Einbeziehung allgemeiner Verwaltungskosten in Fleischuntersuchungsgebühr
Leitsatz
Bei der Gebührenbemessung für amtliche Schlachttier- und Fleischuntersuchungen nach Art. 27 Abs. 2 und 4 i.V.m. Anhang VI der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 dürfen auch die Kostenanteile für Löhne und Gehälter des Personals berücksichtigt werden, das zur Verwaltungsabwicklung und Gebührenerhebung der durchgeführten Kontrollen eingesetzt wird.
Gesetze: Art 27 Abs 2 EGV 882/2004, Art 27 Abs 4 EGV 882/2004, Anh VI EGV 882/2004, Art 80 Abs 1 S 2 GG, Art 80 Abs 1 S 3 GG
Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht des Saarlandes Az: 2 A 75/15 Urteilvorgehend Verwaltungsgericht des Saarlandes Az: 3 K 1978/13 Urteil
Tatbestand
1Die Beteiligten streiten über Gebühren für amtliche Schlachttier- und Fleischuntersuchungen. Der Rechtsstreit betrifft insbesondere die Frage, ob bei der Berechnung der Gebühren nur die Kosten für das Untersuchungspersonal im unmittelbaren und engen Sinne - also die Tierärzte und Fachassistenten - oder auch Kosten für das zur Verwaltungsabwicklung und Gebührenerhebung eingesetzte allgemeine Verwaltungspersonal berücksichtigt werden dürfen.
2Der Kläger ist Inhaber einer Metzgerei in M. (Saarland), in der das beklagte Landesamt für Verbraucherschutz im Zeitraum von Januar 2013 bis Juli 2013 die amtlichen Schlachttier- und Fleischuntersuchungen durchgeführt hat. Mit sieben Bescheiden legte der Beklagte hierfür Gebühren in Höhe von insgesamt 15 732,28 € fest. Die vom Kläger jeweils hiergegen eingelegten, nicht begründeten Widersprüche wies er durch Widerspruchsbescheid vom unter Hinweis auf die in der saarländischen Fleischhygienegebührenverordnung festgelegten Gebührensätze zurück.
3Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Aufhebung der Gebührenbescheide, soweit die unionsrechtlich angeordneten Mindestgebühren in Höhe von insgesamt 2 052 € überschritten werden. Er macht insbesondere geltend, die Rechtsgrundlage der Gebührenbescheide verstoße gegen den Bestimmtheitsgrundsatz und das Zitiergebot. Die Kalkulation sei fehlerhaft, weil sie betriebsspezifische Umstände nicht berücksichtige und allgemeine Verwaltungskosten angesetzt habe.
4Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Zur Begründung hat das Berufungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Gebührenerhebung finde in den Vorschriften des Gesetzes über die Erhebung von Verwaltungs- und Benutzungsgebühren im Saarland eine hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage. Soweit die Gebührenerhebung auf einen Unionsrechtsakt zurückgehe, sei die Bestimmung der Gebührenhöhe ausdrücklich an die Vorgaben des Unionsrechts gebunden. Diesen Anforderungen entspreche das als Anlage zur Fleischhygienegebührenverordnung erlassene Besondere Gebührenverzeichnis für amtliche Kontrollen im Rahmen des Fleischhygienerechts. Zu Recht und in Übereinstimmung mit den unionsrechtlichen Vorgaben sei bei der Gebührenkalkulation auch ein Personalkostenanteil für das außerhalb der eigentlichen Fleischbeschau mit der verwaltungsmäßigen und gebührenrechtlichen Abwicklung der Untersuchungen befasste Personal berücksichtigt worden.
5Mit der vom Berufungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Durch Beschluss vom - 3 C 17.16 [ECLI:DE:BVerwG:2018:280618B3C17.16.0] - (Buchholz 418.5 Fleischbeschau Nr. 35) hat der erkennende Senat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 Abs. 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV - die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob bei den nach Art. 27 Abs. 2 und 4 i.V.m. Anhang VI der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 erhobenen Gebühren Kostenanteile für die Löhne und Gehälter des Personals berücksichtigt werden dürfen, das zur Verwaltungsabwicklung und Gebührenerhebung der durchgeführten amtlichen Kontrollen eingesetzt wird.
6Mit Schreiben vom übermittelte der Kanzler des Gerichtshofs der Europäischen Union eine Abschrift des Urteils vom
7- C-477/18 und C-478/18 [ECLI:EU:C:2019:1126] Exportschlachterij J. Gosschalk - und bat um Mitteilung, ob der Senat im Hinblick auf dieses Urteil sein Vorabentscheidungsersuchen noch aufrechterhalte. Nach Anhörung der Beteiligten hat der Senat seinen Aussetzungs- und Vorlagebeschluss vom mit Beschluss vom aufgehoben. Die zur Vorabentscheidung gestellte Frage lasse sich anhand des zwischenzeitlich ergangenen Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union hinreichend sicher beantworten.
8Der Kläger hält im fortgesetzten Revisionsverfahren an seiner Auffassung fest. Das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom - C-477/18 und C-478/18 - stehe in Widerspruch zu den Aussagen im Urteil des Gerichtshofs vom - C-112/15 -; es enthalte überdies eine unionsrechtswidrige Texterweiterung der in Anhang VI der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 abschließend benannten Kostenpositionen. Zur Klärung dieser Fragen bedürfe es einer erneuten Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union. Unabhängig hiervon dürfe jedenfalls nur die Arbeitszeit des Verwaltungs- und Hilfspersonals berücksichtigt werden, die untrennbar mit der Durchführung der amtlichen Kontrollen verbunden sei. Dem entspreche die Gebührenkalkulation des Beklagten nicht, die nur auf Schätzungen beruhe. Ein derartiges Vorgehen verstoße sowohl gegen das Erfordernis des Ansatzes einer "tatsächlichen Arbeitszeit" als auch gegen den geforderten Zurechnungszusammenhang zu der Durchführung der amtlichen Kontrollen.
9Der Beklagte sieht sich durch die aktuelle Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union bestätigt. Er hält die erstmalige Rüge der Gebührenkalkulation im Revisionsverfahren für unzulässig, hat aber gleichwohl ergänzend zu den Berechnungsgrundlagen vorgetragen.
Gründe
10Die zulässige Revision des Klägers ist nicht begründet. Das angegriffene Berufungsurteil verstößt nicht gegen revisibles Recht. Die Gebührenerhebung des Beklagten steht in Einklang mit Bundesrecht (1.) und den Vorgaben des Unionsrechts (2.).
111. Die Gebührenerhebung des Beklagten beruht auf einer bundesrechtlich nicht zu beanstandenden Rechtsgrundlage.
12a) Nach der für das Bundesverwaltungsgericht im Revisionsverfahren bindenden Auslegung des nicht revisiblen Landesrechts durch das Berufungsgericht (§ 137 Abs. 1 VwGO) findet die vom Kläger angefochtene Gebührenerhebung ihre Grundlage in der Saarländischen Verordnung über den Erlass eines Besonderen Gebührenverzeichnisses für amtliche Kontrollen im Rahmen des Fleischhygienerechts vom (Amtsbl. S. 1558). In der Anlage zu dieser Verordnung sind in Abhängigkeit von der Gesamtzahl der in Folge untersuchten Tiere differenzierte Gebührenwerte u.a. für Rinder (zwischen 10,39 € und 25,13 €) und Schweine (zwischen 7,88 € und 17,72 €) sowie für BSE-Untersuchungen (zwischen 22,33 € und 25,85 €) festgelegt.
13Ziffer C des Gebührenverzeichnisses lautet:
"1. Das Landesamt für Verbraucherschutz berechnet unbeschadet der Nrn. 1.19 und 1.20 für Untersuchungen im Zusammenhang mit der Schlachttier- und Fleischuntersuchung in Schlachtbetrieben und der Fleischuntersuchung in Wildbearbeitungsbetrieben folgende Gebühren je Tier:
Für den Gebührenwert maßgeblich ist die Gesamtzahl der in Folge in einem Betrieb untersuchten Tiere.
Schlachtzahlstaffeln
[Schlachtungen je Tag - EUR/Tierart]
...
1.19. Das Landesamt für Verbraucherschutz kann von den Gebühren nach Nrn. 1.1 bis 1.15 nach unten abweichen,
1.19.1 um den Interessen eines Betriebes mit geringem Durchsatz Rechnung zu tragen,
1.19.2 um traditionellen Methoden der Produktion, der Verarbeitung und des Vertriebs Rechnung zu tragen,
1.19.3 um den Erfordernissen von Betrieben in Regionen in schwieriger geographischer Lage Rechnung zu tragen.
..."
14Die Gebührentatbestände basieren ausweislich der im Gerichtsverfahren vorgelegten Kalkulation des Beklagten auf der stückbezogenen Vergütung nach dem Tarifvertrag zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Beschäftigten in der Fleischuntersuchung der Länder und einem Aufschlag in Höhe von 78 % der stückbezogenen Vergütung, mit dem weitere Kostenfaktoren in Ansatz gebracht werden. Der Aufschlag ist anhand von für die Jahre 2009 bis 2011 ermittelten Durchschnittswerten berechnet worden. Er setzt sich aus einem Personalkostenzuschlag in Höhe von 27 % für Urlaubs- und Krankengeld sowie den Arbeitgeberanteil für Renten- und Arbeitslosenversicherung des die Fleischbeschau durchführenden Personals und einem Verwaltungskostenzuschlag in Höhe von 51 % für die Personalkosten des Verwaltungspersonals und der Kuriere, die Fahrtkosten der Kuriere sowie die Wegstreckenentschädigung für das Fleischbeschaupersonal zusammen.
15Die in Ansatz gebrachten Pauschalgebühren berücksichtigen damit nicht nur die Personalkosten der unmittelbar mit der "technischen" Durchführung der Untersuchungen befassten Kontrolleure, sondern auch diejenigen des Personals, das die durch die amtlichen Kontrollen entstehenden Folgetätigkeiten der verwaltungsmäßigen Abwicklung und Gebührenerhebung versieht.
16b) Diese Gebührenerhebung findet in § 5 Abs. 2 und § 6 Abs. 3 und 4 des Gesetzes über die Erhebung von Verwaltungs- und Benutzungsgebühren im Saarland vom in der Fassung des Gesetzes vom (Amtsbl. S. 474 und 530) i.V.m. § 4 des Gesetzes zur Ausführung des Fleischhygienegesetzes vom in der Fassung des Gesetzes vom (Amtsbl. S. 1420) eine gesetzliche Grundlage, die den auch für landesgesetzliche Verordnungsermächtigungen geltenden Bestimmtheitsanforderungen (vgl. u.a. [ECLI:DE:BVerfG:2015:rs20150421.2bvr132212] - BVerfGE 139, 19 Rn. 56 m.w.N.) genügt. Es begegnet keinen Bedenken, dass der Gesetzgeber die verbleibenden Einzelheiten der Gebührenbemessung - einschließlich der Entscheidung, ob und gegebenenfalls wie von der unionsrechtlich eingeräumten Möglichkeit, von den Pauschalgebühren abzuweichen (vgl. Art. 27 Abs. 4 Buchst. b der Verordnung <EG> Nr. 882/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über amtliche Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts sowie der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz <ABl. L 165 S. 1>), Gebrauch gemacht werden soll - dem Verordnungsgeber überlassen hat ( 3 C 7.12 [ECLI:DE:BVerwG:2013:270613U3C7.12.0] - Buchholz 418.5 Fleischbeschau Nr. 33 Rn. 13 zur Vorgängerrichtlinie 85/73/EWG).
17Gegen das Zitiergebot aus Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG verstößt die Gebührenverordnung schon deshalb nicht, weil es sich nicht auf die unionsrechtlichen Vorgaben erstreckt ( u.a. [ECLI:DE:BVerfG:2010:rk20100429.2bvr087104] - BVerfGK 17, 273 <290>); zum anderen wäre den Anforderungen mit der hier vorliegenden Benennung im Vorspruch der streitigen Rechtsverordnung Genüge getan ( u.a. - BVerfGE 20, 283 <292>).
182. Die Gebührenregelung ist auch mit den Vorgaben des Unionsrechts vereinbar.
19a) Nach Art. 27 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 können die Mitgliedstaaten Gebühren oder Kostenbeiträge zur Deckung der Kosten erheben, die durch die amtlichen Kontrollen entstehen. Die Regelungen sind zwar zwischenzeitlich außer Kraft getreten (vgl. Art. 146 Abs. 1 der Verordnung <EU> 2017/625 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über amtliche Kontrollen und andere amtliche Tätigkeiten zur Gewährleistung der Anwendung des Lebens- und Futtermittelrechts und der Vorschriften über Tiergesundheit und Tierschutz, Pflanzengesundheit und Pflanzenschutzmittel <ABl. L 95 S. 1>); sie bilden aber weiterhin die maßgebliche Grundlage für die Erhebung der streitgegenständlichen Gebühren für amtliche Schlachttier- und Fleischuntersuchungen, die im Jahr 2013 stattgefunden haben. Bezüglich der in Anhang IV Abschnitt A und Anhang V Abschnitt A genannten Tätigkeiten - zu denen die streitgegenständlichen amtlichen Fleischuntersuchungen zählen - sind gemäß Art. 27 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 zwingend Gebühren zu erheben.
20Die Gebühren dürfen einerseits nicht niedriger sein als die in Anhang IV Abschnitt B und Anhang V Abschnitt B angegebenen Mindestbeträge (Art. 27 Abs. 3 Satz 1 der Verordnung <EG> Nr. 882/2004). Sie können entweder in Höhe dieser Mindestbeträge erhoben oder auf der Grundlage der von der zuständigen Behörde während eines bestimmten Zeitraums getragenen Kosten als Pauschale festgesetzt werden (Art. 27 Abs. 4 Buchst. b der Verordnung <EG> Nr. 882/2004). Dabei sind die in Art. 27 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 aufgeführten unternehmensspezifischen Besonderheiten zu berücksichtigen. Die Gebühren dürfen andererseits aber auch nicht höher sein als die von der zuständigen Behörde getragenen Kosten in Bezug auf die Ausgaben gemäß Anhang VI (Art. 27 Abs. 4 Buchst. a der Verordnung <EG> Nr. 882/2004).
21Nach Anhang VI sind bei der Berechnung ausschließlich (vgl. Art. 27 Abs. 10 der Verordnung <EG> Nr. 882/2004) folgende Kriterien zu berücksichtigen: Löhne und Gehälter des für die amtlichen Kontrollen eingesetzten Personals (1.), Kosten für das für die amtlichen Kontrollen eingesetzte Personal, einschließlich der Kosten für Anlagen, Hilfsmittel, Ausrüstung und Schulung sowie der Reise- und Nebenkosten (2.) und Kosten für Probenahme und Laboruntersuchung (3.).
22Die vom Beklagten in Ansatz gebrachten Personalkosten für das Untersuchungspersonal (Anhang VI Nr. 1 der Verordnung <EG> Nr. 882/2004), dessen Reisekosten (Anhang VI Nr. 2 der Verordnung <EG> Nr. 882/2004) sowie die für den Probentransport entstehenden Kosten (Anhang VI Nr. 3 der Verordnung <EG> Nr. 882/2004) können bei der Gebührenerhebung danach berücksichtigt werden.
23b) Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats folgt aus Anhang VI Nr. 1 und 2 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 darüber hinaus, dass bei der Gebührenerhebung auch die Kosten berücksichtigt werden dürfen, die der zuständigen Behörde durch die verwaltungsmäßige Erfassung und Abwicklung der amtlichen Kontrollen einschließlich der Gebührenerhebung entstehen ( 3 C 20.11 [ECLI:DE:BVerwG:2012:260412U3C20.11.0] - Buchholz 418.5 Fleischbeschau Nr. 31 Rn. 18 ff. und vom - 3 C 1.12 [ECLI:DE:BVerwG:2013:250413U3C1.12.0] - Buchholz 418.5 Fleischbeschau Nr. 32 Rn. 14 ff.).
24Hierzu gehören die für die Gebührenberechnung und -erhebung entstehenden Personalkostenanteile. Denn die Gebührenerhebung ist nach Art. 27 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 obligatorisch und damit notwendigerweise durch die amtlichen Kontrollen verursacht. Dies gilt unabhängig davon, ob diese Aufgabe vom Untersuchungspersonal selbst durchgeführt wird oder die Tätigkeit - wie im vorliegenden Fall - durch Personal der allgemeinen Verwaltung der zuständigen Behörde erbracht wird.
25Zu den Kosten der zuständigen Behörde gehören außerdem auch die Personalkostenanteile der Verwaltungsstelle, die die Abrechnungen - für Lohn oder Gehalt, Reise- und sonstige Nebenkosten - für die amtlichen Tierärzte und Fachassistenten und die Abwicklung der übrigen Kostenpositionen vornimmt. Bei all diesen Positionen handelt es sich um Kosten, die den Mitgliedstaaten aus der Durchführung der Kontrollen in den Unternehmen des Lebensmittelsektors tatsächlich entstehen (vgl. [ECLI:EU:C:2017:601], Superfoz - Rn. 33).
26Diese Auffassung stützt sich zunächst auf den Entstehungszusammenhang der Vorschriften mit Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 85/73/EWG des Rates vom über die Finanzierung der Untersuchungen und Hygienekontrollen von frischem Fleisch und Geflügelfleisch i.d.F. des Art. 1 i.V.m. dem Anhang der Richtlinie 96/43/EG des Rates vom zur Änderung und Kodifizierung der Richtlinie 85/73/EWG zur Sicherstellung der Finanzierung der veterinär- und hygienerechtlichen Kontrollen von lebenden Tieren und bestimmten tierischen Erzeugnissen sowie zur Änderung der Richtlinien 90/675/EWG und 91/496/EWG (ABl. L 162 S. 1), unter dessen Geltung auch allgemeine Verwaltungskosten bei der Gebührenkalkulation ansatzfähig waren (vgl. hierzu Protokollerklärung des Agrarrates und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften zur Entscheidung des Rates vom (BAnz. Nr. 37/1989, S. 901). Denn die Vorgaben für die Gebührenberechnung in Anhang VI der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 knüpfen an die Bestimmungen aus Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 85/73/EWG an und führen deren Regelungsgehalt fort. Es ist daher nicht erkennbar, dass der Umfang der anrechenbaren Kostenbestandteile durch die Nachfolgeregelung in Art. 27 Abs. 2 und 4 i.V.m. Anhang VI der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 eine Veränderung erfahren hat.
27Für diese Auslegung spricht nach Auffassung des Senats insbesondere der in Art. 26 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 niedergelegte Grundsatz, angemessene finanzielle Mittel für die amtlichen Kontrollen verfügbar zu machen (vgl. auch Erwägungsgrund 32, Art. 27 Abs. 1 und 2 der Verordnung <EG> Nr. 882/2004). Das verlangt, bei der Gebührenbemessung sämtliche Kosten zu berücksichtigen, die bei der zuständigen Behörde im Zusammenhang mit den amtlichen Kontrollen tatsächlich anfallen. Nur bei einer vollständigen Kostendeckung ist gewährleistet, dass über die Gebührenerhebung ausreichende Finanzmittel aufgebracht werden, damit die erforderlichen personellen und sachlichen Ressourcen für eine effiziente und wirksame Wahrnehmung der Kontrollaufgaben bereitgestellt werden können.
28c) Zweifel an dieser Auslegung des Unionsrechts bestehen nicht mehr.
29Der Gerichtshof der Europäischen Union hat im Urteil vom - C-477/18 und C-478/18, Exportschlachterij J. Gosschalk - entschieden, dass sich die Gebührenerhebung auch auf die Finanzierung der Lohn- und Gehaltskosten für das Verwaltungs- und Hilfspersonal erstrecken kann (Rn. 65). Die Tätigkeit des Verwaltungs- und Hilfspersonals gestatte den amtlichen Tierärzten eine Konzentration auf ihre Inspektionsaufgaben im engeren Sinne, entlaste sie von der Logistik der Inspektionstätigkeit und trage damit zu den Kontrollen bei (Rn. 61 und 63). Das Finanzierungssystem der amtlichen Kontrollen dürfe daher die anteiligen Lohn- und Gehaltskosten für das Verwaltungs- und Hilfspersonal umfassen, soweit sie auf untrennbar mit der Durchführung der amtlichen Kontrollen verbundene, den Einsatz dieses Personals objektiv erfordernde Tätigkeiten entfallen (Rn. 67). Mit der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 habe der Unionsgesetzgeber nicht von der Auslegung der erstattungsfähigen Kosten im Rahmen der Richtlinie 85/73/EWG abweichen wollen (Rn. 69).
30Die vom Senat mit Vorlagebeschluss vom - 3 C 17.16 - (Buchholz 418.5 Fleischbeschau Nr. 35) zur Vorabentscheidung gestellte Frage lässt sich anhand dieser Ausführungen hinreichend sicher beantworten. Die Auslegungszweifel, die das Urteil vom - C-112/15 [ECLI:EU:C:2016:185], Koedbranchens Faellesrad - begründet hatte, hat der Gerichtshof der Europäischen Union ausgeräumt. Wie der Senat bereits im Vorlagebeschluss erwogen hatte, sind die Erwägungen der Entscheidung des Jahres 2016 auf die dort entschiedene Konstellation von Ausbildungskosten von Personen bezogen, die während ihrer Ausbildung keinerlei Tätigkeiten im Zusammenhang mit den amtlichen Kontrollen wahrgenommen hatten. Soweit tatsächliche Kosten für die Tätigkeit von Verwaltungs- und Hilfspersonal aber entstehen, sind diese nach der eindeutigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auch berücksichtigungsfähig.
31Aus der im Urteil vom - C-477/18 und C-478/18, Exportschlachterij J. Gosschalk - (Rn. 66) enthaltenen Einschränkung, dass bei der Berechnung der Gebühren nur die Arbeitszeit des Verwaltungs- und Hilfspersonals berücksichtigt werden dürfe, die für untrennbar mit der Durchführung der amtlichen Kontrollen verbundene Tätigkeiten erforderlich ist, folgt nichts anderes. Die in der Entscheidung gebilligte Erstattungsfähigkeit des Einsatzes von Verwaltungs- und Hilfspersonal für die amtlichen Kontrollen wird dadurch nicht in Frage gestellt. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat selbst dargelegt, dass das Verwaltungs- und Hilfspersonal die amtlichen Tierärzte und die amtlichen Fachassistenten entlasten solle, damit sie sich auf ihre Inspektionsaufgaben im engeren Sinne konzentrieren können (Rn. 61 und 63). Das von den Mitgliedstaaten zu schaffende Finanzierungssystem solle nicht nur die "Durchführung" der amtlichen Kontrollen, sondern deren "Organisation" gewährleisten (Rn. 64). Aufgrund dieses dem Art. 27 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 immanenten Finanzierungsansatzes zählen die Kosten der untrennbar mit der Durchführung der amtlichen Kontrollen verbundenen Tätigkeiten des für die Logistik und die Organisation der Schlachttier- und Fleischuntersuchungen eingesetzten Verwaltungs- und Hilfspersonals zu den durch die amtlichen Kontrollen entstehenden Kosten.
32Die genannte Einschränkung dient vielmehr der Abgrenzung zu der im Urteil vom - C-112/15, Koedbranchens Faellesrad - entschiedenen Konstellation, in der es um die Grundausbildung des Verwaltungs- und Hilfspersonals ging, das erst nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung amtliche Fleischkontrollen durchführen durfte. Das ausgebildete Personal konnte aber auch auf anderen Dienstposten als solchen der Fleischhygienekontrolle beschäftigt werden oder Stellen außerhalb der Behörde antreten (Rn. 23). Eine solche Grundausbildung von Personal ist nicht untrennbar mit der Durchführung der amtlichen Kontrollen verbunden. Der Generalanwalt hatte mit dem Hinweis, dass derartige Kosten der zuständigen Behörde nicht "zwingend" aufgrund der Durchführung einer tatsächlichen amtlichen Kontrolle entstanden sind (Schlussanträge des Generalanwalts vom - C-477/18 und C-478/18 - Rn. 73), eine Formulierung gewählt, die den erforderlichen Zurechnungszusammenhang zwischen der Hilfstätigkeit und der amtlichen Kontrolle ebenfalls deutlich macht.
33d) Schließlich lassen die Vorgaben des Unionsrechts auch eine pauschalierende Gebührenkalkulation anhand der in vorangegangenen Zeiträumen ermittelten Kosten zu.
34Nach Art. 27 Abs. 4 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 können die zum Zwecke von amtlichen Kontrollen erhobenen Gebühren auf der Grundlage der von den zuständigen Behörden während eines bestimmten Zeitraums getragenen Kosten als Pauschale festgesetzt werden. Es ist in der Rechtsprechung des erkennenden Senats geklärt, dass die Höhe der Pauschalgebühr auf der Basis im Vorhinein kalkulierter Kosten ermittelt werden darf und es keiner nachträglichen Kostenabrechnung jedes Einzelfalls bedarf ( 3 C 1.12 - Buchholz 418.5 Fleischbeschau Nr. 32 Rn. 19 m.w.N.).
35Auch diese Auslegung hat der Gerichtshof der Europäischen Union im Urteil vom - C-477/18 und C-478/18, Exportschlachterij J. Gosschalk - bestätigt. Dort wird ausgeführt, die der zuständigen Behörde im Sinne von Art. 2 Nr. 4 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 zuerkannte Befugnis, die Gebühren anhand von Pauschalen zu berechnen, impliziere, dass der Betrag der von einem Schlachthof verlangten Gebühr im Einzelfall sowohl niedriger als auch höher sein könne als die von der Behörde bei einer konkreten amtlichen Kontrolle tatsächlich getragenen Kosten. Diese Heranziehung zu einer Durchschnittsgebühr trage dazu bei, die Gleichbehandlung der Schlachthöfe zu gewährleisten und auszuschließen, dass sie ungleich behandelt würden, indem verhindert werde, dass die Kosten einer amtlichen Kontrolle etwa abhängig von der Besoldungsgruppe oder vom Dienstalter des amtlichen Tierarztes schwankten oder davon, ob der Tierarzt bei der zuständigen Behörde selbst angestellt oder entliehen sei (Rn. 91 f.).
36Entgegen dem Vorbringen des Klägers ist deshalb nicht zu beanstanden, dass die Pauschalgebühr für die amtlichen Kontrollen des Jahres 2013 auf der Grundlage der in den Jahren 2009, 2010 und 2011 festgestellten Ausgaben berechnet worden ist (vgl. zur Bezugnahme der durchschnittlichen Kosten der drei vorangegangenen Jahre auch die Schlussanträge des Generalanwalts vom - C-477/18 und C-478/18 - Rn. 97).
37e) Soweit der Kläger im Schriftsatz vom vorgetragen hat, die Tatsacheninstanzen hätten eine Aufklärung des der Gebührenkalkulation zugrunde gelegten Personalkostenanteils der allgemeinen Verwaltung unterlassen, ist die Verfahrensrüge nicht innerhalb der in § 139 Abs. 3 Satz 1 VwGO bestimmten Frist vorgebracht.
38Aus der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom - C-477/18 und C-478/18, Exportschlachterij J. Gosschalk - haben sich hierzu keine neuen Gesichtspunkte ergeben. Dass nur diejenigen Kosten in Ansatz gebracht werden dürfen, die durch amtliche Kontrollen entstehen und diesen daher zugerechnet werden können, entsprach zuvor der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. 3 C 20.11 - Buchholz 418.5 Fleischbeschau Nr. 31 Rn. 18 ff. und vom - 3 C 1.12 - Buchholz 418.5 Fleischbeschau Nr. 32 Rn. 16); diese Auffassung hat auch das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Diese Maßstäbe entsprechen der vom Kläger in Bezug genommenen Formulierung in der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union, wonach nur die Arbeitszeit des Verwaltungs- und Hilfspersonals berücksichtigt werden darf, die für untrennbar mit der Durchführung der amtlichen Kontrollen verbundene Tätigkeiten erforderlich ist. Warum der Kläger an einer hierauf bezogenen Rüge innerhalb der Frist des § 139 Abs. 3 Satz 1 VwGO hätte gehindert sein können, ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich.
39Unabhängig hiervon enthält das Vorbringen auch nicht die gemäß § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO erforderlichen Darlegungen für eine Aufklärungsrüge. Der Kläger hat die nunmehr vermisste Sachverhaltsaufklärung ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Berufungsgericht (§ 105 VwGO i.V.m. § 160 Abs. 2 und § 165 ZPO) weder im Verfahren vor dem Tatsachengericht beantragt noch zeigt er auf, dass sich dem Berufungsgericht weitere Ermittlungen zu der bezeichneten Frage auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (vgl. zu diesem Darlegungserfordernis 2 C 22.13 - BVerwGE 150, 1 Rn. 32 m.w.N.). Vielmehr hat sich das Berufungsgericht ausführlich mit den vom Beklagten herangezogenen Kalkulationsgrundlagen befasst. Einwände gegen die Höhe des angesetzten Personalkostenanteils hat der Kläger aber erst jetzt vorgetragen.
40Aus den im Revisionsverfahren vom Beklagten vorgelegten Erläuterungen ergibt sich im Übrigen, dass der Personalkostenanteil der mit den amtlichen Kontrollen befassten Mitarbeiter der allgemeinen Verwaltung nicht "schätzungsweise unterstellt", sondern minutenscharf ermittelt worden ist.
41Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2020:030920U3C4.20.0
Fundstelle(n):
YAAAH-69847