Notwendige tatsächliche Feststellungen bei Lieferkette und Bezug zum innergemeinschaftlichen Ausland
Leitsatz
1. NV: Um eine steuerpflichtige Lieferung ausführen zu können, muss der Lieferer selbst tatsächlich Verfügungsmacht innehaben.
2. NV: Für einen Übergang der Verfügungsmacht ist zivilrechtlicher (unmittelbarer oder mittelbarer) Besitz nicht erforderlich, die (innere) Vorstellung von Sachbeteiligten ohne Feststellung entsprechender objektiver Umstände ist nicht hinreichend.
Gesetze: UStG § 3 Abs. 1; UStG § 4 Nr. 1 Buchst. b; UStG § 6a; MwStSystRL Art. 14 Abs. 1;
Instanzenzug: ,
Tatbestand
I.
1 Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH mit Sitz in T, ist mit der Vermietung von und dem Handel mit Autokränen unternehmerisch tätig. Ihr Gesellschafter B war bis zu seiner Ablösung im Mai 2009 alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer. Neben der Klägerin gehören auch die Firmen D, E, F und…S.A. (SA) im Großherzogtum Luxemburg (Luxemburg) zu der ...-Gruppe (C-Gruppe), die in großem Umfang mit Autokränen handelte.
2 Mit Rechnung vom und dem Lieferdatum März 2009 verkaufte E den Kran…(Kran) für 920.000 € an die Klägerin. Die Klägerin veräußerte den Kran mit Rechnung vom und dem Vermerk „Lieferung März 2009“ für 950.000 € an die SA. Der Kran war bereits von der SA mit Rechnung vom und dem Lieferdatum März 2009 für 1,17 Mio. € an die H in Dubai verkauft worden. Die Klägerin ging davon aus, dass der Kran nach den Herstellervorgaben nicht durch eine deutsche Firma habe vermarktet werden dürfen.
3 Der für die C-Gruppe tätige S verbrachte den Kran am Sonntagabend, den , nach 22:00 Uhr von T nach Luxemburg und stellte ihn dort auf einem Parkplatz bei U direkt hinter der deutsch–luxemburgischen Grenze ab. Am fuhr er zunächst mit einem Transporter nach V in Luxemburg, wo sich die Betriebsstätte der SA befindet. In der Betriebsstätte in V unterschrieb B für die SA, deren Geschäftsführer er ebenfalls ist, die auf den datierte Empfangsbescheinigung und bestätigte damit, den Kran in Luxemburg erhalten zu haben. S fuhr dann mit dem Transporter zurück zu dem Parkplatz bei U, stellte den Transporter dort ab und beförderte den Kran wieder zum Sitz der Klägerin zurück.
4 Der Kran wurde am von E, die im Namen und für Rechnung der SA handelte, beim Zollamt W zur Ausfuhr angemeldet und am durch die Spedition…mbH von T nach X zum weiteren Transport nach Dubai verbracht.
5 Die Klägerin hat die Lieferung des Krans an die SA als innergemeinschaftliche Lieferung nach Luxemburg erklärt. Steuerfahndung und Betriebsprüfung des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt —FA—) gingen hingegen davon aus, dass der Kran im Inland verblieben sei, da u.a. eine Zulassung in Luxemburg nicht vorliege. Der Kran sei im Zeitraum vom bis zum auf die F zugelassen gewesen. Dem folgte das FA und änderte die Umsatzsteuerfestsetzung für 2009 mit Bescheid vom . Die Umsatzsteuerfestsetzung 2009 wurde nochmals aus Gründen, die nicht Gegenstand des Rechtsstreits sind, mit Bescheiden vom und vom geändert.
6 Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom zurückgewiesen, da die Klägerin den Nachweis für das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung auch mit der Empfangsbescheinigung nicht erbracht habe. Diese sei nicht aussagekräftig, da sich die Firmen der C-Gruppe gegenseitig bestätigt hätten, was gerade benötigt worden sei. Auch die tatsächlichen Umstände sprächen gegen eine solche innergemeinschaftliche Lieferung.
7 Die hiergegen erhobene Klage wurde vom (Entscheidungen der Finanzgerichte 2018, 505) als unbegründet abgewiesen, da eine innergemeinschaftliche Lieferung nicht nachgewiesen worden sei. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass E der SA nicht durch den Transport des Krans nach Luxemburg am , sondern erst durch die Gestellung des Krans zur Ausfuhr beim Zollamt W die Verfügungsmacht verschafft habe.
8 Die Klägerin macht mit der Revision die Verletzung von Verfahrensrecht und materiellem Recht (§ 6a des Umsatzsteuergesetzes —UStG—) geltend.
9 Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung vom —soweit diese die Umsatzsteuer 2009 betreffen— und den Umsatzsteuerbescheid für 2009 vom aufzuheben und die Umsatzsteuer für 2009 auf ... € herabzusetzen.
10 Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
11 Das FA macht auch geltend, dass aufgrund eines erst am in beschlagnahmtem Aktenmaterial aufgefundenen Mietvertrags und entsprechender Überweisungen nachgewiesen sei, dass die SA den Kran vom bis an die G vermietet habe. Damit müsse die SA den Kran bereits früher durch eine Inlandslieferung erhalten haben, was eine spätere innergemeinschaftliche Lieferung ausschließe. Dieser neue Sachverhalt sei beachtlich, da dessen Beachtung sonst im Wege einer Restitutionsklage gegen die Vorentscheidung durchgesetzt werden könne.
Gründe
II.
12 Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Die vom FG getroffenen Feststellungen tragen die Vorentscheidung nicht. Das FG hat nicht festgestellt, ob und wann die Klägerin Verfügungsmacht am Kran erlangt hatte und welcher Vorgang eine steuerpflichtige Lieferung der Klägerin im Streitjahr 2009 darstellen soll.
13 1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer u.a. die Lieferungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt.
14 a) Lieferungen sind nach § 3 Abs. 1 UStG Leistungen, durch die ein Unternehmer oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht).
15 aa) Diese Bestimmung setzt Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL; vormals Art. 5 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern) in nationales Recht um. Gemäß Art. 14 Abs. 1 MwStSystRL gilt die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen, grundsätzlich als Lieferung von Gegenständen.
16 bb) Nach ständiger Rechtsprechung erhält der Begriff „Lieferung von Gegenständen“ i.S. der MwStSystRL eine dem Unionsrecht eigene autonome und einheitliche Auslegung (vgl. Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union —EuGH— De Fruytier vom - C-237/09, EU:C:2010:316, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung —HFR— 2010, 892, Rz 22; Enteco Baltic vom - C-108/17, EU:C:2018:473, HFR 2018, 672, Rz 85). Danach bezieht sich der Begriff „Lieferung von Gegenständen“ nicht auf die Eigentumsübertragung in den durch das anwendbare nationale Recht vorgesehenen Formen, sondern erfasst jede Übertragung eines körperlichen Gegenstands durch eine Partei, die die andere Partei ermächtigt, über diesen Gegenstand faktisch so zu verfügen, als wäre sie sein Eigentümer (EuGH-Urteile British American Tobacco International und Newman Shipping vom - C-435/03, EU:C:2005:464, HFR 2005, 1033, Rz 35; De Fruytier, EU:C:2010:316, HFR 2010, 892, Rz 24; Evita-K vom - C-78/12, EU:C:2013:486, HFR 2013, 857, Rz 33; Enteco Baltic, EU:C:2018:473, HFR 2018, 672, Rz 86).
17 Hiervon ist bei der Übertragung von Substanz, Wert und Ertrag auszugehen, die allerdings häufig mit der Übertragung bürgerlich-rechtlichen Eigentums verbunden ist (, BFH/NV 2016, 597, Rz 20; vom - V R 12/15, BFHE 253, 475, BStBl II 2017, 188, Rz 18, jeweils m.w.N.).
18 cc) Zwar können Gegenstände auch ohne zivilrechtliche Eigentumsverschaffung geliefert werden, z.B. wenn dem „Lieferer“ die Befähigung, rechtlich über die Gegenstände zu verfügen, fehlt (vgl. EuGH-Urteil PPUH Stehcemp vom - C-277/14, EU:C:2015:719, HFR 2015, 1182, Rz 44; , BFHE 235, 501, BStBl II 2014, 203, Rz 20, m.w.N.). Allerdings kann nur derjenige einem anderen Verfügungsmacht verschaffen, der selbst tatsächlich die Verfügungsmacht innehat (, BFHE 115, 535, BStBl II 1975, 622, Rz 8; Neubert in Hartmann/Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, § 3 Rz 102; Nieskens in Rau/ Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 3 Rz 663; Slapio in Birkenfeld/Wäger, Umsatzsteuer-Handbuch, § 3 Rz 181).
19 b) Tragfähige Feststellungen zur entscheidungserheblichen Frage der Verfügungsmacht am Kran sind dem angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen.
20 aa) Zwar wurden Feststellungen der Steuerfahndung des FA in den Tatbestand des Urteils aufgenommen, die darauf hindeuten könnten, dass die Klägerin durch E den Kran geliefert erhalten hätte - sie sind jedoch lediglich als Beteiligtenvortrag gekennzeichnet. Danach sei ein Kran…mit Rechnung vom von D über 930.000 € fakturiert und am mit der Lieferadresse ..., Bremen, ausgeliefert worden. Mit Rechnung vom und dem Lieferzusatz „Übernahme Kran im November in Y“ habe die D den Kran zum Einkaufspreis an E weiterverkauft. Mit Rechnung vom und dem Lieferdatum März 2009 habe E den Kran für 920.000 € an die Klägerin weiterverkauft.
21 bb) Diese Wiedergabe stellt keine bindende tatsächliche Feststellung dar; es ist nur festgestellt, dass das FA einen bestimmten Sachverhalt seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, nicht aber, dass das FG die behaupteten Tatsachen als unstreitig oder erwiesen ansieht. Zu den tatsächlichen Feststellungen, die den BFH gemäß § 118 Abs. 2 FGO grundsätzlich binden, gehört das Vorbringen eines Beteiligten nicht (vgl. , BFH/NV 2011, 829, Rz 11 f.; Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 118 Rz 39; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 118 FGO Rz 120; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 118 FGO Rz 64).
22 cc) Zudem steht die tatsächliche Würdigung der Vorentscheidung (unter 3.b, Rz 35 der Gründe), dass E der SA am durch die Ausfuhranmeldung beim Zollamt in W die Verfügungsmacht über den Kran verschafft habe, zu der Annahme, dass die Klägerin zuvor Verfügungsmacht am Kran (von E) erhalten hatte, in Widerspruch.
23 2. Die Sache ist nicht spruchreif.
24 a) Das FG wird zunächst festzustellen haben, wann und durch wen der Klägerin Verfügungsmacht verschafft wurde, bevor es annimmt, die Klägerin habe diese danach an einen anderen übertragen.
25 Insofern sind im zweiten Rechtsgang sowohl die vom FA neu vorgetragenen Tatsachen hinsichtlich einer etwaigen Nutzungsüberlassung am Kran vom bis durch die SA an G als auch der Vortrag, dass der Kran im Zeitraum vom bis zum auf F zugelassen gewesen sei, zu bewerten.
26 Ebenfalls wird auf den Berichtigungsbedarf nach § 107 FGO hingewiesen, da als Streitgegenstand und im Klageantrag im Urteil der Vorinstanz versehentlich auch die Streitjahre 2007 und 2008 ausgewiesen wurden.
27 b) Sollte das FG zum Ergebnis kommen, dass die Klägerin im März 2009 Verfügungsmacht am Kran hatte, steht der Annahme einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung an die SA zwar —entgegen der Auffassung des FG— nicht entgegen, dass weder B noch S das Bewusstsein über einen Besitzwechselwillen hatten. Jedoch wird das FG festzustellen haben, ob tatsächlich eine Beförderung über die Grenze vorlag. Dies wäre nicht der Fall, wenn die Beförderung des Krans am Parkplatz bei U noch nicht beendet, sondern lediglich unterbrochen gewesen wäre.
28 aa) Innergemeinschaftliche Lieferungen sind gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG unter den Voraussetzungen des § 6a UStG steuerfrei.
29 Eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung setzt u.a. voraus, dass der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG).
30 Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung auf Art. 138 MwStSystRL.
31 bb) Der Begriff der Lieferung (s. unter II.1.a) hat einen objektiven Charakter und ist unabhängig von Zweck und Ergebnis der betroffenen Umsätze anwendbar (EuGH-Urteile VSTR vom - C-587/10, EU:C:2012:592, HFR 2012, 1212, Rz 30; Vega International Car Transport and Logistic vom - C-235/18, EU:C:2019:412, HFR 2019, 625, Rz 28; , BFHE 249, 343, Rz 37, jeweils m.w.N.). Die Steuerverwaltung ist dabei nicht verpflichtet, Untersuchungen anzustellen, um die Absicht des betroffenen Steuerpflichtigen zu ermitteln oder gar die Absicht eines von diesem Steuerpflichtigen verschiedenen, an derselben Lieferkette beteiligten Händlers zu berücksichtigen (EuGH-Urteile Dixons Retail vom - C-494/12, EU:C:2013:758, HFR 2014, 84, Rz 21; Vega International Car Transport and Logistic, EU:C:2019:412, HFR 2019, 625, Rz 28).
32 Ob Verfügungsmacht übertragen wird, richtet sich nach dem Gesamtbild der Verhältnisse des Einzelfalls, d.h. den konkreten vertraglichen Vereinbarungen und deren tatsächlicher Durchführung unter Berücksichtigung der Interessenlage der Beteiligten (vgl. z.B. , BFHE 213, 83, BStBl II 2006, 727, unter II.1.b aa, Rz 20; vom - XI R 56/06, BFHE 221, 475, BStBl II 2008, 909, unter II.2.a, Rz 27; in BFH/NV 2016, 597, Rz 22). Es ist Sache der Tatsacheninstanz, im Lichte aller tatsächlichen Umstände zu prüfen, ob dies in dem vor ihr anhängigen Rechtsstreit der Fall ist (vgl. EuGH-Urteile Evita-K, EU:C:2013:486, HFR 2013, 857, Rz 34; Enteco Baltic, EU:C:2018:473, HFR 2018, 672, Rz 90; BFH-Urteil in BFH/NV 2016, 597, Rz 22, jeweils m.w.N.).
33 aaa) Das FG hat aufgrund der Beweisaufnahme festgestellt, dass der Kran am von T über die Grenze nach Luxemburg auf einen Parkplatz bei U und am nächsten Tag wieder zurück nach T gelangt ist. Außerdem hat das FG festgestellt, dass B als Geschäftsführer der SA für diese in ihrer luxemburgischen Betriebsstätte eine Empfangsbestätigung für den Kran unterzeichnet hat und daraufhin S den Kran wieder in die Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) transportiert hat.
34 Das FG würdigt diese Feststellungen dahingehend, dass die Klägerin hierdurch keine Verfügungsmacht auf die SA übertragen habe, da die SA weder unmittelbaren noch mittelbaren Besitz erhalten habe. Insbesondere fehle es insofern am entsprechenden Besitzwillen der SA bzw. am Besitzaufgabewillen der Klägerin.
35 bbb) Allerdings ist das FG insofern von falschen Rechtsgrundsätzen ausgegangen, da nach den o.g. Grundsätzen der Übergang der Verfügungsmacht weder zivilrechtlichen (unmittelbaren oder mittelbaren) Besitz zwingend voraussetzt noch auf innere Tatbestandsmerkmale bei den Beteiligten abzustellen ist, soweit hierfür keine objektiven Umstände festgestellt werden können.
36 Die Übertragung der Befugnis, über einen körperlichen Gegenstand wie ein Eigentümer zu verfügen, verlangt weder, dass die Partei, der dieser Gegenstand übertragen wird, physisch über ihn verfügt, noch, dass der Gegenstand physisch zu ihr befördert wird und/oder physisch von ihr empfangen wird (EuGH-Urteil Enteco Baltic, EU:C:2018:473, HFR 2018, 672, Rz 87, m.w.N.). Eine unmittelbare Zugriffsmöglichkeit ist somit nicht notwendige Voraussetzung für das Vorliegen einer Lieferung (BFH-Urteil in BFH/NV 2016, 597, Rz 23).
37 Die Einstufung einer innergemeinschaftlichen Lieferung oder eines innergemeinschaftlichen Erwerbs hat anhand objektiver Kriterien wie des Vorliegens einer physischen Bewegung der betreffenden Gegenstände zwischen Mitgliedstaaten zu erfolgen (EuGH-Urteile Teleos u.a. vom - C-409/04, EU:C:2007:548, BStBl II 2009, 70, Rz 40; X vom - C-84/09, EU:C:2010:693, HFR 2011, 221, Rz 41). Insofern ist nicht auf die subjektive Kenntnis der Klägerin oder des Empfängers abzustellen, sondern sind die objektiven Umstände maßgeblich (vgl. , BFHE 249, 336, Rz 38).
38 ccc) Die von B im Namen der SA unterzeichnete Empfangsbestätigung wurde explizit „für den innergemeinschaftlichen Warenverkehr als Empfangsnachweis bei Eigentransport der Ware durch den Leistungserbringer als Versender“ ausgefüllt. Danach hat B bestätigt, dass er den Kran und damit die in der Rechnung bezeichnete Ware in Luxemburg erhalten hat. Darauf, ob B nicht bewusst gewesen ist, dass für die Verschaffung der Verfügungsmacht auch ein Wechsel des mittelbaren Besitzes notwendig gewesen wäre, kommt es entgegen der Auffassung des FG nicht an.
39 So führt zum einen mangelndes Bewusstsein über die Tatbestandsvoraussetzungen des § 6a UStG nicht zwingend dazu, dass diese nicht vorliegen. Zum anderen geht auch die Argumentation des FG fehl, dass B Vorsorge für eine Dokumentation äußerer Beweisanzeichen eines Besitzwechsels getroffen hätte, wenn ihm die Notwendigkeit eines solchen bewusst gewesen wäre. Vielmehr liegt eine solche Dokumentation mit der Unterzeichnung einer Empfangsbestätigung vor, da diese üblicherweise nicht nur der Dokumentation des physischen Grenzübertritts, sondern auch des Besitzübergangs dient.
40 ddd) Dennoch fehlt für die Feststellung, ob der Kran von der Klägerin an die SA im Zusammenhang mit dem Transport nach Luxemburg geliefert wurde, die Feststellung aller besonderen Umstände des Einzelfalls (vgl. allgemein BFH-Urteil in BFHE 249, 336, Rz 38).
41 Zwar stellt im Regelfall die Unterzeichnung einer Empfangsbestätigung im Zusammenhang mit dem Transport des Gegenstands ein ausreichendes Indiz für die Annahme eines Übergangs der Verfügungsmacht dar. Dies gilt jedenfalls dann, wenn eine übereinstimmende Wertung von Lieferant und Erwerber über das Vorliegen einer Lieferung als Indiz hinzukommt (BFH-Urteil in BFHE 249, 336, Rz 39).
42 Obwohl das FG insofern besondere Umstände festgestellt hat, als Lieferer und Erwerber jeweils durch B handelten, hat es keine Feststellungen dazu getroffen, auf wessen Weisung/mit welchem Auftrag S beim Transport des Krans gehandelt hat. Ein objektiver Anhaltspunkt gegen die Übertragung der Verfügungsmacht am 15./ könnte darin liegen, dass die Klägerin noch nach dem Transport nach Luxemburg über den Kran verfügt hätte, z.B. indem S ausdrücklich auf Weisung der Klägerin den Rücktransport nach Deutschland übernommen hätte und die Klägerin insofern nicht im Auftrag der SA gehandelt hätte. Das FG wird im zweiten Rechtsgang Feststellungen dazu nachzuholen haben.
43 eee) Gegenstand der Erwägungen des FG wird auch sein müssen, ob es sich bei dem Transport des Krans (Parkplatz bei U) und dem anschließenden Rücktransport um zwei gesonderte Beförderungen (jeweils über die Grenze) oder um eine einheitliche Beförderung (vom Inland ins Inland) handelte, denn bei der Verschaffung der Verfügungsmacht (§ 3 Abs. 1 UStG, Art. 14 Abs. 1 MwStSystRL) und der Beförderung bzw. Versendung in den anderen Mitgliedstaat (§ 3 Abs. 6 UStG, Art. 32 Unterabs. 1 MwStSystRL) handelt es sich um zwei verschiedene Tatbestandsmerkmale der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen (BFH-Urteil in BFHE 249, 343, Rz 55, m.w.N.).
44 (1) Nach § 3 Abs. 6 Satz 2 UStG ist „Befördern“ jede Fortbewegung eines Gegenstands. Die Beförderung ist beendet, wenn der Gegenstand der Lieferung seinen Bestimmungsort erreicht hat (, BFHE 216, 379, BStBl II 2007, 424, unter II.1.d, Rz 26).
45 (2) Insofern kommt es zur Bestimmung des Endpunktes der Beförderung nicht auf den Transportweg oder darauf an, ob dieser unterbrochen wurde. Vielmehr ist für die Einstufung eines Umsatzes als innergemeinschaftliche Lieferung oder innergemeinschaftlicher Erwerb festzustellen, ob ein hinreichender zeitlicher und sachlicher Zusammenhang zwischen der Lieferung des in Rede stehenden Gegenstands und seiner Beförderung sowie ein kontinuierlicher Ablauf des Vorgangs gegeben sind (EuGH-Urteile X, EU:C:2010:693, HFR 2011, 221, Rz 33; Fonderie 2A vom - C-446/13, EU:C:2014:2252, HFR 2014, 1130, Rz 29). Der danach erforderliche zeitliche und sachliche Zusammenhang als kontinuierlicher Ablauf wird durch eine von vornherein nur vorübergehende Einlagerung auf kurze Zeit nicht beeinträchtigt (, BFHE 255, 550, BStBl II 2017, 1076, Rz 20).
46 (3) Da die Beurteilung, wo eine Beförderung endet, im Wesentlichen das Ergebnis einer tatsächlichen Würdigung ist, die dem FG als Tatsacheninstanz obliegt (BFH-Urteil in BFHE 216, 379, BStBl II 2007, 424, unter II.1.d, Rz 27, m.w.N.), wird das FG auch diesbezüglich Feststellungen zu treffen haben.
47 3. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens wird gemäß § 143 Abs. 2 FGO dem FG übertragen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2020:U.110320.XIR7.18.0- 2 -
Fundstelle(n):
BFH/NV 2020 S. 1288 Nr. 12
DStR 2020 S. 2371 Nr. 43
DStRE 2020 S. 1402 Nr. 22
StuB-Bilanzreport Nr. 9/2021 S. 386
UStB 2020 S. 347 Nr. 11
ZAAAH-60308