Tabaksteuerhinterziehung: Tabaksteuerpflicht für Wasserpfeifentabak; Begriff des Rauchtabaks; Voraussetzungen für einen vorsatzausschließenden Tatumstandsirrtum
Gesetze: § 1 Abs 1 S 1 TabStG, § 1 Abs 2 Nr 3 TabStG, Art 2 Abs 1 Buchst c Nr 2 EURL 64/2011, Art 5 Abs 1 Buchst a EURL 64/2011, § 16 Abs 1 S 1 StGB, § 261 StPO, § 267 StPO
Instanzenzug: LG Würzburg Az: 420 Js 281/18 - 5 KLs
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in sieben Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 360 Tagessätzen zu je 15 € verurteilt und die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 53.152 € angeordnet. Die hiergegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.
I.
2Nach den Feststellungen des Landgerichts erwarb der Angeklagte im Zeitraum vom bis zum in sieben Fällen sogenannte "Hand-Strips" oder "Strips" aus Italien oder Polen, um diese Tabak enthaltenden Produkte mit Gewinn weiter zu verkaufen. Insbesondere konnten diese Tabakprodukte in "Shisha-Bars" als Wasserpfeifentabak verwendet werden, und zwar, indem die Strips in den Tonkopf der Wasserpfeifen gegeben wurden. Bei den Hand-Strips wurden die Mittelrippen der getrockneten Tabakblätter entfernt, bei den Strips die getrockneten Tabakblätter geschnitten und in Tabakstreifen zerlegt. Um die Tabakblätter feucht zu halten, müssen sie mit Glycerin vermischt werden. In den Shisha-Bars wurden derart zerkleinerten Tabakblättern Trockenfrüchte oder ätherische Öle als Geschmacksträger beigefügt.
3Am schrieb der Angeklagte, der Glycerin erworben hatte, um den Tabak feucht zu halten (UA S. 15 dritter Absatz), per E-Mail der Zollverwaltung, ihm sei unklar, welcher Tabak als Rauchtabak im Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom - C-638/15 - gemeint sei.
II.
41. Das Urteil hält sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Weder das Bestehen einer tabaksteuerlichen Erklärungspflicht noch der Tatvorsatz des Angeklagten sind tragfähig begründet.
5a) Nach den Feststellungen des Landgerichts bleibt offen, ob den Angeklagten eine tabaksteuerliche Erklärungspflicht traf.
6aa) Nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 TabStG gehört zu den steuerbaren Tabakwaren auch Rauchtabak, der geschnitten oder anders zerkleinert ist und sich ohne weitere industrielle Bearbeitung zum Rauchen eignet.
7Nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats (Beschluss vom - 1 StR 19/16 Rn. 5 und 7 und dazu Ebner, jurisPR-Steuer R 26/2019 Anm. 4 unter C. IV. 2.) ist für die Annahme steuerbaren Rauchtabaks entscheidend, ob der nach Hitzeeinwirkung entstehende Rauch durch Einziehen in den Mundraum bzw. Inhalation genossen werden kann; nicht die Qualität des Tabaks oder seine lebensmittelrechtliche Zulassung, sondern seine Rauchbarkeit ist für die Steuerbarkeit maßgeblich (vgl. auch Rn. 20 ff.; Nichtannahmebeschluss des ).
8bb) Der hier erworbene und weiter veräußerte Tabak sollte nicht gegärt werden (Fermentation; vgl. auch . 9 - nicht veröffentlicht). Indes wird in der genannten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom entsprechend der Vorlagefrage durch das Oberste Verwaltungsgericht der Tschechischen Republik als Voraussetzung für die Steuerbarkeit gemäß Art. 2 Abs. 1 Buchst. c ii und Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2011/64/EU des Rates vom über die Struktur und die Sätze der Verbrauchsteuern auf Tabakwaren (ABl. 2011, L 176, S. 24) genannt, dass die Tabakblätter einen ersten Trocknungsprozess durchlaufen haben und anschließend kontrolliert feucht gehalten wurden.
9cc) Das Landgericht hat bereits nicht ausgeschlossen, dass es sich bei der "Restfeuchtigkeit von ca. 20 %" um restliche natürliche Feuchtigkeit der Tabakblätter handelte. Nicht festgestellt ist, wie hoch der Anteil an Feuchthaltemitteln in den vom Hauptzollamt Bielefeld aufgrund dreier Testkäufe erworbenen Strips war (vgl. Rn. 7). Deshalb kann - auch eingedenk einer möglichen anderen Konsumweise von "Shisha-Tabak" - nicht abschließend beurteilt werden, ob die bearbeiteten Tabakblätter kontrolliert feucht gehalten wurden und es sich deshalb um "Rauchtabak" im Sinne dieser Bestimmungen handelte ( Rn. 35).
10b) Die Beweiswürdigung zur subjektiven Tatseite des Angeklagten ist lückenhaft.
11aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehört zum Vorsatz der Steuerhinterziehung, dass der Täter den Steueranspruch dem Grunde und der Höhe nach kennt oder zumindest für möglich hält und ihn auch verkürzen will bzw. dessen Verkürzung billigend in Kauf nimmt; bedingter Vorsatz genügt. Nimmt der Steuerpflichtige irrtümlich an, dass ein Steueranspruch nicht entstanden ist, liegt nach dieser Rechtsprechung ein Tatumstandsirrtum vor, der den Vorsatz ausschließt (§ 16 Abs. 1 Satz 1 StGB; Rn. 14; vom - 1 StR 347/18 Rn. 20 ff., BGHR AO § 370 Abs. 1 Vorsatz 8; vom - 1 StR 38/11 Rn. 21 ff., BGHR StGB § 16 Abs. 1 Umstand 5 und vom - 1 StR 265/18 Rn. 30).
12bb) An dieser Vorgabe gemessen ist die Beweiswürdigung lückenhaft. Denn es fehlt an der Wiedergabe der Antwort des Zollamts auf die Anfrage des Angeklagten vom . So ist nicht auszuschließen, dass der Angeklagte die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom missverstand und deswegen den Anspruch des Staates auf Erhebung der Tabaksteuer verkannte.
132. Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Sollte das Landgericht nach Aufklärung des Zustands der "Strips" zur Überzeugung gelangen, dass er bereits vor Erwerb durch den Angeklagten steuerbar war und der Angeklagte mit zumindest bedingtem Vorsatz handelte, so ist statt Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 oder Nr. 3 AO, § 23 TabakStG) der Tatbestand der gewerbsmäßigen Steuerhehlerei (§ 374 Abs. 1 Variante 2, Abs. 2 AO) einschlägig ( Rn. 23, BGHSt 64, 152, 159; Beschlüsse vom - 1 StR 21/11 Rn. 4 f.; vom - 1 StR 37/11 Rn. 4 f. und vom - 1 StR 127/19 Rn. 4 f.).
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:010420B1STR5.20.0
Fundstelle(n):
AO-StB 2021 S. 294 Nr. 9
HFR 2021 S. 721 Nr. 7
PStR 2021 S. 1 Nr. 1
BAAAH-63093