BGH Urteil v. - IX ZR 64/20

Insolvenzanfechtung: Eintritt der rechtlichen Wirkungen einer Rechtshandlung; Beurteilung der subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung bei mittelbarer Zuwendung; Tilgung der Steuerschuld einer GmbH durch Zahlung vom Privatkonto ihres Geschäftsführers

Leitsatz

1. Die rechtlichen Wirkungen einer Rechtshandlung treten ein, wenn eine Rechtsposition begründet wird, die ohne Anfechtung bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens beachtet werden müsste; auf den Eintritt einer Benachteiligung der Gläubigergesamtheit kommt es nicht an.

2. Wird eine mittelbare Zuwendung gegenüber dem Leistungsempfänger angefochten, die in der Weise bewirkt worden ist, dass ein Geldbetrag auf das Konto einer Zwischenperson überwiesen wurde und diese den Betrag an den Leistungsempfänger durch Überweisung weitergeleitet hat, ist die Wertstellung auf dem Konto des Leistungsempfängers der für die Beurteilung der subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung maßgebliche Zeitpunkt.

3. Werden Steuerverbindlichkeiten einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung durch Zahlungen vom Privatkonto ihres Geschäftsführers beglichen, steht es der Kenntnis des Finanzamts von einer nach den objektiven Umständen anzunehmenden, die Gesamtheit ihrer Gläubiger benachteiligenden Rechtshandlung der GmbH nicht ohne weiteres entgegen, dass der Geschäftsführer infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Pflichtverletzung für die Verbindlichkeiten haftet.

Gesetze: § 133 Abs 1 InsO, § 140 Abs 1 InsO, § 69 AO

Instanzenzug: Az: 2 U 37/19vorgehend Az: 16 O 233/18

Tatbestand

1Der Kläger ist Verwalter in dem am eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der H.                   GmbH (nachfolgend: Schuldnerin). Der Verfahrenseröffnung waren ein Fremdantrag des beklagten Landes vom und ein Eigenantrag vom vorausgegangen. Unter dem Gesichtspunkt der Vorsatzanfechtung verlangt der Kläger zuletzt noch Rückgewähr dreier Steuerzahlungen, die über das private Girokonto des Geschäftsführers der Schuldnerin an das zuständige Finanzamt des Beklagten geflossen sind.

2Die am gegründete Schuldnerin befand sich seit Ende 2013 in finanziellen Schwierigkeiten. Rücklastschriften und Vollstreckungsmaßnahmen waren die Folge. Insbesondere Sozialversicherungsbeiträge leistete die Schuldnerin nicht mehr ordnungsgemäß. Wegen rückständiger Lohnsteuer für den Monat November 2013 und rückständiger Umsatzsteuer für die Monate Oktober und November 2013 erließ das Finanzamt am eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung über 17.029,42 €. Die beabsichtigte Pfändung des dem Finanzamt bekannten Kontos der Schuldnerin ging ins Leere, weil das Konto bereits vor Zustellung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung gekündigt worden war. Am versuchte das Finanzamt in das bewegliche Vermögen der Schuldnerin zu vollstrecken. Der Vollstreckungsversuch verlief fruchtlos.

3Die erste noch streitgegenständliche Zahlung von 5.000 € erhielt das Finanzamt am durch Überweisung vom Privatkonto des Geschäftsführers der Schuldnerin unter Angabe von deren Steuernummer. Dem war vorausgegangen die Überweisung eines Betrags in nämlicher Höhe vom Geschäftskonto der Schuldnerin auf das Privatkonto ihres Geschäftsführers. Die Wertstellung auf dem Privatkonto erfolgte am . Im Verwendungszweck der Überweisung der Schuldnerin an ihren Geschäftsführer waren das Finanzamt und die Steuernummer der Schuldnerin aufgeführt. Die zweite und dritte Zahlung erfolgten in entsprechender Weise. Am erhielt das Finanzamt durch Überweisung vom Privatkonto des Geschäftsführers 2.500 €, am weitere 2.000 €. Beträge in entsprechender Höhe waren am 27. Mai und von der Schuldnerin auf das Privatkonto ihres Geschäftsführers überwiesen worden. Auch diese Überweisungen erfolgten unter Benennung des Finanzamts und der Steuernummer der Schuldnerin; im Verwendungszweck der Überweisungen des Geschäftsführers an das Finanzamt war die Steuernummer der Schuldnerin angegeben.

4Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg gehabt. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Berufungsbegehren weiter.

Gründe

5Die Revision hat Erfolg. Das Rechtsmittel führt zur Verurteilung des Beklagten, wie vom Kläger zuletzt beantragt.

I.

6Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Rückgewähr der drei im zweiten Rechtszug noch streitgegenständlichen Zahlungen aus §§ 143, 133 InsO. Zwar stehe der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin zur sicheren Überzeugung des Berufungsgerichts fest. Kenntnis von diesem Vorsatz habe das beklagte Land zwar noch nicht am , jedenfalls aber seit dem fruchtlosen Vollstreckungsversuch in das bewegliche Vermögen der Schuldnerin am gehabt. In keiner der drei streitgegenständlichen Zahlungen liege allerdings eine Schuldnerhandlung im Sinne des § 133 Abs. 1 InsO, durch welche die Gläubiger der Schuldnerin benachteiligt worden seien. Aus Sicht des Beklagten seien die Zahlungen als solche auf die Haftungsschuld des Geschäftsführers der Schuldnerin aus § 69 AO und nicht als solche auf die Steuerschuld der Schuldnerin anzusehen. Die Schuldnerin und ihr Geschäftsführer seien Gesamtschuldner gemäß § 44 AO gewesen. Vor diesem Hintergrund stelle sich die Frage, auf wessen Verbindlichkeit die Zahlungen des Geschäftsführers erfolgt seien. Dies beurteile sich aus der Sicht des Zahlungsempfängers. Lasse sich den zur Kenntnis des Zahlungsempfängers gelangten Umständen nicht entnehmen, wessen Schuld der zahlende Gesamtschuldner habe begleichen wollen, sei davon auszugehen, dass eine Tilgung der eigenen Schuld beabsichtigt gewesen sei.

II.

7Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten rechtlicher Prüfung nicht stand. Die zuletzt noch streitgegenständlichen Zahlungen in Höhe von 5.000 €, 2.500 € und 2.000 € sind gemäß § 133 Abs. 1 InsO in der bis zum geltenden Fassung des Gesetzes vom (BGBl. I S. 2866; nachfolgend § 133 Abs. 1 InsO aF) anfechtbar. Der mit der Klage verfolgte Anspruch findet demnach seine Grundlage in § 143 Abs. 1 InsO.

81. Bei allen drei Zahlungen handelte es sich um Schuldnerhandlungen im Sinne des § 133 Abs. 1 InsO aF, die zu einer Gläubigerbenachteiligung gemäß § 129 Abs. 1 InsO geführt haben. Dies beurteilt sich nach den objektiven Umständen. Ohne Bedeutung ist, ob die Umstände dem Anfechtungsgegner zur Kenntnis gelangt sind.

9a) Bestreitet der Anfechtungsgegner, von einer die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligenden Rechtshandlung des Schuldners Kenntnis erlangt zu haben, obwohl eine solche nach den objektiven Umständen anzunehmen ist, steht in Fällen der Vorsatzanfechtung allein seine Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners infrage (vgl. , WM 2013, 2074 Rn. 17 ff; vom - IX ZR 104/13, WM 2013, 2231 Rn. 12 ff; vom - IX ZR 88/17, WM 2018, 958 Rn. 7 ff).

10Der von § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO aF verlangte Benachteiligungsvorsatz des Schuldners knüpft an die von ihm vorgenommene, eine Gläubigerbenachteiligung hervorrufende Rechtshandlung an. Spiegelbildlich muss der Anfechtungsgegner erkannt haben, dass die Rechtshandlung des Schuldners dessen Gläubiger benachteiligt und dass der Schuldner dies auch wollte. Der Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis des Anfechtungsgegners sind mithin auf die gläubigerbenachteiligende Rechtshandlung des Schuldners bezogen ( aaO Rn. 18). Deshalb muss der Anfechtungsgegner neben der Willensrichtung des Schuldners auch die von diesem ausgehende Rechtshandlung nebst der dadurch hervorgerufenen Gläubigerbenachteiligung im Allgemeinen erkannt haben ( aaO Rn. 7).

11Die vom Berufungsgericht unter dem Gesichtspunkt einer die Gläubigergesamtheit benachteiligenden Schuldnerhandlung erörterte Frage, ob der Beklagte annehmen durfte, die streitgegenständlichen Zahlungen seien auf eine aus § 69 AO folgende Haftungsschuld des Geschäftsführers der Schuldnerin erfolgt, stellt sich folglich erst, wenn es um die Kenntnis des Beklagten vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin geht.

12b) Nach den maßgeblichen objektiven Umständen beruhten alle drei Zahlungen an das Finanzamt des Beklagten auf Rechtshandlungen der Schuldnerin. Diese haben eine objektive Gläubigerbenachteiligung bewirkt.

13aa) Der Umstand, dass die Schuldnerin die Zahlungen nicht selbst an das Finanzamt geleistet hat, steht der Annahme einer Schuldnerhandlung nicht entgegen. Die Schuldnerin hat die Gelder ihrem Geschäftsführer durch Überweisungen auf sein Privatkonto zur Verfügung gestellt. Dem dabei jeweils angegebenen Verwendungszweck, der Bezeichnung des Finanzamts und der Angabe der Steuernummer der Schuldnerin, war zu entnehmen, dass die Überweisung der Gelder nicht zur freien Verfügung durch den Geschäftsführer erfolgte, sondern zur Begleichung von Steuerverbindlichkeiten der Schuldnerin durch die dann auch erfolgte Weiterleitung an das Finanzamt. Dem entspricht es, dass die Zahlungen bei der Schuldnerin buchhalterisch als "aconto"-Zahlungen auf Umsatzsteuerverbindlichkeiten für das laufende Jahr erfasst wurden. Danach handelte es sich um mittelbare Zuwendungen der Schuldnerin an das Finanzamt und deshalb um Schuldnerhandlungen im Sinne des § 133 Abs. 1 InsO aF (vgl. , NZI 2011, 189 Rn. 8 mwN).

14bb) Die nach § 129 Abs. 1 InsO erforderliche Gläubigerbenachteiligung ist schon durch die Überweisung der Gelder an den Geschäftsführer eingetreten. Dadurch ist das der Gläubigergesamtheit haftende Vermögen der Schuldnerin verkürzt worden. Dass bis zur bestimmungsgemäßen Weiterleitung der Gelder an das Finanzamt noch ein Herausgabeanspruch der Schuldnerin gegen den Geschäftsführer bestanden haben mag, hindert den Eintritt der Gläubigerbenachteiligung nicht (vgl. , WM 2015, 1996 Rn. 10 mwN). Das Erlöschen eines Herausgabeanspruchs gegen den Geschäftsführer durch die Weiterleitung der Gelder hätte zudem eine weitere Gläubigerbenachteiligung bewirkt (vgl. , BGHZ 193, 129 Rn. 12).

152. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Schuldnerin die mittelbaren Zuwendungen mit dem Vorsatz vorgenommen hat, ihre Gläubiger zu benachteiligen.

16a) Der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz ist eine innere, dem unmittelbaren Beweis nur schwer zugängliche Tatsache. Der Vorsatz kann deshalb meist nur mittelbar aus den objektiven Begleitumständen hergeleitet werden. Der Tatrichter hat die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO aF gemäß § 286 ZPO unter Würdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zu prüfen, welche als Erfahrungswerte für und gegen den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners sprechen. Dabei hat er die in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten Beweisanzeichen zu berücksichtigen (vgl. , WM 2020, 1919 Rn. 17 mwN). Zu diesen Beweisanzeichen zählen die vom Schuldner erkannte Zahlungsunfähigkeit (, WM 2017, 2319 Rn. 8; Beschluss vom - IX ZR 171/18, ZInsO 2020, 893 Rn. 10) und die erkannte nur drohende Zahlungsunfähigkeit (, ZIP 2014, 183 Rn. 9; vom - IX ZR 84/13, ZIP 2016, 374 Rn. 15).

17b) Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht berücksichtigt. Seine Annahme, die Schuldnerin habe mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gehandelt, begegnet aus revisionsrechtlicher Sicht auch sonst keinen Bedenken. Das Berufungsgericht hat sich entsprechend dem Gebot des § 286 ZPO mit dem Prozessstoff umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt. Seine Beweiswürdigung ist vollständig und rechtlich möglich, sie verstößt nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze (vgl. , WM 2015, 591 Rn. 15; vom - IX ZR 84/13, aaO Rn. 10).

183. In den nach § 140 InsO maßgeblichen Zeitpunkten kannte der Beklagte den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin.

19Für die Kenntnis des Beklagten streitet die unwiderlegt gebliebene gesetzliche Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO aF. Nach dieser Vorschrift wird die Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners vermutet, wenn der Anfechtungsgegner wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte. Diese Voraussetzungen liegen für alle drei Zahlungen vor.

20a) Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Beklagte die zumindest drohende Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin zwar noch nicht am 23. Mai, jedenfalls aber am kannte. Auch hier handelt es sich um eine tatrichterliche Würdigung, deren revisionsrechtliche Kontrolle sich darauf beschränkt, ob der Tatrichter sich entsprechend dem Gebot des § 286 ZPO mit dem Prozessstoff umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat. Dem wird die Würdigung des Berufungsgerichts gerecht. Es hat maßgeblich auf den fruchtlosen Vollstreckungsversuch am abgestellt. Die bis zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Beweisanzeichen hätten noch keinen hinreichend sicheren Schluss auf die zumindest drohende Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin zugelassen. Aufgrund des Vollstreckungsversuchs vom habe das Finanzamt davon ausgehen müssen, dass die Schuldnerin - nach Kündigung des ihm bekannten Geschäftskontos - auch nicht mehr über bewegliches Vermögen verfügte, das zum Ausgleich der seinerzeit bestehenden nicht unerheblichen Steuerverbindlichkeiten (mindestens 32.674,44 €) hätte verwertet werden können. Die Würdigung des Berufungsgerichts ist vollständig und rechtlich möglich, sie verstößt weder gegen Denkgesetze noch laufen ihr Erfahrungssätze zuwider.

21b) Die Kenntnis von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit jedenfalls ab dem führt zur Anfechtbarkeit aller drei noch streitgegenständlichen Zahlungen. Insbesondere die Anfechtung der ersten Zahlung in Höhe von 5.000 € ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Schuldnerin einen Betrag in dieser Höhe bereits vor Kenntniserlangung am auf das Privatkonto ihres Geschäftsführers überwiesen hatte. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung ist die Wertstellung auf dem Konto des Beklagten. Die Wertstellung der ersten Zahlung ist am erfolgt, die der weiteren beiden Zahlungen danach.

22aa) Ob die Voraussetzungen eines Anfechtungstatbestands gegeben sind, beurteilt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen in dem nach § 140 InsO maßgeblichen Zeitpunkt. Für die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO aF gilt nichts Anderes. Wird eine mittelbare Zuwendung, wie im Streitfall, dadurch bewirkt, dass der Schuldner Gelder an den Leistungsmittler überträgt, die bestimmungsgemäß an einen seiner Gläubiger weitergeleitet werden sollen, kommen zwei Zeitpunkte in Betracht - der Eingang der Gelder beim Leistungsmittler oder deren Weiterleitung an den Gläubiger. Welches der maßgebliche Zeitpunkt ist, hat der Bundesgerichtshof noch nicht ausdrücklich entschieden (vgl. aber , BGHZ 174, 228 Rn. 28).

23bb) Im Schrifttum wird ersichtlich einhellig auf den Zeitpunkt des Eingangs der Gelder beim Leistungsmittler abgestellt (MünchKomm-InsO/Kirchhof/Piekenbrock, 4. Aufl., § 140 Rn. 32; Uhlenbruck/Borries/Hirte, InsO, 15. Aufl., § 140 Rn. 7; Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, 4. Aufl., § 140 Rn. 7; vgl. auch Kuhn, KTS 1963, 65, 77; ders., WM 1964, 998, 1004). Dies wird mit der bereits mit dem Abfluss der Gelder beim Schuldner eintretenden Vermögensminderung begründet (MünchKomm-InsO/Kirchhof/Piekenbrock, aaO; Uhlenbruck/Borries/Hirte, aaO; vgl. auch Kuhn, KTS 1963, 65, 77; ders., WM 1964, 998, 1004).

24cc) Diese Auffassung trifft nicht zu. Richtig ist allerdings, dass bereits der Abfluss der Gelder beim Schuldner eine Vermögensminderung bewirkt (vgl. , ZIP 2016, 426 Rn. 28). Auf den Eintritt dieser Vermögensminderung kommt es jedoch jedenfalls dann nicht an, wenn eine mittelbare Zuwendung gegenüber dem Leistungsempfänger angefochten wird.

25Gemäß § 140 Abs. 1 InsO gilt eine Rechtshandlung als in dem Zeitpunkt vorgenommen, in dem ihre rechtlichen Wirkungen eintreten. Die Norm bringt den Rechtsgedanken zum Ausdruck, dass der Zeitpunkt entscheiden soll, in dem durch die Handlung eine Rechtsposition begründet worden ist, die bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens ohne die Anfechtung beachtet werden müsste (BT-Drucks. 12/2443, S. 166; , BGHZ 157, 350, 353). Der Zeitpunkt der Begründung der nach § 140 Abs. 1 InsO maßgeblichen Rechtsposition und der Eintritt der nach § 129 Abs. 1 InsO für jede Anfechtung erforderlichen objektiven Gläubigerbenachteiligung fallen häufig, aber nicht notwendig zusammen (vgl. MünchKomm-InsO/Kirchhof/Piekenbrock, aaO Rn. 5). Für die Bestimmung des nach § 140 Abs. 1 InsO maßgeblichen Zeitpunkts kommt es nur auf die Begründung der Rechtsposition an.

26Die große Mehrzahl der Anfechtungstatbestände begnügt sich mit einer mittelbaren Gläubigerbenachteiligung, die bis zum Schluss der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung im Anfechtungsprozess eintreten kann (vgl. , ZInsO 2012, 2338 Rn. 15). Es liegt auf der Hand, dass es in einem solchen Fall für die Beurteilung der Anfechtungsvoraussetzungen nicht auf den Zeitpunkt des Eintritts der Gläubigerbenachteiligung ankommen kann. Entscheidend ist allein die Begründung der Rechtsposition, in deren Folge (vgl. , BGHZ 143, 246, 253; für das AnfG) es zu der mittelbaren Gläubigerbenachteiligung kommt. Das stand nie infrage. Soweit der Bundesgerichtshof in der Vergangenheit für den nach § 140 Abs. 1 InsO maßgeblichen Zeitpunkt auch auf den Eintritt der Gläubigerbenachteiligung abgestellt hat, betraf dies Fälle, in denen die Begründung der Rechtsposition und der Eintritt der Gläubigerbenachteiligung zusammenfielen (vgl. , BGHZ 156, 350, 357; vom - IX ZR 102/03, BGHZ 170, 196 Rn. 13; vom - IX ZR 86/08, NZI 2009, 644 Rn. 35).

27Da es für die Bestimmung des nach § 140 Abs. 1 InsO maßgeblichen Zeitpunkts auf die Begründung der Rechtsposition ankommt, die bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens ohne die Anfechtung beachtet werden müsste, kann die Gläubigerbenachteiligung der nach § 140 Abs. 1 InsO maßgeblichen Rechtsposition auch vorausgehen. So liegt der Streitfall. Ob und gegebenenfalls wann eine Rechtsposition entstanden ist, die ohne die Anfechtung beachtet werden müsste, kann nicht ohne Rücksicht auf die Person des Anfechtungsgegners beurteilt werden (vgl. MünchKomm-InsO/Kirchhof/Piekenbrock, aaO Rn. 1; Schmidt/Büteröwe, InsO, 19. Aufl., § 140 Rn. 1). Das wird deutlich, wenn man den Fall einer infolge Insolvenzeröffnung steckengebliebenen mittelbaren Zuwendung in den Blick nimmt. Wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners nach Übertragung der Mittel auf den Leistungsmittler, aber vor deren Weiterleitung an den Leistungsempfänger eröffnet, hat sich die Rechtsposition des Leistungsempfängers durch den Abfluss der Gelder aus dem Schuldnervermögen nicht verändert. Vorbehaltlich etwaiger gesondert vereinbarter Zugriffsrechte auf die Gelder gibt es nichts, was ohne eine Anfechtung im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners zu Gunsten des Leistungsempfängers beachtet werden müsste (vgl. G. Fischer, ZIP 2004, 1679, 1682). Daraus folgt, dass der Zeitpunkt des Vermögensabflusses für die Beurteilung der Voraussetzungen der Anfechtung einer mittelbaren Zuwendung gegenüber dem Leistungsempfänger nicht der nach § 140 Abs. 1 InsO maßgebliche sein kann.

28Es ist vielmehr auf die Weiterleitung der Gelder abzustellen. Erfolgt diese, wie im Streitfall, durch Überweisung, ist die maßgebliche Rechtsposition begründet, wenn der Anspruch des Leistungsempfängers gegen seine Bank auf Gutschrift des für ihn bestimmten Geldbetrags entsteht (vgl. , ZInsO 2002, 721). Das entspricht dem Tag der Wertstellung (vgl. § 675t Abs. 1 Satz 2 BGB; , NJW 1997, 3168).

29Diese Sicht der Dinge entspricht dem Grundsatz, dass eine mittelbare Zuwendung so zu behandeln ist, als habe der Leistungsempfänger direkt vom Schuldner erworben (, WM 1998, 968, 975, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 138, 291; vom - IX ZR 204/98, BGHZ 142, 284, 288; vom - IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 Rn. 25). Es gibt keinen Grund, den Empfänger einer mittelbaren Zuwendung dadurch zu bevorzugen, dass der für die Beurteilung der Anfechtungsvoraussetzungen maßgebliche Zeitpunkt auf den Eingang der Gelder beim Leistungsmittler vorverlegt wird. Das gilt insbesondere auch im Blick auf die nach § 133 Abs. 1 InsO aF erforderliche Kenntnis des Leistungsempfängers vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners. Käme es insoweit auf den Vermögensabfluss an, wären die tatsächlichen Verhältnisse zu einem Zeitpunkt entscheidend, in dem der Leistungsempfänger von der an ihn gerichteten Zuwendung regelmäßig noch nichts weiß.

30c) Auch die zweite Voraussetzung des Vermutungstatbestands des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO aF liegt vor. Der Beklagte wusste, dass die Vornahme der Zahlungen die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligte. Er war über die gewerbliche Tätigkeit der Schuldnerin im Bilde und musste daher mit weiteren Gläubigern mit ungedeckten Forderungen rechnen (vgl. , WM 2020, 1074 Rn. 21 mwN). Der Kenntnis von der gläubigerbenachteiligenden Wirkung der Zahlungen steht nicht entgegen, dass diese vom Privatkonto des Geschäftsführers der Schuldnerin erfolgt sind. Der Beklagte durfte nicht annehmen, der Geschäftsführer wolle eine eigene Verbindlichkeit mit eigenen Mitteln erfüllen.

31aa) Die Anforderungen an die subjektiven Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO aF dürfen nicht überspannt werden. Deshalb muss sich der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners nicht gerade auf die später tatsächlich eingetretene Benachteiligung bezogen haben. Ebenso ist es nicht erforderlich, dass der Anfechtungsgegner alle Umstände, aus denen sich der Benachteiligungsvorsatz des Schuldners ergibt, im Einzelnen kennt. Vielmehr reicht es aus, wenn er im Allgemeinen von dem Benachteiligungsvorsatz gewusst hat. Deshalb muss der Anfechtungsgegner auch die Rechtshandlung, welche die Gläubigerbenachteiligung ausgelöst hat, nicht in allen Einzelheiten kennen (, WM 2013, 2074 Rn. 19; vom - IX ZR 104/13, WM 2013, 2231 Rn. 14; vom - IX ZR 88/17, WM 2018, 958 Rn. 9). Mehr oder weniger wahrscheinliche Sachverhaltsalternativen, die eine Rechtshandlung der Schuldnerin oder (auch) eine Gläubigerbenachteiligung ausschließen könnten, stehen einer Kenntnis der Rechtshandlung und der durch sie bewirkten Gläubigerbenachteiligung nicht entgegen (vgl. aaO Rn. 22; vom , aaO Rn. 17; vom , aaO Rn. 12). Eine fehlende Kenntnis kann nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen anerkannt werden, in denen der Anfechtungsgegner über den maßgeblichen Geschehensablauf im Ansatz unterrichtet ist, aber auf der Grundlage des für ihn nicht vollständig erkennbaren Sachverhalts, etwa im berechtigten Vertrauen auf einen ihm mitgeteilten Zahlungsweg, bei unvoreingenommener Betrachtung eine Rechtshandlung des Schuldners oder eine Gläubigerbenachteiligung zuverlässig ausschließen darf ( aaO Rn. 24; vom , aaO Rn. 19; vom , aaO Rn. 13)

32bb) Ein solcher Ausnahmefall kommt (auch) in Betracht, wenn ein Dritter an den Anfechtungsgegner zahlt und dieser davon ausgehen durfte, der Dritte leiste unter Verwendung eigener Mittel auf eine eigene Verbindlichkeit.

33(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beurteilt sich die Frage, ob der Dritte die Tilgung einer Eigen- oder Fremdverbindlichkeit bezweckt, aus der objektiven Warte des Leistungsempfängers (, WM 2008, 2178 Rn. 21; vom - IX ZR 2/11, BGHZ 192, 221 Rn. 18; vgl. auch Beschluss vom - IX ZR 260/19, WM 2020, 2086 Rn. 3). Die insolvenzrechtlichen Zuordnungskriterien entsprechen insoweit denen des bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriffs ( aaO Rn. 19). Diese Rechtsprechung betrifft die Deckungsanfechtung nach den §§ 130, 131 InsO und auch die Anfechtung unentgeltlicher Leistungen nach § 134 InsO. Die Grundsätze gelten jedoch entsprechend, wenn es, wie hier, um eine Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO aF und um die Frage geht, ob der Anfechtungsgegner von einer die Gläubigergesamtheit benachteiligenden Rechtshandlung des Schuldners Kenntnis hatte.

34(2) Nicht jede neben der Verbindlichkeit des späteren Schuldners bestehende Eigenverbindlichkeit des leistenden Dritten rechtfertigt die Annahme, dieser habe auf die Eigenverbindlichkeit zahlen wollen. Vielmehr muss die Annahme aus der Sicht einer vernünftigen Person in der Lage des Empfängers nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte naheliegen (vgl. , NJW 2005, 60 f; zu § 812 BGB). Das ist regelmäßig nicht der Fall, wenn die Eigenverbindlichkeit des Dritten im Vergleich zu der des späteren Schuldners dem Grunde und/oder der Höhe nach zweifelhaft ist und es keinen Anhaltspunkt dafür gibt, der Dritte wolle auf eine derart zweifelhafte Verbindlichkeit zahlen. Dass der Dritte im Zweifel die eigene Verbindlichkeit tilgen wolle (vgl. aaO Rn. 20), darf der nach § 133 Abs. 1 InsO aF in Anspruch genommene Anfechtungsgegner allenfalls annehmen, wenn beide Verbindlichkeiten unzweifelhaft oder zumindest gleichermaßen zweifelhaft sind; letzteres etwa deshalb, weil sich die Zweifel auf eine Anspruchsvoraussetzung beziehen, von der beide Verbindlichkeiten abhängen.

35cc) Nach diesen Grundsätzen durfte der Beklagte nicht davon ausgehen, der Geschäftsführer habe unter Verwendung eigener Mittel auf eine eigene Verbindlichkeit gezahlt.

36(1) Es fehlt schon an hinreichenden Feststellungen zu einer bereits in den Zeitpunkten der Zahlungen bestehenden eigenen Verbindlichkeit des Geschäftsführers der Schuldnerin gegenüber dem Beklagten. In Betracht kommt nur ein Haftungsanspruch nach § 69 AO. Ein entsprechender Haftungsbescheid nach § 191 AO war seinerzeit noch nicht erlassen. Auch das Prüfverfahren für Haftungsansprüche gegen den Geschäftsführer der Schuldnerin wurde nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erst im September 2014 eingeleitet. Der Haftungsbescheid erging im Mai 2016.

37Der Anspruch aus § 69 AO hat Schadensersatzcharakter. Die Haftung beschränkt sich auf den Betrag, der infolge der vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder entrichtet wurde (BFHE 153, 512, 514; BFH/NV 1997, 7, 8). Das Berufungsgericht ist von fälligen Umsatzsteuerschulden für die Monate Dezember 2013 bis März 2014 in Höhe von 22.697,44 € und einer offenen, ebenfalls die Umsatzsteuer betreffenden Sondervorauszahlung für das Jahr 2014 in Höhe von 9.977 € ausgegangen. Die objektive Pflichtverletzung hat es in der nicht fristgerechten Entrichtung der Steuern erblickt. Die Pflichtverletzung indiziere den gegenüber dem Geschäftsführer der Schuldnerin zu erhebenden Schuldvorwurf. Feststellungen dazu, welcher Betrag infolge der von ihm angenommenen schuldhaften Pflichtverletzung nicht rechtzeitig entrichtet wurde, hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Dies hängt davon ab, welche Mittel der Schuldnerin zur Verfügung standen. Reichten die Mittel, was in Anbetracht der finanziellen Schwierigkeiten der Schuldnerin naheliegt, nicht zur Begleichung sämtlicher Verbindlichkeiten, haftete der Geschäftsführer bezüglich der hier in Rede stehenden Umsatzsteuer nur in dem Umfang, in dem er das Finanzamt gegenüber anderen Gläubigern benachteiligt hatte. Zur Ermittlung des Haftungsbetrags war die (geschätzte) Quote der Gesamtschuldentilgung zu ermitteln. Diese war auf die im Haftungszeitraum geschuldeten Abgaben anzuwenden. Von dem so ermittelten Betrag waren die Zahlungseingänge im Haftungszeitraum abzuziehen (BFH/NV 2013, 504 Rn. 18). Dass sich danach ein Haftungsanspruch des Beklagten gegen den Geschäftsführer jedenfalls in Höhe der hier angefochtenen Zahlungen ergab, ist auch nicht sonst ersichtlich.

38(2) Es kann dahinstehen, ob ein Haftungsanspruch aus § 69 AO in Höhe der angefochtenen Zahlungen bestand. Wegen der Beschränkung auf den infolge der schuldhaften Pflichtverletzung nicht rechtzeitig entrichteten Betrag und mangels (bestandskräftiger) Festsetzung durch einen Haftungsbescheid war der Anspruch, im Gegensatz zur Steuerverbindlichkeit der Schuldnerin, jedenfalls der Höhe nach zweifelhaft. Anhaltspunkte dafür, dass der Geschäftsführer auf eine derart zweifelhafte Forderung zahlen wollte, liegen nicht vor. Es war noch nicht einmal das Prüfverfahren eingeleitet. Die Annahme, der Geschäftsführer habe von sich aus seine Haftungsschuld erfüllen wollen, liegt fern.

394. Der Zinsanspruch ergibt sich unter dem Gesichtspunkt des Zahlungsverzugs (§ 143 Abs. 1 Satz 3 InsO iVm § 286 Abs. 1 Satz 1, § 288 Abs. 1 BGB).

III.

40Das angefochtene Urteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat in der Sache selbst zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:280121UIXZR64.20.0

Fundstelle(n):
DB 2021 S. 560 Nr. 11
DStR 2021 S. 1487 Nr. 25
DStR 2021 S. 878 Nr. 15
GmbH-StB 2022 S. 15 Nr. 1
GmbHR 2021 S. 1093 Nr. 20
HFR 2021 S. 513 Nr. 5
NJW-RR 2021 S. 1346 Nr. 20
WM 2021 S. 458 Nr. 9
ZIP 2021 S. 416 Nr. 8
EAAAH-72433