Zusammentreffen von Waffen- und Betäubungsmitteldelikten: Zeitgleiche Aufbewahrung von Waffen und Betäubungsmitteln; Verstoß gegen die Anzeigepflicht für den Waffenbesitz; Konkurrenzregeln für den Besitz von Betäubungsmitteln
Gesetze: § 29 Abs 1 S 1 Nr 1 Alt 1 BtMG, § 29a Abs 1 Nr 2 Alt 2 BtMG, § 29a Abs 1 Nr 2 Alt 4 BtMG, § 30a Abs 2 Nr 2 Alt 4 BtMG, § 37 Abs 1 S 1 Nr 1 WaffG, § 37 Abs 1 S 2 WaffG, § 52 WaffG, § 53 Abs 1 Nr 5 WaffG, § 52 Abs 1 Alt 1 StGB, § 52 Abs 1 Alt 2 StGB, § 21 OWiG
Instanzenzug: LG München I Az: 362 Js 122049/17 - 3 KLs
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Besitz einer halbautomatischen Kurzwaffe in vier tateinheitlichen Fällen, mit vorsätzlichem unerlaubten Besitz einer Langwaffe in zwei tateinheitlichen Fällen, mit vorsätzlichem unerlaubten Besitz von Munition und mit unerlaubtem Umgang mit explosionsgefährlichen Stoffen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren unter Strafaussetzung zu Bewährung verurteilt. Die hiergegen zuungunsten des Angeklagten umfassend geführte, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte und vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft führt zu einer Änderung des Schuldspruchs in den Konkurrenzen, was die Aufhebung des Strafausspruchs bedingt.
I.
2Nach den Feststellungen des Landgerichts baute der Angeklagte im Zeitraum von November 2016 bis Januar 2017 in einem Zelt in seinem Schlafzimmer Marihuanapflanzen an, um aus den daraus gewonnenen Blüten Cannabis als Schmerzmittel für rund einen Monat zu konsumieren. Am bewahrte er eine aus diesem Anbau stammende Restmenge in Höhe von 120,3 Gramm Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von 1,05 Gramm THC auf dem Speicher auf. Zudem befanden sich im Keller und im Schlafzimmer aus einem – wiederum nur zum Eigenkonsum bestimmten – zweiten Anbau (Zeitraum Januar bis Februar 2017) 115 Pflanzen, aus deren Blüten der Angeklagte 1.743 Gramm Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von 61 Gramm THC hätte ernten können.
3Ferner hatte der Angeklagte im selben Zeitraum im Nachlass seines 2012 verstorbenen Vaters im Keller des Hauses vier Selbstladepistolen und zwei Repetiergewehre, 9.018 Patronen sowie Nitrocellulose-Treibladungspulver mit einer Gesamtnettoexplosivmasse von 6.755,5 Gramm vorgefunden; dies alles gehörte seiner Mutter als Erbin. 8.385 Patronen und das Pulver verbrachte der Angeklagte ʺEnde 2016/Anfang 2017ʺ zu einem ehemaligen landwirtschaftlichen Anwesen. Die Selbstladepistolen und Repetiergewehre nebst dazugehörigen Patronen verwahrte der Angeklagte in seinem Schlafzimmer.
II.
4Die Revision ist teilweise begründet.
51. Die Annahme von Tateinheit zwischen dem Waffen-/Sprengstoff- und Betäubungsmitteldelikt erweist sich als rechtsfehlerhaft:
6a) Die gemäß § 52 Abs. 1 Alternativen 1 und 2 StGB tateinheitlich zusammentreffenden Verstöße gegen das Waffengesetz (§ 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b [bezüglich der vier Selbstladepistolen], Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a [bezüglich der zwei Repetiergewehre] und Buchst. b [bezüglich der Munition] WaffG, jeweils i.V.m. § 2 Abs. 2 i.V.m. Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1 WaffG) und gegen das Sprengstoffdelikt (§ 40 Abs. 1 Nr. 3, § 27 Abs. 1 Nr. 2, § 3 Abs. 2 Nr. 1 [Aufbewahren] SprengG) auf der einen Seite stehen zu der Betäubungsmittelstraftat (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 Variante 4 BtMG) auf der anderen Seite in Tatmehrheit (§ 53 Abs. 1 StGB):
7aa) Die – durch Identität der Ausführung begründete – Annahme von Tateinheit (§ 52 Abs. 1 StGB) setzt voraus, dass der Täter die maßgeblichen Tatbestände wenigstens teilweise durch ein und dieselbe Handlung verwirklicht. Bloße Gleichzeitigkeit voneinander unabhängiger Handlungen reicht dazu grundsätzlich nicht aus. Eine zeitgleiche Aufbewahrung von Waffen und Betäubungsmitteln kann demnach die Annahme einer Handlungseinheit regelmäßig nur dann rechtfertigen, wenn darüber hinaus – wie etwa beim (hier angeklagten) bewaffneten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln – ein funktionaler Zusammenhang zwischen beiden Besitzlagen besteht ( Rn. 5 f., BGHR WaffG § 52 Konkurrenzen 3 mwN).
8bb) Einen solchen sachlichen Zusammenhang hat das Landgericht trotz der zeitlichen Überschneidung des Verbringens der Waffen in das Schlafzimmer mit der ersten Aufzucht rechtsfehlerfrei ausgeschlossen (vgl. insbesondere UA S. 14). Insbesondere ist nicht etwa festgestellt, dass der Angeklagte mit den Waffen seinen Besitz am Rauschgift verteidigen wollte.
9b) Der Schuldspruch ist daher auf Tatmehrheit abzuändern (§ 354 Abs. 1 StPO analog). Die Vorschrift des § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen, da auszuschließen ist, dass sich der geständige Angeklagte dagegen wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Bei der Neufassung des Schuldspruchs hat der Senat zur Übersichtlichkeit der Urteilsformel davon abgesehen, die gleichartige Tateinheit bei den Verstößen gegen das Waffengesetz (§ 52 Abs. 1 Alternative 2 StGB) zum Ausdruck zu bringen (§ 260 Abs. 4 Satz 5 StPO).
10c) Die die Festsetzung zweier Einzelstrafen erzwingende Korrektur des Schuldspruchs macht die Aufhebung des – an sich rechtsfehlerfreien – Strafausspruchs unumgänglich, wenngleich nicht ersichtlich ist, wie sich hier der Unrechts- und Schuldgehalt sowie -umfang auf der Grundlage von Tatmehrheit gravierend ändern könnten (vgl. auch Nr. 147 Abs. 1 Satz 2, 3 RiStBV). Die Feststellungen sind hingegen von dem Konkurrenzfehler nicht betroffen und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Das nunmehr zur Entscheidung berufene Tatgericht darf seiner Strafzumessung neue Feststellungen zugrunde legen, sofern diese den bisherigen nicht widersprechen.
112. Im Übrigen weist das Urteil Rechtsfehler weder zugunsten noch zu Lasten (§ 301 StPO) des Angeklagten auf. Insbesondere enthalten die gegen die Strafzumessung gerichteten, überwiegend auf urteilsfremdes Vorbringen gestützten Angriffe nur eigene Würdigungen. Ergänzend ist zum Schuldspruch (dazu unter a bis c) und den weiteren Konkurrenzen (dazu unter d und e) auszuführen:
12a) Der gleichzeitige Besitz des Marihuanas und der Waffen nebst Munition im Schlafzimmer unterfällt – ungeachtet des Ladezustands der Pistolen und Gewehre – nicht der Tatbestandsvariante des bewaffneten Sichverschaffens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 Variante 4 BtMG. Der bloße Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge – etwa wie hier zum Eigenkonsum – ist nicht von § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG erfasst; denn insoweit besteht kein Kontakt zu anderen Personen und damit nicht die Gefahr, dass der Täter seine Interessen rücksichtslos wahrnimmt und eine ihm zu Verfügung stehende Waffe auch einsetzt (st. Rspr.; , BGHSt 43, 8, 11; vom – 1 StR 149/18 Rn. 9 und vom – 2 StR 123/00 Rn. 13 f.; Beschlüsse vom – 3 StR 344/16 Rn. 5 und vom – 5 StR 522/13 Rn. 2; vgl. auch BT-Drucks. 12/6853 S. 41).
13b) Die wegen Verstoßes gegen die in § 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WaffG normierte Anzeigepflicht in Betracht zu ziehende Ordnungswidrigkeit (§ 53 Abs. 1 Nr. 5 WaffG) sperrt die gewichtigere Strafvorschrift des § 52 WaffG nicht (§ 21 OWiG; OLG Zweibrücken, Beschluss vom – 1 OLG 2 Ss 25/17 Rn. 16-21 mwN; MüKo/Heinrich, 3. Aufl., § 52 WaffG Rn. 20, 56 und § 53 WaffG Rn. 46; vgl. indes zum Vorrang der Ordnungswidrigkeit als spezielles Gesetz gemäß § 55 Nr. 15, § 28 Abs. 4 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 WaffG aF [entspricht § 20 Abs. 1, § 53 Abs. 1 Nr. 7 WaffG nF] nach Verstoß des Erben gegen seine Pflicht, das Ausstellen einer Waffenbesitzkarte zu beantragen: Rn. 5, BGHR WaffG § 53 Abs. 3 Tatsächliche Gewalt 1). Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WaffG hat derjenige, der Waffen oder Munition, deren Erwerb der Erlaubnis bedarf, beim Tode eines Waffenbesitzers als Finder oder in ähnlicher Weise in Besitz nimmt, dies der zuständigen Behörde unverzüglich anzuzeigen. Eine solche Privilegierung des den Besitz nach Versäumen der Anzeigefrist weiterhin Ausübenden ist sachlich nicht zu rechtfertigen (vgl. OLG Zweibrücken, aaO Rn. 21 aE). Im Unterschied zum Verstoß gegen eine Anordnung nach § 37 Abs. 1 Satz 2 WaffG hat die Verwaltung bei unterlassener Anzeige keine Kenntnis von den Waffen. Der Ordnungswidrigkeit nach § 53 Abs. 1 Nr. 5, § 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WaffG verbleibt auch bei Vorrang der Strafnorm ein Anwendungsbereich für die Variante des Unterlassens der Anzeige (vgl. OLG Zweibrücken aaO; MüKo/Heinrich aaO).
14c) Nach den Feststellungen verwirklichte der Angeklagte nicht bezüglich des – von der Anklage umfassten – ersten Anbaus die Tatbestandsvariante des Herstellens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 Variante 2 BtMG), hinter welcher der Besitz zurücktreten würde ( Rn. 13). Zwar hat das Landgericht es unterlassen, bezüglich der ersten Aufzucht die Menge und den Wirkstoffgehalt des angebauten und abgeernteten Marihuanas – etwa im Wege der Schätzung – festzustellen (vgl. zum Schuldspruch Rn. 6 mwN; bezüglich der Bestimmung des Schuldumfangs: BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 600/19 Rn. 6; vom – 2 StR 287/18 Rn. 14 und vom – 3 StR 138/16 Rn. 3). Indes ist – auch nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe (insbesondere UA S. 4 f.) und der Gesamtschau von bereits konsumiertem Cannabis und der Restmenge – auszuschließen, dass weitergehende tragfähige Feststellungen zum Überschreiten der Grenze zur nicht geringen Menge möglich wären. Eine Verfahrensrüge hat die Staatsanwaltschaft nicht erhoben.
15d) Für den Besitz von Betäubungsmitteln gelten andere Konkurrenzregeln als für die Tatbestandsvariante des Handeltreibens: Der gleichzeitige Besitz an den – zum Eigenverbrauch bestimmten – Betäubungsmitteln in Form der Pflanzen aus der zweiten Aufzucht und in Form der Restmenge aus dem ersten Anbau begründet – entgegen der Annahme der Staatsanwaltschaft – insgesamt die Annahme nur eines betäubungsmittelstrafrechtlichen Verstoßes; dies gilt stets – anders als bei der Tatbestandsvariante des Handeltreibens, bei der die Annahme von Tateinheit (§ 52 Abs. 1 Alternative 2 StGB) eine besondere, über bloße Gleichzeitigkeit hinausgehende Besitzausübung erfordert (BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 88/18, BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2 Konkurrenzen 6 Rn. 7 und 3 StR 95/18 Rn. 6; vom – 3 StR 615/17 Rn. 10 und vom – 2 StR 287/18 Rn. 8), und zwar auch bei Aufbewahrung an unterschiedlichen Orten (st. Rspr.; BGH, Beschlüsse vom – 2 StR 504/17 Rn. 6; vom – 5 StR 284/17 Rn. 2; vom – 4 StR 580/16 Rn. 4; vom – 3 StR 427/16 Rn. 4; vom – 3 StR 357/15 Rn. 8 und vom – 4 StR 358/04 Rn. 5, BGHR BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2 Besitz 4; Urteil vom – 3 StR 268/14 Rn. 14; anders bezüglich des dem Zweck der gewinnbringenden Weiterveräußerung dienenden Besitzes Rn. 8: zwei tateinheitlich zusammentreffende Fälle im Sinne des § 52 Abs. 1 Alternative 2 StGB). Der hier verwirklichte Verbrechenstatbestand des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 Variante 4 BtMG) verdrängt den Vergehenstatbestand des Herstellens von Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Variante 2 BtMG; vgl. für die Tatbestandsvariante des Anbaus [§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Variante 1 BtMG]: Rn. 12; Beschluss vom – 5 StR 555/10 Rn. 12 mwN).
16e) Der Angeklagte übte während des gesamten Tatzeitraums vom Auffinden im Nachlass bis zur Sicherstellung zugleich die Verfügungsgewalt über sämtliche Waffen (zu den Selbstladepistolen vgl. BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 615/17 Rn. 14 und vom – 3 StR 226/09 Rn. 3, zu beiden Waffenarten Rn. 5), Munition und den Sprengstoff in den beiden Lagern aus. Dadurch wurde der Besitz an allen dem Waffen- und Sprengstoffgesetz unterfallenden Gegenständen – ungeachtet von deren waffen- und sprengstoffrechtlicher Einordnung – zu einer einheitlichen Dauerstraftat (§ 52 Abs. 1 Alternativen 1 und 2 StGB) verbunden; auch die räumliche Distanz zwischen den beiden Aufbewahrungsorten steht der Annahme einer tateinheitlichen Begehungsweise nicht entgegen (st. Rspr.; BGH, Beschlüsse vom – 5 StR 578/19 Rn. 3; vom – 4 StR 573/14 Rn. 4; vom – 2 StR 414/14 Rn. 4; vom – 4 StR 473/14 Rn. 3; vom – 4 StR 302/12 Rn. 5; vom – 1 StR 574/10 Rn. 10 und vom – 2 StR 22/90, BGHR WaffG § 53 Abs. 3a Konkurrenzen 2; vgl. auch BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 737/08 Rn. 6; vom – 3 StR 543/08 Rn. 2 und vom – 1 StR 599/83, NStZ 1984, 171 unter 2.: nur ein Verstoß gegen das Waffengesetz; ausdrücklich für Munition: BGH, Beschlüsse vom – 4 StR 573/14 Rn. 4; vom – 4 StR 473/14 Rn. 3 und vom – 1 StR 737/08 Rn. 6).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:070720U1STR242.19.0
Fundstelle(n):
RAAAH-65519