BFH Beschluss v. - VIII B 166/19

Abzugsfähigkeit der Aufwendungen eines Rechtsanwalts für die Kanzleiräume in der heimischen Wohnung

Leitsatz

NV: Der Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit, welcher gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG den vollständigen Abzug der Aufwendungen für einen Kanzleiraum in der heimischen Wohnung als häusliches Arbeitszimmer eröffnet, ist bei Rechtsanwälten nicht isoliert für deren einzelne Tätigkeiten, sondern für sämtliche Tätigkeiten zu bestimmen. Dass das häusliche Arbeitszimmer den Mittelpunkt der selbständigen Tätigkeit als Rechtsanwalt darstellt, reicht für einen unbegrenzten Betriebsausgabenabzug nicht aus.

Gesetze: EStG § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b; GG Art 3 Abs. 1; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1

Instanzenzug:

Gründe

1 Die Beschwerde ist unbegründet.

2 1. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wirft verschiedene Rechtsfragen auf, die aus seiner Sicht von grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—) sind. Die Voraussetzungen des Zulassungsgrunds sind jedoch für keine der aufgeworfenen Rechtsfragen erfüllt.

3 a) Der Kläger begehrt den vollständigen Abzug seiner Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer als Betriebsausgaben, da es sich um den Kanzleisitz für seine anwaltliche Nebentätigkeit gehandelt habe, er als Syndikusanwalt gesetzlich verpflichtet sei, Kanzleiräume vorzuhalten und eigene Kanzleiräume unterhalten müsse, um die anwaltlichen Verschwiegenheitspflichten zu erfüllen.

4 b) Der Kläger wirft damit sinngemäß die Frage auf, ob die Regelung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 i.V.m. Satz 3 Halbsatz 1 des Einkommensteuergesetzes in der in den Streitjahren 2013 und 2014 anzuwendenden Fassung (EStG) bei einem als Rechtsanwalt tätigen Steuerpflichtigen in der Weise auszulegen sei, dass der als häusliches Arbeitszimmer eingerichtete Kanzleisitz den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG bilde. Diese Rechtsfrage ist aber nicht klärungsbedürftig.

5 aa) Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. An der Klärungsbedürftigkeit einer aufgeworfenen Rechtsfrage fehlt es u.a., wenn sie durch die Rechtsprechung hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar oder vorgetragen sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage geboten erscheinen lassen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. , BFH/NV 2020, 506, Rz 3).

6 bb) Bildet das häusliche Arbeitszimmer den qualitativen Mittelpunkt lediglich einer einzelnen Tätigkeit, nicht jedoch im Hinblick auf die übrigen Tätigkeiten des Steuerpflichtigen, ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls wertend zu entscheiden, ob die Gesamttätigkeit gleichwohl einem einzelnen qualitativen Schwerpunkt zugeordnet werden kann und ob dieser im häuslichen Arbeitszimmer liegt. Dabei ist auf das Gesamtbild der Verhältnisse und die Verkehrsanschauung abzustellen, nicht auf die Vorstellung des betroffenen Steuerpflichtigen. Für Steuerpflichtige, die Rechtsanwälte sind, ist nach der Rechtsprechung des BFH geklärt, dass auch eine Anwaltskanzlei in der privaten Wohnung von der Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG erfasst wird, sofern sie —wie hier— die Merkmale eines häuslichen Arbeitszimmers aufweist. Der Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit, welcher gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 Halbsatz 2 EStG den vollständigen Abzug der Aufwendungen eröffnet, ist für sämtliche Tätigkeiten des Steuerpflichtigen zu bestimmen und umfasst bei Rechtsanwälten die Tätigkeit als Arbeitnehmer und die selbständige anwaltliche Tätigkeit. Dass das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der selbständigen Tätigkeit als Rechtsanwalt darstellt, reicht für einen unbegrenzten Betriebsausgabenabzug nicht aus (vgl. zum Ganzen , BFH/NV 2010, 2038, Rz 33, 34; vom  - XI R 13/04, BFHE 208, 239, BStBl II 2005, 344, unter II.A.1.b; s.a. , BFHE 258, 53, BStBl II 2017, 949, Rz 37 bis 39, zur freiberuflichen Nebentätigkeit eines angestellten Steuerberaters).

7 cc) Der Kläger arbeitet angesichts der für Rechtsanwälte in der Rechtsprechung des BFH bereits entwickelten Grundsätze nicht in der notwendigen Weise heraus, dass die von ihm aufgeworfene Rechtsfrage noch klärungsbedürftig ist. Seine Hinweise auf die gesetzlichen Vorgaben für Syndikusanwälte in § 46c Abs. 2 und Abs. 4 der Bundesrechtsanwaltsordnung und die Bezugnahme auf die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht sind keine Gesichtspunkte, die zu einer Überprüfung der bestehenden Grundsätze Anlass geben. Gleiches gilt für die vom Kläger zitierte Passage aus „der Gesetzesbegründung“. Diese betrifft nur Steuerpflichtige, die —anders als der Kläger— als Rechtsanwälte tätig sind, ihre Kanzleiräume in der Wohnung vorhalten und bei denen die Kanzleiräume den Mittelpunkt der gesamten beruflichen und betrieblichen Tätigkeit darstellen.

8 c) Der Kläger wirft ferner die Frage auf, ob der in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 Halbsatz 1 EStG enthaltene Höchstbetrag von 1.250 € den Anforderungen an eine verfassungsgemäße (realitätsgerechte) Typisierung in den Streitjahren noch genügt. Seit dessen Einführung im Jahr 1996 hätten sich die Mietpreise im Großraum München verdoppelt, sodass der nahezu unverändert gebliebene Höchstbetrag in den Streitjahren zu einem Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) führe. Dieser Vortrag erfüllt nicht die Anforderungen an die ordnungsgemäße Darlegung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung.

9 aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) statuiert § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 i.V.m. Satz 3 Halbsatz 1 EStG mit der darin enthaltenen Höchstbetragsregelung eine Ausnahme vom objektiven Nettoprinzip, die nicht gegen den Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verstößt (, BVerfGE 101, 297, BStBl II 2000, 162, unter B.II.2.c; , BVerfGE 126, 268, Rz 47, sowie Beschluss des Großen Senats des , BFHE 251, 408, BStBl II 2016, 265, Rz 78, zum vollständigen Ausschluss der Aufwendungen gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG). Die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer dürfen danach vom Gesetzgeber generell nur bis zu einer grob pauschalierenden Höchstgrenze als abzugsfähig behandelt werden. Die frühere Höchstgrenze von 2.400 DM in den Fällen des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 Halbsatz 1 EStG war nach der Rechtsprechung des BVerfG vom Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers gedeckt (BVerfG-Urteil in BVerfGE 101, 297, BStBl II 2000, 162, unter B.II.2.c; BVerfG-Beschluss in BVerfGE 126, 268, Rz 47).

10 bb) Wirft ein Beschwerdeführer —wie der Kläger im Streitfall— mit der Nichtzulassungsbeschwerde verfassungsrechtliche Fragen als Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf, so erfordert die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung eine substantiierte, an den Vorgaben des GG und der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG und des BFH orientierte Auseinandersetzung mit der Problematik (ständige Rechtsprechung vgl. , BFH/NV 2020, 234, Rz 5). Hat der BFH in einer früheren Entscheidung begründet, warum er eine Norm nicht für verfassungswidrig hält, muss in der Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde dargelegt werden, warum eine erneute Klärung der Frage geboten ist (, BFH/NV 2019, 935, Rz 4).

11 cc) Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Der Kläger verweist zwar darauf, dass der Höchstbetrag gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 i.V.m. Satz 3 Halbsatz 1 EStG in den Streitjahren zu einer nicht mehr realitätsgerechten Beschränkung des typischerweise anfallenden Aufwands führe, da sich das Mietpreisniveau seit Einführung des Höchstbetrags von 2.400 DM im Jahr 1996 verdoppelt habe und der in den Streitjahren geltende Höchstbetrag von 1.250 € nahezu unverändert geblieben sei. Er hätte sich zur Darlegung eines verfassungswidrigen Zustands aufgrund unterbliebener Anhebungen des Höchstbetrags in der Beschwerdebegründung aber mit der vorhandenen Rechtsprechung des BVerfG näher auseinandersetzen und die vorhandenen verfassungsrechtlichen Maßstäbe für die Bemessung eines realitätsgerechten typisierenden Höchstbetrags aufzeigen müssen. Der Kläger hätte insbesondere darlegen müssen, von welchen typischen (Miet- und Grundstücks-)Aufwendungen und Bemessungsfaktoren für das Arbeitszimmer (Größe; Verhältnis zur Gesamtfläche) der Gesetzgeber bei Schaffung des Höchstbetrags ausgegangen ist.

12 2. Der Senat sieht gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO von einer Darlegung des Tatbestands und einer weiteren Begründung ab.

13 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2020:B.130620.VIIIB166.19.0

Fundstelle(n):
BB 2020 S. 2471 Nr. 44
BFH/NV 2020 S. 1255 Nr. 12
DStZ 2020 S. 810 Nr. 21
KÖSDI 2020 S. 22014 Nr. 12
NJW 2020 S. 10 Nr. 42
NWB-Eilnachricht Nr. 41/2020 S. 3016
SAAAH-59766