BGH Beschluss v. - IX ZA 4/20

Wiedereinsetzung in die versäumte Frist für die Rechtsbeschwerde im Prozesskostenhilfeverfahren: Grenzen des Vertrauensschutzes bei Schriftsatzversand per Post

Gesetze: § 114 ZPO, §§ 114ff ZPO, § 117 Abs 2 S 1 ZPO, § 233 ZPO, § 321a Abs 1 ZPO, § 522 Abs 1 S 4 ZPO, § 575 Abs 1 S 1 ZPO

Instanzenzug: Az: IX ZA 4/20 Beschlussvorgehend Az: 335 S 6/19vorgehend AG Hamburg-Barmbek Az: 810 C 2/16

Gründe

1Die Eingabe der Beklagten vom ist als Anhörungsrüge entsprechend § 321a ZPO auszulegen, weil die Beklagte geltend macht, der Einschreibebeleg vom habe bei der Entscheidung keine Beachtung gefunden, und deshalb eine Änderung der Entscheidung zu ihren Gunsten begehrt. Die zulässige Anhörungsrüge hat keinen Erfolg. Der Senat hat den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt (§ 321a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Der von der Beklagten eingereichte Einlieferungsbeleg hat dem Senat vorgelegen und ist bei der Entscheidung berücksichtigt worden. Er ist nicht geeignet, eine der Beklagten günstigere Entscheidung zu begründen.

2Nach ständiger Rechtsprechung dürfen dem Bürger Verzögerungen der Briefbeförderung oder der Briefzustellung durch die Deutsche Post AG nicht als Verschulden angerechnet werden. Er darf vielmehr darauf vertrauen, dass die Postlaufzeiten eingehalten werden, die seitens der Deutsche Post AG für den Normalfall festgelegt werden. Im Verantwortungsbereich einer Partei, die einen fristgebundenen Schriftsatz auf dem Postweg befördern lässt, liegt es allein, das Schriftstück so rechtzeitig und ordnungsgemäß aufzugeben, dass es nach den organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen der Deutsche Post AG den Empfänger fristgerecht erreichen kann (, NJW 2009, 2379 Rn. 8 mwN; vgl. , NJW 2011, 458 Rn. 15; vom - V ZB 187/12, juris Rn. 9). Vom Absender eines fristgebundenen Schriftsatzes ist aber zu verlangen, auf die angegebenen Leerungszeiten des von ihm benutzten Briefkastens zu achten. Das Vertrauen in den üblichen Postlauf ist nicht schutzwürdig, wenn der Absender erkennen kann, dass der Briefkasten am selben Tag nicht mehr geleert und die Sendung daher erst am nächsten Tag befördert wird ( aaO Rn. 9).

3Gemessen daran war ein Vertrauen der Beklagten, die ihre Sendung am Samstag, den aufgegeben hat, auf einen Zugang innerhalb der am ablaufenden Frist nicht schutzwürdig. Nach den Angaben der Deutsche Post AG auf ihrer Internetseite (deutschepost.de) sind die Betriebsprozesse der Post darauf ausgelegt, rund 95 vom Hundert aller Briefsendungen innerhalb Deutschlands schon einen Werktag nach der Einlieferung beim Empfänger zuzustellen, unter der Voraussetzung, dass die Sendungen die Post vor Annahmeschluss der Filiale oder der letzten Briefkastenleerung erreichen. Aus dem von der Beklagten eingereichten Einlieferungsbeleg vom ergibt sich, dass die Versandschlusszeit überschritten war und der Transport der Sendung erst am nächsten Werktag, mithin am Montag, dem beginnen sollte.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:190520BIXZA4.20.0

Fundstelle(n):
LAAAH-60288