Bayerisches Landesamt für Steuern - FG 2026.2.1-7/2 St43

Das gerichtliche Rechtsbehelfsverfahren

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Bezug: BStBl 2018 I S. 693

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1. Allgemeines

1.1. Ziel des Einspruchsverfahrens

Da Klageverfahren Steuerpflichtige, Finanzamt und Finanzgericht belasten, sollten die Einspruchsverfahren sorgfältig durchgeführt werden, um neben der Gewährung von Rechtsschutz im Verwaltungsverfahren Klagen zu vermeiden. Hierzu ist die sorgfältige Ermittlung des Sachverhalts sowie eine fundierte Begründung der Einspruchsentscheidung erforderlich.

1.2. Fortbestehende Amtsermittlungspflicht der Finanzämter

Mit der Rechtshängigkeit (§ 66 FGO) einer Klage verliert das Finanzamt nicht die Herrschaft über das Besteuerungsverfahren. Es ist weiterhin verpflichtet, den maßgeblichen Sachverhalt zu ermitteln, falls hierfür ein Anlass besteht (§ 76 Abs. 4 FGO), und ggf. den streitbefangenen Verwaltungsakt zu ändern, soweit dies aufgrund einer entsprechenden Vorschrift zulässig ist (§ 132 AO i.V.m. einer Korrekturvorschrift).

Der BFH verpflichtet nicht nur die Finanzverwaltung, sondern auch die Finanzgerichte, in Ausfüllung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 76 FGO) die für den Einzelfall erforderlichen Sachverhaltsfeststellungen zu treffen. Bei entsprechend substantiiertem klägerischen Vortrag gehört dazu auch die tatsächliche Aufklärung, erforderlichenfalls mittels weiterer Beweisaufnahme (, BFH/NV 2018 S. 820).

1.3. Umfang der Entscheidungsbefugnis des Finanzgerichts

Das Finanzgericht prüft, ob der Kläger durch den angefochtenen Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt ist. Richtet sich das Klagebegehren bei einem Steuerbescheid auf eine Steuerminderung, so sind etwaige steuererhöhende Umstände vom Finanzgericht saldierend zu berücksichtigen, jedoch nur bis zur Höhe der Steuerfestsetzung des streitbefangenen Bescheids (Verböserungsverbot). Zwar darf eine Entscheidung zugunsten des Klägers nicht über dessen Klagebegehren hinausgehen (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO). Die Erweiterung eines Klageantrags ist grundsätzlich auch nach Ablauf der Klagefrist noch möglich (vgl. Beschluss des Großen Senats des BStBl II 1990 S. 327 und BFH/NV 1991 S. 162).

1.4. Örtliche Zuständigkeit der Finanzgerichte München und Nürnberg

Die Zuständigkeit richtet sich nach Art. 1 Abs. 2 des Gesetzes zur Ausführung der FGO (AGFGO, BayRS 35-1-F).

Demnach ist zuständig:

  • das Finanzgericht München
    für die Regierungsbezirke Oberbayern, Niederbayern und Schwaben

  • das Finanzgericht Nürnberg
    für die Regierungsbezirke Oberpfalz, Oberfranken, Mittelfranken und Unterfranken.

1.5. Wechsel des zuständigen Finanzgerichts

Nach § 70 Satz 1 FGO i.V.m. § 17 Satz 1 GVG wird zwar die sachliche und örtliche Zuständigkeit durch eine Veränderung der sie begründenden Umstände nach Eintritt der Rechtshängigkeit nicht berührt. Dies gilt aber nur, wenn der mit der Klage rechtshängig gewordene Streitgegenstand hiervon unbeeinflusst bleibt.

Eine Änderung des Streitgegenstands tritt ein, wenn im Falle eines Zuständigkeitswechsels des Klägers in den Bezirk eines anderen Finanzgerichts (§ 26 AO) das neu zuständig gewordene Finanzamt einen Änderungsbescheid erlässt und dieser nach § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens wird. Der Austausch des Beklagten führt in einem solche Falle als Änderung des Streitgegenstands auch zu einem Wechsel des zuständigen Finanzgerichts (vgl. , BStBl 2005 II S. 101).

§ 26 Satz 2 AO, der eine Fortführung von Verwaltungsverfahren durch das bisherige Finanzamt ermöglicht, ist für finanzgerichtliche Verfahren nicht anwendbar. Das beklagte Finanzamt kann jedoch einen Wechsel der finanzgerichtlichen Zuständigkeit vermeiden, wenn es noch anstehende Verwaltungsverfahren, welche die beim Gericht anhängigen Verfahren betreffen (z.B. Erlass von Änderungsbescheiden), im Benehmen mit dem nunmehr zuständigen Finanzamt nach § 26 Satz 2 AO durchführt.

Sollte eine Regelung nach § 26 Satz 2 AO nicht getroffen worden sein, ist das bisher zuständige Finanzgericht auf den - im Falle des § 68 FGO - eintretenden Beklagtenwechsel (z.B. im Zusammenhang mit der Übersendung des Änderungsbescheids) gezielt hinzuweisen. Auch ist das bisher beklagte Finanzamt umgehend über den Wechsel der Beklagtenstellung zu unterrichten. Eine Abgabe der Klagevorgänge an das neu zuständige Finanzamt ist in der Regel jedoch erst dann veranlasst, wenn das Verfahren von dem neu zuständig gewordenen Finanzgericht übernommen wurde.

2. Elektronische Kommunikation mit den Finanzgerichten (§§ 52a, 52d FGO)

Die elektronische Kommunikation mit den Finanzgerichten befindet sich derzeit im Aufbau, noch nicht alle Finanzämter sind technisch in der Lage, mit den Finanzgerichten elektronisch zu kommunizieren. Über die technische Verfügbarkeit werden die Finanzämter jeweils im AIS unterrichtet. Auf die Anwender-Infos DB-Rb wird hingewiesen.

3. Anbringen der Klage

Nach § 64 Abs. 1 FGO ist die Klage beim Finanzgericht zu erheben. Die Klagefrist (§ 47 Abs. 1 FGO) gilt aber auch als gewahrt, wenn die Klage bei der Behörde, die den angefochtenen Verwaltungsakt oder die angefochtene Entscheidung

  • erlassen oder

  • den Beteiligten bekannt gegeben hat oder

  • die nachträglich für den Steuerfall zuständig geworden ist,

innerhalb der Frist angebracht oder zu Protokoll gegeben wird (§ 47 Abs. 2 Satz 1 FGO). Bei einer Außenstelle, die unselbstständiger Teil der beklagten Behörde ist, kann eine Klage ebenfalls angebracht oder zu Protokoll gegeben werden.

Für das Anbringen einer Klage genügt es, wenn diese in einem verschlossenen und postalisch an das Finanzgericht adressierten Briefumschlag in den Briefkasten des Finanzamts eingeworfen oder beim Finanzamt abgegeben wird (, BStBl II 1995 S. 601). Der Eingangstag ist durch Eingangsstempel auf dem Briefumschlag zu dokumentieren. Im Falle der Anbringung bei der Behörde wird die Klage jedoch nicht rechtshängig (§ 66 FGO). Die mit dem Eingangsstempel versehene Klage ist deshalb einschließlich Briefumschlag und mit eventuellen Abschriften und Anlagen, aber ohne Stellungnahme dem Finanzgericht unverzüglich zu übersenden (§ 47 Abs. 2 Satz 2 FGO). Dies gilt auch dann, wenn das Finanzamt beabsichtigt, den angefochtenen Verwaltungsakt in Gestalt der Einspruchsentscheidung nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 a AO i.V.m. § 132 AO zu ändern. Dem Kläger ist eine Abgabenachricht zu erteilen mit dem Hinweis, weitere Schriftsätze unmittelbar beim Finanzgericht einzureichen.

Auch wenn es zweifelhaft erscheint, ob ein beim Finanzamt eingegangenes Schreiben eine Klage beinhaltet, muss es umgehend dem Finanzgericht vorgelegt werden, das allein zu entscheiden hat, ob eine Klage vorliegt.

Das finanzgerichtliche Verfahren wird eingeleitet über den Klageschriftsatz, aus dem u. a. hervorgehen muss, gegen welchen Verwaltungsakt sich der Steuerpflichtige wendet (§65 Abs. 1 Satz 1 FGO). Ferner soll die Klage begründet werden (§ 65 Abs. 1 Satz 3 FGO).

Steuerpflichtige und ihre Prozessvertreter sind nicht gehindert, ihre Einwendungen gegen die angefochtenen Bescheide im Laufe des finanzgerichtlichen Verfahrens noch zu ergänzen bzw. zu erweitern oder wieder einzuschränken - etwa nach einem Erörterungstermin oder wenn in bestimmten Punkten eine Einigung mit dem Finanzamt erzielt werden konnte.

Die zulässige Ergänzung bzw. Erweiterung der Klagebegründung ist abzugrenzen von der ggf. unzulässigen Einführung eines neuen separaten Streitgegenstands in das Verfahren, d. h. von der Klageänderung im Wege einer objektiven Klagehäufung i.S. v. §67 FGO. Letztere ist nur zulässig, wenn sowohl das ursprüngliche als auch das geänderte (neue) Klagebegehren die übrigen Sachentscheidungsvoraussetzungen erfüllt, insbesondere also die ggf. erforderliche Durchführung eines außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens nach Maßgabe des §44 Abs. 1 FGO oder dessen Entbehrlichkeit nach §46 Abs. 1 FGO gegeben sind. Beispielsweise kann sich der Steuerpflichtige nicht erfolgreich gegen den mit der Einkommensteuerfestsetzung verbundenen Verspätungszuschlag wenden, wenn zunächst lediglich die Einkommensteuerfestsetzung zum Gegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens gemacht worden und der Verspätungszuschlag bereits bestandskräftig ist (, BFH/NV 2017 S. 1325).

4. Zustellung von Klageschriften, Urteilen und Beschlüssen durch das Finanzgericht

Das Finanzgericht stellt die Klageschrift dem Finanzamt von Amts wegen zu (§ 71 Abs. 1 FGO). Zustellungen erfolgen grundsätzlich gegen Empfangsbekenntnis (§ 174 ZPO) an den Leiter/die Leiterin des Finanzamts. Die Eingangsstelle hat daher eine Klageschrift umgehend dem Amtsleiter/der Amtsleiterin, im Falle seiner Verhinderung dem jeweiligen Vertreter, vorzulegen, weil erst der Zugang bei dem betreffenden Amtsträger die Zustellung bewirkt.

Der betreffende Tag, der nicht dem Datum des Eingangsstempels entsprechen muss, ist auf dem Empfangsbekenntnis zu vermerken. Das Empfangsbekenntnis muss nicht vom Amtsleiter/der Amtsleiterin selbst geleistet werden; es genügt die Unterschrift jeder anderen hierzu befugten Person. Zur elektronischen Zustellung durch das Finanzgericht, soweit beim Finanzamt verfügbar, vgl. Anwender-Info - DB-Rb 08-2017 vom 20.12.2017.

5. Stellungnahme des Finanzamts

5.1. Zeitpunkt

Zu dem Vorbringen eines Beteiligten (§ 57 FGO: Kläger, Beigeladener) hat sich das Finanzamt erst nach Aufforderung durch das Finanzgericht schriftlich zu äußern (§ 71 Abs. 1 Satz 2, § 77 Abs. 1 FGO).

Soweit es noch keine elektronische Kommunikation mit dem Finanzgericht gibt, soll die Stellungnahme mit der Aktenvorlage verbunden werden (Vorlage „Aktenvorlage an Finanzgericht“). Soweit die Übersendung von Ausgangsdokumenten bereits technisch eingerichtet wurde, wird auf die Verfügung O 1920.1.1-20/53 St 12 vom 15.03.2019 verwiesen. In diesen Fällen ist die Stellungnahme elektronisch zu versenden und die Aktenvorlage gesondert durchzuführen (vgl. Vorlagen „elektronische Kommunikation Stellungnahme an Finanzgericht“ und „elektronische Kommunikation Aktenübersendung an Finanzgericht“).

5.2. Beweisanträge

Das Finanzamt ist auch während eines laufenden finanzgerichtlichen Verfahrens gehalten, für die Ermittlung des streitbefangenen Sachverhalts zu sorgen.

Hält das Finanzamt weitere Ermittlungen des Finanzgerichts für erforderlich, sind entsprechende Beweisanträge unter Angabe der Beweismittel zu stellen. Dies gilt vor allem dann, wenn das Finanzamt die objektive Beweislast trägt. Obliegt dem Steuerpflichtigen die Beweislast (z.B. für steuermindernde Sachverhalte), ist es vorrangig Aufgabe des Steuerpflichtigen, ausreichende Beweismittel in das Verfahren einzubringen. Bei Zweifeln an der Beweiskraft solcher Anträge ist jedoch zu prüfen, ob zusätzliche Beweisanträge zu stellen sind.

Als Beweismittel kommen in Betracht:

  • Augenschein

  • Zeugen

  • Sachverständige

  • Urkunden

  • amtliche Behördenauskunft

  • Beteiligtenvernehmung

  • Anscheinsbeweis

  • Erfahrungssätze aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung oder bei typischen Geschehensabläufen

  • Indizienbeweis (mittelbarer Beweis durch Hilfstatsachen, die der Feststellung und Würdigung der Beweistatsachen dienen).

5.3. Vorsorglicher Antrag auf Zulassung der Revision

Falls der Streitsache grundsätzliche Bedeutung zukommt, ist vorsorglich die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zu beantragen. Entsprechend kann verfahren werden, wenn zu erwarten ist, dass das Finanzgericht von der BFH-Rechtsprechung abweicht (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).

5.4. Förderung der Prozessökonomie

Bei einem Streitwert bis einschließlich 500 € kann das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen bestimmen (§ 94a FGO). Eine solche Sachbehandlung liegt vielfach auch im Interesse der Finanzverwaltung. In diesen Fällen sollte daher dem Finanzgericht mitgeteilt werden, dass ein Verfahren nach § 94a FGO befürwortet wird (Vorlage „Aktenvorlage an Finanzgericht“).

Liegen die Voraussetzungen für eine Einzelrichterentscheidung oder eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung im Sinne der Prozessökonomie (Vereinfachung und Beschleunigung) vor, kann eine solche Verfahrensweise gegenüber dem Gericht angeregt werden (Vorlage „Aktenvorlage an Finanzgericht“).

Einzelrichterentscheidungen kommen in Betracht

Ein Widerruf der Einverständniserklärung zur Entscheidung durch den Einzelrichter ist nur bei nachträglicher Änderung der Prozesslage (objektive Betrachtung) möglich.

Entscheidungen ohne mündliche Verhandlung sind möglich

  • nach § 90 Abs. 2 FGO bei Einverständnis der Beteiligten,

  • nach § 90a FGO durch Gerichtsbescheid,

  • nach § 94a FGO durch Bestimmung des Verfahrensgangs nach billigem Ermessen, wenn der Streitwert nicht mehr als 500 € beträgt.

5.5. Stellungnahme zum Sachverhalt und zur Rechtslage

In dem Schriftsatz ist, soweit erforderlich, auf das Vorbringen des Klägers in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht einzugehen. Der Beweiswürdigung, ob der Sachverhalt unter Berücksichtigung von Feststellungslast und Beweismaßstab mit der erforderlichen Gewissheit feststeht, kommt besondere Bedeutung zu. Hiervon hängt regelmäßig die Entscheidung in der Hauptsache ab. Die vom Finanzgericht getroffenen Feststellungen zum Sachverhalt können überdies nur in sehr eingeschränktem Umfange angefochten werden (§ 118 Abs. 2 FGO).

Werden Sachverhalts- und Rechtsfehler, die mit dem Klagebegehren nicht in einem Zusammenhang stehen, festgestellt und ist insoweit ein Änderungstatbestand nach der AO nicht erfüllt, ist das Finanzgericht darauf hinzuweisen. Damit kann im Falle einer vollständigen oder teilweisen Stattgabe ein Fehler im Wege einer Gegenrechnung ausgeglichen werden.

Es erübrigt sich, in der Stellungnahme den in der Einspruchsentscheidung bereits umfassend dargestellten Sachverhalt zu wiederholen. Nur wenn der Kläger im Zusammenhang mit der Begründung der Klage abweichende oder neue entscheidungserhebliche Ausführungen zum Sachverhalt gemacht hat, ist auf dieses Vorbringen ggf. unter Stellung von Beweisanträgen einzugehen. Äußert sich das Finanzamt in diesem Fall nicht, könnte das neuerliche Vorbringen zum Sachverhalt vom Finanzgericht als gegeben hingenommen werden („Wie der Kläger unwidersprochen vorgetragen hat,“).

Ebenso kann eine ausdrückliche Erwiderung unterbleiben, wenn der Kläger zur rechtlichen Würdigung seine bereits im außergerichtlichen Vorverfahren geäußerte gegenteilige Rechtsmeinung lediglich wiederholt. Zu einem neuen rechtlichen Vorbringen ist jedoch Stellung zu nehmen. Dabei sind je nach Erfordernis Gesetz, Rechtsprechung, Verwaltungsanweisungen und Literatur heranzuziehen. Die rechtliche Würdigung im Rahmen der Klageerwiderung hat sich konkret mit der rechtlichen Argumentation des Klägers auseinanderzusetzen.

Besteht die Klagebegründung nur aus einer Wiederholung des Sachverhalts und/oder der Rechtsmeinung aus dem Einspruchsverfahren, reicht es aus, wegen der Sachverhaltsdarstellung und/oder der rechtlichen Wertung auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung zu verweisen, es sei denn, das Finanzamt erkennt bei der Überprüfung der Äußerungen des Klägers in der Klagebegründung, dass es einzelne Bestandteile des Sachverhalts nicht oder nicht ausreichend dargelegt oder die rechtliche Würdigung einzelner Teilaspekte in der Einspruchsentscheidung versehentlich versäumt oder nicht schlüssig bzw. nicht ausreichend wiedergegeben hat. Ansonsten ist auf neues Vorbringen des Klägers gezielt einzugehen.

Die Äußerung des Finanzamts darf sich nicht auf solche Unterlagen beziehen, die nicht zur Kenntnis des Klägers gelangen dürfen (z.B. „grüner Bogen“).

5.6. Ruhen des Verfahrens nach § 155 FGO i.V.m. § 251 Abs. 1 ZPO

Ist wegen der gleichen Rechtsfrage ein Musterprozess beim BFH oder sind mehrere gleichgelagerte Fälle beim Finanzgericht anhängig, kann das Ruhen des Verfahrens nach § 155 FGO i.V.m. § 251 Abs. 1 ZPO beantragt werden. Dies dürfte nicht zuletzt aus Gründen der Prozessökonomie zweckmäßig sein. Die Fälle, in denen das Ruhen des Verfahrens angeordnet worden ist, sind zu überwachen, um nach Wegfall des wichtigen Grundes rechtzeitig die entsprechenden Folgerungen ziehen zu können

5.7. Anregung zur bevorzugtenErledigung

Ist aus sachgerechten Gründen eine bevorzugte Erledigung vorteilhaft (z.B. wegen der Bedeutung für ein Straf- oder Bußgeldverfahren), ist dies beim Gericht anzuregen.

5.8. Anträge des Finanzamts

Die Stellungnahme soll mit einem Antrag zur Hauptsache, zu den Kosten (insbesondere in den Fällen der §§ 137, 138 FGO) und zum Streitwert (§ 25 GKG) verbunden werden.

Zeichnet sich zu Beginn oder im Laufe des Verfahrens ab, dass das Finanzamt unterliegen könnte, ist zu prüfen, ob ein Kostenantrag zu Lasten des Klägers (z.B. nach § 137 FGO) zu stellen ist.

5.9. Zeichnung durch den Sachgebietsleiter

Die Stellungnahme des Finanzamts ist vom Sachgebietsleiter auch in den Fällen, für die die Bearbeiter zuständig sind (keine sachlich oder rechtlich besonders schwierige Vorgänge) zu unterzeichnen. Ausgenommen hiervon sind reine Aktenvorlagen.

5.10. Abschriften

Nach § 77 Abs. 1 Satz 3 FGO soll das beteiligte Finanzamt bei einem Schriftsatz für jeden der Beteiligten (Kläger, Beigeladenen) sowie für den Prozessbevollmächtigten eine Abschrift beifügen. Die Zahl der erforderlichen Abschriften ergibt sich im Übrigen aus der Aufforderung des Gerichts.

Für die Akten des Finanzgerichts ist außerdem eine Ablichtung der Einspruchsentscheidung beizufügen.

6. Aktenvorlage

6.1. Vorzulegende Unterlagen

Die einschlägigen Akten für die Streitjahre sind stets vollständig zu übersenden. In Ertragsteuersachen kann es sachgerecht sein, die gesamten Steuerakten, insbesondere die der unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeiträume, vorzulegen, vor allem dann, wenn es für die Entscheidung auf die steuerliche Behandlung in den Vorjahren, den Bilanzenzusammenhang oder die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens ankommen kann.

6.2. Akteneinsichtsrecht des Klägers

Der Steuerpflichtige und sein Bevollmächtigter können die Akten beim Finanzgericht einsehen und Auszüge fertigen lassen (§ 78 Abs. 1 FGO).

Das Akteneinsichtsrecht nach § 78 FGO dient der Prozessführung und erlischt, sobald das betreffende Verfahren endgültig abgeschlossen ist (, BStBl II 2006 S. 41).

Feststellungen, Vermerke, Hinweise und sonstige Vorgänge, die dem Steuerpflichtigen wegen der Pflicht zur Wahrung des Steuergeheimnisses nicht bekannt gegeben werden dürfen (§ 30 AO), sind nicht verwertbar und dürfen auch nicht mittelbar in die Urteilsbildung einfließen. Dies ergibt sich aus dem Grundsatz, dass das Gericht seine Entscheidung nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse stützen darf, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten (§ 96 Abs. 2 FGO; , BStBl 1994 II S. 802). Das Finanzamt ist nach der vorgenannten Entscheidung befugt und verpflichtet, diese Aktenteile auszuheften und dem Finanzgericht nicht vorzulegen (§ 86 Abs. 1 FGO). Sie sind aus denselben Gründen nicht in der Stellungnahme zu verwerten. Das Finanzamt hat sich vor Absendung der Akten an das Finanzgericht zu vergewissern, dass die Akten keine Verhältnisse Dritter beinhalten, die durch das Steuergeheimnis geschützt sind.

Vorgänge, die dem Steuerpflichtigen nicht bekannt gegeben werden sollen (z.B. Kontrollmitteilungen, grüner Bogen zum BP-Bericht, nur für den Dienstgebrauch bestimmte Verfügungen) oder Vorgänge, die beim Kläger den Verdacht der Voreingenommenheit und Unsachlichkeit aufkommen lassen könnten, sind ebenfalls auszusondern. Entnommene Vorgänge können vom Finanzamt nicht in das Verfahren eingebracht werden.

6.3. Aufbereitung der Unterlagen

Der Inhalt der vorzulegenden Akten muss zeitlich getrennt und vollständig abgeheftet sowie mit Blattzahlen versehen sein. Die Rechtsbehelfsvorgänge sind im Anschluss an den angefochtenen Verwaltungsakt oder in einer eigenen Rechtsbehelfsakte abzulegen. Es ist darauf zu achten, dass über mündliche und fernmündliche Besprechungen Niederschriften oder Gedächtnisprotokolle vorliegen.

Erforderlichenfalls sind sie noch nachzuholen und zu den Akten zu nehmen. Die Ermittlung von Wertansätzen und Besteuerungsgrundlagen, die für die Entscheidung maßgeblich sind, muss sich aus den Akten ergeben.

Bei elektronischer Kommunikation mit dem Finanzgericht ist zur Übersendung der Steuerakten die neue Vorlage „elektronischer Kommunikation – Aktenübersendung an Finanzgericht“ zu verwenden.

7. Rückbehaltsakte

Das Finanzamt hat von den wichtigsten Vorgängen Ablichtungen zu fertigen und mit einem Abdruck der Einspruchsentscheidung zur Rückbehaltsakte zu nehmen. Diese soll so angelegt sein, dass der Streitfall auch bei einem Wechsel des Bearbeiters ausreichend beurteilt werden kann.

8. UNIFA-Zugriff für die Finanzgerichte

Im finanzgerichtlichen Verfahren kann den Finanzgerichten ein lesender elektronischer Zugriff auf die steuerlichen Daten der Kläger eingeräumt werden (Verfügung vom 12.11.2013, FG 1000.1.1-1/17).

Die Freischaltung der Daten des Klägers für das Finanzgericht erfolgt derzeit noch durch das Bayerische Landesamt für Steuern. Um nach Beendigung des Verfahrens die Löschung der Zugriffsrechte zu veranlassen, ist dem Bayerischen Landesamt für Steuern der Abschluss des Klageverfahrens mitzuteilen, Hierzu steht die UNIFA-Vorlage „Beendigung Datenzugriff FG Nürnberg / FG München“ zur Verfügung.

9. Unterrichtung der Veranlagungsstelle

Die Rechtsbehelfsstelle hat die Veranlagungsstelle über ein anhängiges Klageverfahren und die Besonderheiten beim Erlass von Änderungsbescheiden zu unterrichten (Vorlage „Unterrichtung anhängiges Klage- / Revisionsverfahren“).

10. Korrektur von Verwaltungsakten während des gerichtlichen Verfahrens

Der angefochtene Verwaltungsakt kann auch während des finanzgerichtlichen Verfahrens nach den Vorschriften der AO geändert werden (§ 132 AO). Hiervon sollte nach Möglichkeit Gebrauch gemacht werden. Der geänderte Bescheid wird kraft Gesetzes zum Gegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens; ein Einspruch ist insoweit ausgeschlossen (§ 68 FGO und AO-Kartei zu § 68 FGO Karte 1).

Ein Abhilfebescheid kann auch dadurch wirksam ergehen, dass er in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll des Gerichts erklärt wird (, BStBl 1998 II S. 461, 466).

Nimmt das Finanzamt eine an sich mögliche Änderung zuungunsten des Stpfl. nicht vor und wird der betreffende Sachverhalt auch nicht zur Verrechnung mit der vom Kläger begehrten Steuerminderung in das Verfahren eingeführt, so steht einer späteren Änderung u.U. die Rechtskraft des Urteils entgegen (§ 110 Abs. 1 FGO). Eine spätere Änderung kann auch durch den Ablauf der - insoweit nicht mehr nach § 171 Abs. 3a AO gehemmten - Festsetzungsfrist unmöglich werden (z.B. im Falle neuer Tatsachen nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO).

Der Änderungsbescheid ist dem Prozessbevollmächtigten bekannt zu geben.

Ergeht ein Änderungs- oder Aufhebungsbescheid, sind dem FG eine Abschrift dieses Bescheids sowie die Vorgänge, aus denen der zur Korrektur führende Sachverhalt hervorgeht, zu übersenden (Vorlage „Mitteilung nach § 68 Satz 3 FGO“).

Zur Heilung von Verfahrens- und Formfehlern bzw. zur Ergänzung von Ermessenserwägungen bis zum Abschluss des Verfahrens vor dem Finanzgericht wird auf § 126 Abs. 2 AO bzw. § 102 Satz 2 FGO hingewiesen.

Ergeht während des Revisionsverfahrens ein Änderungsbescheid, der den mit der Klage angefochtenen VA ändert oder (ganz oder teilweise) ersetzt, so wird dieser kraft Gesetzes Gegenstand des bereits anhängigen Verfahrens (§ 121 Satz 1 FGO i.V.m. § 68 Satz 1 FGO). Der Änderungsbescheid ist damit neuer Verfahrensgegenstand; entsprechendes gilt, wenn während des Revisionsverfahrens der angefochtene Vorauszahlungsbescheid durch einen Jahressteuerbescheid ersetzt wird.

§ 127 FGO bestimmt in diesen Fällen, dass der BFH das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverweisen kann.

Die Regelung bestimmt ferner, dass eine Aufhebung des FG-Urteils und die Zurückverweisung der Sache unabhängig von den Voraussetzungen des §126 Abs. 3 FGO möglich sind.

11. Hauptsacheerledigung

Auch wenn die Klage bereits anhängig ist, sollte jede sich bietende Möglichkeit genutzt werden, die Streitsache im Vorverfahren (durch schriftlichen Hinweis, Erörterungstermin etc.) oder in der mündlichen Verhandlung zu erledigen.

Rechtsgrundlage für einen Erörterungstermin ist §79 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 FGO. Danach kann das Gericht die Beteiligten zur Erörterung des Sach- und Streitstands und zur gütlichen Beilegung des Rechtsstreits laden.

Ob ein solcher Termin anberaumt wird, steht im Ermessen des Gerichts. Die Beteiligten haben deshalb zwar keinen Anspruch auf einen Erörterungstermin, gleichwohlsteht es sowohl den Steuerpflichtigen und deren Prozessbevollmächtigten als auch dem Finanzamt frei, die Anberaumung eines Erörterungstermins anzuregen. Ein Erörterungstermin kann bereits mit Einreichung der Klageschrift bzw. mit der Erwiderung hierauf angeregt werden.

Im Rahmen eines Erörterungstermins kann die Sach- und Rechtslage des Streitfalls nochmal durchgegangen werden. Die Formzwänge der mündlichen Verhandlung gelten nicht, auch wenn sämtliche wesentlichen Gesprächsinhalte protokolliert werden. Die Beteiligten haben die Gelegenheit, unmittelbar auf die Argumentation der Gegenseite einzugehen bzw. zu den Hinweisen des Berichterstatters Stellung zu nehmen.

Auch wenn die Erörterung zu keiner Einigung führt und das Verfahren durch das Gericht fortgesetzt werden muss, haben die Beteiligten in der Regel Klarheit über die Rechtsauffassung des Berichterstatters gewonnen.

Kann einem Klageantrag teilweise entsprochen werden, sollte stets ein Teilabhilfebescheid erlassen werden. Damit können die dem Stpfl. zu erstattenden Aufwendungen (§ 139 FGO) verringert werden.

Wird durch die Änderung des Verwaltungsakts dem Antrag in der Hauptsache entsprochen, hat das Finanzamt dem Gericht gegenüber den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären und erforderlichenfalls einen Kostenantrag nach § 138 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 137 FGO zu stellen. Hierfür steht die Vorlage „Hauptsacheerledigung gegenüber dem FG und BFH“ zur Verfügung.

Hat der Kläger einseitig die Hauptsache für erledigt erklärt und widerspricht das Finanzamt nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenen Schriftsatzes, erledigt sich der Rechtsstreit in der Hauptsache. Voraussetzung ist jedoch, dass das Gericht auf diese Rechtsfolge hingewiesen hat (§ 138 Abs. 3 FGO).

Über die Erledigung in der Hauptsache ist ein Aktenvermerk zu fertigen (Vorlage „Aktenvermerk Hauptsacheerledigung Klageverfahren).

In Fällen, in denen nach einer Vorabentscheidung des Gerichtshofes der Europaischen Union das Verfahren vor dem Finanzgericht oder dem BFH fortgesetzt wird, ist eine mit dem Ziel einer Hauptsacheerledigung beabsichtigte Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts nur nach vorheriger Zustimmung des BMF und der obersten Landesfinanzbehörde vorzunehmen (BMF-Schreiben vom 25.05.2018, BStBl I S. 693).

12. Mündliche Verhandlung (§ 90 FGO)

Erledigt sich der Rechtsstreit nicht im vorbereitenden Verfahren, stellt die Entscheidung auf Grund mündlicher Verhandlung gem. §90 Abs. 1 FGO den gesetzlichen Regelfall dar.

In formeller Hinsicht regeln §§92 und 93 FGO den Ablauf der mündlichen Verhandlung. Diese beginnt mit dem Aufruf der Sache durch den Vorsitzenden. Hieran schließt sich der Vortrag des bisherigen Sach- und Streitstands durch den Berichterstatter an. Gegebenenfalls erfolgt eine Beweisaufnahme z. B. durch Anhörung von Zeugen oder Sachverständigen. Das „Herzstück” der mündlichen Verhandlung bildet die Erörterung der Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten. Hierbei besteht für die Klägerseite und das Finanzamt die Möglichkeit, noch einmal umfassend vorzutragen, insbesondere auch in tatsächlicher Hinsicht, denn die Tatsachen- und Beweiserhebung durch das Gericht endet erst mit dem Schluss der mündlichen Verhandlung. Auch in rechtlicher Hinsicht wird der Streitfall umfassend erörtert. In der mündlichen Verhandlung kann noch eine einvernehmliche Lösung gefunden und das Verfahren unstreitig beendet werden. An die Erörterung des Sach- und Streitstands schließt sich, sollte keine einvernehmliche Lösung gefunden worden sein, die Antragstellung durch die Beteiligten an. Der Vorsitzende schließt die mündliche Verhandlung. Hieran schließt sich die Beratung der Richter an. Das Urteil wird entweder direkt am Schluss der Sitzung verkündet oder zugestellt. Die wesentlichen Ergebnisse der mündlichen Verhandlung werden gemäß §94 FGO protokolliert.

Verzicht auf mündliche Verhandlung

Gemäß §90 Abs. 2 FGO können die Beteiligten übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichten. Da nur im erstinstanzlichen finanzgerichtlichen Verfahren eine Aufklärung des streitigen Sachverhalts stattfindet (durch den BFH als Revisionsgericht erfolgt ausschließlich eine rechtliche Prüfung, § 118 FGO) sollte ein Verzicht oder die Zustimmung zu einem solchen sorgfältig geprüft werden.

Das Finanzgericht ist an einen Verzicht der Beteiligten nicht gebunden. Auch nach erklärtem Verzicht können die Beteiligten in der Streitsache noch um mündliche Verhandlung nachsuchen.

Hat das Finanzamt die Entscheidung des Finanzgerichts mit der Revision angefochten, soll es grundsätzlich nicht gemäß § 90 Absatz 2 FGO auf die mündliche Verhandlung verzichten (BMF-Schreiben vom 25.05.2018, BStBl I S. 693).

12.1. Stellung von Anträgen

Da der Gegenstand der mündlichen Verhandlung wesentliche Grundlage für die Entscheidung des Gerichts ist, ist darauf zu achten, dass der Kenntnisstand der mündlichen Verhandlung genutzt wird. Es sind daher in angemessener Frist vor Beginn der mündlichen Verhandlung die erforderlichen Beweisanträge und Anträge auf Beteiligung (Beiladung) nach § 174 Abs. 4 und 5 AO sowie ggf. ein ergänzter Kostenantrag (z.B. für verspätetes Vorbringen nach § 137 FGO, Verzögerungsgebühr nach § 34 GKG) zu stellen. Dies ist u.a. auch deswegen von Bedeutung, weil der BFH bei einem späteren Revisionsverfahren an die tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO). Auch kann der Einwand, das Finanzgericht habe den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt, nicht erfolgreich im Wege einer Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemacht werden. Übergeht das Gericht in der mündlichen Verhandlung einen bereits früher gestellten Beweisantrag, muss der Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht noch in der mündlichen Verhandlung gerügt werden; der Verstoß kann beim BFH nicht mehr geltend gemacht werden. Die Rüge ist zu Protokoll zu erklären, um später den hohen Anforderungen der Rechtsprechung an eine Nichtzulassungsbeschwerde wegen Verfahrensfehlern (§ 116 Abs. 3 FGO i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) zu genügen.

Gegebenenfalls kann die Einvernahme des Klägers beantragt werden (§ 81 Abs. 1 Satz 2, § 82 FGO). Eine solche Maßnahme ist dann angezeigt, wenn sich bei der Erörterung der Streitsache (§ 93 Abs. 1 FGO) noch offene Fragen zum Sachverhalt ergeben bzw. der Sachverhalt vom Kläger im Rahmen der Erörterung der Streitsache anders dargestellt wird.

12.2. Niederschrift

Es ist darauf zu achten, dass in der Niederschrift (Protokoll) über die mündliche Verhandlung alle bedeutsamen Vorgänge und Äußerungen (eigene Beweisanträge; Ausführungen, die nicht oder nicht so in einem Schriftsatz enthalten sind) aufgenommen werden. Die Ablehnung eines Protokollierungsantrags erfordert einen Beschluss des Gerichtes.

Die Niederschrift wird vorgelesen oder zur Einsicht vorgelegt (§ 94 FGO i.V.m. § 162 ZPO).

Ein Antrag auf Protokollierung, der erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt wird, ist unzulässig ( BFH/NV 1989 S. 24). Von der Möglichkeit, eine Protokollabschrift anzufordern, sollte insbesondere Gebrauch gemacht werden, wenn die Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde zu prüfen ist.

13. Vertretung vor dem Finanzgericht

Vor dem Finanzgericht besteht kein Vertretungszwang; jeder prozessfähige Steuerpflichtige kann seine Rechte selbst wahren.

Das Finanzamt kann sich gemäß § 62 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 FGO durch eigene Beschäftigte vertreten lassen. Diese müssen nicht die Befähigung zum Richteramt aufweisen.

Vor dem BFH besteht hingegen Vertretungszwang (§ 62 Abs. 4 Satz 1 FGO). Das FA kann sich demnach nur durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt vertreten lassen (§ 62 Abs. 4 Satz 4 FGO, Tz. 2.2.2 DA-RbSt).

13.1. Vertretungsberechtigte Personen

Der Sachgebietsleiter der Rechtsbehelfsstelle - im Falle der Verhinderung sein Vertreter - vertritt in der Regel das Finanzamt aufgrund der sich aus dem Geschäftsverteilungsplan ergebenden Dienststellung in der mündlichen Verhandlung.

Hat die Einspruchsentscheidung nicht die Rechtsbehelfsstelle, sondern ein anderes Arbeitsgebiet erlassen, hat der hierfür zuständige Sachgebietsleiter die Vertretung vor dem Gericht aufgrund seiner Zuständigkeit nach dem Geschäftsverteilungsplan (, BFH/NV 1992 S. 41.) wahrzunehmen.

Der Amtsleiter kann im Einzelfall oder für einen Teilbereich von Verfahren allgemein auch einen anderen Bediensteten mit der Vertretung beauftragen.

Die Bearbeiter der Rechtsbehelfsstellen sollen insbesondere dann an mündlichen Verhandlungen teilnehmen, wenn ihre Anwesenheit zur Unterstützung des Prozessvertreters geboten erscheint. Eine besondere Vertretungsanzeige ist ggf. dann zweckmäßig, wenn die Bearbeiter bei der Erörterung der Sach- und Rechtslage durch eigene Beiträge mitwirken sollen.

13.2. Nachweis der Vertretungsbefugnis

  • Vertretung des Finanzamts durch den Sachgebietsleiter der Rechtsbehelfsstelle sowie durch den zuständigen Sachgebietsleiter für Verfahren außerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Rechtsbehelfsstelle:

    Für den Nachweis der Vertretungsbefugnis des Sachgebietsleiters ist beim jeweils zuständigen Senat des Finanzgerichts München eine Vollmacht zu hinterlegen. Für den Nachweis der Vertretungsbefugnis beim Finanzgericht Nürnberg genügt es, wenn dem jeweils zuständigen Senat des Finanzgerichts jährlich oder bei einer Änderung ein Auszug aus dem Geschäftsverteilungsplan übersandt wird. Der Vertreter des Finanzamts soll jedoch auch einen Auszug in der mündlichen Verhandlung vorweisen können.

  • Vertretung des Finanzamts durch einen sonstigen Bediensteten:
    Nimmt ein sonstiger Bediensteter des Finanzamts die Vertretung wahr, hat er seine Vertretungsbefugnis stets durch eine schriftliche Vertretungsanzeige nachzuweisen. Es empfiehlt sich, eine durch den Amtsleiter unterzeichnete besondere Vertretungsanzeige zu verwenden, z.B. „Herr ...................................... ist berechtigt, das Finanzamt in dem Verfahren ......................................, Az.: ............................................... vor dem Finanzgericht zu vertreten.“

13.3. Entscheidungsfreiheit in der mündlichen Verhandlung

Der Vertreter des Finanzamts soll durch Weisungen nicht gebunden werden. Damit besteht die Gewähr, dass bei neuen tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkten eine Entscheidung nicht verzögert wird.

14. Entscheidung ohne mündliche Verhandlung

Nach § 90 Abs. 2 FGO kann das Gericht mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Ein Verzicht auf die mündliche Verhandlung ist vor allem dann angebracht, wenn der Sachverhalt unstreitig und nur noch über Rechtsfragen zu entscheiden ist oder wenn durch eine mündliche Verhandlung eine weitere Klärung der Sach- und Rechtslage oder eine Verdeutlichung der Auffassung des Finanzamts nicht zu erwarten ist, vgl. hierzu aber Tz 12.1.

Eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung kann auch in den Fällen der Einzelrichterentscheidung nach § 6 FGO und § 79 a Abs. 3 FGO ergehen.

15. Entscheidung durch Gerichtsbescheid (§ 90a FGO)

Das Gericht kann in geeigneten Fällen durch Gerichtsbescheid entscheiden (§ 90 a Abs. 1 FGO). Eine mündliche Verhandlung findet hierbei nicht statt.

Im Gegensatz zu § 90 Abs. 2 FGO ist auch eine Zustimmung der Beteiligten nicht erforderlich.

Der Gerichtsbescheid unterscheidet sich vom Urteil dadurch, dass den Beteiligten weiterer Rechtsschutz zusteht (entweder die zugelassene Revision oder mündliche Verhandlung).

Gerichtsbescheide können auch in den Fällen der §§ 6 und 79 a Abs. 2 und Abs. 3 FGO ergehen.

Ist über eine Streitsache eine für die beklagte Behörde nachteilige Entscheidung in Form eines Gerichtsbescheids (§ 90 a FGO) ergangen und erscheint eine Überprüfung der Rechtsauffassung des Finanzgerichts für angebracht, ist die weitere Beurteilung davon abhängig, ob die Revision zugelassen worden ist.

Trifft dies zu, kann entweder Revision eingelegt oder mündliche Verhandlung beantragt werden (§ 90 a Abs. 2 Satz 2).

Ist dagegen die Revision nicht zugelassen worden, kann nur mündliche Verhandlung beantragt werden.

Bei einem rechtzeitig gestellten Antrag auf mündliche Verhandlung gilt der Gerichtsbescheid als nicht ergangen (§ 90 Abs. 3 Halbsatz 2 FGO). Wird - ausnahmsweise - von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet nur mündliche Verhandlung statt (§ 90 a Abs. 2 Satz 3 FGO).

Ein Antrag auf mündliche Verhandlung wird angezeigt sein, wenn

  • die begründete Aussicht besteht, dass das Finanzgericht bei einer mündlichen Verhandlung im Hinblick auf eine dort ggf. vorzunehmende Beweisaufnahme und eine stattfindende Erörterung seine Tatsachenfeststellung und/oder rechtliche Beurteilung ändern könnte oder

  • die Rechtsfrage zwischenzeitlich durch ein BFH-Urteil i.S.d. Finanzverwaltung entschieden worden ist oder

  • das Finanzgericht Rechtsprechung oder bedeutsame Literaturauffassungen nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt hat.

Bei Gerichtsbescheiden des BFH (§ 90a FGO), in dem eine von den Richtlinien, BMF-Schreiben oder gleich lautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder abweichende Rechtsauffassung vertreten wird oder dessen Begründung auf eine Änderung der Rechtsprechung schließen lässt, ist Antrag auf mündliche Verhandlung zu stellen (BMF-Schreiben vom 25.05.2018, BStBl I S. 693).

Bei Gerichtsbescheiden nach § 79a Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 FGO (Einzelrichterentscheidung) ist nur der Antrag auf mündliche Verhandlung innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids gegeben (§ 79a Abs. 2 Satz 2 FGO).

16. Steuerberechnung durch die Finanzämter nach § 100 Abs. 2 Satz 3 FGO nach Teilaufhebung durch das Finanzgericht

16.1. Betragsberechnung vor Rechtskraft der Entscheidung (§ 100 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 FGO)

Entscheidet das Finanzgericht nach § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO, so hat das Finanzamt dem Kläger das Ergebnis der Steuerberechnung unverzüglich formlos mitzuteilen (§ 100 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 FGO); das Finanzgericht ist hiervon nachrichtlich in Kenntnis zu setzen. Damit wird dem Interesse der Beteiligten Rechnung getragen, das Ergebnis der Neuberechnung zeitnah zu erfahren.

Diese Mitteilung - die ggf. unter Verwendung einer maschinellen Probeberechnung erstellt werden kann - beinhaltet als eine die Steuerberechnung vorbereitende Maßnahme keinen Verwaltungsakt ( BFH/NV 2005 S. 407). Die Mitteilung ist auch formlos so zu gestalten, dass jeglicher Anschein eines Verwaltungsaktes vermieden wird (, BStBl II 1987 S. 14).

Inhaltlich ist diese daher wie folgt abzufassen:

„Diese Mitteilung ergeht nach § 100 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 FGO zur Vorabinformation.

Die Berechnung erfolgt aufgrund der Vorgaben im Urteil des Finanzgerichts vom .........., Az: ........... Es handelt sich hierbei lediglich um eine Maßnahme zum Vollzug des Urteils und nicht um eine Entscheidung nach § 132 AO über die Rücknahme, Änderung oder Aufhebung des angefochtenen Bescheids. Ein förmlicher Steuerberechnungsbescheid wird nach Rechtskraft der Entscheidung des Finanzgerichts ergehen.“

Dient eine maschinelle Probeberechnung zur Darstellung der Steuerermittlung, sind eine etwaig vorhandene Bescheidkennzeichnung und Rechtsbehelfsbelehrung zu streichen.

16.2. Steuerberechnung nach Rechtskraft der Entscheidung des Finanzgerichts (§ 100 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2 FGO)

Nach Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung ist ein Steuerberechnungsbescheid mit dem Inhalt einer Steuerfestsetzung zu erlassen (§ 100 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2 FGO).

In den Bescheid ist folgende Erläuterung aufzunehmen:

„Die Berechnung erfolgt aufgrund des Urteils des Finanzgerichts vom ... Az: .... (§ 100 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2 FGO).

Auf die formlose Mitteilung vom ... wird Bezug genommen werden.“

Die Rechtsbehelfsbelehrung ist wie folgt zu ergänzen:

„Mit dem Einspruch kann nur eingewandt werden, dass die Berechnung nicht den Vorgaben des Urteils entspricht.“

17. Mitteilung über laufende und abgeschlossene Verfahren

Zur Mitteilung über laufende und abgeschlossene Verfahren an das BayLfSt, vgl. Karte 1 zu §§ 115 - 127 FGO und Vorlage „Aktenvermerk Urteil“.

Soweit sich in laufenden gerichtlichen Verfahren über materiell- bzw. verfahrensrechtliche Streitpunkte hinaus Fragen zu maschinellen Verfahren ergeben, die in der Finanzverwaltung im Einsatz sind bzw. diese im gerichtlichen Verfahren eine Rolle spielen, sind die beim BayLfSt zuständigen Fachreferate bereits während des laufenden gerichtlichen Verfahrens entsprechend zu unterrichten, damit diese ggf. das Finanzamt unterstützen.

Soweit das Finanzgericht eine von den Richtlinien, BMF-Schreiben oder gleich lautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder abweichende Rechtsauffassung vertritt, hat das Finanzamt Revision bzw. Nichtzulassungsbeschwerde einzulegen, wenn dies verfahrensrechtlich möglich ist (BMF-Schreiben vom 25.05.2018, BStBl I S. 693).

Hat das Finanzamt die Entscheidung des Finanzgerichts mit der Revision angefochten, soll es grundsätzlich nicht gemäß § 90 Absatz 2 FGO auf die mündliche Verhandlung verzichten ( BStBl 2018 I S. 693).

Zur Unterrichtung der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder über Gerichtsverfahren von grundsätzlicher Bedeutung, vgl. BMF-Schreiben vom 25.05.2018, BStBl I S. 693.

Zur Unterrichtung und Beteiligung des Bayerischen Landesamts für Steuern in Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof in Umsatzsteuersachen, vgl. Verfügung vom 22.08.2017, S 7090.1.1-2/6 St33.

Bayerisches Landesamt für Steuern v. - FG 2026.2.1-7/2 St43

Fundstelle(n):
AO-Kartei BY FGO Karte Vorkarte 1 - Kontroll-Nr. 10/2020 -
GAAAH-60576