BGH Beschluss v. - 4 StR 75/20

Strafverfahren gegen einen Kapitalanlage- und Vermögensberater wegen Betrugs: Unterbrechung der Verfolgungsverjährung durch Durchsuchungsbeschlüsse; Beschränkung der Einziehung des Wertes von Taterträgen auf nicht verjährte Taten

Gesetze: § 78 Abs 3 Nr 4 StGB, § 78 Abs 4 StGB, § 78c Abs 1 S 1 Nr 4 StGB, § 263 StGB

Instanzenzug: LG Detmold Az: 21 KLs 3/19

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in 17 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. Außerdem hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 307.798,43 Euro angeordnet. Die auf die Rüge der Verletzung formellen Rechts und die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2Nach den Feststellungen des Landgerichts bot der als Anlage- und Vermögensberater tätige Angeklagte im Zeitraum von Mai 2013 bis August 2017 an, Gelder für seine Kunden gewinnbringend anzulegen. Nach Abschluss entsprechender Anlageverträge überließen die Geschädigten dem Angeklagten die jeweilige Vertragssumme, die der Angeklagte jedoch, wie von Anfang an beabsichtigt, nicht investierte, sondern im Wesentlichen für sich verbrauchte.

II.

31. Die nicht ausgeführte Verfahrensrüge ist unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).

42. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Betruges kann in drei Fällen (Taten II.1, II.3 und II.4 der Urteilsgründe) nicht bestehen bleiben, weil Verfolgungsverjährung eingetreten ist. Insoweit ist das Urteil aufzuheben und das Verfahren entsprechend § 206a Abs. 1 StPO einzustellen.

5a) Die Verjährungsfrist für Taten nach § 263 StGB beträgt fünf Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4, Abs. 4 StGB). Beim Betrug beginnt die Verjährung mit der Erlangung des letzten vom Tatvorsatz umfassten Vermögensvorteils (vgl. ). Nach den Feststellungen waren dem Angeklagten die Vertragssummen am (Tat II.1 der Urteilsgründe), am (Tat II.3 der Urteilsgründe) und am (Tat II.4 der Urteilsgründe) zugeflossen. Die erste Handlung, die den Lauf der Verjährungsfrist unterbrechen konnte (§ 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 StGB), war die Erhebung der Anklage am , so dass hinsichtlich dieser drei Taten Verfolgungsverjährung eingetreten ist.

6b) Die Durchsuchungsbeschlüsse des Amtsgerichts Detmold vom und vom vermochten eine Unterbrechung der Verjährung gemäß § 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB nicht herbeizuführen, weil die drei Taten nicht Gegenstand der Beschlüsse waren.

7Zwar erstreckt sich, wenn in einem Verfahren wegen einer Vielzahl von Taten ermittelt wird, die Unterbrechungswirkung einer Untersuchungshandlung grundsätzlich auf alle verfahrensgegenständlichen Taten, es sei denn der Verfolgungswille der tätig werdenden Strafverfolgungsorgane ist auf eine oder mehrere Taten beschränkt. Dementsprechend genügt für die Darstellung der Verdachtslage, dass die Taten unter zusammenfassenden kennzeichnenden Merkmalen bestimmbar sind, um sie von denkbar ähnlichen oder gleichartigen Vorkommnissen zu unterscheiden. Ergibt sich der Verfolgungswille nicht bereits aus dem Wortlaut der Untersuchungshandlung, ist auf den Sach- und Verfahrenszusammenhang abzustellen und in Zweifelsfällen der Akteninhalt zur Auslegung heranzuziehen (vgl. ‒ 1 StR 375/01; Urteil vom - 1 StR 547/05; Beschluss vom ‒ 1 StR 579/14).

8Hiervon ausgehend sind die genannten Taten nicht von der Unterbrechungswirkung der Durchsuchungsbeschlüsse erfasst. Aus der eindeutigen Formulierung der Durchsuchungsbeschlüsse ergibt sich, dass nur die dort genannten insgesamt sechs Einzelfälle, die andere Geschädigte betreffen, verfolgt werden sollten. Die Beschlüsse enthalten weder ein Indiz dafür, dass gegen den Beschuldigten wegen zusätzlicher Fälle ermittelt wird, noch eine zusammenfassende, weitere Taten erfassende Beschreibung der Tatmodalitäten oder des Tatzeitraums. Auch dem Verfahrens- und Sachzusammenhang unter Heranziehung des Akteninhalts lassen sich Anhaltspunkte für einen weiter gehenden Verfolgungswillen der Staatsanwaltschaft nicht entnehmen. Gegenstand des Ermittlungsverfahrens waren zum Zeitpunkt der Antragstellungen lediglich die in den Beschlüssen genannten Einzelfälle; die Anträge der Staatsanwaltschaft enthalten keinen Hinweis darauf, dass die Durchsuchung zur Aufklärung oder zur Ermittlung weiterer Betrugstaten des Beschuldigten dienen sollte. An Anhaltspunkten für einen weitergehenden Verfolgungswillen fehlt es insbesondere in den beiden Fällen, in denen die Straftaten bei Erlass der Durchsuchungsbeschlüsse überhaupt noch nicht angezeigt waren (II.1 und II.4).

9c) Entsprechendes gilt für die Bekanntgabe des Ermittlungsverfahrens gegenüber dem Beschuldigten am (§ 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB), die anlässlich des Vollzugs der Durchsuchungsbeschlüsse vom und vom erfolgte und ebenfalls nur die dort genannten Tatvorwürfe umfasste.

10d) Die Verfahrenseinstellung zieht die aus der Entscheidungsformel ersichtliche Berichtigung des Schuldspruchs nach sich.

113. Angesichts der Einsatzstrafe von einem Jahr und sechs Monaten sowie der verbleibenden Einzelstrafen kann der Senat ausschließen, dass der Tatrichter ohne die jetzt weggefallenen Einzelstrafen von einem Jahr und zweimal zehn Monaten eine noch geringere Gesamtfreiheitsstrafe verhängt hätte, zumal festgestellte verjährte Taten bei der Strafzumessung Berücksichtigung finden können.

124. Die Einziehungsentscheidung bedarf in zweifacher Hinsicht der Korrektur.

13a) Die Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen ist auf die nicht verjährten Taten zu beschränken (vgl. ). Der Wert des Erlangten beträgt, nach Abzug der in den Fällen II.1 (30.000 Euro), Fall II.3 (10.000 Euro) und Fall II.4 (10.000 Euro) erhaltenen Beträge, in den verbleibenden vierzehn Fällen insgesamt 257.798,43 Euro.

14b) Außerdem ist im Fall II.5 der Urteilsgründe die Einziehung in Höhe von 10.000 Euro ausgeschlossen, da der Anspruch der Geschädigten insoweit durch die nachträgliche Rückzahlung des Anlagebetrages an die Geschädigte erloschen ist (§ 73e Abs. 1 StGB).

155. Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Beschwerdeführers ergeben.

166. Der geringfügige Erfolg der Revision des Angeklagten rechtfertigt es nicht, ihn teilweise von den (verbleibenden) Kosten und Auslagen freizustellen, die durch sein Rechtsmittel entstanden sind (§ 473 Abs. 4 StPO).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:080920B4STR75.20.0

Fundstelle(n):
wistra 2020 S. 468 Nr. 11
VAAAH-64404