BVerwG Beschluss v. - 8 B 34/19

Besatzungsrechtlichkeit; Besatzungshoheitlichkeit der Enteignung eines Gutes; fehlende Substantiierung des Zulassungsgrundes

Gesetze: § 1 Abs 1 AusglLeistG, § 4 EntschG, § 7 Abs 1 EntschG, § 1 Abs 8 Buchst a VermG

Instanzenzug: Az: 2 A 1000/10 Urteil

Gründe

1Die Kläger begehren als Rechtsnachfolger des 2011 verstorbenen H. S. die Feststellung, dass für den Entzug des Eigentums am Gut K. die besatzungsrechtliche Grundlage fehlt, hilfsweise die Neuberechnung der Bemessungsgrundlage einer Ausgleichsleistung mit dem für landwirtschaftliche Flächen anzusetzenden Faktor 3.

2Eigentümerin des 1950 in Volkseigentum überführten Gutes war jedenfalls bis 1945 die P.-Zementfabrik ... . Mit Bescheid vom lehnte das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen den Antrag des Rechtsvorgängers der Kläger auf Rückübertragung des Gutes an den Träger des in Liquidation befindlichen Unternehmens ab, weil die besatzungsrechtliche bzw. -hoheitliche Enteignung des Gutes gemäß § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG nicht vom Vermögensgesetz erfasst sei. Die Klage dagegen wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom - 5 A 318/94 - ab. Die Nichtzulassungsbeschwerde hiergegen wies das 7 B 129.96 - zurück.

3Mit Bescheid vom stellte der Beklagte u.a. fest, dass dem Rechtsvorgänger der Kläger ein Anspruch auf Ausgleichsleistung in Höhe von 13 804,88 € zustehe. Die Bemessungsgrundlage sei in Höhe des 1,5-fachen des im Verfahren vor dem Ausgleichsamt Hamburg festgestellten Ersatzeinheitswertes anzusetzen. Das Gut sei ungeachtet der Verpachtung von Flächen zur landwirtschaftlichen Nutzung betriebliches Vermögen des Unternehmens gewesen. Die Klage hiergegen hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom abgewiesen. Sie sei hinsichtlich ihres auf das Fehlen einer besatzungsrechtlichen Grundlage für den Eigentumsentzug gerichteten Hauptantrages unzulässig, weil das Verwaltungsgericht bereits mit rechtskräftigem Urteil vom festgestellt habe, dass das Gut auf besatzungsrechtlicher oder -hoheitlicher Grundlage enteignet worden sei. Die Kläger könnten daher keine Rückgabe nach dem Vermögensgesetz mehr erreichen. Der auf Neuberechnung der Bemessungsgrundlage für die Ausgleichsleistung gerichtete Hilfsantrag sei unbegründet. Der entzogene Betriebsteil K. sei betriebliches Vermögen der Zementfabrik gewesen und in dem angegriffenen Bescheid zutreffend nach § 4 EntschG wie ein Unternehmen mit dem 1,5-fachen des Ersatzeinheitswertes bewertet worden. Das Verwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.

4Die allein auf den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde hiergegen bleibt ohne Erfolg.

5Die von den Klägern als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfenen Fragen,

ob die Bodenreform in der sowjetischen Besatzungszone der Entnazifizierung diente,

ob mit der Entnazifizierung die Bestrafung der Betroffenen wegen eines Verhaltens während der nationalsozialistischen Herrschaft bezweckt war,

ob im Hinblick auf die Proklamation Nr. 3 des Alliierten Kontrollrates vom die Erfassung sogenannter Junker und Großgrundbesitzer nur dann zulässig war, wenn Gerichte oder Kommissionen mit gerichtsähnlichen Befugnissen in jedem Einzelfall nach Maßgabe des Kontrollratsgesetzes Nr. 10 und der Kontrollratsdirektive Nr. 38 ein so schwerwiegendes, individuelles, schuldhaftes Fehlverhalten der Betroffenen festgestellt hatten, dass nach diesen Gesetzen die Einziehung des Vermögens angeordnet werden durfte,

welche Bedeutung Recht und Gesetz im Sinne der Kontrollratsproklamation Nr. 3, des SMAD-Befehls Nr. 110, des Kontrollratsgesetzes Nr. 10 sowie der Kontrollratsdirektive 138 u.a. im Hinblick auf einen gleichsam verfassungsrechtlichen Schutz des Eigentums der Zivilbevölkerung zukam,

welchen Anwendungsbereich die Bodenreformverordnungen hatten und welche Bedeutung dem Schuldprinzip bei Anwendung des Besatzungsrechts zukam und

ob die Aktivitäten deutscher Behörden während der Besatzungszeit generell der Besatzungsmacht zuzurechnen sind oder ob sich die Besatzungsmacht gerade gegen eine solche Zurechnung und Unterstellung verwahrt hat,

könnten im angestrebten Revisionsverfahren nicht geklärt werden. Das Verwaltungsgericht hat den Hauptantrag der Kläger abgewiesen, weil es sich aufgrund seines rechtskräftigen Urteils vom an einer anderen Entscheidung gehindert gesehen hat. Es hat keine erneute Entscheidung über die Besatzungsrechtlichkeit bzw. -hoheitlichkeit der Enteignung des Gutes K. getroffen. Revisionszulassungsgründe im Hinblick auf die tragende Erwägung des Verwaltungsgerichts, die Kläger könnten im Hinblick auf die rechtskräftige Entscheidung keine vermögensrechtliche Rückgabe mehr erreichen, sind der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen.

6Auch soweit die Kläger vorbringen, das Urteil des Verwaltungsgerichts vom sei nach § 134 BGB wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot null und nichtig, legen sie keinen Revisionszulassungsgrund dar, sondern kritisieren die Anwendung materiellen Rechts durch das Verwaltungsgericht im Einzelfall. Ihr Einwand, das mit jenem Urteil abgeschlossene Verfahren habe einen anderen Streitgegenstand als das vorliegende Verfahren gehabt, stellt die Relevanz der materiellen Rechtskraft des Urteils im Vorprozess und damit ebenfalls die materiell-rechtliche Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung in Frage, ohne einen Zulassungsgrund im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO zu substantiieren.

7Der Beschwerdebegründung lassen sich keine Revisionszulassungsgründe im Hinblick auf die Abweisung ihres auf Neuberechnung der Bemessungsgrundlage für die Ausgleichsleistung gerichteten Hilfsantrages entnehmen. Soweit die Kläger rügen, das Verwaltungsgericht habe die materielle Rechtskraft seines Urteils vom bezüglich der darin - nach Auffassung der Kläger - getroffenen Feststellung verkannt, das Gut K. sei ein eigenständiger landwirtschaftlicher Betrieb, bezeichnen sie keinen Verfahrensmangel, sondern behaupten einen Fehler der Sachentscheidung, der die Zulassung der Revision nicht zu begründen vermag (vgl. 6 B 135.18 - NVwZ-RR 2019, 610 Rn. 40).

8Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes für das gesamte Verfahren beruht auf § 45 Abs. 1 Satz 2 und 3, § 47 Abs. 2, § 52 Abs. 3 und § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2019:101019B8B34.19.0

Fundstelle(n):
UAAAH-66273