BAG Urteil v. - 6 AZR 454/19

Instanzenzug: ArbG Gelsenkirchen Az: 3 Ca 1426/18 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen) Az: 17 Sa 169/19 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die zutreffende Stufenzuordnung des Klägers.

2Der Kläger ist bei dem beklagten Land beschäftigt. Im ursprünglich mit dem Landschaftsverband R abgeschlossenen schriftlichen Arbeitsvertrag vom ist ua. die Geltung des Bundesmanteltarifvertrags für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II) und der an seine Stelle tretenden Tarifverträge vereinbart. Dies sind seit dem der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) - Allgemeiner Teil - (TVöD-AT) und der Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-VKA) vom .

3Der anfänglich als Straßenwärter eingesetzte Kläger wurde ab dem dauerhaft auf den Dienstposten eines Operators umgesetzt. Es erfolgte eine Höhergruppierung in die Entgeltgruppe 8 TVöD (VKA), in welcher der Kläger zuletzt Entgelt nach Stufe 4 erhielt.

4§ 17 Abs. 4 TVöD-AT in der zum Zeitpunkt dieser Höhergruppierung geltenden und im Hinblick auf seinen Satz 1 bis zum unverändert gebliebenen Fassung (im Folgenden aF) lautete auszugsweise:

5Aufgrund des Änderungstarifvertrags Nr. 12 vom zum TVöD traten für den Bereich der VKA mit Wirkung zum ua. Eingruppierungsvorschriften sowie die Anlage 1 - Entgeltordnung (VKA) in Kraft. Zur Überleitung der Beschäftigten in diese Entgeltordnung enthält der TVÜ-VKA auszugsweise folgende Regelungen:

6Daneben sah der Änderungstarifvertrag Nr. 12 zum TVöD mit Wirkung zum eine Erhöhung des Garantiebetrags in § 17 Abs. 4 Satz 2 TVöD-AT aF auf 58,98 Euro in den Entgeltgruppen 1 bis 8 vor. Schließlich ordnete er mit Wirkung zum ua. eine weitere Änderung des § 17 Abs. 4 TVöD-AT (im Folgenden nF) an. Die Tarifnorm lautet ab diesem Zeitpunkt wie folgt:

7Im Januar 2017 stellte der Kläger einen Antrag gemäß § 29b Abs. 1 Satz 1 TVÜ-VKA. Im Oktober 2017 teilte ihm das beklagte Land mit, dass er antragsgemäß in die Entgeltgruppe 9a TVöD (VKA) eingruppiert sei und vergütete ihn rückwirkend ab nach Stufe 3 dieser Entgeltgruppe mit einem Entgelt in Höhe von 3.071,16 Euro brutto bzw. ab Februar 2017 in Höhe von 3.143,33 Euro brutto. Das Tabellenentgelt nach Stufe 4 der Entgeltgruppe 9a TVöD (VKA) belief sich im Januar 2017 auf 3.464,92 Euro brutto bzw. ab Februar 2017 auf 3.546,35 Euro brutto.

8Mit seiner Klage hat der Kläger die Feststellung einer Vergütungspflicht des beklagten Landes seit aus der Entgeltgruppe 9a Stufe 4 TVöD (VKA) sowie die Nachzahlung der sich ab diesem Zeitpunkt bis einschließlich Dezember 2017 ergebenden Differenzbeträge geltend gemacht.

9Er hat die Auffassung vertreten, seine betragsgemäße Stufenzuordnung nach § 29b Abs. 2 Satz 1 TVÜ-VKA iVm. § 17 Abs. 4 TVöD-AT aF verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weshalb er mit Wirkung zum unter Anwendung der ab geltenden günstigeren Regelung stufengleich der Stufe 4 der Entgeltgruppe 9a TVöD (VKA) zugeordnet gewesen sei. Für den gleichen Sachverhalt, nämlich die Frage der Stufenzuordnung bei einer Höhergruppierung, treffe § 17 Abs. 4 TVöD-AT in seinen unterschiedlichen Fassungen unterschiedliche Regelungen. Damit werde wesentlich Gleiches ungleich behandelt, ohne dass dies gerechtfertigt sei. In der Revisionsinstanz begründet der Kläger den von ihm angenommenen Gleichheitsverstoß ergänzend damit, dass ihm mit seiner Umsetzung auf den Dienstposten eines Operators zum ebenfalls eine höherwertige Tätigkeit übertragen worden sei, die eine Höhergruppierung nach sich gezogen habe. Auch deswegen sei er vergleichbar mit nach dem höhergruppierten Beschäftigten. Zudem verstoße das beklagte Land mit der vorgenommenen Stufenzuordnung gegen das Prinzip der Bestenauslese gemäß Art. 33 Abs. 2 GG.

10Zumindest sei festzustellen, dass sich die Wahl des Stichtags nicht am gegebenen Sachverhalt orientiere. Die Entgeltordnung (VKA) sei zum in Kraft getreten und auf diesen Tag würden auch Höhergruppierungsanträge nach § 29b Abs. 1 TVÜ-VKA zurückwirken. Daher erschließe sich nicht, warum die Stufenzuordnung in § 17 Abs. 4 TVöD-AT erst zum geändert worden sei. Da § 17 Abs. 4 TVöD-AT auch für Höhergruppierungen aufgrund eines Antrags nach § 29b TVÜ-VKA gelte, hätte die Änderung der Stufenzuordnung ebenfalls zum erfolgen müssen.

11Der Kläger hat, nach erstinstanzlicher Beschränkung seines Feststellungsantrags auf den Zeitraum ab dem und Rücknahme dieses Antrags im Übrigen, zuletzt beantragt

12Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.

13Es hat die Auffassung vertreten, die Stufenzuordnung des Klägers nach § 17 Abs. 4 TVöD-AT aF widerspreche nicht dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz. Die Ausgestaltung der tariflichen Vorschriften obliege allein den Tarifvertragsparteien. Die Stichtagsregelung sei wirksam.

14Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben die Anträge des Klägers abgewiesen. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt er diese Anträge weiter und führt in diesem Zusammenhang erstmals aus, die Stufenzuordnung benachteilige ihn unzulässig wegen seines Alters. Zwar knüpfe § 17 Abs. 4 TVöD-AT in keiner der geltenden Fassungen unmittelbar an das Lebensalter an, jedoch werde darin die Berufserfahrung honoriert, worin eine mittelbare Ungleichbehandlung wegen des Alters zu sehen sei. Außerdem würden ältere Arbeitnehmer durch die Stichtagsregelung insofern benachteiligt, als die günstigere Neufassung des § 17 Abs. 4 TVöD-AT vor allem für Neueinstellungen gelte, die überwiegend nur jüngere Arbeitnehmer betreffe.

Gründe

15Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Vergütung nach Entgeltgruppe 9a Stufe 4 TVöD (VKA) ab dem , so dass sowohl der Feststellungs- als auch der Zahlungsantrag unbegründet sind.

16I. Der Anspruch lässt sich nicht aus den Regelungen des unstreitig auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden TVöD herleiten.

171. Er ergibt sich nicht aus der zum Zeitpunkt der dauerhaften Übertragung der Tätigkeit als Operator im April 2013 maßgebenden Fassung des TVöD. Der Kläger wurde aufgrund seiner neuen Tätigkeit in die Entgeltgruppe 8 TVöD (VKA) höhergruppiert. Die unter Zugrundelegung von § 17 Abs. 4 TVöD-AT aF iVm. § 15 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 TVöD-AT, § 16 Abs. 3 TVöD-AT (VKA) erfolgte Stufenzuordnung - zuletzt in die Stufe 4 dieser Entgeltgruppe - war tarifgerecht.

182. Der Anspruch folgt ebenso wenig aus dem Umstand, dass der Kläger gemäß § 29b Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 TVÜ-VKA auf der Grundlage seines Antrags aus Januar 2017 rückwirkend zum in die Entgeltgruppe 9a TVöD (VKA) eingruppiert ist. Die vom beklagten Land ab diesem Zeitpunkt vorgenommene Vergütung nach Stufe 3 dieser Entgeltgruppe ist ebenfalls tarifgerecht. Sie beruht auf § 29b Abs. 2 Satz 1 TVÜ-VKA als Spezialvorschrift des Überleitungsrechts und der in dieser enthaltenen Rechtsfolgenverweisung auf § 17 Abs. 4 TVöD-AT in der bis zum geltenden Fassung (vgl. zu der Tarifregelung des § 29a TVÜ-Länder  - Rn. 16; zum vergleichbaren § 47a Abs. 3 der Kirchlichen Dienstvertragsordnung der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens [KDVO]  - Rn. 21). Dieser sah - wie auch schon im April 2013 - eine an der Höhe des bisherigen Entgelts orientierte Stufenzuordnung vor.

193. § 17 Abs. 4 TVöD-AT nF kommt nicht zur Anwendung. Die Neuregelung trat gemäß § 3 iVm. § 4 des Änderungstarifvertrags Nr. 12 zum TVöD erst zum in Kraft. Seitdem wurde der Kläger nicht höhergruppiert. Eine Rückwirkung der mit § 3 Ziff. 1 des Änderungstarifvertrags Nr. 12 in § 17 Abs. 4 TVöD-AT nF eingeführten stufengleichen Höhergruppierung haben die Tarifvertragsparteien nicht vorgesehen.

20II. Die Beschränkung des Anspruchs auf stufengleiche Höhergruppierung auf Höhergruppierungen ab dem Inkrafttreten der Neuregelung verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Dies gilt entgegen der Annahme der Revision auch bei Berücksichtigung des Umstands, dass es zu einer Besserstellung der von § 17 Abs. 4 TVöD-AT nF erfassten Beschäftigten gegenüber denjenigen - wie den Kläger - kommen kann, die bereits vor dem höhergruppiert wurden oder die einen Antrag gemäß § 29b TVÜ-VKA gestellt haben.

211. Die Tarifvertragsparteien als Normgeber - auch die des öffentlichen Dienstes (dazu  - Rn. 20; kritisch Latzel ZfA 2020, 526, 535 f.) - sind bei der tariflichen Normsetzung nicht unmittelbar grundrechtsgebunden. Die Gerichte für Arbeitssachen sind aber gemäß Art. 1 Abs. 3 GG zum Schutz der Grundrechte berufen. Der hieraus folgende Schutzauftrag verpflichtet sie dazu, die Grundrechtsausübung durch die Tarifvertragsparteien zu beschränken, wenn diese mit den Freiheits- oder Gleichheitsrechten oder anderen Rechten mit Verfassungsrang der Normunterworfenen kollidiert. Die Gerichte müssen insoweit praktische Konkordanz herstellen. Sie sind darum auch verpflichtet, gleichheitswidrige Differenzierungen in Tarifnormen zu unterbinden. Der Gleichheitssatz bildet als fundamentale Gerechtigkeitsnorm eine ungeschriebene Grenze der Tarifautonomie ( - Rn. 19 ff.; - 6 AZR 59/19 - Rn. 15).

222. Tarifnormen sind deshalb im Ausgangspunkt uneingeschränkt auch am Gleichheitssatz zu messen. Tarifvertragsparteien steht bei ihrer Normsetzung aufgrund der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie allerdings ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Ihnen kommt eine Einschätzungsprärogative zu, soweit die tatsächlichen Gegebenheiten, die betroffenen Interessen und die Regelungsfolgen zu beurteilen sind. Darüber hinaus verfügen sie über einen Beurteilungs- und Ermessensspielraum hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung der Regelung. Die Gerichte dürfen nicht eigene Gerechtigkeitsvorstellungen an die Stelle von Bewertungen der zuständigen Verbände setzen. Die Tarifvertragsparteien sind nicht verpflichtet, die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen. Es genügt, wenn für die getroffene Regelung ein sachlich vertretbarer Grund vorliegt. Dies bedingt im Ergebnis eine deutlich zurückgenommene Prüfungsdichte durch die Gerichte (im Einzelnen  - Rn. 25 f.; - 6 AZR 59/19 - Rn. 16).

233. Danach verstößt die hier bzgl. des Inkrafttretens von § 17 Abs. 4 TVöD-AT nF gewählte Stichtagsregelung nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, soweit sie zu einer Besserstellung der ab dem im Vergleich zu vor diesem Zeitpunkt höhergruppierten Beschäftigten führt. Das hat der Senat bereits entschieden.

24a) Obwohl Stichtagsregelungen als „Typisierungen in der Zeit“ unvermeidlich Härten mit sich bringen, sind sie aus Gründen der Praktikabilität zur Abgrenzung der begünstigten Personenkreise grundsätzlich zulässig, wenn sich die Wahl des Stichtags am gegebenen Sachverhalt orientiert und demnach sachlich vertretbar ist. Die Umstellung eines tariflichen Vergütungssystems, hier der Regelungen für eine Stufenzuordnung nach Höher- oder Herabgruppierung, ist ohne einen solchen Stichtag nicht durchführbar. Die Tarifvertragsparteien dürfen ihn in den Grenzen des Vertrauensschutzes frei aushandeln und auch autonom bestimmen, für welche Personenkreise und ab welchem Zeitpunkt es ggf. Übergangs- oder Besitzstandsregelungen geben soll. Das ist wesentliches Merkmal der Tarifautonomie. Im Ergebnis ist bei solchen Stichtagsregelungen lediglich eine Willkürkontrolle durchzuführen. Dies entspricht dem stufenlosen, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierten verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (so bereits  - Rn. 18 mwN).

25b) Die Wahl des Stichtags bzgl. des Inkrafttretens von § 17 Abs. 4 TVöD-AT nF ist offenkundig nicht willkürlich. Die Norm ist Teil des im Änderungstarifvertrag Nr. 12 zum TVöD enthaltenen tariflichen Gesamtkompromisses. Dieser sah im Rahmen der Neustrukturierung des Vergütungssystems ua. die Einführung einer neuen Entgeltordnung, die zahlreiche Höherbewertungen von Stellen enthielt, zum und die Umstellung der für die Stufenzuordnung nach einer Höhergruppierung geltenden Regelungen zum vor. Hinsichtlich der Einführung der stufengleichen Höhergruppierung wurde der Einschnitt für Beschäftigte, deren Höhergruppierung kurz vor dem Stichtag erfolgte, durch eine nochmalige Erhöhung des Garantiebetrags in § 17 Abs. 4 Satz 2 TVöD-AT aF zum abgemildert. Dies verdeutlicht, dass die Tarifvertragsparteien den Stichtag nicht willkürlich gewählt haben, sondern ein ausgewogenes Gesamtkonzept vor Augen hatten (vgl.  - Rn. 19). Dabei durften sie die Mehrkosten, die sich aus Höherbewertungen in der neuen Entgeltordnung ergaben, von den durch die Umstellung der Stufenzuordnung ausgelösten zeitlich entkoppeln (vgl. dazu Dannenberg Der Personalrat 9/2020, 44). Die ausschließlich zukunftsbezogene Umstellung der Regelungen zur Stufenzuordnung nach einer Höhergruppierung ist als Teil des gefundenen Gesamtkompromisses daher rechtlich nicht zu beanstanden (vgl.  - Rn. 19).

264. Ein Gleichheitsverstoß ist entgegen der Annahme der Revision auch nicht darin zu sehen, dass § 29b Abs. 2 Satz 1 TVÜ-VKA für die infolge eines Antrags des Beschäftigten gemäß Abs. 1 dieser Norm vorzunehmende Eingruppierung die Anwendung des § 17 Abs. 4 TVöD-AT in der bis zum geltenden Fassung und damit eine betragsgemäße Stufenzuordnung anordnet, während § 17 Abs. 4 TVöD-AT nF für Höhergruppierungen von Beschäftigten ab dem mit der stufengleichen Zuordnung eine Verbesserung einführt. Diese beiden Beschäftigtengruppen sind nicht miteinander vergleichbar.

27a) Verfassungsrechtlich relevant ist nur die Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem bzw. die Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem. Dabei ist es grundsätzlich dem Normgeber überlassen, die Merkmale zu bestimmen, nach denen die Sachverhalte als hinreichend gleich anzusehen sind, um sie gleich zu regeln ( - Rn. 26, BAGE 161, 356).

28b) Die einerseits § 17 Abs. 4 TVöD-AT nF und andererseits § 29b Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 TVÜ-VKA, § 17 Abs. 4 TVöD-AT in der bis zum geltenden Fassung unterfallenden Beschäftigtengruppen sind nicht vergleichbar.

29aa) Hinsichtlich der ersten Beschäftigtengruppe ist eine (neue) Stufenzuordnung vorzunehmen, weil ein Beschäftigter aufgrund der Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit nach dem entsprechend der Tarifautomatik neu eingruppiert ist. Die Beschäftigten, die einen Antrag gemäß § 29b Abs. 1 TVÜ-VKA stellen, sind hingegen zuvor nach § 29a Abs. 1 TVÜ-VKA unter Beibehaltung der bisherigen Entgeltgruppe für die Dauer der unverändert auszuübenden Tätigkeit in die neue Entgeltordnung übergeleitet worden. Damit einher geht eine Außerkraftsetzung der Tarifautomatik. Sie wird erst dadurch und nur in dem Fall wiederhergestellt, dass diesen Beschäftigten nach Einführung der Entgeltordnung für ein Jahr befristet die Möglichkeit eröffnet wurde, einen Antrag auf Höhergruppierung zu stellen, ohne dass ihnen eine höherwertige Tätigkeit übertragen wurde, und wenn ein Beschäftigter dieses Antragsrecht ausübt (vgl. für die inhaltsgleichen § 25 Abs. 1, § 26 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Bund  - Rn. 27, 30, BAGE 168, 13; vgl. für den inhaltsgleichen § 29a Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 TVÜ-Länder  - Rn. 35, 37). Ihre Höhergruppierung erfolgt daher nicht automatisch aufgrund der Übertragung einer geänderten, höherwertigen Tätigkeit, sondern trotz unveränderter Tätigkeit, deren eingruppierungsrechtliche Überprüfung nach § 29a Abs. 1 Satz 2 TVÜ-VKA grundsätzlich nicht geboten ist, nur auf Antrag. Mit dieser Wahlfreiheit wollten es die Tarifvertragsparteien in die Entscheidungsmacht des jeweiligen Beschäftigten stellen, nach Abwägung der Vor- und Nachteile des Eintritts in die neue Entgeltordnung mit diesem eventuell verbundene Entgeltnachteile in Kauf zu nehmen oder solche gerade zu vermeiden (vgl.  - Rn. 30, aaO; - 6 AZR 790/16 - Rn. 27).

30bb) Die Stufenzuordnung aus Anlass eines Antrags nach § 29b Abs. 1 TVÜ-VKA war daher unter gänzlich anderen Voraussetzungen vorzunehmen als eine Stufenzuordnung im Anwendungsbereich des § 17 Abs. 4 TVöD-AT nF. Mit den §§ 29a und 29b TVÜ-VKA haben die Tarifvertragsparteien ein spezifisches Überleitungsrecht geschaffen, welches in § 29b Abs. 2 Satz 1 TVÜ-VKA für die Rechtsfolge der Höhergruppierung auf § 17 Abs. 4 TVöD-AT in der bis zum geltenden Fassung Bezug nimmt ( - Rn. 19; ebenso zu der vergleichbaren Tarifregelung des § 29a TVÜ-Länder  - Rn. 16; zu der vergleichbaren Regelung des § 47a Abs. 3 Satz 2 KDVO  - Rn. 21). Beide Beschäftigtengruppen sind daher im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG nicht miteinander vergleichbar.

31c) Entgegen der Auffassung der Revision ist das tarifliche Regelungskonzept in sich nicht widersprüchlich. § 29b Abs. 1 Satz 2 TVÜ-VKA sieht vor, dass die Antragstellung auf den zurückwirkt. Es ist daher schlichtweg konsequent, dass § 29b Abs. 2 Satz 1 TVÜ-VKA auf die am geltenden Regelungen der Stufenzuordnung im Falle der Höhergruppierung verweist.

325. Die Nichtanwendung von § 17 Abs. 4 TVöD-AT nF auf vor dem erfolgte Höhergruppierungen verstößt nicht gegen Art. 33 Abs. 2 GG. Dessen Anwendungsbereich ist nicht eröffnet (ausführlich  - Rn. 20 ff.).

33III. Auch auf eine unzulässige Benachteiligung wegen seines Alters durch die Stichtagsregelung bzgl. des Inkrafttretens von § 17 Abs. 4 TVöD-AT nF kann sich der Kläger nicht berufen.

341. Nach § 7 Abs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen dieses Benachteiligungsverbot verstoßen, sind nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Darunter fallen auch tarifliche Regelungen ( - Rn. 13 mwN, BAGE 167, 382). § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG untersagt unmittelbare sowie mittelbare Benachteiligungen iSd. § 3 AGG wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, unter anderem wegen des Alters.

352. Die Stufenzuordnung im Falle einer Höhergruppierung knüpft - was auch der Kläger erkennt - weder in § 17 Abs. 4 TVöD-AT nF noch in einer seiner vorherigen Fassungen unmittelbar an das Lebensalter an. Maßgeblich ist vielmehr jeweils die innegehabte Stufe der bisherigen Entgeltgruppe bzw. das darin erzielte Tabellenentgelt und damit letztlich die Berufserfahrung. Eine unmittelbare Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG wegen des Alters scheidet daher aus.

363. Eine mittelbare Altersdiskriminierung hat der Kläger nicht hinreichend dargelegt.

37a) Mittelbare Diskriminierungen iSv. § 3 Abs. 2 AGG müssen nicht zwingend statistisch nachgewiesen werden, sie können sich auch aus anderen Umständen ergeben. Zur Feststellung, ob eine mittelbare Benachteiligung vorliegt, sind Vergleichsgruppen zu bilden, die dem persönlichen Geltungsbereich der Differenzierungsregel entsprechend zusammengesetzt sind. Bei Tarifverträgen ist deshalb auf den gesamten Kreis der von der fraglichen Bestimmung erfassten Normunterworfenen abzustellen. Der Gesamtheit der Personen, die von der Regelung erfasst werden, ist die Gesamtheit der Personen gegenüberzustellen, die durch die Regelung benachteiligt werden. Im Vergleich dieser Gruppen ist zu prüfen, ob die Träger eines Merkmals des § 1 AGG im oben genannten Sinn besonders benachteiligt sind ( - Rn. 44, BAGE 149, 297).

38b) Die Kausalität zwischen Benachteiligung und verpöntem Merkmal hat der Beschäftigte als Anspruchsteller darzulegen. Hierzu reicht es, wenn er gemäß § 22 AGG Indizien vorträgt, die eine Benachteiligung wegen eines verpönten Merkmals vermuten lassen. Die vorgetragenen Tatsachen müssen aber aus objektiver Sicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass die weniger günstige Behandlung aus einem der in § 1 AGG genannten Gründe erfolgt ist. Eine bloße Mitursächlichkeit genügt ( - Rn. 45 mwN, BAGE 149, 297).

39c) Die hiernach erforderlichen Tatsachen hat der Kläger nicht dargetan. Er hat vielmehr nur pauschal behauptet, dass die für die Stufenzuordnung maßgebliche Berufserfahrung nur durch Arbeitnehmer erlangt werden könne, „die aufgrund ihres höheren Alters schon längere Zeit bei einem staatlichen Arbeitgeber beschäftigt“ seien. Damit hat er keine Indizien iSv. § 22 AGG vorgebracht.

40Das Gleiche gilt, soweit der Kläger in der Stichtagsregelung bzgl. des Inkrafttretens des § 17 Abs. 4 TVöD-AT nF zugleich eine Benachteiligung älterer Arbeitnehmer zu erkennen meint. Überdies gilt diese Tarifnorm entgegen seiner Annahme nicht (nur) für neu eingestellte - nach Auffassung des Klägers damit hauptsächlich jüngere - Arbeitnehmer, sondern für jede Höhergruppierung im Rahmen eines bestehenden Arbeitsverhältnisses ab dem .

414. Unabhängig von dem Vorstehenden hat der Kläger die Möglichkeit einer mittelbaren Benachteiligung wegen seines Alters erstmals in der Revisionsbegründung vorgebracht. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts enthält dazu keine ausdrücklichen Feststellungen. In den im angefochtenen Urteil in Bezug genommenen Schriftsätzen des Klägers sowie in der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht findet sich ebenfalls kein solcher Vortrag. Damit handelt es sich um neues Tatsachenvorbringen in der Revisionsinstanz, das nach § 72 Abs. 5 ArbGG, § 559 ZPO nicht zu berücksichtigen ist (zuletzt etwa  - Rn. 62).

42IV. Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2020:191120.U.6AZR454.19.0

Fundstelle(n):
MAAAH-71000