BGH Beschluss v. - XIII ZB 85/19

Haftaufhebungssache: Einwendungen gegen die Zulässigkeit des Haftantrags; Fehlen des erforderlichen Einvernehmens der Staatsanwaltschaft; Aufhebung einer für einen zu langen Zeitraum angeordneten Haft

Leitsatz

1. Im Haftaufhebungsverfahren können auch Einwände gegen die Zulässigkeit des Haftantrags erhoben werden, wenn die Mängel des Antrags im vorausgegangenen Haftanordnungsverfahren nicht wirksam geheilt worden sind.

2. Eine Aufhebung der Haft kommt bei Fehlen des erforderlichen Einvernehmens der Staatsanwaltschaft nur in Betracht, wenn nicht erwartet werden kann, dass das darin liegende Hindernis bis zur Abschiebung ausgeräumt wird.

3. Im Verfahren über die Aufhebung einer für einen zu langen Zeitraum angeordneten Haft nach § 426 FamFG ist zu berücksichtigen, wenn innerhalb der auf den zulässigen Zeitraum begrenzten Haft Umstände eingetreten sind, die zu einer Verlängerung der Haft geführt hätten.

Gesetze: § 426 FamFG

Instanzenzug: LG Paderborn Az: 5 T 100/19vorgehend AG Paderborn Az: 11 XIV (B) 145/18

Gründe

1I. Der Betroffene, ein marokkanischer Staatsangehöriger, reiste am unerlaubt in das Bundesgebiet ein und stellte am einen Asylantrag, den das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (fortan: Bundesamt) mit seit dem bestandskräftigem Bescheid ablehnte. In dem Bescheid forderte das Bundesamt den Betroffenen auf, Deutschland innerhalb von 30 Tagen zu verlassen, und drohte ihm für den Fall der Ver-säumung dieser Frist die Abschiebung an. Dieser Aufforderung kam der Betroffene nicht nach. Ein Versuch, ihn am nach Marokko abzuschieben, scheiterte daran, dass der Betroffene einer Vorladung der beteiligten Behörde, die ihn aufgrund einer einstweiligen Anordnung des Amtsgerichts festnehmen lassen wollte, nicht Folge leistete und an seiner Meldeadresse nicht anzutreffen war. Als der Betroffene von sich aus am bei der Behörde vorsprach, verständigte diese eine Polizeistreife, die der Betroffene zunächst mit einem Messer bedrohte, die ihn dann aber festnehmen konnte. Auf Antrag der beteiligten Behörde ordnete das für den Festnahmeort zuständige Amtsgericht Gummersbach noch am gleichen Tag gegen den Betroffenen Haft zur Sicherung seiner Abschiebung nach Marokko bis zum an. Auf die Beschwerde stellte das Landgericht Köln unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen und entsprechender Aufrechterhaltung der Haft fest, dass die vollzogene Haft den Betroffenen bis zum in seinen Rechten verletzt habe.

2Am hat sich der Rechtsbeschwerdeführer als Person des Vertrauens des Betroffenen beim Amtsgericht Gummersbach gemeldet und die Aufhebung der Haft sowie für den - am bei der Abschiebung des Betroffenen nach Marokko eingetretenen - Fall der Haftentlassung die Feststellung einer Verletzung der Rechte des Betroffenen beantragt. Mit einem Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom hat auch der Betroffene selbst entsprechende Anträge gestellt. Das Amtsgericht Gummersbach hat der Vertrauensperson des Betroffenen am mitgeteilt, ihr Antrag sei mangels Vertretungsmacht unzulässig, und die Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen am zur Mitteilung aufgefordert, ob ein Antrag auf Verweisung des Verfahrens an das Gericht am Haftort, das Amtsgericht Paderborn, gestellt werde, dann aber, ohne deren Antwort abzuwarten, die "Anträge des Betroffenen vom " mit Beschluss vom verworfen. Nach Eingang des Verweisungsantrags am hat es das Verfahren mit Beschluss vom an das Amtsgericht Paderborn abgegeben, das es übernommen hat. Dieses hat den - nach dessen Abschiebung noch anhängigen - Antrag "des Betroffenen" auf Feststellung der Rechtswidrigkeit als unbegründet zurückgewiesen. Die Beschwerde der Vertrauensperson des Betroffenen ist beim Landgericht ohne Erfolg geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung die beteiligte Behörde beantragt, möchte die Vertrauensperson die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haft im Zeitraum vom 9. bis zum festgestellt wissen.

3II. Das - aus eigenem Recht der Vertrauensperson des Betroffenen, aber auch nach § 429 Abs. 2 FamFG statthafte und auch sonst zulässige - Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.

41. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung Folgendes ausgeführt:

"Die Beschwerde war aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, denen die Kammer sich nach eigener Sachprüfung in vollem Umfang anschließt, als unbegründet zurückzuweisen.

Das Amtsgericht P. hat sich im Beschluss vom ausführlich und umfassend mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers aus der Beschwerdebegründung vom auseinandergesetzt. Die Kammer hat den Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom ergänzend Gelegenheit zur Stellungnahme zur Zulässigkeit der Beschwerde sowie in der Sache gewährt. Der Beschwerdeführer hat jedoch keine weiteren Einwendungen zur Sache vorgebracht, sondern einzig weiter zur Zulässigkeit vorgetragen.

Aus diesem Grund war die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen."

52. Diese Entscheidung des Beschwerdegerichts ist entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde nicht schon deshalb aufzuheben, weil es an der erforderlichen Darstellung des Sachverhalts fehlte.

6a) Allerdings müssen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, den maßgeblichen Sachverhalt wiedergeben und die Anträge der Beteiligten erkennen lassen (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom - V ZB 95/10, juris Rn. 3, vom - V ZB 180/08, JurBüro 2009, 442 Rn. 5, vom - V ZB 3/12, juris Rn. 3, und vom - V ZB 26/12, juris Rn. 4, jeweils mwN). Dies gilt auch in Verfahren in Freiheitsentziehungssachen, auch nach § 426 FamFG, in denen das Rechtsbeschwerdegericht gemäß § 74 Abs. 3 Satz 4 FamFG, § 559 ZPO grundsätzlich von dem Sachverhalt auszugehen hat, den das Beschwerdegericht festgestellt hat. Ausführungen des Beschwerdegerichts, die eine solche Überprüfung nicht ermöglichen, sind keine Gründe im verfahrensrechtlichen Sinne. Sie begründen einen Verfahrensmangel, der von Amts wegen zu berücksichtigen ist und die Aufhebung der Beschwerdeentscheidung nach sich zieht (vgl. BGH, Beschlüsse vom - V ZB 3/12, juris Rn. 3, und vom - V ZB 26/12, juris Rn. 4, jeweils mwN).

7b) Das Fehlen einer Sachdarstellung hindert eine Entscheidung über die Rechtsbeschwerde aber nicht, wenn sich das Beschwerdegericht die Gründe der Entscheidung des Amtsgerichts zu eigen macht, sich der Sachverhalt aus dessen Entscheidung hinreichend deutlich ergibt und dieser im Beschwerdeverfahren keine relevanten Änderungen erfahren hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom - V ZB 3/12, juris Rn. 4, und vom - V ZB 26/12, juris Rn. 5). So liegt es hier.

83. Die Zurückweisung des Feststellungsantrags ist auch in der Sache richtig.

9a) Dies ergibt sich allerdings nicht schon daraus, dass eine Bescheidung des Antrags nicht mehr zulässig wäre.

10aa) Das Amtsgericht Gummersbach hat zwar den Antrag des Betroffenen vom durch Beschluss vom als unzulässig verworfen, obwohl die der Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen einzuräumende Frist zur Reaktion noch nicht verstrichen war. Fraglich ist mangels Einlegung einer Beschwerde auch, ob das Amtsgericht das Verfahren insoweit überhaupt noch an das für den Haftort zuständige Amtsgericht Paderborn abgeben konnte, das es, wenn auch zu Unrecht (vgl. , InfAuslR 2017, 293 Rn. 9, 13), für örtlich zuständig hielt. Diese Frage bedarf aber keiner Entscheidung.

11bb) Die Zurückweisung war nämlich in der Sache nur eine Teilentscheidung. Zurückgewiesen hatte das Amtsgericht nur den Antrag des Betroffenen vom . Neben dem Betroffenen selbst konnte und durfte indessen auch seine Vertrauensperson aus eigenem Recht die Aufhebung der Haft und die Feststellung der Rechtswidrigkeit beantragen (vgl. BGH, Beschlüsse vom - XIII ZB 82/19, InfAuslR 2020, 387 Rn. 13, und vom - XIII ZB 83/19, juris Rn. 8-10). Über deren am bei ihm eingegangenen Antrag hat das Amtsgericht Gummersbach am nicht entschieden. Jedenfalls dieser Antrag, der zudem, da früher gestellt, einen längeren Haftzeitraum erfassen konnte als der erst kurz vor seiner Abschiebung gestellte Antrag des Betroffenen (dazu: , InfAuslR 2020, 387 Rn. 23), wurde von dem Verweisungsbeschluss des erfasst und ist Gegenstand des Verfahrens vor dem Amtsgericht Paderborn geworden, das das Verfahren nach § 106 Abs. 2 Satz 2 AufenthG auch insgesamt übernommen hat.

12cc) Den nach Erledigung des Haftaufhebungsantrags infolge Abschiebung noch offenen Antrag der Vertrauensperson des Betroffenen auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haft über den hinaus haben das Amtsgericht und das Landgericht Paderborn auch beschieden. Beide haben zwar über die Anträge "des Betroffenen" entschieden, obwohl die Vertrauensperson des Betroffenen sie darauf hingewiesen hatte, sie habe aus eigenem Recht einen Haftaufhebungsantrag gestellt. Die Auslegung beider Entscheidungen ergibt aber, dass sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht Paderborn über alle Anträge auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der gegen den Betroffenen angeordneten Sicherungshaft entscheiden und den Antrag der Vertrauensperson des Betroffenen nicht unbeschieden lassen wollten. Damit haben sie jedenfalls auch über deren Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Sicherungshaft entschieden.

13b) Der Antrag ist jedoch deshalb zu Recht zurückgewiesen worden, weil die geltend gemachten Haftaufhebungsgründe nicht vorliegen.

14aa) Ein etwaiger Mangel des Haftantrags ist jedenfalls durch den ergänzenden Vortrag der beteiligten Behörde im Beschwerdeverfahren und die Anhörung des Betroffenen hierzu geheilt worden.

15(1) Im Haftaufhebungsverfahren gemäß § 426 Abs. 1 FamFG können nicht nur neue Umstände, sondern auch Einwände gegen die Anordnung der Haft geltend gemacht werden (BGH, Beschlüsse vom - V ZB 129/08, BGH-Report 2008, 1282 Rn. 19, vom - V ZB 39/17, InfAuslR 2017, 347 Rn. 6, und vom - XIII ZB 86/19, juris Rn. 8). Deshalb können auch Einwände gegen die Zulässigkeit des Haftantrags erhoben werden, wenn die Mängel des Antrags im vorausgegangenen Haftanordnungsverfahren nicht wirksam geheilt worden sind.

16(2) Danach scheidet eine Aufhebung der angeordneten Haft wegen der fehlenden Erwähnung des aus Anlass des Vorfalls am eingeleiteten Strafverfahrens gegen den Betroffenen schon deshalb aus, weil ein darin etwa liegender Mangel des Haftantrags im Beschwerdeverfahren unter Anhörung des Betroffenen wirksam geheilt worden ist. Das Beschwerdegericht hat die Anhängigkeit des Strafverfahrens in Erfahrung gebracht. Die beteiligte Behörde hat das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft mit der Abschiebung des Betroffenen beigebracht. Zu beidem ist der Betroffene persönlich angehört worden.

17(3) Zu dem gegen den Betroffenen eingeleiteten Strafverfahren wegen des Verdachts der Nachstellung und der Körperverletzung zum Nachteil seiner früheren Verlobten musste sich der Haftantrag der beteiligten Behörde nicht verhalten. Nach der Rechtsprechung des Senats muss die beteiligte Behörde in ihrem Haftantrag zwar dazu Ausführungen machen, wie sie ein aus der erforderlichen Zustimmung der Staatsanwaltschaft möglicherweise entstehendes Abschiebungshindernis auszuräumen gedenkt. Das gilt aber nur, wenn sich aus dem Haftantrag oder den ihm beigefügten Unterlagen ein laufendes und nicht offensichtlich zustimmungsfreies Ermittlungsverfahren ergibt (, BGHZ 224, 344 = InfAuslR 2020, 242 Rn. 19). Das war hier nicht der Fall. Aus dem Haftantrag der beteiligten Behörde ergab sich nur, dass die Verlobte ihr von Gewaltanwendung und Morddrohungen berichtet, aber nicht, dass sie diese Vorgänge auch zur Anzeige gebracht hatte. Die beteiligte Behörde hat davon erst am und damit nach Eintritt der Rechtskraft der Beschwerdeentscheidung erfahren. Dadurch konnte der Haftantrag nicht mehr unzulässig werden.

18bb) Die Haftanordnung ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft mit der Abschiebung des Betroffenen nicht schon bei der Bestätigung der Haftanordnung durch das Beschwerdegericht, sondern erst im Laufe des Vollzugs der Abschiebung erteilt worden ist. Nach der Rechtsprechung des Senats ist das erforderliche Einvernehmen der Staatsanwaltschaft keine Voraussetzung für die Anordnung von Abschiebungshaft. Vielmehr ist das Fehlen des erforderlichen Einvernehmens ein mögliches Abschiebungshindernis, das aber bis zum Vollzug der Abschiebung ausgeräumt werden kann (, BGHZ 224, 344 = InfAuslR 2020, 242 Rn. 12 unter Aufgabe von , NVwZ 2010, 1574). Eine Aufhebung der Haft kommt deshalb nur in Betracht, wenn - anders als hier - nicht erwartet werden kann, dass das Hindernis bis zur Abschiebung ausgeräumt wird.

19cc) Die Haft war auch nicht deshalb aufzuheben, weil das Beschwerdegericht sie richtigerweise auf einen Zeitraum bis zum hätte begrenzen und für den Zeitraum ab dem hätte aufheben müssen. Im Haftaufhebungsverfahren ist nämlich zu berücksichtigen, wenn während des tatsächlich zulässigen Haftzeitraums die Voraussetzungen für eine Verlängerung der Haft eingetreten sind. So liegt es hier.

20(1) Das Beschwerdegericht hätte die über den hinaus angeordnete Haft allerdings nicht aufrechterhalten dürfen. Es stellt nämlich fest, dass die Abschiebung für den durchorganisiert war. Es musste die Haft zwar nicht auf den begrenzen; es durfte der beteiligten Behörde vielmehr noch einen zeitlichen Puffer für allfällige Verzögerungen bis zum einräumen. Es musste sie aber nach § 62 Abs. 1 Satz 2 AufenthG, § 426 Abs. 1 FamFG von Amts wegen für den Zeitraum danach aufheben. Davon durfte es auch nicht mit der Begründung absehen, die Untersuchung des Betroffenen auf seine Flugtauglichkeit könne zu Verzögerungen führen. Es durfte die Beschwerde des Betroffenen gegen die Haftanordnung nur zurückweisen, wenn es die Bestätigung seiner Flugtauglichkeit erwartete. Feststellungen dazu, dass und aus welchen Gründen der für die Untersuchung des Betroffenen zu veranschlagende Zeitraum den geplanten Abschiebungstermin zu Fall bringen würde, hat das Beschwerdegericht nicht getroffen. Durch dieses Vorgehen wurde die angeordnete Haft für diesen Zeitraum zu einer Vorratshaft, die das Gesetz nicht zulässt (vgl. zum Ganzen , NVwZ 2017, 733 [Ls.] = juris Rn. 13).

21(2) Im Verfahren über die Aufhebung einer für einen zu langen Zeitraum angeordneten Haft nach § 426 FamFG ist aber zu prüfen, ob innerhalb der auf den zulässigen Zeitraum begrenzten Haft Umstände eingetreten sind, die zu einer Verlängerung der Haft geführt hätten.

22(a) Die Berücksichtigung von Einwänden gegen die Haftanordnung im Haftaufhebungsverfahren hat den Zweck zu verhindern, dass ein Betroffener weiter in Haft gehalten wird, obwohl sich die (rechtskräftig gewordene) Haftanordnung als rechtswidrig erweist (, BGH-Report 2008, 1232 Rn. 19). Darin findet die Berücksichtigung von Einwänden gegen die Haftanordnung aber auch ihre Grenze. Im Haftaufhebungsverfahren ist deshalb zu berücksichtigen, dass die solchen Einwänden zugrunde liegenden Defizite des Haftantrags oder Fehler der Haftanordnung im Haftanordnungsverfahren (für die Zukunft) hätten geheilt werden können (, InfAuslR 2017, 347 Rn. 15-17, und vom - XIII ZB 86/19, juris Rn. 11). Bliebe diese Möglichkeit unberücksichtigt, hätte der Betroffene im Haftaufhebungsverfahren weiter gehende Rechte als bei einem Rechtsmittel gegen die Haftanordnung. Dies stünde mit dem Zweck des Haftaufhebungsverfahrens nicht in Einklang (, InfAuslR 2017, 347 Rn. 16).

23(b) Nichts Anderes gilt, wenn der Haftrichter oder das Beschwerdegericht versäumen, die für einen zu langen Zeitraum beantragte oder angeordnete Haft entweder von vornherein oder auf Beschwerde des Betroffenen hin auf den Zeitraum zu begrenzen, für den der festgestellte Sachverhalt eine tragfähige tatsächliche Grundlage bietet. Würde die Haft in einem solchen Fall auch dann aufgehoben, wenn zwischenzeitlich die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Verlängerung der Haft eingetreten sind, würde der Betroffene ohne sachlichen Grund besser gestellt als bei einem ordnungsgemäßen Vorgehen der Haftgerichte. Bei einem ordnungsgemäßen Vorgehen der Haftgerichte wäre die Haft zwar verkürzt worden. Die beteiligte Behörde hätte dann aber bei einem entsprechenden Sachverhalt die Möglichkeit gehabt, bei einem Scheitern des Abschiebungsversuchs, der durch die angeordnete verkürzte Haft abgesichert werden sollte, den Haftrest nach § 62 Abs. 4a AufenthG zur Stellung eines Haftverlängerungsantrags zu nutzen (vgl. , InfAuslR 2018, 415 Rn. 21) und die Verlängerung der Haft zu erwirken. Sind die Voraussetzungen für eine der angeordneten Haftdauer entsprechende Verlängerung der Haft bei Eingang des Haftaufhebungsantrags gegeben, besteht deshalb kein Grund, die Haft jetzt aufzuheben. Deshalb ist im Verfahren zur Aufhebung einer zu lang angeordneten Haft zu berücksichtigen, ob die Voraussetzungen für eine entsprechende Verlängerung eingetreten sind. Ist dies der Fall, scheidet eine Aufhebung der Haft aus.

24(3) Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der geplante Abschiebungsversuch am ist daran gescheitert, dass die beauftragte Fluglinie den Flug gestrichen hat. Ein Ausweichtermin am ist fehlgeschlagen, weil das Begleitteam der Bundespolizei nicht zur Verfügung stand. Innerhalb des Zeitraums bis zum , auf den das Beschwerdegericht die Haft richtigerweise hätte begrenzen müssen, war ein weiterer Versuch nicht durchführbar, weil ein neues Begleitteam zusammengestellt werden musste. Die beteiligte Behörde hätte in dem genannten Haftzeitraum einen Verlängerungsantrag stellen können und die Verlängerung der Haft bis zum tatsächlich angeordneten Haftende am auch erwirkt, weil für die Organisation einer begleiteten Abschiebung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs regelmäßig mit einem Zeitraum von sechs Wochen zu rechnen ist (BGH, Beschlüsse vom - V ZB 4/17, InfAuslR 2019, 23 Rn. 11, vom - V ZB 173/18, juris Rn. 8, und vom - XIII ZB 5/19, InfAuslR 2020, 165 Rn. 12).

25dd) Die Aufhebung der Haft war auch nicht deshalb geboten, weil die beteiligte Behörde das Beschleunigungsgebot verletzt hätte.

26(1) Im Ausgangspunkt zutreffend geht die Rechtsbeschwerde davon aus, dass die Abschiebungshaft stets auf das unbedingt erforderliche Maß beschränkt und die Abschiebung ohne unnötige Verzögerung betrieben werden muss; dies ergibt sich aus dem aus Art. 2 Abs. 2 GG abzuleitenden (dazu: BVerfGE 46, 194, 195 und BGH, Beschlüsse vom - V ZB 14/96, BGHZ 133, 235, 239, und vom - V ZB 204/09, NVwZ 2010, 1172 Rn. 21) Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und einfachgesetzlich daraus, dass die Haft nach § 62 Abs. 1 Satz 2 AufenthG auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken ist. Die Sicherungshaft darf deshalb nur aufrechterhalten oder verlängert werden, wenn die Behörde die Abschiebung des Betroffenen ernstlich betreibt, und zwar - gemäß dem genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit - mit der größtmöglichen Beschleunigung (st. Rspr., vgl. nur , juris Rn. 7 mwN).

27(2) Dies wurde beachtet.

28(a) Ob im Fall des Betroffenen eine Sicherheitsbegleitung erforderlich war, was die beteiligte Behörde annimmt und wofür angesichts seines Verhaltens bei seiner Festnahme am einiges spricht, haben die Haftgerichte - anders als die Rechtsbeschwerde meint - nicht zu prüfen (vgl. BGH, Beschlüsse vom - V ZB 236/17, juris Rn. 9, und vom - XIII ZB 45/19, juris Rn. 21).

29(b) Ist aber eine Sicherheitsbegleitung erforderlich, so erschließt sich grundsätzlich ohne Weiteres, dass der organisatorische Aufwand für die Vorbereitung der Überstellung jedenfalls eine Zeit von bis zu sechs Wochen in Anspruch nimmt, da erst die für die Begleitung in Betracht kommenden Personen ermittelt und innerhalb der zur Verfügung stehenden Zeitfenster die Flüge für den Betroffenen und die Begleitpersonen gebucht werden müssen. Im Hinblick auf die beschränkten Personalressourcen wird zwangsläufig ein zeitlicher Vorlauf benötigt, der bis zu sechs Wochen in Anspruch nehmen und daher als angemessen angesehen werden kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom - V ZB 4/17, InfAuslR 2019, 23 Rn. 11, und vom - XIII ZB 45/19, juris Rn. 22). Der unvorhergesehene Ausfall des für die Abschiebung eines Betroffenen vorgesehenen Flugs oder der hierfür eingeplanten Sicherungsbegleitung ist, wie das Amtsgericht zu Recht entschieden hat, kein Umstand, der einen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot begründet. Ein solcher Verstoß ergibt sich auch nicht daraus, dass es der beteiligten Behörde nach dem Scheitern des ursprünglich für den vorgesehenen Abschiebungsversuchs wegen der Annullierung des Flugs gelungen ist, in kurzer Frist einen neuen Abschiebungsversuch für den mit Sicherheitsbegleitung zu organisieren. Eine so kurzfristige Umterminierung einer Abschiebung mit Sicherheitsbegleitung setzt günstige Umstände voraus, die nicht generell vorausgesetzt werden können und im vorliegenden Fall tatsächlich auch nicht eingetreten sind. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, dass die beteiligte Behörde für die Organisation eines neuen Flugs mit Sicherheitsbegleitung die sechs Wochen benötigt hat, die üblicherweise hierfür anzusetzen sind.

30c) Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:




ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:061020BXIIIZB85.19.0

Fundstelle(n):
WAAAH-66858