Vergabenachprüfungsverfahren: Folgen einer Entscheidung der Vergabekammer über Antrag auf Nachprüfung nach Fristende - Fahrscheindrucker
Leitsatz
Fahrscheindrucker
Entscheidet die Vergabekammer über einen Antrag auf Nachprüfung nicht innerhalb der Frist des § 167 Abs. 1 GWB, gilt der Antrag nur dann nach § 171 Abs. 2 GWB als abgelehnt, wenn der Antragsteller innerhalb der Notfrist des § 172 Abs. 1 GWB sofortige Beschwerde einlegt.
Gesetze: § 167 Abs 1 GWB, § 171 Abs 2 Halbs 2 GWB, § 172 Abs 1 GWB
Instanzenzug: Az: 15 Verg 4/19
Gründe
1A. Die Beteiligten streiten im Vergabenachprüfungsverfahren um die Wirksamkeit eines am zwischen dem Antragsgegner und der Beigeladenen geschlossenen Vertrages über die Anmietung von Bordrechnern und Fahrscheindruckern für Fahrzeuge des öffentlichen Personennahverkehrs.
2Die Antragstellerin hat am einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer eingereicht, mit dem sie die Feststellung begehrt, dass der Vertrag unwirksam ist. Sie ist der Ansicht, die Beschaffung hätte unionsweit ausgeschrieben werden müssen, da der Auftrag bei einer Mindestnutzungsdauer der Bordrechner und Fahrscheindrucker von acht Jahren ein Volumen von über 2.000.000 € habe.
3Der Vorsitzende der Vergabekammer hat am Termin zur mündlichen Verhandlung auf den bestimmt. Er hat den Termin am wieder aufgehoben und den Beteiligten mitgeteilt, neuer Termin werde von Amts wegen bestimmt. Mit Schreiben vom ist neuer Termin zur mündlichen Verhandlung auf den bestimmt worden. Mit Beschluss vom hat die Vergabekammer den zwischen dem Antragsgegner und der Beigeladenen geschlossenen Vertrag für unwirksam erklärt und den Antragsgegner verpflichtet, bei fortbestehender Vergabeabsicht die Leistung unionsweit auszuschreiben.
4Mit seiner sofortigen Beschwerde vom erstrebt der Antragsgegner weiterhin die Abweisung des Nachprüfungsantrags.
5Das Beschwerdegericht möchte auf die Beschwerde des Antragsgegners den Beschluss der Vergabekammer ohne sachliche Prüfung aufheben, weil er nicht habe ergehen dürfen. Da die Vergabekammer nicht innerhalb der Frist des § 167 Abs. 1 Satz 1 GWB über den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin vom entschieden habe, sei der Nachprüfungsantrag als abgelehnt anzusehen. Die Fünf-Wochen-Frist sei weder durch die Aufhebung des zunächst bestimmten Termins noch durch die erneute Terminbestimmung verlängert worden. Das Beschwerdegericht sieht sich an der beabsichtigten Entscheidung durch die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Rostock vom (17 W 18/00, VergabeR 2002, 85) und des , VergabeR 2002, 95) gehindert.
6Am ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Antragstellerin eröffnet worden.
7B. Die Vorlage ist nach § 179 Abs. 2 Satz 1 GWB zulässig; das Beschwerdeverfahren ist nicht entsprechend § 240 ZPO unterbrochen.
8I. Nach § 179 Abs. 2 Satz 1 GWB legt ein Oberlandesgericht, das über eine sofortige Beschwerde gegen eine Entscheidung einer Vergabekammer zu befinden hat, die Sache dem Bundesgerichtshof vor, wenn es von einer Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen will. Dies ist hier der Fall.
9Die Frage, ob eine dem Nachprüfungsantrag stattgebende Entscheidung der Vergabekammer, die nicht innerhalb von fünf Wochen ab Eingang des Antrags nach § 167 Abs. 1 Satz 1 GWB oder innerhalb der durch begründete Verfügung nach § 167 Abs. 1 Satz 2 und 4 GWB verlängerten Frist getroffen und begründet wurde, auf eine sofortige Beschwerde hin aufzuheben ist, ist zwischen den Oberlandesgerichten streitig.
10Das Oberlandesgericht Rostock (Beschluss vom - 17 W 18/00, VergabeR 2002, 85) und das , VergabeR 2002, 95) sind der Ansicht, dass auch eine verspätet ergangene Entscheidung der Vergabekammer wirksam sei und der Vergabesenat daher ungeachtet der verstrichenen Frist des § 167 Abs. 1 GWB in der Sache zu entscheiden habe. Das vorlegende Oberlandesgericht Karlsruhe ist hingegen mit den Oberlandesgerichten Düsseldorf (Beschlüsse vom - Verg 24/00, VergabeR 2001, 154, 156 f.; vom - Verg 18/01, VergabeR 2002, 89, 93, und vom - Verg 49/02, juris Rn. 28), Celle (Beschluss vom - 13 Verg 7/01, juris Rn. 15), Dresden (Beschluss vom - WVerg 8/05, VergabeR 2005, 812, 813 f.) und München (Beschluss vom - Verg 4/08, VergabeR 2008, 665, 667) der Auffassung, das Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer sei nach Ablauf der Frist des § 167 Abs. 1 GWB beendet, da der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin gemäß § 171 Abs. 2 GWB als abgelehnt gelte. Die Vergabekammer sei nach der Ablehnung nicht mehr befugt, nochmals über denselben Streitgegenstand zu entscheiden. Die trotzdem getroffene Entscheidung sei rechtswidrig und daher aufzuheben.
11Die Streitfrage ist entscheidungserheblich, da dem vorlegenden Oberlandesgericht die Fortsetzung der Sachprüfung, in die es bereits eingetreten ist, nur dann gestattet ist, wenn die von ihm für richtig gehaltene Rechtsauffassung nicht zutrifft.
12II. Das Verfahren ist nicht unterbrochen.
131. Nach § 240 Satz 1 ZPO wird im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei ein Zivilverfahren, das die Insolvenzmasse betrifft, unterbrochen, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet wird. § 175 Abs. 2, § 73 Nr. 2 GWB verweisen nicht auf § 240 Satz 1 ZPO, schließen eine entsprechende Anwendung der in § 73 Nr. 2 GWB nicht genannten Vorschriften der Zivilprozessordnung aber auch nicht aus (vgl. , juris Rn. 5 - Bankenverband; K. Schmidt in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl., § 73 GWB Rn. 5 mwN).
142. Ob § 240 ZPO nach Sinn und Zweck des Vergabenachprüfungsverfahrens, das auf die rasche Klärung von Fragen des Vergabeverfahrens angelegt ist, Anwendung findet (ablehnend , juris Rn. 21; für den Fall einer insolventen Vergabestelle die Anwendbarkeit des § 240 ZPO im Vergabenachprüfungsverfahren bejahend: OLG Naumburg, Beschluss vom - 1 Verg 11/09, juris Rn. 30), kann offenbleiben. Denn im Streitfall liegen bereits die Voraussetzungen des § 240 ZPO nicht vor.
15a) § 240 ZPO trägt dem Umstand Rechnung, dass der Schuldner mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein zur Insolvenzmasse gehörendes Vermögen verliert. An seine Stelle tritt nach § 80 Abs. 1 InsO der Insolvenzverwalter. Durch die nach § 240 Satz 1 InsO vorgesehene Unterbrechung der die Insolvenzmasse betreffenden anhängigen Verfahren soll der Insolvenzverwalter ausreichend Bedenkzeit haben, um über die Fortführung des Prozesses zu entscheiden. Die Unterbrechungswirkung tritt daher nur in Verfahren ein, in denen der Verfahrensgegenstand ein Vermögenswert ist, der zur Insolvenzmasse gehören kann. Die Insolvenzmasse muss zumindest mittelbar betroffen sein (vgl. , WRP 2010, 527, 528 - Oracle). Bei einem nur wirtschaftlichen Bezug des Verfahrensgegenstands zur Insolvenzmasse tritt keine Unterbrechung ein (, juris Rn. 7). Für den Massebezug ist auf die Hauptsache abzustellen, die Belastung mit Prozesskosten bleibt außer Betracht (Jaspersen in BeckOK ZPO, 37. Edition, Stand: , § 240 ZPO Rn. 7).
16b) Durch den Beschluss der Vergabekammer, mit dem die Unwirksamkeit des zwischen dem Antragsgegner und der Beigeladenen geschlossenen Vertrags festgestellt wird, wird die Insolvenzmasse nicht, auch nicht mittelbar, berührt. Bliebe die Feststellung der Vergabekammer bestehen, erhöhte sich dadurch die abstrakte Chance der Antragstellerin auf den Auftrag, wobei zuvor eine Ausschreibung durchzuführen wäre, an der sich die Antragstellerin beteiligen müsste. Würde die Feststellung aufgehoben, berührte dies keinen Vermögenswert der Antragstellerin, der zur Insolvenzmasse gehört. Die Voraussetzungen für eine Unterbrechung des Verfahrens nach § 240 Satz 1 ZPO liegen damit nicht vor.
17C. Die Vorlagefrage ist dahin zu entscheiden, dass der Nachprüfungsantrag mit Ablauf der Frist des § 167 Abs. 1 GWB nur dann als abgelehnt gilt, wenn der Antragsteller innerhalb der Notfrist des § 172 Abs. 1 GWB sofortige Beschwerde einlegt.
18I. Gegen die Annahme, dass die Vergabekammer nach Fristablauf nicht mehr über den Nachprüfungsantrag entscheiden darf, weil dieser als abgelehnt gilt (so außer den oben erwähnten Oberlandesgerichten auch Jaeger in Byok/Jaeger, Vergaberecht, 4. Aufl., § 171 GWB Rn. 24; Dicks in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 3. Aufl., § 171 GWB Rn. 18; Vavra in Burgi/Dreher, Vergaberecht, 3. Aufl., § 171 Rn. 31 f.; offener Stockmann in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl., § 116 GWB Rn. 13; aA Gröning, VergabeR 2001, 108, 110) sprechen zunächst Wortlaut und systematische Stellung der Norm.
191. Nach § 171 Abs. 2 GWB ist die sofortige Beschwerde, die nach Absatz 1 der Vorschrift gegen Entscheidungen der Vergabekammer eröffnet ist, auch zulässig, wenn die Vergabekammer über einen Antrag auf Nachprüfung nicht innerhalb der Frist des § 167 Abs. 1 entschieden hat; in diesem Fall gilt der Antrag als abgelehnt.
202. Das Gesetz knüpft die Fiktion einer ablehnenden Entscheidung der Vergabekammer im zweiten Halbsatz des § 171 Abs. 2 GWB somit an den im ersten Halbsatz geregelten Fall, in dem die sofortige Beschwerde "auch" zulässig ist, obwohl es an einer Entscheidung der Vergabekammer im Sinne des § 171 Abs. 1 GWB fehlt. Zwar ließe sich das Demonstrativpronomen ("in diesem Fall") auch abstrakt auf eine fehlende Entscheidung der Vergabekammer innerhalb der Frist des § 167 Abs. 1 GWB oder die daran anknüpfende Zulässigkeit einer sofortigen Beschwerde beziehen. Ebenso möglich, wenn nicht näherliegend ist aber eine Lesart, die unter "diesem Fall" den Fall einer sofortigen Beschwerde versteht, die nach dem ersten Halbsatz des § 171 Abs. 2 GWB deshalb zulässig ist, weil die Vergabekammer über einen Antrag auf Nachprüfung nicht innerhalb der Frist des § 167 Abs. 1 GWB entschieden hat.
213. Die Stellung der Regelung in Abschnitt 3 des Kapitels 2 des Teils 4 des Gesetzes, der die sofortige Beschwerde regelt, und in einer Vorschrift über deren Zulässigkeit bestätigt dieses Verständnis. Hätte der Gesetzgeber anordnen wollen, dass ein Nachprüfungsantrag stets als abgelehnt gilt, wenn die Vergabekammer nicht innerhalb der Frist des § 167 Abs. 1 GWB über ihn entscheidet, hätte es nahegelegen, eine entsprechende Regelung im Abschnitt 2 über das Verfahren vor der Vergabekammer und dort in der Vorschrift des § 167 GWB zu verorten, die die amtliche Überschrift "Beschleunigung" trägt und die fünfwöchige Entscheidungsfrist sowie die Möglichkeit ihrer Verlängerung durch den Vorsitzenden der Vergabekammer regelt.
22II. Gesetzesgeschichte sowie Sinn und Zweck der Regelung weisen in die gleiche Richtung.
231. Der vom Gesetzgeber gewählte Ort der Regelung im Gesetz erschließt sich aus der Gesetzesbegründung. Zur wortgleichen Vorgängervorschrift des § 171 Abs. 2 GWB heißt es in der amtlichen Begründung, damit der gerichtliche Rechtsschutz nicht durch Untätigkeit oder Langsamkeit der Vergabekammer verzögert werden könne, müsse die sofortige Beschwerde auch dann gewährt werden, wenn die Vergabekammer nicht oder nicht fristgerecht entscheide; dieser Fall der sofortigen Beschwerde sei angelehnt an die Verpflichtungsklage im verwaltungsgerichtlichen Verfahren und die Verpflichtungsbeschwerde nach § 62 Abs. 3 GWB [aF] (Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Vergaberechtsänderungsgesetz, Begründung zu § 126 Abs. 2 GWB-E, BT-Drucks. 13/9340, S. 20).
242. Diese Begründung zeigt, dass dem Antragsteller eines Vergabenachprüfungsverfahrens mit § 171 Abs. 2 GWB ein Instrument zur Verfahrensbeschleunigung an die Hand gegeben werden sollte, mit dem er auf den Fortgang des Verfahrens hinwirken kann und das er - wie die Verpflichtungsklage im verwaltungsgerichtlichen Verfahren - zur Verfahrensbeschleunigung nutzen kann, aber nicht muss. Dem Antragsteller sollte die Möglichkeit verschafft werden, durch eine sofortige Beschwerde auf die Untätigkeit der Vergabekammer zu reagieren (so auch , VergabeR 2002, 95; OLG Rostock, Beschluss vom - 17 W 18/00, VergabeR 2002, 85; Gröning, VergabeR 2001, 108, 110).
25Dabei entspricht es dem Beschleunigungsgedanken des Vergabenachprüfungsverfahrens, dass die "Untätigkeitsbeschwerde" dazu führt, dass die Sachentscheidungszuständigkeit von der Vergabekammer auf den Vergabesenat übergeht, indem (nur zu diesem Zweck) eine ablehnende Entscheidung der Vergabekammer fingiert wird.
263. Wird § 171 Abs. 2 Halbs. 2 GWB hingegen im Sinne des Beschwerdegerichts verstanden, nämlich als absolute zeitliche Grenze einer Entscheidung durch die Vergabekammer, birgt die Vorschrift für den Antragsteller erhebliche rechtliche Risiken. Er muss sich dann mit einer sofortigen Beschwerde dagegen wehren, dass sein Nachprüfungsantrag ohne Weiteres nach Ablauf der fünfwöchigen, nicht wirksam verlängerten Entscheidungsfrist als abgelehnt gilt, wenn er vermeiden will, dass diese Ablehnung bestandskräftig wird, und er muss dies vorsorglich schon dann tun, wenn - wie im Streitfall - fraglich ist, ob die Frist wirksam verlängert worden ist. Das Gesetz sieht weder vor, dass der Antragsteller über diese Folge des fruchtlosen Ablaufs der Frist des § 167 Abs. 1 GWB belehrt wird, noch wird ihm eine Rechtsmittelbelehrung erteilt, die ansonsten einem Verwaltungsakt der Vergabekammer nach § 168 Abs. 3 Satz 3, § 61 Abs. 1 Satz 1 GWB beizufügen ist.
27Auch der Umstand, dass der Gesetzgeber trotz dieses erheblichen Risikos für den Antragsteller in einem Verfahren, für das kein Anwaltszwang besteht, keine Pflicht vorgesehen hat, den Antragsteller auf die Folgen des ergebnislosen Ablaufs einer Entscheidungsfrist der Vergabekammer hinzuweisen und ihn über die Möglichkeit zu belehren, eine sofortige Beschwerde gegen die fingierte Antragsablehnung einzulegen, spricht deshalb dafür, dass der Gesetzgeber diese Folgen mit § 171 Abs. 2 Halbs. 2 GWB nicht verknüpfen wollte (vgl. OLG Celle, Beschluss vom - 13 Verg 7/01, juris Rn. 11).
28III. Schließlich gebietet auch das Unionsrecht eine Auslegung des § 171 Abs. 2 GWB, mit der die Rechtsschutzmöglichkeiten des Antragstellers im Vergabenachprüfungsverfahren entsprechend der Absicht des Gesetzgebers erweitert, nicht aber in bestimmten Fällen beschränkt werden.
291. Nach Art. 2 Abs. 9 Satz 1 der Richtlinie 89/665/EWG (im Folgenden: Rechtsmittelrichtlinie) in der Fassung der Richtlinie 2007/66/EG, der wortgleich mit Art. 2 Abs. 9 Satz 1 der Richtlinie 92/13/EWG ist, muss eine für Nachprüfungsverfahren zuständige Instanz, die kein Gericht ist, "ihre Entscheidung stets schriftlich begründen". Eine solche schriftliche Begründung fehlte jedoch, legte man § 171 Abs. 2 Halbs. 2 GWB mit dem Beschwerdegericht in der Weise aus, dass nach Ablauf der Frist des § 167 Abs. 1 GWB ohne schriftlich begründete Entscheidung der Vergabekammer ein fingierter ablehnender Verwaltungsakt vorläge, der mangels rechtzeitiger Anfechtung in Bestandskraft erwüchse. Eine Regelung, die eine Entscheidung der Nachprüfungsinstanz innerhalb einer bestimmten Frist verlangte, nach deren Ablauf der Nachprüfungsantrag (ohne Begründung) als abgelehnt gilt, sieht die Rechtsmittelrichtlinie nicht vor.
302. Zudem haben die Mitgliedstaaten nach Art. 1 Abs. 1 der Rechtsmittelrichtlinie sicherzustellen, dass Entscheidungen der Vergabestellen möglichst rasch und wirksam auf Verstöße gegen das Unionsrecht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens überprüft werden können. Hierfür sind nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. b der Rechtsmittelrichtlinie in Nachprüfungsverfahren die erforderlichen Befugnisse vorzusehen, damit rechtswidrige Entscheidungen aufgehoben werden können. Eine Regelung, nach der ein Nachprüfungsantrag, mit dem ein Verstoß gegen Unionsvergaberecht gerügt wird, allein aufgrund des Ablaufs einer Entscheidungsfrist der Vergabekammer als abgelehnt gilt, wäre nicht als wirksame Nachprüfung einer Vergabeentscheidung im Sinne dieser Richtlinie anzusehen.
31IV. Dahinstehen kann hiernach, ob die Frist des § 167 Abs. 1 GWB im Streitfall verlängert worden ist oder die Antragstellerin nach Ablauf von fünf Wochen sofortige Beschwerde hätte einlegen können. Da die Antragstellerin dies nicht getan hat, ist die Entscheidungszuständigkeit bei der Vergabekammer verblieben, und deren Entscheidung vom ist im Beschwerdeverfahren auf ihre sachliche Richtigkeit zu überprüfen.
32V. Der Senat macht von der in § 179 Abs. 2 Satz 3 GWB vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch und beschränkt sich auf die Entscheidung der Divergenzfrage, weil es nach dem Sach- und Streitstand zweckmäßig ist, dem Beschwerdegericht, das bereits einen Sachverständigen und einen Zeugen gehört hat, die Entscheidung in der Hauptsache zu übertragen.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:140720BXIIIZB135.19.0
Fundstelle(n):
UAAAH-58831