BGH Beschluss v. - 1 StR 132/20

Überlange Verfahrensdauer in Strafsachen: Ausgleich einer Verfahrensverzögerung von 18 Monaten bei einem nicht inhaftierten Angeklagten

Gesetze: Art 6 Abs 1 S 1 MRK, Art 2 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG

Instanzenzug: Az: 23 KLs 12/19

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in 20 Fällen, davon in einem Fall tateinheitlich mit Subventionsbetrug, und Steuerhinterziehung in drei Fällen unter Einbeziehung weiterer Strafen aus einem Strafbefehl zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, die er mit der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

21. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils lässt zum Schuld- und zum Strafausspruch aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen.

3a) Dass in dem Fall 1 der Urteilsgründe anstelle der ausgeurteilten Strafbarkeit wegen Betruges in Tateinheit mit Subventionsbetrug eine Strafbarkeit nur wegen Subventionsbetruges gemäß § 264 StGB in Betracht kommt, beschwert den Angeklagten hier jedenfalls nicht.

4b) Auch das Eingreifen von § 46b Abs. 1 Nr. 1 StGB zugunsten des Angeklagten hat die Strafkammer im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Nach Abs. 1 Satz 3 dieser Vorschrift muss sich im Fall des Abs. 1 Nr. 1 der Beitrag des Beschuldigten zur Aufklärung über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken, wenn er an der aufgedeckten Tat als Täter oder Teilnehmer beteiligt war (vgl. Fischer, StGB, 67. Aufl., § 46b Rn. 13 mwN). Die - im Wesentlichen - geständige Einlassung des Angeklagten bezog sich aber vorliegend nur auf die eigene Tatbeteiligung.

52. Das Urteil war aber um eine Kompensation für einen Konventionsverstoß zu ergänzen.

6a) Nach Eingang der Akte beim Landgericht am ist es zu einer Verletzung des Gebots zügiger Verfahrenserledigung (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) gekommen. Bis zum Eröffnungsbeschluss am ist das Zwischenverfahren nicht sachgerecht gefördert worden. Dass der Strafkammer eine „zeitigere Entscheidung über die Eröffnung...insbesondere“ deswegen nicht möglich gewesen sei, weil sie „gerade in den Jahren 2017 und 2018´... mit zahlreichen vorrangig zu behandelnden Haftsachen stark belastet war“ (UA S. 71), kann gegenüber dem Angeklagten eine verzögerte Sachbehandlung nicht rechtfertigen. Der Umstand, dass sich der Angeklagte zu dieser Zeit nicht in Haft befunden hat, rechtfertigt es nicht, eine beim Landgericht anhängige Strafsache eine solch lange Zeit - zwei Jahre und fünf Monate - unbearbeitet zu lassen (vgl. Rn. 3).

7b) Der dargelegte Verfahrensgang ergibt sich aus den Urteilsgründen selbst und ist daher auf die Sachrüge zu berücksichtigen (vgl. Rn. 2). Er hat im Zwischenverfahren insgesamt zu einer der Justiz anzulastenden Verfahrensverzögerung von etwa 18 Monaten geführt. Die deswegen veranlasste Kompensationsentscheidung trifft der Senat, wozu er berechtigt ist (vgl. Beschluss vom - 5 StR 320/18 Rn. 3 mwN), selbst und stellt auf der Grundlage der Vollstreckungslösung (vgl. , BGHSt 52, 124, 135 ff.) fest, dass zwei Monate der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe als Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer als vollstreckt gelten.

83. Die gegen die Verurteilung insgesamt gerichtete Revision hat nur einen geringen Teilerfolg, so dass es nicht unbillig ist, den Beschwerdeführer mit den gesamten Kosten und Auslagen seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 1 und 4 StPO).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:220720B1STR132.20.0

Fundstelle(n):
FAAAH-60760