Urheberrechtsverletzung im Internet: Öffentliche Zugänglichmachung der Stellungnahme eines privaten Bauinteressenten in einem bauplanungsrechtlichen Verfahren im Rahmen der Beteiligung der Öffentlichkeit – Kastellaun
Leitsatz
Kastellaun
1. Die Stellungnahme eines privaten Bauinteressenten in einem bauplanungsrechtlichen Verfahren, die die Behörde im Zuge der Beteiligung der Öffentlichkeit im Vorfeld einer bauplanungsrechtlichen Entscheidung mittels Verlinkung auf ihren Internetauftritt öffentlich zugänglich macht, ist kein amtliches Werk im Sinne des § 5 UrhG.
2. Macht eine Behörde im Rahmen eines Verfahrens der Bauleitplanung eine bei ihr eingegangene Stellungnahme eines privaten Bauinteressenten im Internet mittels Verlinkung auf ihren Internetauftritt öffentlich zugänglich, handelt es sich um eine nach § 45 Abs. 1 und 3 UrhG zulässige Verwendung in einem Verfahren vor einer Behörde, wenn die Voraussetzungen der Veröffentlichungspflicht nach § 4a Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB vorliegen und ein hinreichender sachlicher und zeitlicher Zusammenhang zum bauplanungsrechtlichen Verfahren besteht.
3. Im Falle der öffentlichen Zugänglichmachung über das Internet ist der nach § 45 UrhG erforderliche hinreichende sachliche Zusammenhang zum behördlichen Verfahren gegeben, wenn sie mittels einer Verlinkung auf den behördlichen Internetauftritt erfolgt und durch die Art der Präsentation ein Bezug zum konkreten Verwaltungsverfahren hergestellt wird. Der erforderliche anfängliche zeitliche Zusammenhang besteht jedenfalls, wenn das behördliche Verfahren bereits begonnen hat. Mit dem Abschluss des behördlichen Verfahrens endet die Zulässigkeit der von § 45 UrhG erfassten Handlungen.
Gesetze: § 2 Abs 1 Nr 7 UrhG, § 2 Abs 2 UrhG, § 5 UrhG, § 19a UrhG, § 45 Abs 1 UrhG, § 45 Abs 3 UrhG, § 3 Abs 2 S 1 BauGB, § 4a Abs 4 S 1 BauGB
Instanzenzug: OLG Zweibrücken Az: 4 U 37/18 Urteilvorgehend LG Frankenthal Az: 6 O 187/17 Urteilnachgehend OLG Zweibrücken Az: 4 U 37/18 Urteil
Tatbestand
1Die Klägerin bietet unter ihrer Internetadresse Landkarten und Stadtpläne an. Nutzer können sich nach Eingabe einer Adresse kostenfrei bestimmte Kartenausschnitte anzeigen lassen. Eine darüber hinausgehende Nutzung, etwa die Verwendung von Kartenausschnitten im Rahmen von Internetauftritten, bietet die Klägerin zur Lizenzierung an.
2Die Beklagte, die Verbandsgemeinde Kastellaun, stellte auf der von ihr für die verbandsangehörige Stadt Kastellaun betriebenen Internetseite eine Karte ein, an der die Klägerin die ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte hat. Die Beklagte hatte das Kartenmaterial im Rahmen eines bauplanungsrechtlichen Verfahrens zur Umgestaltung eines Supermarkts als inhaltlichen Bestandteil des von einem Bauwilligen beauftragten Exposés eines privaten Planungsbüros erhalten, mit dem eine "atypische Fallgestaltung" im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 4 BauNVO geltend gemacht wurde. Hiermit wollte die Beklagte der sie gemäß § 4a Abs. 4 BauGB treffenden Pflicht genügen, Planungsunterlagen in das Internet einzustellen. Die Beklagte verfügte über kein Nutzungsrecht an dem Kartenausschnitt.
3Nach erfolgloser Abmahnung hat die Klägerin Klage erhoben und beantragt, die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen,
es zu unterlassen, den nachfolgend abgebildeten Kartenausschnitt der Öffentlichkeit über das Internet zugänglich zu machen, wie unter der URL "http://www.stadt-kastellaun.de/fileadmin/user_upload/downloads/Bebauungsplaene/Kastellaun/Kastellaun-Aldi/ALDI_ KastellaunAtypik_klein.pdf?PHPSESSID=307d7-ce809a41709a65126177e1fd40d" geschehen:
4Das Landgericht hat die Klage abgewiesen (LG Frankenthal, Urteil vom - 6 O 187/17, juris). Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht der Klage stattgegeben (OLG Zweibrücken, GRUR-RR 2019, 343). Die Beklagte verfolgt mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
Gründe
5I. Das Berufungsgericht hat den geltend gemachten Unterlassungsanspruch als begründet angesehen. Hierzu hat es ausgeführt:
6Der Kartenausschnitt sei als Darstellung wissenschaftlich-technischer Art urheberrechtlich geschützt. Die Beklagte habe in das Recht der Klägerin zur öffentlichen Zugänglichmachung widerrechtlich eingegriffen, indem sie den Kartenausschnitt ohne Zustimmung der Klägerin auf der von ihr betreuten Internetseite der Stadt Kastellaun eingestellt habe. Der Kartenausschnitt sei nicht als amtliches Werk urheberrechtsfrei. Die Rechtfertigung für die Freistellung amtlicher Werke vom Urheberrecht beruhe auf zwei Gedanken. Zum Ersten müsse ein allgemeines Bedürfnis dafür bestehen, dass nicht nur amtliche Stellen, sondern jedermann berechtigt sein solle, das amtliche Werk zu nutzen. Zum Zweiten erhalte der regelmäßig im öffentlichen Dienst tätige Urheber für seine Leistung eine Besoldung dafür, dass er auch amtliche Werke verfasse. Ein amtliches Werk liege daher nur dann vor, wenn das betroffene Werk von vornherein öffentlichen Zwecken zu dienen bestimmt gewesen sei. Hingegen dürften nicht Werke, die ursprünglich nicht zu amtlichen Zwecken erstellt worden seien, zu amtlichen Äußerungen umgewidmet werden. Im Streitfall bestehe schon kein allgemeines Publizitätsinteresse am Kartenausschnitt. Es habe keinen regelnden Charakter, so dass ihm die Singularität eines regelnden Werks, aus dem sich das Publizitätsgebot speise, nicht anhafte. Es könne vielmehr ohne weiteres entgeltlich auf dem Markt beschafft werden. Das Kartenmaterial der Klägerin sei auch weder ursprünglich im öffentlichen Auftrag noch zu amtlichen Zwecken geschaffen worden. Die Freistellung privater Werke vom Urheberrechtsschutz sei im Blick auf die grundrechtliche Eigentumsgarantie allenfalls zulässig, sofern solche Werke mit - im Streitfall fehlender - Zustimmung des Urhebers in amtlichen Verlautbarungen Verwendung fänden.
7II. Die Revision hat Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch gemäß § 97 Abs. 1 UrhG in Verbindung mit § 19a UrhG nicht zugesprochen werden. Zwar ist der betroffene Kartenausschnitt ein urheberrechtlich schutzfähiges Werk, an dem die Klägerin die ausschließlichen Nutzungsrechte innehat (dazu II 1), und kein nach § 5 Abs. 1 und 2 UrhG vom Urheberrechtsschutz ausgeschlossenes amtliches Werk (dazu II 2). Die angegriffene Handlung stellt auch einen Eingriff in das der Klägerin zustehende Recht zur öffentlichen Zugänglichmachung gemäß § 19a UrhG dar (dazu II 3). Das Berufungsgericht hat allerdings nicht geprüft, ob die Schrankenbestimmung des § 45 UrhG dem geltend gemachten Anspruch entgegensteht (dazu II 4).
81. Gegen die Annahme des Berufungsgerichts, dass der betroffene Kartenausschnitt ein urheberrechtlich schutzfähiges Werk im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 UrhG ist, an dem die Klägerin die ausschließlichen Nutzungsrechte innehat, wendet sich die Revision nicht. Rechtsfehler sind insoweit auch nicht ersichtlich.
92. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der als Bestandteil des Exposés veröffentlichte Kartenausschnitt kein amtliches Werk im Sinne des § 5 UrhG ist.
10a) Nach § 5 Abs. 1 UrhG genießen Gesetze, Verordnungen, amtliche Erlasse und Bekanntmachungen sowie Entscheidungen und amtlich verfasste Leitsätze zu Entscheidungen keinen urheberrechtlichen Schutz. Das gleiche gilt nach § 5 Abs. 2 UrhG für andere amtliche Werke, die im amtlichen Interesse zur allgemeinen Kenntnisnahme veröffentlicht worden sind, mit der Einschränkung, dass die Bestimmungen über Änderungsverbot und Quellenangabe in § 62 Abs. 1 bis 3 und § 63 Abs. 1 und 2 UrhG entsprechend anzuwenden sind. § 5 Abs. 1 und 2 UrhG setzen mithin gleichermaßen ein amtliches Werk voraus. Liegt ein solches nicht vor, kommt es nicht darauf an, ob es sich um ein § 5 Abs. 1 UrhG oder § 5 Abs. 2 UrhG unterfallendes Werk handelt und ob im zuletzt genannten Fall die weitere Voraussetzung erfüllt ist, dass das Werk im amtlichen Interesse zur allgemeinen Kenntnisnahme veröffentlicht worden ist.
11b) Amtliche Werke im Sinne des § 5 UrhG sind die von einem Amt herrührenden Werke, also Werke, die von den diesem Amt oder einem anderen Amt angehörenden Bediensteten stammen oder die von dem Amt nicht angehörenden Privatpersonen geschaffen worden sind, die das Amt selbst oder durch Dritte hinzugezogen hat. Ob ein amtliches Werk vorliegt, ist nach den Gesamtumständen des Einzelfalls, zu denen auch die Entstehung des Werks und die Art seiner Übernahme durch das Amt gehören, zu bestimmen (vgl. , GRUR 1982, 37, 40 [juris Rn. 33 f.] - WK-Dokumentation; Urteil vom - I ZR 145/84, GRUR 1987, 166, 167 [juris Rn. 20] - AOK-Merkblatt). Die Würdigung durch das Berufungsgericht hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
12c) Der Kartenausschnitt stammt ebenso wenig wie das Exposé von der Beklagten oder einem anderen Amt angehörenden Bediensteten. Der Kartenausschnitt ist vielmehr ebenso wie das Exposé von dem Amt nicht angehörenden Privatpersonen geschaffen worden, die das Amt weder selbst noch durch Dritte hinzugezogen hat.
13d) Ohne Erfolg beruft sich die Revision darauf, der Charakter als amtliches Werk ergebe sich daraus, dass die Beklagte sich den Inhalt des Exposés zu eigen gemacht habe.
14aa) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wollte die Beklagte mit der Einstellung des Exposés in das Internet ihrer aus § 4a Abs. 4 Satz 1 BauGB folgenden Pflicht zur Veröffentlichung von Unterlagen im bauplanungsrechtlichen Verfahren genügen. Nach § 4a Abs. 4 Satz 1 BauGB, der die Beteiligung der Öffentlichkeit im Verfahren der Bauleitplanung betrifft, ist der Inhalt der ortsüblichen Bekanntmachung nach § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB und sind die nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB auszulegenden Unterlagen zusätzlich in das Internet einzustellen und über ein zentrales Internetportal des Landes zugänglich zu machen. Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB sind die Entwürfe der Bauleitpläne, ihre Begründung sowie die nach Einschätzung der Gemeinde wesentlichen, bereits vorliegenden umweltbezogenen Stellungnahmen öffentlich auszulegen. Nach den weiteren Feststellungen des Berufungsgerichts hatte ein privates Stadtplanungsbüro das Exposé im Auftrag eines Unternehmens, das die Erweiterung seines Supermarkts beabsichtigte, abgefasst und legte darin die Voraussetzungen eines sogenannten atypischen Falls im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 4 BauNVO dar.
15bb) Die Revision verweist zutreffend darauf, dass die Abfassung eines Werks durch eine Privatperson der Annahme eines amtlichen Werks nicht entgegensteht, wenn das Werk nach den Gesamtumständen des Einzelfalls infolge einer Übernahme durch das Amt als von diesem herrührend anzusehen ist (vgl. BGH, GRUR 1982, 37, 40 [juris Rn. 34] - WK-Dokumentation; , GRUR 1990, 1003, 1004 [juris Rn. 17 f.] - DIN-Normen; Urteil vom - I ZR 175/03, BGHZ 168, 266 Rn. 15 f. - Vergaberichtlinien).
16Hiervon ist allerdings auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts, hinsichtlich derer die Revision keine revisionsrechtlich beachtlichen Rechtsfehler aufzeigt, nicht auszugehen. Der inhaltliche Charakter des Exposés als Stellungnahme im Auftrag eines bauinteressierten privaten Unternehmens wird durch seine Veröffentlichung im Vorfeld der planungsrechtlichen Beschlussfassung nicht berührt. Der Inhalt des Exposés erscheint durch die Veröffentlichung nicht - wie für die Einordnung als amtliches Werk erforderlich (vgl. BGHZ 168, 266 Rn. 15 - Vergaberichtlinien) - als eigenverantwortliche Willenserklärung der Beklagten. Gegenstand der Veröffentlichung ist und bleibt eine private Stellungnahme, die nicht allein dadurch als von der Beklagten herrührend anzusehen ist, dass diese sie zu Informationszwecken veröffentlicht.
17e) Die Revision bringt ohne Erfolg vor, das Exposé erlange amtlichen Charakter, weil der darin in Bezug genommene Bebauungsplan ein amtliches Werk im Sinne des § 5 Abs. 1 UrhG sei. Dieses Vorbringen steht mit den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht in Einklang, nach denen die Beklagte das Exposé veröffentlicht hat, um ihrer Pflicht zur Veröffentlichung von Unterlagen im bauplanungsrechtlichen Verfahren gemäß § 4a Abs. 4 Satz 1 BauGB im Vorfeld der Entscheidungsfindung über den Bebauungsplan zu genügen, um also über den Inhalt einer bei der Beklagten eingegangenen Stellungnahme zu informieren. Die Revision zeigt diesen Feststellungen zugrundeliegende Rechtsfehler nicht auf, verweist insbesondere nicht auf vom Berufungsgericht übergangenen Vortrag der Beklagten.
183. Gegen die Annahme des Berufungsgerichts, dass die angegriffene Handlung der Beklagten einen Eingriff in das der Klägerin zustehende Recht zur öffentlichen Zugänglichmachung gemäß § 19a UrhG darstellt, wendet sich die Revision nicht. Rechtsfehler sind insoweit auch nicht ersichtlich.
194. Das Berufungsgericht hat allerdings nicht geprüft, ob die Schrankenregelung des § 45 Abs. 1 und 3 UrhG dem geltend gemachten Anspruch entgegensteht. Der Senat kann nicht abschließend entscheiden, da noch Feststellungen zu treffen sind.
20III. Danach ist das angegriffene Urteil auf die Revision der Beklagten aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Für das wiedereröffnete Berufungsverfahren wird auf Folgendes hingewiesen:
211. Das Berufungsgericht wird zu prüfen haben, ob die Voraussetzungen der Schrankenregelung des § 45 Abs. 1 und 3 UrhG vorliegen.
22a) Nach § 45 Abs. 1 und 3 UrhG ist die Herstellung und die öffentliche Wiedergabe (einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung) von einzelnen Vervielfältigungsstücken von Werken zur Verwendung in Verfahren vor einer Behörde zulässig. Diese Regelung setzt Art. 5 Abs. 3 Buchst. e der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft in nationales Recht um und ist daher richtlinienkonform auszulegen. Nach Art. 5 Abs. 3 Buchst. e der Richtlinie 2001/29/EG können die Mitgliedstaaten Ausnahmen und Beschränkungen in Bezug auf das Vervielfältigungsrecht und das Recht zur öffentlichen Wiedergabe einschließlich des Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung für die Nutzung zur Sicherstellung des ordnungsgemäßen Ablaufs von Verwaltungsverfahren vorsehen.
23b) Unter einem Verfahren vor einer Behörde im Sinne von § 45 Abs. 1 UrhG ist ein Vorgang vor einer Aufgaben der öffentlichen Verwaltung von Bund, Ländern oder Kommunen wahrnehmenden Stelle zu verstehen, der einer Entscheidungsfindung für einen nicht rein internen Vorgang zur Regelung eines Einzelfalls vorangeht (Dreyer in Dreyer/Kotthoff/Meckel/Hentsch, Urheberrecht, 4. Aufl., § 45 UrhG Rn. 5; Melichar/Stieper in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl., § 45 UrhG Rn. 5). § 45 Abs. 1 und 3 UrhG erlaubt die Herstellung und die öffentliche Zugänglichmachung einzelner Vervielfältigungsstücke von Werken durch jeden Verfahrensbeteiligten und damit auch durch die Behörde (Lüft in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 5. Aufl., § 45 UrhG Rn. 4).
24c) Das Berufungsgericht wird zu prüfen haben, ob hinsichtlich des Exposés die Voraussetzungen der Veröffentlichungspflicht nach § 4a Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 2 BauGB vorliegen. Diese Vorschriften ermöglichen eine allgemeine Kenntnisnahme von Planungsunterlagen und gewährleisten so die für die demokratische Teilhabe der Bürger an Planungsentscheidungen der Gemeinde erforderliche Beteiligung der Öffentlichkeit im bauleitplanungsrechtlichen Verfahren (vgl. Battis in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 14. Aufl., § 3 Rn. 3; Krautzberger in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 127. Lieferung Oktober 2017, § 3 Rn. 11). Die Zugänglichmachung einer nach diesen Vorschriften zu veröffentlichenden Stellungnahme erfolgt in einem Verfahren vor einer Behörde im Sinne des § 45 Abs. 1 UrhG (vgl. Grünberger, ZUM 2020, 175, 186; Grohmann, GRURPrax 2019, 216).
25d) Das Berufungsgericht wird zu prüfen haben, ob der für die Verwendung in Verfahren vor einer Behörde im Sinne des § 45 UrhG erforderliche sachliche und zeitliche Zusammenhang mit dem behördlichen Verfahren besteht. Im Falle der öffentlichen Zugänglichmachung über das Internet ist ein hinreichender sachlicher Zusammenhang zum behördlichen Verfahren gegeben, wenn sie mittels einer Verlinkung auf den behördlichen Internetauftritt erfolgt und durch die Art der Präsentation ein Bezug zum konkreten Verwaltungsverfahren hergestellt wird. Der erforderliche anfängliche zeitliche Zusammenhang besteht jedenfalls, wenn das behördliche Verfahren bereits begonnen hat (vgl. Dustmann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 12. Aufl., § 45 UrhG Rn. 3; Melichar/Stieper in Schricker/Loewenheim aaO § 45 UrhG Rn. 6). Mit dem Abschluss des behördlichen Verfahrens endet die Zulässigkeit der von § 45 UrhG erfassten Handlungen.
262. Die Privilegierung der öffentlichen Zugänglichmachung des Kartenausschnitts ist weiter der Prüfung nach dem Drei-Stufen-Test des Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 2001/29/EG zu unterziehen.
27a) Nach Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 2001/29/EG dürfen die in Art. 5 Abs. 1, 2, 3 und 4 genannten Ausnahmen und Beschränkungen - wie hier die in Art. 5 Abs. 3 Buchst. e der Richtlinie 2001/29/EG genannte und mit § 45 UrhG umgesetzte Beschränkung - (erste Stufe) nur in bestimmten Sonderfällen angewandt werden, in denen (zweite Stufe) die normale Verwertung des Werks oder sonstigen Schutzgegenstands nicht beeinträchtigt wird und (dritte Stufe) die berechtigten Interessen des Rechtsinhabers nicht ungebührlich verletzt werden. Diese Regelung enthält in erster Linie eine Gestaltungsanordnung gegenüber dem nationalen Gesetzgeber in Bezug auf die im Einzelnen zu konkretisierenden Schranken des Urheberrechts. Darüber hinaus ist der Dreistufentest Maßstab für die Anwendung der einschlägigen Vorschriften des Urheberrechtsgesetzes im Einzelfall (vgl. , GRUR 2020, 853 Rn. 56 bis 60 = WRP 2020, 1043 - Afghanistan-Papiere II, mwN).
28b) Die Erfordernisse des Drei-Stufen-Tests dürften im Falle der öffentlichen Zugänglichmachung eines Werks, die eine Behörde während eines bauplanungsrechtlichen Verfahrens vornimmt und hinsichtlich derer die Voraussetzungen der nach § 4a Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB bestehenden Veröffentlichungspflicht vorliegen, regelmäßig gewahrt sein. Es handelt sich bei § 45 UrhG um die Regelung eines bestimmten Sonderfalls (erste Stufe). Eine Beeinträchtigung der normalen Verwertung des Werks (zweite Stufe) dürfte nicht vorliegen, weil nicht zu erwarten ist, dass durch die öffentliche Zugänglichmachung in die Primärverwertung des Kartenausschnitts der Klägerin eingegriffen wird. Es dürfte auch an einer ungebührlichen Verletzung der berechtigten Interessen des Rechtsinhabers fehlen (dritte Stufe), weil das mit der öffentlichen Zugänglichmachung des Kartenausschnitts im Streitfall verfolgte Ziel der demokratischen Teilhabe der Bürger an Planungsentscheidungen der Gemeinde die damit für die Klägerin verbundene Beeinträchtigung überwiegen dürfte.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:210121UIZR59.19.0
Fundstelle(n):
IAAAH-72556