Subventionsbetrug: Konkurrenzverhältnis zum einfachen Betrugstatbestand; Ermittlung des Vermögensschadens
Gesetze: § 263 StGB, § 264 Abs 8 Nr 2 StGB, § 4 Abs 1 SubvG, § 261 StPO, § 267 StPO
Instanzenzug: Az: 35 KLs 10/15nachgehend Az: 1 StR 559/19 Beschlussnachgehend Az: 2 BvR 79/21 Nichtannahmebeschluss
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten E. wegen Betrugs und wegen Steuerhinterziehung in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Den nicht revidierenden Mitangeklagten Y. hat es unter Freisprechung im Übrigen wegen Beihilfe zum Betrug und wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in sechs Fällen sowie wegen Steuerhinterziehung in vier Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt hat.
2Die hiergegen gerichtete, auf die Rüge einer Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
I.
31. Nach den Feststellungen des Landgerichts zum Tatgeschehen im Fall III. 1. bis 7. der Urteilsgründe beantragte der Angeklagte als Geschäftsführer der A. GmbH, die im November 2011 in C. GmbH umfirmierte (im Folgenden einheitlich: C. ), am bei der I. bank (im Folgenden: I. ) die Gewährung von Fördermitteln für die regionale Wirtschaftsförderung in Höhe von insgesamt 1.450.000 EUR für ein Sanierungsvorhaben, das der Errichtung einer neuen Betriebsstätte und der Schaffung neuer Arbeitsplätze dienen sollte. Das Gesamtvolumen der Investitionsmaßnahme gab er dabei mit 2.900.000 EUR und die einzusetzenden Eigenmittel mit 1.450.000 EUR an. Mit Bescheid vom bewilligte die I. ausgehend von dem angegebenen Gesamtfinanzierungsvolumen von 2.900.000 EUR eine zweckgebundene Förderung in Höhe von 1.342.500 EUR.
4In dem Wissen, dass eine Förderung nur quotal erfolgen kann, fasste der Angeklagte den Entschluss, das Sanierungsvorhaben abweichend von den Angaben im Fördermittelantrag möglichst nur mit Fördergeldern und ohne Einsatz von Eigenmitteln zu realisieren. Zur Umsetzung dieses Plans schloss er namens der C. mit dem in die Überlegungen eingeweihten Nichtrevidenten Y. , dieser handelnd für die Er. GmbH (im Folgenden: Er. ), im Juni 2011 einen Vertrag, wonach die Er. nach außen als Generalübernehmerin der durchzuführenden Baumaßnahmen auftreten und der C. entsprechende Rechnungen stellen, tatsächlich aber keine Bauübernehmerleistungen erbringen sollte. Gemäß dieser Vereinbarung stellte Y. ab Ende Juni 2011 im Namen der Er. 30 Abschlagsrechnungen mit einem Gesamtvolumen von 1.675.042 EUR an die C. , die in deren Buchhaltung aufgenommen und von dieser zunächst beglichen wurden, wobei die an die Er. gezahlten Beträge nachfolgend teilweise über Drittkonten - als Baudarlehen deklariert - an die C. zurückgeführt wurden.
5Die von der Er. gestellten Abschlagsrechnungen legte der Angeklagte der I. im Rahmen der nachfolgenden Mittelabrufe vor, wobei 16 dieser Rechnungen keinen oder zumindest teilweise keinen realen Leistungshintergrund hatten und lediglich zur Legendierung tatsächlich nicht angefallener Planungs- oder Baukosten erstellt worden waren.
6Auf drei vom Angeklagten gestellte Auszahlungsanträge zahlte die I. Fördermittel in Höhe von insgesamt 293.105 EUR an die C. aus, davon nach Auffassung des Landgerichts mit Blick auf einen vermeintlich bestehenden Förderanspruch in Höhe von (nur) 86.897,16 EUR, den es ausgehend von der Summe der in den Mittelabrufen durch vorgelegte Rechnungen als angeblich förderfähig belegten Gesamtinvestitionen abzüglich der nicht leistungsunterlegten Beträge aus den vorgelegten Scheinrechnungen berechnet hat, in Höhe von 205.284,53 EUR zu Unrecht. Nach Abbruch des Fördervorhabens zahlte der Angeklagte den ausgezahlten Betrag zuzüglich Zinsen zurück und stellte das Sanierungsvorhaben, das in der Folge nie als Betriebsstätte der C. genutzt wurde, mit anderen Mitteln fertig.
72. Die in den Abschlagsrechnungen der Er. ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge machte der Angeklagte in den für die Voranmeldezeiträume drittes Quartal 2011 bis viertes Quartal 2012 sowie die Monate März bis Juli 2013 für die C. abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldungen sowie in den Umsatzsteuerjahreserklärungen für die Jahre 2011, 2012 und 2013 als Vorsteuern umsatzsteuermindernd geltend, was in den jeweiligen Veranlagungszeiträumen zu Steuerverkürzungen führte.
II.
81. Die Sachrüge führt zur Aufhebung des Schuldspruchs, soweit der Angeklagte im Fall III. 1. bis 7. der Urteilsgründe wegen Betrugs verurteilt wurde.
9a) Der Schuldspruch wegen Betrugs hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil auf der Grundlage der vom Landgericht getroffenen Feststellungen eine Verurteilung des Angeklagten wegen Subventionsbetrugs (§ 264 StGB) nahe liegt, nachdem die Angaben des Angeklagten in den Auszahlungsanträgen über angebliche Investitionen der C. in Form von Zahlungen an die Er. für von dieser angeblich - tatsächlich aber nicht - erbrachte Generalübernehmerleistungen auf Scheingeschäften basieren (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 357/17 Rn. 23 mwN; vom - 4 StR 572/16 Rn. 5 ff. und vom - 3 StR 206/13 Rn. 14 ff., BGHSt 59, 244, 250; LK/Tiedemann, StGB, 12. Aufl., § 264 Rn. 124 mwN; MüKoStGB/Ceffinato, 3. Aufl., § 264 Rn. 81).
10Der Straftatbestand des Subventionsbetrugs (§ 264 StGB) geht demjenigen des Betrugs (§ 263 StGB) als lex specialis vor und stellt diesem gegenüber im Rahmen seines Anwendungsbereichs eine abschließende Sonderregelung dar; eine Strafbarkeit nach § 263 StGB lebt bei Vorliegen der Voraussetzungen eines versuchten oder vollendeten Betrugs nur bei Unanwendbarkeit des § 264 StGB wieder auf (vgl. Rn. 26; Urteil vom - 3 StR 101/98 Rn. 26, BGHSt 44, 233, 243; OLG Rostock, Beschluss vom - I Ws 404/11 juris Rn. 14; Fischer, StGB, 67. Aufl., § 263 Rn. 236 mwN und § 264 Rn. 54a mwN).
11b) Die Aufhebung des Schuldspruchs zieht die Aufhebung der für die Tat im Fall III. 1. bis 7. der Urteilsgründe verhängten Einzelfreiheitsstrafe sowie der Gesamtstrafe nach sich.
12c) Die Feststellungen zur Schadenshöhe haben keinen Bestand, weil sie von dem zur Aufhebung führenden Rechtsfehler betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO). Sie sind allerdings auch im Falle einer Verurteilung wegen Subventionsbetrugs für die Strafzumessung von Bedeutung ( Rn. 26). Die Höhe der zu Unrecht ausgezahlten Fördergelder richtet sich nach der Differenz der Summe der ausgezahlten Fördergelder abzüglich des Betrags, auf den die C. nach den geltenden Förderbestimmungen ausgehend von den tatsächlich in das Subventionsvorhaben investierten Beträge Anspruch gehabt hätte (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 5 StR 334/05 Rn. 12; vom - 5 StR 581/07 Rn. 7 ff. und vom - 1 StR 13/13 Rn. 55 ff.). Dabei ist für die Frage der Höhe des Förderanspruchs entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht lediglich auf die in den vorgelegten (Schein-)Rechnungen ausgewiesenen Investitionen abzustellen, die tatsächlich erbrachten Bauleistungen zuzuordnen sind, sondern richtigerweise auf die wirklich getätigten Investitionen. Darauf, ob diese durch beim Mittelabruf vorgelegte Rechnungen belegt sind, kommt es insoweit nicht an (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 5 StR 334/05 Rn. 12 und vom - 5 StR 581/07 Rn. 7 ff.). Die Höhe der tatsächlich getätigten Investitionen zur Zeit der letzten Auszahlung ist gegebenenfalls durch Sachverständigengutachten oder durch Schätzung zu ermitteln (BGH aaO).
13d) Aufgrund der Aufhebung des Schuldspruchs wegen Betrugs im Fall III. 1. bis 7. der Urteilsgründe und der Feststellungen zur Höhe der zu Unrecht an die C. ausgezahlten Fördermittel kommt es auf die Verfahrensrügen nicht mehr an.
142. Im Übrigen hat die auf die Sachrüge veranlasste Überprüfung des Urteils keinen durchgreifenden Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten ergeben.
15a) Der Schuldspruch wegen Steuerhinterziehung in sechs Fällen hält rechtlicher Nachprüfung stand.
16b) Auch die Bemessung der für die Taten der Steuerhinterziehung (Fälle III. 8. a) bis l) der Urteilsgründe) ausgeurteilten Einzelstrafen begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
17aa) Zwar erweisen sich die Ausführungen des Landgerichts zur Höhe der Verkürzungsbeträge in den Fällen III. 8. e) und g) der Urteilsgründe und damit auch die Begründung, mit der das Landgericht mit Blick auf die Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr 2013 das Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 Nr. 1 AO als erfüllt angesehen und hiervon ausgehend auf eine Einzelfreiheitsstrafe von zehn Monaten erkannt hat, schon auf der Grundlage seiner eigenen Rechtsauffassung als nicht tragfähig. Der Angeklagte ist hierdurch indes nicht beschwert, weil die der Bemessung der Verkürzungsbeträge zugrunde liegende Rechtsauffassung des Landgerichts zu seinem Vorteil rechtsfehlerhaft ist und sich bei zutreffender Rechtsanwendung - dies gilt in allen verfahrensgegenständlichen Fällen der Steuerhinterziehung - deutlich höhere als die vom Landgericht zugrunde gelegten beziehungsweise bei konsequenter Anwendung der eigenen - rechtsfehlerhaften - Rechtsauffassung des Landgerichts zugrunde zu legenden Verkürzungsbeträge ergäben.
18Richtigerweise wurde nämlich durch die umsatzsteuermindernde Geltendmachung der Vorsteuern aus den seitens der Er. an die C. gestellten Abschlagsrechnungen jeweils eine Steuerverkürzung in Höhe der gesamten Vorsteuerbeträge aus diesen Rechnungen im jeweiligen Veranlagungszeitraum herbeigeführt; die von der C. an die Er. oder Dritte im Zusammenhang mit den in den Abschlagsrechnungen ausgewiesenen Bauleistungen erbrachten Zahlungen hat das Landgericht rechtsfehlerhaft zu Gunsten des Angeklagten in Abzug gebracht, weil die Abschlagsrechnungen unabhängig von etwa bezahlten Bauleistungen Dritter nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten.
19(a) Auf der Grundlage der insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ist das Landgericht zunächst rechtlich zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei den Abschlagsrechnungen der Er. um Scheinrechnungen handelt, die gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG nicht zur Geltendmachung von Vorsteuer berechtigen. Denn der zwischen der C. und der Er. geschlossene Generalübernehmervertrag stellt sich als Scheingeschäft dar, weil die Angeklagten mit diesem weder Generalübernehmerverpflichtungen der Er. noch entsprechende Vergütungsverpflichtungen der C. begründen wollten (UA S. 12, 13). Wirksam vereinbart wurde zwischen den beiden durch die Angeklagten vertretenen Gesellschaften nach den Feststellungen des Landgerichts lediglich das Auftreten der Er. als Generalübernehmerin gegenüber den zu beauftragenden beziehungsweise bauausführenden Handwerkern, für das der nicht revidierende Mitangeklagte mit einer monatsweise zu zahlenden Vergütung gesondert entlohnt wurde. Diese tatsächlich vereinbarte und erbrachte Leistung findet in den verfahrensgegenständlichen Abschlagsrechnungen der Er. indes keinen Niederschlag.
20(b) Die vom Angeklagten für die C. im Rahmen der Steuererklärungen zwecks Erlangung eines Vorsteuerabzugs vorgelegten Abschlagsrechnungen der Er. weisen damit keine - wie von § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG für eine umsatzsteuermindernde Geltendmachung vorausgesetzt - von der Er. für die C. ausgeführten Leistungen aus.
21(c) Die in den Abschlagsrechnungen ausgewiesenen Zahlbeträge konnten damit ungeachtet der Frage, ob auf die Rechnungen oder die darin ausgewiesenen Gewerke tatsächlich Zahlungen von der C. - ggf. zur Bezahlung der ausführenden Handwerker - erbracht wurden, nicht im Sinne eines Vorsteuerabzugs nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG umsatzsteuermindernd geltend gemacht werden. Die Verkürzungsbeträge belaufen sich richtigerweise auf die vollen in den Scheinrechnungen ausgewiesenen Umsatzsteuer-Zahlbeträge und liegen somit in jedem der ausgeurteilten Fälle deutlich über den vom Landgericht zugrunde gelegten Verkürzungsbeträgen.
22bb) Auch im Übrigen liegt hinsichtlich der Bemessung der Einzelstrafen für die Taten III. 8. a) bis l) der Urteilsgründe kein durchgreifender Rechtsfehler vor.
233. Die Aufhebung des Schuldspruchs im Fall III. 1. bis 7. der Urteilsgründe und des Ausspruchs über die hierfür verhängte Einzelstrafe sowie die Gesamtstrafe ist gemäß § 357 StPO auf den nicht revidierenden Mitangeklagten Y. zu erstrecken, weil derselbe Rechtsfehler vorliegt, wenn die Haupttat des Angeklagten, zu der der Mitangeklagte Beihilfe geleistet hat, nicht als Betrug, sondern als Subventionsbetrug einzuordnen ist, was eine Verurteilung wegen Beihilfe zum Betrug im Sinne des § 263 Abs. 1 und 3 StGB ausschließen würde.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:230420B1STR559.19.0
Fundstelle(n):
BAAAH-63216