BGH Beschluss v. - 6 StR 280/20

Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus: Beweiswürdigung hinsichtlich des Vorliegens einer seelischen Störung

Gesetze: § 20 StGB, § 63 StGB, § 261 StPO, § 267 StPO

Instanzenzug: LG Magdeburg Az: 21 KLs 6/20nachgehend Az: 6 StR 199/21 Beschlussnachgehend Az: 6 StR 100/22 Urteil

Gründe

1Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die hiergegen gerichtete Revision des Beschuldigten hat mit der Sachrüge im überwiegenden Maße Erfolg.

21. Nach den Feststellungen des Landgerichts hörte der Beschuldigte in der psychiatrischen Klinik „die Stimme des Teufels“, die ihm befahl, sich an der im Nebenzimmer befindlichen Nebenklägerin auch gegen deren Willen sexuell zu befriedigen. Dieser Stimme folgend betrat er das Zimmer der schlafenden Nebenklägerin. Dort setzte er - mittlerweile nackt - seine Körperkraft ein, um sich auf die erwachte Nebenklägerin zu legen. Diese wehrte sich, schrie laut und drückte den Beschuldigten weg.

3Das sachverständig beratene Landgericht hat angenommen, dem Beschuldigten habe bei dieser Tat die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit gefehlt, denn er habe zur Tatzeit an einer Episode seiner paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie gelitten. Die Äußerung des Beschuldigten, er habe „die Stimme des Teufels“ vernommen, sei plausibel, weil auch weitere Symptome einer Schizophrenie bereits vor der Anlasstat vorhanden gewesen seien.

42. Das Urteil hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die beweiswürdigenden Ausführungen der Strafkammer zum Vorhandensein von handlungsleitenden Wahnsymptomen begegnen auch eingedenk des insoweit eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs durchgreifenden Bedenken. Die Angaben des in der Hauptverhandlung schweigenden Beschuldigten gegenüber dem explorierenden Sachverständigen hätten eingehender Betrachtung bedurft. Bei der ersten Exploration hatte dieser gegenüber dem Sachverständigen angegeben, er sei „geil“ gewesen, erst im zweiten Explorationstermin gab er dann an, der Teufel habe ihm die Tat befohlen. Eine Würdigung des Wechsels des Aussageverhaltens in diesem nach Auffassung des Landgerichts zentralen Punkt lässt das angefochtene Urteil vermissen.

Die Beweiswürdigung ist ferner deshalb lückenhaft, weil das Landgericht sich nicht damit auseinandergesetzt hat, dass sowohl die Anlasstat als auch das Vor- und Nachtatverhalten eine normalpsychologische Erklärung finden können (vgl. Rn. 18).

5Die an sich rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zu den äußeren Tatumständen können bestehen bleiben.

64. Für die neue Hauptverhandlung weist das Landgericht auf Folgendes hin: Der bislang allein aufgrund der Angaben des Beschuldigten festgestellte Krankheitsverlauf wird näher zu belegen sein.

7Das neue Tatgericht wird sich auch mit Blick auf § 67b Abs. 1 StGB näher damit auseinandersetzen müssen, welche Wirkungen die „im Maßregelvollzug“ erfolgte Medikation hatte (vgl. , NStZ-RR 2020, 275).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:230920B6STR280.20.0

Fundstelle(n):
SAAAH-72317