vgl. ausf. dazu  - Rn. 55 ff. - insbes. Rn. 59 ff. - mwN, BAGE 167, 264).

36bb) Ziff. V Nr. 2 Unterpunkt 4 RBV verstößt nicht aus anderen Gründen gegen § 75 BetrVG. Entgegen der Auffassung der Revision dient die Bestimmung keiner Umgehung von § 613a Abs. 1 BGB.

37(1) Regelungen einer Betriebsvereinbarung verstoßen gegen § 75 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BetrVG, wenn mit ihnen der einer zwingend-gesetzlichen Norm zugrunde liegende Zweck vereitelt wird. Denn die Normsetzungsbefugnis der Betriebsparteien kann sich nicht darauf beziehen, einen gesetzlich missbilligten Erfolg durch Umgehung des entsprechenden Gesetzes zu erreichen.

38(2) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass dies bei der rechtlichen Gestaltung von Ziff. V Nr. 2 Unterpunkt 4 RBV nicht der Fall ist.

39(a) Bei der Aufhebung des mit der GBV ERA-NDL geregelten Vergütungssystems für die auf Erwerber übergehenden Betriebe bzw. Betriebsteile des Eigenvertriebs der Nebenintervenientin durch Ziff. V Nr. 2 Unterpunkt 4 RBV gilt die Zeitkollisionsregel. Die jüngere Norm geht der älteren vor und löst diese ab, auch wenn erstere die bisherige Rechtsposition der Arbeitnehmer verschlechtert. Eine Einschränkung dieser Zeitkollisionsregel wegen der Verknüpfung von Ziff. V Nr. 2 Unterpunkt 4 RBV mit dem Anlass des tatsächlichen Übergangs näher bezeichneter Betriebe bzw. Betriebsteile auf ihre Erwerber geben weder § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG noch § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB vor. Diese normieren kein prinzipielles „Veränderungsverbot“ oder „Beibehaltungsgebot“ vom Veräußerer geschlossener Betriebsvereinbarungen in dessen Betrieb ( - Rn. 65 mwN, BAGE 167, 264).

40(b) Zudem haben die Betriebsparteien mit Ziff. V Nr. 2 Unterpunkt 4 RBV nicht allein auf solche Fallgestaltungen abgehoben, in denen es zu einer Weitergeltung der Regelungen der GBV ERA-NDL beim Betriebserwerber kommen kann. Gilt im Erwerberbetrieb ein mit dem dort gebildeten Betriebsrat vereinbartes betriebliches Vergütungssystem, gilt bei einer nicht identitätswahrenden Übernahme eines der in Anlage 5 zur RBV angeführten Betriebe das Ablösungsprinzip des § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB. Nach dieser Vorschrift greift § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB nicht ein, wenn die Rechte und Pflichten bei dem neuen Inhaber durch eine andere Betriebsvereinbarung geregelt werden. Schon deshalb ist Ziff. V Nr. 2 Unterpunkt 4 RBV weder eine missbräuchliche Rechtsgestaltung noch eine „Gesetzesumgehung“ von § 613a Abs. 1 BGB (vgl.  - Rn. 66, BAGE 167, 264).

41(c) Unionsrechtliche Erwägungen gebieten kein anderes Ergebnis.

42(aa) Nach Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 1 der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom erhält der Erwerber die in einem Kollektivvertrag vereinbarten Arbeitsbedingungen nach dem Übergang bis zur Kündigung oder zum Ablauf des Kollektivvertrags bzw. bis zum Inkrafttreten oder bis zur Anwendung eines anderen Kollektivvertrags in dem gleichen Maße aufrecht, wie sie in dem Kollektivvertrag für den Veräußerer vorgesehen waren. Allerdings ist es zulässig, dass die beim Veräußerer kollektivvertraglich festgelegten Arbeitsbedingungen unmittelbar ab dem Zeitpunkt des Übergangs nicht mehr gelten, sofern einer der in Unterabs. 1 des Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2001/23/EG genannten Fälle - Kündigung oder Ablauf des Kollektivvertrags bzw. Inkrafttreten oder Anwendung eines anderen Kollektivvertrags - eintritt. Mit der Richtlinie 2001/23/EG soll soweit wie möglich gewährleistet sein, dass der Arbeitsvertrag oder das Arbeitsverhältnis mit dem Erwerber in unveränderter Form fortgesetzt wird, um zu verhindern, dass sich die Lage der betroffenen Arbeitnehmer allein aufgrund des Übergangs verschlechtert ( - [Unionen] Rn. 18; - C-328/13 - [Österreichischer Gewerkschaftsbund] Rn. 27; - C-386/09 - [Briot] Rn. 26; vgl. auch  - [Celtec] Rn. 26).

43(bb) In der Rechtssache „Scattolon“ ( -) hat der Gerichtshof der Europäischen Union - Gerichtshof - angenommen, dass dem Erwerber und den anderen Vertragsparteien ein Spielraum eingeräumt ist, um die Integration der übergegangenen Arbeitnehmer in die beim Erwerber vorhandene Entgeltstruktur so zu gestalten, dass dabei die Umstände des fraglichen Übergangs angemessen berücksichtigt werden. Diese Modalitäten müssen aber mit dem Ziel der Richtlinie vereinbar sein. Dieses Ziel besteht darin, zu verhindern, dass sich die Lage der übergegangenen Arbeitnehmer allein aufgrund dieses Übergangs verschlechtert (vgl. zur Richtlinie 77/187/EWG  - [Scattolon] Rn. 75). Es ist Sache des nationalen Gerichts zu prüfen, ob die Ausnutzung dieses Spielraums zum Ziel oder zur Folge hat, den Arbeitnehmern insgesamt schlechtere Arbeitsbedingungen als die vor dem Übergang geltenden aufzuerlegen. Zudem unterliegt es der Beurteilungskompetenz des nationalen Gerichts, ob eine Verschlechterung vorliegt und diese hinzunehmen ist (vgl. zur Richtlinie 77/187/EWG  - [Scattolon] Rn. 76, 82 f.).

44(cc) Ob es sich bei der Regelung in Ziff. V Nr. 2 Unterpunkt 4 RBV um eine anlässlich des Betriebsübergangs getroffene (Kollektiv-)Vereinbarung handelt, hinsichtlich derer die Ausführungen des Gerichtshofs in der Rechtssache „Scattolon“ einschlägig sind, kann offenbleiben. Unabhängig davon, dass sich dieser Entscheidung - was die im vorliegenden Streitfall ohnehin nicht einschlägige Ablösung eines beim Veräußerer geltenden Kollektivvertrags durch einen beim Erwerber geltenden Kollektivvertrag angeht - kein generelles Verschlechterungsverbot entnehmen lässt (ausf.  - Rn. 93; - 4 AZR 445/17 - Rn. 44), ergäbe eine Prüfung im Ergebnis keine für den Kläger nicht hinzunehmende Verschlechterung. Er hat zwar durch die Aufhebung der GBV ERA-NDL nicht unerhebliche Entgelteinbußen zu verzeichnen. Diese sind aber mit dem ausgekehrten Nachteilsausgleich für einen nicht unangemessenen Zeitraum kompensiert. Eine „Garantie“ der Beibehaltung der Arbeitsbedingungen im Falle des Betriebsübergangs bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses - ggf. sogar bis zum Renteneintritt - ist nach der Richtlinie 2001/23/EG offenkundig nicht vorgegeben. Diese sieht in ihrem Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 2 die Möglichkeit vor, dass die Mitgliedstaaten den Zeitraum der Aufrechterhaltung der Arbeitsbedingungen begrenzen können. Außerdem verlangt der Gerichtshof mit Bezug auf Art. 3 der Richtlinie 2001/23/EG in anderem Zusammenhang ausdrücklich Anpassungsmöglichkeiten für den Erwerber ( und C-681/15 - [Asklepios Kliniken Langen-Seligenstadt] Rn. 29), die das nationale Recht in Form von Änderungsvertrag und Änderungskündigung vorsieht (vgl.  - Rn. 45 ff., BAGE 160, 87). Gegen eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen des Klägers insgesamt spricht im Übrigen auch die Absicherung seiner betrieblichen Altersversorgung. Diese kann ab Übergang der Mitarbeiter auf den Erwerber für eine Dauer von zehn Jahren nicht eingeschränkt werden, wobei ihre Kosten in diesem Zeitraum von der Nebenintervenientin getragen werden.

45(dd) Im Hinblick auf vorstehende Ausführungen bedarf es keiner Vorlage an den Gerichtshof nach Art. 267 Abs. 3 AEUV. Die Unionsrechtslage zur Zulässigkeit der Ablösung von Kollektivvereinbarungen ist im Sinne eines „acte éclairé“ geklärt (ausf.  - Rn. 88 ff.; - 4 AZR 445/17 - Rn. 43).

46c) Die Wirksamkeit von Ziff. V Nr. 2 Unterpunkt 4 RBV scheitert auch nicht an der Regelungssperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG. Zwar liegt in der mit ihr bewirkten Aufhebung der GBV ERA-NDL für die näher bezeichneten Betriebe eine Änderung dieser Gesamtbetriebsvereinbarung, die der Zustimmung der Verbandstarifvertragsparteien bedurfte. Diese wurde jedoch von den Tarifvertragsparteien erteilt.

47aa) Entgegen der Auffassung der Beklagten und der Nebenintervenientin enthält Ziff. V Nr. 2 Unterpunkt 4 RBV eine Änderung der GBV ERA-NDL, die der durch § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG geschützten tariflichen Gestaltungsmacht vorbehalten ist. Die Aufhebung der GBV ERA-NDL für die von einem Betriebsübergang erfassten Niederlassungen betrifft die mit dem ZTV BW iVm. dem ETV SH festgelegten tariflichen Vorgaben für das Entgeltsystem und -niveau und ist damit für eine betriebsverfassungsrechtliche Gestaltung nicht geöffnet. Denn die verbandstarifvertraglichen Bestimmungen legen gemeinsam mit ihren jeweiligen Anlagen 1 für die beiden Niederlassungen in Schleswig-Holstein die zu gewährenden Entgeltbestandteile, die zugrunde zu legenden Entgeltgruppen nebst den zwischen ihnen maßgebenden prozentualen Abständen und die hierauf bezogene eckentgeltgruppenbezogene Berechnungsgröße fest. Damit sperren die Regelungen des ZTV BW iVm. ETV SH dem die betriebsbezogene „Aufhebung“ der GBV ERA-NDL. Soweit die Beklagte und die Nebenintervenientin hiergegen einwenden, der Senat ginge damit „implizit“ davon aus, die Tarifvertragsparteien hätten eine Geltung der GBV ERA-NDL angeordnet, übersehen sie, dass eine vollständige Aufhebung derselben nicht der Zustimmung der tarifvertragschließenden Parteien bedurft hätte.

48bb) Damit handelt es sich bei Ziff. V Nr. 2 Unterpunkt 4 RBV um eine (Gesamt-)Betriebsvereinbarungsbestimmung, die der ausdrücklichen Gestattung der Tarifvertragsparteien iSv. § 77 Abs. 3 Satz 2 BetrVG (iVm. dem nach dem ZTV BW iVm. dem ETV SH gestalteten Zustimmungsvorbehalt) bedarf. Eine solche liegt vor.

49(1) Nach § 77 Abs. 3 Satz 2 BetrVG gilt die Tarifsperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG nicht, wenn „ein Tarifvertrag“ den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen zulässt. Soweit Nr. 5 Abs. 1 Satz 2 ZTV BW iVm. Nr. 2 Abs. 1 ETV SH regelt, dass Änderungen der GBV ERA-NDL der „Zustimmung“ der Tarifvertragsparteien bedürfen, begegnet dies keinen Bedenken. Im Rahmen von § 77 Abs. 3 Satz 2 BetrVG haben die Tarifvertragsparteien darüber zu befinden, ob und inwieweit sie den Betriebsparteien die diesen durch § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG entzogene Gestaltungsmacht zurückgeben. Dieser Schutzzweck erlaubt auch die Billigung einer tarifabweichenden Betriebsvereinbarung durch Zustimmungserklärungen der Tarifvertragsparteien. Vor diesem Hintergrund ist es vorliegend ebenso unbedenklich, dass nach Nr. 4 ETV SH bei zustimmungspflichtigen Betriebsvereinbarungen die Zustimmungserklärungen der tarifvertragschließenden Parteien des ZTV BW maßgeblich sein sollen.

50(2) Die Zustimmungen beider Tarifvertragsparteien zu der mit Ziff. V Nr. 2 Unterpunkt 4 RBV geregelten betriebsbezogenen Aufhebung der GBV ERA-NDL liegen vor.

51(a) Die den ZTV BW abschließende IG Metall hat ihre Zustimmung in Ziff. V TV N 2015 erteilt. Nach dieser Bestimmung hat sie - als „Klarstellung“ verfasst - „etwaigen … Änderungen der bestehenden“ GBV ERA-NDL und damit auch der Regelung von Ziff. V Nr. 2 Unterpunkt 4 RBV zugestimmt. Die Zustimmung entfällt nicht deshalb, weil Ziff. VI Abs. 2 TV N 2015 vorsieht, dass dieser Tarifvertrag „bei einem Verkauf eines Niederlassungs(teil)betriebs 24 Stunden vor dem jeweiligen tatsächlichen Betriebs(teil)übergang ohne Nachwirkung für die Verkaufsstandorte mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben“ wird. Die Aufhebung hat lediglich zur Folge, dass die vereinbarten tariflichen Regelungen ersatzlos enden, nicht aber, dass die Wirkung der - einmal erteilten - einseitigen Zustimmungserklärung entfällt.

52(b) Auch die - nach Nr. 4 ETV SH für den tarifvertragschließenden Arbeitgeberverband des ETV SH wirkende - Zustimmung des den ZTV BW schließenden Arbeitgeberverbands wurde zwischenzeitlich erteilt. Die Nebenintervenientin hat im Laufe des Revisionsverfahrens vorgetragen, dass die Tarifgemeinschaft für Betriebe des Kraftfahrzeug- und Tankstellengewerbes Baden-Württemberg e. V. mit Schreiben vom rückwirkend den „Änderungen“ der GBV ERA-NDL, „insbesondere der Aufhebung“ der GBV ERA-NDL „für die vom Verkauf betroffenen Niederlassungen … 24 Stunden vor dem jeweiligen tatsächlichen Betriebs(teil)übergang … umfassend, d.h. insbesondere auch für die Vergangenheit“ zugestimmt hat. Dieser Sachvortrag ist - obwohl erstmalig in der Revision gehalten - berücksichtigungsfähig. Zwar unterliegt nach § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO nur dasjenige Parteivorbringen der Beurteilung des Revisionsgerichts, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Die Norm ist allerdings einschränkend dahin auszulegen, dass auch Tatsachen, die erst während des Revisionsverfahrens oder nach Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz eingetreten sind, in die Urteilsfindung einfließen können, soweit sie unstreitig sind oder ihr Vorliegen in der Revisionsinstanz ohnehin von Amts wegen zu beachten ist und schützenswerte Belange der Gegenseite nicht entgegenstehen (vgl.  - Rn. 16 mwN;  - Rn. 44 mwN). Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Die Zustimmungserklärung der Tarifgemeinschaft für Betriebe des Kraftfahrzeug- und Tankstellengewerbes Baden-Württemberg e. V. wurde erst mit Schreiben vom und damit nach Schluss der mündlichen Verhandlung in der zweiten Instanz abgegeben. Der Kläger hat ausdrücklich mitgeteilt, dass er diesen Vortrag nicht bestreite. Schützenswerte Belange des Klägers, die einer Berücksichtigung dieses Vortrags entgegenstehen, sind nicht ersichtlich. Angesichts der Entscheidung des Senats vom (- 1 AZR 213/18 - BAGE 167, 264) musste der Kläger damit rechnen, dass die Beklagte bzw. die Nebenintervenientin die aus Sicht des Senats fehlende Zustimmung des Arbeitgeberverbands zur Änderung der GBV ERA-NDL einholen würde.

53(c) Die Wirksamkeit beider Zustimmungen begegnet auch unter dem Gesichtspunkt der Rückwirkung keinen Bedenken. Nach § 184 Abs. 1 BGB kann eine Zustimmung in Form einer Genehmigung auch nachträglich erfolgen. Die Genehmigung wirkt dann auf den Zeitpunkt der „Vornahme des Rechtsgeschäfts“ - mithin auf den Abschluss der RBV - zurück. Aus § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG folgt nichts anderes. So wie die Tarifvertragsparteien durch eine Öffnungsklausel iSv. § 77 Abs. 3 Satz 2 BetrVG auch nachträglich Betriebsvereinbarungen genehmigen können (vgl.  - Rn. 41 mwN, BAGE 167, 264), können sie einer im Hinblick auf die tarifliche Regelungssperre genehmigungsbedürftigen Änderung derselben auch rückwirkend zustimmen.

54III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 101 Abs. 1 Halbs. 1 ZPO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2020:151220.U.1AZR499.18.0

Fundstelle(n):
BB 2021 S. 755 Nr. 12
NJW 2021 S. 10 Nr. 13
VAAAH-73071