Besitzen Sie diesen Inhalt bereits,
melden Sie sich an.
oder schalten Sie Ihr Produkt zur digitalen Nutzung frei.
Zertifikate
I. Definition der Zertifikate
Zertifikate sind Schuldverschreibungen, die über derivative Komponenten verfügen und die Wertentwicklung einer anderen Anlageart abbilden. Hierbei verbriefen Zertifikate – anders als Aktien oder Anleihen – nicht selbst einen Wert, sondern beziehen sich auf den Kursverlauf eines Basiswerts (z.B. Aktie, Börsenindex, Rohstoff, Währung, Hedge-Fonds oder Zinsen). Zertifikate haben begrenze (Fälligkeit) oder unbegrenzte Laufzeiten (open end) und sind täglich an der Börse oder über den Emittenten handelbar. Der Vorteil von Zertifikaten wird insbesondere darin gesehen, dass sie Privatanlegern einen Markt zugänglich machen können, der auf direktem Weg nicht oder nur schwer erreichbar ist oder die Papiere von den Emittenten mit speziellen Chance-Risiko-Profilen ausgestattet sind.
Teilweise sehen die Emissionsbedingungen am Fälligkeitstag des Zertifikats keine Geldzahlung, sondern die Lieferung eines Basiswertes vor.
Rechtlich gesehen sind Zertifikate Inhaberschuldverschreibungen und Anlegern droht– anders als bei Investmentfonds – im Falle einer Insolvenz des Emittenten im Extremfall der Totalverlust.
II. Steuerliche Behandlung
Ab 2009 fallen auch „reine” Spekulationspapiere unter den Begriff der sonstigen Kapitalforderung im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Daher werden alle Zertifikate – unabhängig davon, ob sie eine Kapitalgarantie beinhalten oder nicht – von der Veräußerungsgewinnbesteuerung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG erfasst.
Die Berücksichtigung von Verlusten aus dem Verfall von Knock-out-Zertifikaten wurde vom BFH und mittlerweile auch von der Finanzverwaltung anerkannt. Ab 2020 fallen Verluste aus wertlosen Zertifikaten unter die Verlustverrechnungsregelung des § 20 Abs. 6 Satz 6 EStG.
Auch im Betriebsvermögen sind Verluste aus Zertifikaten nicht unter die Verlustverrechnungsbeschränkung für Termingeschäfte nach § 15 Abs. 4 Satz 3 ff. EStG zu fassen.
Evtl. laufende Erträge aus Zertifikaten sind ab 2009 steuerpflichtig.
Folgende Bestandsschutzregelung gelten bei Veräußerung bzw. Einlösung:
Erwerb vor dem : Bestandsschutz (keine Steuerpflicht ab 2009)
Erwerb nach dem und Einlösung / Veräußerung bis zum : Steuerpflicht nur im Rahmen des § 23 EStG
Werden bei Aktien-Zertifikaten anstelle einer Geldzahlung bei Fälligkeit die Aktiengeliefert, ist die Sonderregelung des § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG zu beachten. Danach gelten die Zertifikate mit ihren Anschaffungskosten als veräußert und die neuen Aktien mit diesem Wert als angeschafft. Der Veräußerungsgewinn aus den Zertifikaten beträgt damit 0 EUR und der Veräußerungsgewinn/-Verlust wird bei Verkauf der neu erworbenen Wertpapiere realisiert. Bei Aktien fällt ein Veräußerungsverlust unter die besondere Verlustverrechnung nach § 20 Abs. 6 Satz 4 EStG.
Zu Edelmetallzertifikaten /-schuldverschreibungen hat der BFH entschieden, dass keine Kapitalforderung im Sinne des § 20 EStG vorliegt, wenn die Inhaberschuldverschreibung durch Gold oder einen anderen Rohstoff in physischer Form gedeckt ist. Die Finanzverwaltung hat sich der BFH-Rechtsprechung angeschlossen und ihre frühere Auffassung aufgegeben. Für Veräußerungsgewinne aus Papieren, die vollständig physisch gedeckt sind, kommt ggf. eine Besteuerung als privates Veräußerungsgeschäft nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nummer 2 EStG in Betracht.
III. Ausgestaltungen
1. Partizipationszertifikate
a) Definition
Mit Partizipationszertifikaten nimmt der Anleger an der Kursentwicklung eines bestimmten Basiswerts teil. Zu unterscheiden sind Zertifikate mit und ohne Laufzeitbegrenzung (Open End). Generell entwickelt sich ein Partizipationszertifikat 1:1 zum Basiswert. Aus dem in den Emissionsbedingungen angegeben Bezugsverhältnis ergibt sich, auf wie viele Einheiten des Basiswerts sich das Zertifikat bezieht.
b) Aktienzertifikate
Mit Aktienzertifikaten profitieren Anleger nicht am Anstieg eines bestimmten Index, sondern verschiedenen Aktien einer Branche oder Region.
Hierbei existieren Zertifikate auf Einzelaktien oder auf Aktienkörbe (Basket). Häufig werden diese auch als Discount-Zertifikat (s. Tz. III.2) angeboten. Aktien-Partizipationszertifikate werden regelmäßig mit einer festen Laufzeitbegrenzung ausgegeben.
Abzugrenzen von Aktienzertifikaten sind Hinterlegungsscheine (z.B. American Depositary Receipts - ADR). ADR sind auf US-Dollar lautende amerikanische Zertifikate über die Hinterlegung von Aktien eines ausländischen Unternehmens. Die ausländische Depotbank übernimmt die Registrierung und laufende Verwaltung des ADR-Programmes in den USA. Sie verwaltet die emittierten ADRs und ist Inhaberin des Aktiendepots bei der Hinterlegungsstelle. Die Aktionärsrechte, insbesondere das Stimmrecht sowie Dividendenansprüche und Bezugsrechte stehen zwar der Depotbank zu, allerdings wird die Aktionärsstellung über das ADR-Programm durch die Depotbank an die ADR-Inhaber vermittelt. Steuerlich ergeben sich bei Hinterlegungsscheinen grundsätzlich keine Besonderheiten zu Aktien. Allerdings sind Besonderheiten in Bezug auf die Kapitalertragsteuer zu beachten, sofern inländische Aktien in solchen Programmen hinterlegt sind.
c) Indexzertifikate
Statt auf eine Reihe von Einzelaktien aus einem Aktien-, Renten- oder Rohstoffindex zu spekulieren, haben Anleger über Index-Zertifikate die Möglichkeit, einen ganzen Markt abzudecken. Diese Partizipations-Zertifikate werden in Deutschland immer populärer. Mehr als die Hälfte aller Zertifikate orientieren sich an einem Index, z.B. DAX®, MDAX®, EURO STOXX 50®, S&P 500® und zunehmend auch an Rohstoffbarometern.
Indexzertifikate sind regelmäßig ohne bestimmte Laufzeit und einem Bezugsverhältniss von meist 0,01 ausgestaltet.
d) Rohstoffzertifikate
Rohstoffzertifikate verbriefen das Recht auf Auszahlung des Werts einer bestimmten Menge eines einzelnen Rohstoffs oder eines Rohstoffindex.
Bei diesen Zertifikaten muss es sich nicht zwingend um Kapitalforderungen im Sinne des § 20 EStG handeln. So hat der BFH z.B. für „XETRA-Gold“ entschieden, dass es sich hierbei lediglich um ein „Spekulationspapier“ handelt.
2. Discount-Zertifikate
Discount-Zertifikate unterscheiden sich gegenüber von Partizipationszertifikaten dahingehend, dass Anleger bei Ausgabe einen Preisabschlag (Discount) auf den jeweiligen zugrundeliegenden Basiswert erhält. Aufgrund des Discounts ist die Teilnahme an Kursanstiegen begrenzt (Cap). Bei Erreichen des Caps wird der Höchstbetrag ausgezahlt und damit die maximale Rendite erreicht.
Bei Aktiendiscount-Zertifikaten erfolgt bei Fälligkeit i. d. R. eine Lieferung der Aktien, wenn diese unter dem Cap notieren. Bei Index-Discount-Zertifikaten erfolgt in diesen Fällen eine Zahlung bzw. Lieferung von Open End-Partizipationszertifikaten.
Fällt der Kurs des Basiswerts unter die Anschaffungskosten des Anlegers, erleidet dieser einen wirtschaftlichen Verlust.
Beim Protect-Zertifikat handelt es sich um eine Unterform des klassischen Discount-Zertifikats. Diese Variante weist nur geringere Abschläge auf den aktuellen Kurs aus. Dafür wird im Gegenzug aber ein zusätzlicher Risikopuffer geboten. Dieser sog. Protect-Kurs liegt unter dem aktuellen Wert des Zertifikats bei Emission und solange der Kurs des Basiswerts während der Laufzeit nicht unter diese Schutz-(Protect-)Grenze fällt, erhält der Anleger stets einen Höchstbetrag (Cap) ausgezahlt.
Mit diesem Discount-Protect-Zertifikat reduzieren Anleger gegenüber einem Direktinvestment den Einstiegspreis in den gewählten Basiswert sowie über den gewährten Rabatt (Discount) das Verlustrisiko. Als Entschädigung für die größere Sicherheit über die Schutzschwelle verzichten Anleger auf Kursgewinne im Basiswert, die über einen bestimmten Umfang hinausgehen. Diese Obergrenze verlangen die Emittenten als Gegenleistung. Dieses Cap ist also das Maximum, was der Sparer an Geld im günstigsten Fall am Ende der Laufzeit für das Protect-Zertifikat ausbezahlt bekommt.