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NWB Nr. 39 vom Seite 2892

Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2020

Teil 3: Änderungen des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes

Dirk Eisele

[i]Regierungsentwurf eines JStG 2020, BR-Drucks. 503/20Am hat die Bundesregierung den Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2020 beschlossen (vgl. hierzu BR-Drucks. 503/20). Mit dem Gesetzentwurf bringt die Bundesregierung nach eigenem Bekunden wichtige steuerliche Verbesserungen auf den Weg, so z. B. für die zielgenaue Förderung kleinerer und mittlerer Unternehmen, die Kurzarbeit und verbilligte Wohnraumvermietung. Darüber hinaus sind Maßnahmen für eine Ausdehnung der Digitalisierung [i]Hörster, NWB 37/2020 S. 2730und zur Bekämpfung von Steuergestaltungen vorgesehen. Des Weiteren werden mit dem JStG 2020 zahlreiche Änderungen des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) angegangen, die u. a. die Erfassung von Steuererstattungsansprüchen des Erblassers als steuerpflichtigen Erwerb sowie die Kürzung des Schuldenabzugs bei wirtschaftlichem Zusammenhang mit steuerbefreitem Vermögen betreffen. Der nachfolgende Beitrag widmet sich den wesentlichen Änderungen im [i]Hörster, NWB 38/2020 S. 2804Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht, wie sie ausweislich des Art. 28 des Regierungsentwurfs vorgesehen sind.

Eine Kurzfassung des Beitrags finden Sie .

I. Erwerbe von Todes wegen in Abfindungsfällen (§ 3 Abs. 2 Nr. 5 ErbStG-E)

[i]Vermächtnisse, die infolge der Annahme nicht mehr ausgeschlagen werden könnenNach geltender Fassung des § 3 Abs. 2 Nr. 5 ErbStG gilt als Erwerb von Todes wegen, was als Abfindung für ein aufschiebend bedingtes, betagtes oder befristetes Vermächtnis, für das die Ausschlagungsfrist abgelaufen ist, vor dem Zeitpunkt des Eintritts der Bedingung oder des Ereignisses gewährt wird. Die Vorschrift trägt dem Umstand Rechnung, dass Entstehen und Fälligkeit des Vermächtnisanspruchs – abweichend vom Zeitpunkt des Erbfalls (§ 2176 BGB) – auf einen späteren Zeitpunkt hinausgeschoben sein können. Die Erbschaftsteuer kann in diesen Konstellationen folgerichtig auch erst zu einem späteren S. 2893Zeitpunkt entstehen. Wurde das jeweilige Vermächtnis bereits angenommen und kann es mithin nicht mehr ausgeschlagen werden, entsteht indes eine Besteuerungslücke, wenn vor dem erbschaftsteuerrechtlichen Entstehenszeitpunkt auf den Vermächtniserwerb verzichtet wird; diese Besteuerungslücke wird mit § 3 Abs. 2 Nr. 5 ErbStG geschlossen.

[i]Vorschrift derzeit „irreführend“Allerdings wird die Vorschrift des § 3 Abs. 2 Nr. 5 ErbStG aktueller Fassung als „verunglückt“ (Wälzholz in Viskorf/Schuck/Wälzholz, ErbStG, § 3 Rz. 239) bzw. „irreführend“ (Fischer in Fischer/Pahlke/Wächter, § 3 ErbStG Rz. 549) bezeichnet, da die Norm den Ablauf der Ausschlagungsfrist voraussetzt, die es bei Vermächtnissen gerade nicht gibt (§ 2180 BGB); zu Ausnahmen hiervon s. § 2307 Abs. 2 BGB. [i]Änderung soll Klarstellung bewirkenVor dem Hintergrund der Maßgeblichkeit des Zivilrechts für das Erbschaftsteuerrecht werden in § 3 Abs. 2 Nr. 5 ErbStG die Wörter „für das die Ausschlagungsfrist abgelaufen ist“ durch die Wörter „das der Vermächtnisnehmer angenommen hat“ ersetzt. Im Ergebnis wird mit der beabsichtigten Änderung klargestellt, dass die Abfindung gewährt wird für ein angenommenes Vermächtnis, das wegen der Annahme nicht mehr ausgeschlagen werden kann.

Hinweis:

[i]Abfindung ebenfalls aufschiebend bedingtGegenstand des Erwerbs im Kontext des § 3 Abs. 2 Nr. 5 ErbStG ist die Abfindung. Folglich entsteht die Steuerschuld grundsätzlich mit dem Verzicht auf das Vermächtnis. Etwas anderes gilt für den Fall, dass die Abfindung nach der Vereinbarung desgleichen aufschiebend bedingt ist (so zutreffend Gottschalk in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, § 3 ErbStG Rz. 342 m. w. N.).

II. Zugewinngemeinschaft – Ausgleichsforderung (§ 5 Abs. 1 Satz 6 ErbStG-E)

[i]Steuerbefreiung in Höhe der fiktiven ZugewinnausgleichsforderungWird der Güterstand der Zugewinngemeinschaft (§ 1363 BGB; § 6 LPartG) durch den Tod eines Ehegatten oder den Tod eines Lebenspartners beendet und der Zugewinn nicht nach § 1371 Abs. 2 BGB ausgeglichen, gilt nach § 5 Abs. 1 Satz 1 ErbStG beim überlebenden Ehegatten oder beim überlebenden Lebenspartner der Betrag, den er nach Maßgabe des § 1371 Abs. 2 BGB als Ausgleichsforderung geltend machen könnte, nicht als Erwerb i. S. des § 3 ErbStG. Mithin gewährt § 5 Abs. 1 ErbStG im Falle des Todes eines Ehegatten oder Lebenspartners dem überlebenden Ehegatten oder Lebenspartner eine Steuerbefreiung in Höhe der Ausgleichsforderung, die er als Zugewinnausgleich nach § 1371 Abs. 2 BGB hätte geltend machen können, wenn er nicht Erbe geworden wäre und ihm auch kein Vermächtnis zustünde.

[i]Doppelbegünstigung des überlebenden Ehegatten/LebenspartnersAus Sicht der Bundesregierung bewirkt die aktuelle Fassung des § 5 Abs. 1 ErbStG eine nicht gerechtfertigte Doppelbegünstigung des überlebenden Ehegatten oder Lebenspartners. Diese Mehrfachbegünstigung resultiert aus dem Umstand, dass der Zugewinn und die daraus hergeleitete Ausgleichsforderung nach den bürgerlich-rechtlich maßgebenden Verkehrswerten des Anfangs- und Endvermögens ermittelt wird, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob für das maßgebende Endvermögen, zu dem auch das im Nachlass vorhandene Vermögen gehört, Steuerbefreiungen (§§ 13 ff. ErbStG) gewährt werden. Im Gegensatz dazu kann der erbschaftsteuerrechtlich maßgebende Wert des erworbenen Nachlassvermögens wegen der Anwendung von Befreiungsvorschriften in erheblichem Umfang gemindert sein.

[i]Minderung der abzugsfähigen fiktiven AusgleichsforderungZwecks Vermeidung einer solchen Doppelbegünstigung wird § 5 Abs. 1 ErbStG um einen neuen Satz 6 ergänzt, der die abzugsfähige fiktive Ausgleichsforderung mindert. Die Ergänzung hat folgenden Wortlaut: „Sind bei der Ermittlung der Bereicherung des überlebenden Ehegatten oder des überlebenden Lebenspartners Steuerbefreiungen berücksichtigt worden, gilt die Ausgleichsforderung im Verhältnis des um den Wert des steuerbefreiten Vermögens geminderten Werts des Endvermögens zum ungeminderten Wert des Endvermögens des Erblassers nicht als Erwerb im Sinne des § 3 [ErbStG].“ S. 2894

Hinweis:

[i]Neuberechnung der fiktiven AusgleichsforderungWird eine Steuerbefreiung rückwirkend gemindert oder entfällt sie, z. B. für denkmalgeschützte Erwerbsgegenstände (§ 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Doppelbuchst. aa ErbStG), für Familienheime (§ 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG) oder für steuerentlastetes Unternehmensvermögen (§§ 13a bis 13c ErbStG), wird die Steuerfestsetzung geändert und dabei auch die abzugsfähige fiktive Zugewinnausgleichsforderung neu berechnet. Dasselbe gilt folgerichtig für den Fall, dass eine Steuerbefreiung rückwirkend erhöht oder erstmalig gewährt wird.

III. Steuerpflichtiger Erwerb

1. Steuererstattungsansprüche/Steuerschulden (§ 10 Abs. 1 Satz 3 ErbStG-E)

[i]Das Todesjahr betreffende SteuererstattungsansprücheEinkommensteuererstattungsansprüche, die das Todesjahr des Erblassers betreffen, fallen nach der Rechtsprechung des BFH nicht in den steuerpflichtigen Erwerb gem. § 10 Abs. 1 ErbStG, weil sie erst mit Ablauf des Todesjahres entstehen (, BStBl 2008 II S. 626; Anm. Kilches, BFH/PR 2008 S. 215, sowie Wefers, ErbR 2008 S. 195). Die derzeitige Fassung des § 10 Abs. 1 Satz 3 ErbStG ordnet für Erwerbe ab dem unter Hinweis auf § 37 Abs. 2 AO an, dass Steuererstattungsansprüche nur zu berücksichtigen sind, wenn sie rechtlich entstanden sind.

Hinweis:

Die Finanzverwaltung konkretisiert ihre Rechtsauffassung zu privaten Steuererstattungsansprüchen des Erblassers derzeit in R E 10.3 ErbStR 2019 (vgl. hierzu ergänzend auch H E 10.3 ErbStH 2019).