Umfang der gesamtschuldnerischen Haftung der an einer Grundabsprache beteiligten Unternehmen - Schienenkartell III
Leitsatz
Schienenkartell III
Die an einer Grundabsprache beteiligten Unternehmen haften gesamtschuldnerisch nicht nur für etwaige Schäden, die durch die Umsetzung dieser Absprache unter ihrer Beteiligung in Bezug auf einzelne Auftragsvergaben verursacht worden sind, sondern für sämtliche Schäden, die ihre Ursache in der verbotenen Verhaltenskoordinierung haben; dies umfasst auch solche Schäden, die sich daraus ergeben, dass die durch die Koordinierung verursachte Schwächung der wettbewerblichen Kräfte die Angebotspreise der Kartellbeteiligten oder diejenigen der Kartellaußenseiter für die Abnehmer nachteilig beeinflusst hat.
Gesetze: § 33 S 1 GWB vom , § 33 Abs 1 GWB vom , § 33 Abs 3 GWB vom , § 823 Abs 2 BGB, § 830 Abs 1 S 1 BGB, § 840 Abs 1 BGB
Instanzenzug: OLG Frankfurt Az: 11 U 56/16 (Kart)vorgehend LG Frankfurt Az: 2-06 O 358/14 Urteil
Tatbestand
1Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Ersatz kartellbedingten Schadens in Anspruch.
2Die Klägerin, ein Mobilitätsdienstleister für den öffentlichen Nahverkehr der Stadt Darmstadt, bezog zwischen den Jahren 2002 und 2010 von der SHW Weichenbau GmbH (SHW) und ab November 2010 von der Beklagten zu 1 in 26 Fällen Oberbaumaterialien für den Gleisbau, insbesondere Schienen, Weichen und Schwellen. Die SHW übertrug ihren Geschäftsbereich "Gleisbau" im Jahr 2010 im Wege der Umwandlung durch Abspaltung auf die Beklagte zu 2.
3Mit Bescheid vom verhängte das Bundeskartellamt gegen die Beklagten zu 1, 3 und 5 ein Bußgeld wegen Beteiligung an dem Kartell der "Schienenfreunde". Nach den Feststellungen des rechtskräftigen Bußgeldbescheids verstießen sie, gemeinschaftlich handelnd mit den Beklagten zu 4, 6 und 7, jedenfalls zwischen 2001 und Mai 2011 gegen das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen.
4Mit anwaltlichem Schreiben vom forderte die Klägerin die Beklagte zu 1 erfolglos auf, einen Verzicht auf die Erhebung der Einrede der Verjährung zu erklären.
5Die Klägerin macht geltend, sie habe aufgrund des Kartells deutlich überhöhte Preise zahlen müssen. Für den dadurch verursachten Schaden hafteten sämtliche Beklagte als Beteiligte des Kartells. Sie hat beantragt, die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner Schadensersatz in einer in das Ermessen des Gerichts gestellten Höhe, mindestens jedoch 689.520,48 € zuzüglich Zinsen, zu zahlen (Klageantrag zu 1), sowie festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, sämtliche ihr und ihren Zuwendungsgebern in Zusammenhang mit einem näher bezeichneten Beschaffungsvorgang entstandene oder in Zukunft entstehende Schäden nebst Zinsen zu ersetzen, die über die mit Klageantrag zu 1 geltend gemachten Schäden hinausgehen, sowie solche, die von dem Klageantrag zu 1 nicht erfasst sind (Klageantrag zu 2). Zudem hat sie beantragt, die Beklagten zu verurteilen, die Klägerin von den Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung freizustellen (Klageantrag zu 3).
6Das Landgericht hat durch Teilgrund- und Teilendurteil die Klage hinsichtlich des Zahlungs- und des Freistellungsantrags dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und sie im Übrigen abgewiesen. Sowohl die Berufung der Klägerin als auch diejenige der Beklagten hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Die Revision hat das Berufungsgericht nur im Hinblick auf einen Teil der Beschaffungsvorgänge zugelassen.
7Mit der Revision verfolgen die Beklagten ihre Anträge auf vollständige Abweisung der Klage weiter.
Gründe
8I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren noch von Belang - im Wesentlichen wie folgt begründet:
9Der Klägerin stünden Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten wegen Verstoßes gegen § 1 GWB dem Grunde nach zu. Für den Belieferungszeitraum bis zum folge dies aus § 33 GWB in der ab dem geltenden Fassung (GWB 1999), für nachfolgende Lieferungen aus § 33 Abs. 3, Abs. 1 GWB in der ab dem geltenden Fassung (GWB 2005).
10Nach den gemäß § 33 Abs. 4 GWB 2005 bindenden Feststellungen des Bundeskartellamts im Bußgeldbescheid stehe fest, dass es zumindest von 2001 bis Mai 2011 zwischen den Unternehmen der Beklagten unter Einschluss der jeweiligen Rechtsvorgänger kartellrechtswidrige Absprachen im Bereich von Gleisoberbaumaterialien gegeben habe. Dies sei im Übrigen auch unstreitig.
11Zugunsten der Klägerin streite ein Anscheinsbeweis, dass die Kartellabsprache zu höheren Preisen geführt habe, als sie im Wettbewerb erreichbar gewesen wären. Dies folge aus dem wirtschaftlichen Grundsatz, dass die Gründung eines Kartells grundsätzlich der Steigerung des Gewinns der am Kartell beteiligten Unternehmen diene. Bei einem Quotenkartell seien die Anbieter der Notwendigkeit enthoben, sich im Wettbewerb zur Erlangung von Aufträgen durchzusetzen. Der Preiswettbewerb sei weitgehend außer Kraft gesetzt, weil die Unternehmen ihre Preissetzungsspielräume nicht nutzen müssten. Diese Erwägungen ließen sich auf das in Rede stehende Stammkundenmodell übertragen, weil die Kundenschutzabsprache in gleicher Weise der Marktaufteilung diene. Die 26 in Streit stehenden Beschaffungsvorgänge seien auch vom Kartell betroffen gewesen. Dabei könne offen bleiben, ob auch in dieser Hinsicht ein Anscheinsbeweis bestehe. Die Beklagten zu 1 und 2 hätten im Laufe des Verfahrens eingeräumt, dass es umfassend zu wettbewerbsbeschränkenden Absprachen gekommen sei. Dies wirke sich im Ergebnis auch zu Lasten der übrigen Beklagten aus. Im Übrigen komme es nicht darauf an, ob die Beklagten zu 3 bis 7 in irgendeiner Weise an Absprachen im Hinblick auf die konkreten Beschaffungsvorgänge beteiligt gewesen seien. Nach den Feststellungen des Bundeskartellamts seien diese Unternehmensgruppen in allen Regionen während des gesamten Zeitraums an dem "Schienenkartell" beteiligt gewesen. Dass die konkreten Absprachen hinsichtlich der in Rede stehenden Beschaffungsvorgänge völlig unabhängig von dem "Gesamtkartell" gewesen seien, sei weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Den Beweis des ersten Anscheins dafür, dass die Klägerin höhere Preise gezahlt habe, hätten die Beklagten nicht zu erschüttern vermocht.
12Die Frage, ob und inwieweit es der Klägerin gelungen sei, den kartellbedingten Vermögensnachteil an die nächste Marktstufe weiterzureichen, könne der Endentscheidung überlassen bleiben. Für die Zwecke des Grundurteils sei es ausreichend, dass im Streitfall wegen der Berücksichtigung von Kosten einer Vielzahl anderer im Verkehrsverbund zusammengeschlossener Aufgabenträger und Mobilitätspartner eine vollständige Weitergabe des Nachteils auszuschließen sei. Ebenso sei auszuschließen, dass der Schaden der Klägerin aufgrund von Zahlungen der Zuwendungsgeber vollständig entfallen sei. Es sei nicht vorgetragen, dass die Klägerin keinerlei Eigenanteil zu tragen gehabt hätte. Soweit die Klägerin bezüglich des Beschaffungsvorgangs Nr. 4 von dem betreuenden Ingenieurbüro wegen eines Planungsfehlers vollständigen Ersatz ihrer Aufwendungen erlangt habe, sei ihr gleichwohl ein Schaden verblieben. Ob die Klägerin ein Mitverschulden durch Handlungen ihrer Mitarbeiter treffe, brauche im Zwischenurteil über den Grund des Anspruchs nicht entschieden zu werden. Die Ansprüche seien auch nicht verjährt. Weder lasse sich eine Kenntnis noch ein Kennenmüssen seitens der Mitarbeiter der Klägerin von einer Absprache zwischen den Kartellbeteiligten feststellen. Die kenntnisunabhängige Verjährungsfrist sei für sämtliche Beschaffungsvorgänge bei Klageerhebung noch nicht abgelaufen gewesen. Über die Höhe der Zinsen sei im Betragsverfahren zu entscheiden.
13Der Klägerin stehe auch ein Anspruch auf Freistellung von den Kosten für die außergerichtliche Vertretung zu. Die Beauftragung eines Rechtsanwalts, um die Beklagte zu 1 zum Verzicht auf die Erhebung der Einrede der Verjährung zu veranlassen, sei angesichts der hohen Komplexität kartellrechtlicher Schadensersatzklagen erforderlich und zweckmäßig gewesen. Eine selbständige Gebühr sei angefallen, weil dem Bevollmächtigten zu diesem Zeitpunkt noch kein unbedingter Klageauftrag erteilt worden sei.
14II. Die Revision ist uneingeschränkt zulässig, § 543 Abs. 1 ZPO.
151. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Beschränkung auf einzelne Beschaffungsvorgänge ist unwirksam. Zwar hat das Berufungsgericht die Möglichkeit, die Revision nur hinsichtlich eines tatsächlich und rechtlich selbständigen und abtrennbaren Teils des Gesamtstreitstoffs zuzulassen, auf den auch die Partei selbst die Revision beschränken könnte. Voraussetzung für eine wirksame Beschränkung der Revisionszulassung ist jedoch, dass der von der Zulassungsbeschränkung erfasste Teil des Streitstoffs in dem Sinne selbständig ist, dass er in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem übrigen Streitstoff beurteilt werden und auch im Falle einer Zurückverweisung kein Widerspruch zum nicht anfechtbaren Teil des Streitstoffs auftreten kann (st. Rspr., vgl. nur , WRP 2018, 710 Rn. 21; Urteil vom - KZR 24/17, WuW 2020, 202 = NZKart 2020, 136 Rn. 15 - Schienenkartell II). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt, weil die Ansprüche, auf die sich die Frage der Verjährung auswirkt, im Hinblick auf die weiteren Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs angesichts des einheitlich zu beurteilenden Kartellverstoßes wie auch der sich daraus ergebenden Wirkungen nicht anders beurteilt werden dürfen als die übrigen in Streit stehenden Ansprüche (vgl. bereits BGH, WuW 2020, 202 Rn. 16 - Schienenkartell II).
162. Die Revision ist auch im Hinblick auf die Beklagte zu 2 zulässig. Sie hat die Revision ordnungsgemäß begründet. Zwar sind ebenso wie an die eindeutige Bezeichnung des Rechtsmittelführers (, NJW-RR 2008, 1161 Rn. 5) grundsätzlich strenge Anforderungen an die Erklärung zu stellen, für welchen der Rechtsmittelführer die Revision begründet wird. Allerdings sind dabei - wie auch sonst bei der Auslegung von Prozesserklärungen - alle Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu berücksichtigen (vgl. , NJW-RR 2011, 281 Rn. 10, zur Bezeichnung des Rechtsmittelführers). Die Rechtsmittelbegründung ist ebenso wie die Rechtsmitteleinlegung (, NJW-RR 2013, 1278) der Auslegung zugänglich. Bei der Auslegung nach objektiven Gesichtspunkten kommt der Vermutung, dass derjenige, der ein Rechtsmittel eingelegt hat, auch die von seinem Prozessbevollmächtigten eingereichte Begründung des Rechtsmittels abgeben will, ausschlaggebende Bedeutung zu. Um diese Vermutung auszuräumen, bedarf es gewichtiger Anhaltspunkte, die in erster Linie aus dem Inhalt der Berufungsbegründung zu entnehmen wären (vgl. , juris Rn. 12).
17Nach diesen Grundsätzen hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten zu 1 und 2 die Revision, nachdem er diese unzweifelhaft für beide Beklagten eingelegt hatte, auch für die Beklagte zu 2 begründet. Zwar wird in den Anträgen nur die Beklagte zu 1 genannt. Es ist jedoch nichts dafür ersichtlich, dass die Beklagte zu 2 das von ihr eingelegte Rechtsmittel nicht mehr aufrechterhalten wollte. Vielmehr ist in den Ausführungen der Revisionsbegründung nicht von der "Bekl. zu 1", sondern von "der Bekl." die Rede. Damit trägt die Revisionsbegründung erkennbar dem Umstand Rechnung, dass die Verurteilung der Beklagten zu 2 durch die Vorinstanzen nur aus Gründen der umwandlungsrechtlichen Rechtsnachfolge und nicht wegen eigener, ihr zurechenbarer Handlungen erfolgte. Insofern ist es unschädlich, dass in der Revisionsbegründung die Beklagte zu 2 nicht ausdrücklich erwähnt wird.
18III. Die Revision hat in der Sache Erfolg. Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Überprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
191. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Schadensersatzanspruch dem Grunde nach nicht bejaht werden.
20a) Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass für die in Rede stehenden Aufträge aus den Beschaffungsvorgängen im Jahr 2002, auf die die Klägerin ihre Klage unter anderem stützt, als Anspruchsgrundlage § 33 Satz 1 GWB in der seit dem geltenden Fassung (GWB 1999) in Betracht kommt (vgl. , BGHZ 190, 145 Rn. 13 - ORWI; Urteil vom - KZR 26/17, WRP 2019, 474 Rn. 44 - Schienenkartell I). Danach ist derjenige, der gegen eine Vorschrift des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen verstößt, sofern die Vorschrift den Schutz eines anderen bezweckt, diesem zur Unterlassung verpflichtet; fällt ihm Vorsatz oder Fahrlässigkeit zur Last, ist er auch zum Ersatz des aus dem Verstoß entstandenen Schadens verpflichtet.
21Ebenso zutreffend hat das Berufungsgericht § 33 Abs. 3 GWB in der ab dem geltenden Fassung (GWB 2005) im Hinblick auf die geltend gemachten Schadensersatzansprüche angewendet, die die Klägerin auf Beschaffungsvorgänge ab diesem Zeitpunkt stützt. Zum Schadensersatz ist nach dieser Vorschrift verpflichtet, wer einen Verstoß nach § 33 Abs. 1 GWB 2005 vorsätzlich oder fahrlässig begeht. Gemäß § 33 Abs. 1 GWB 2005 ist derjenige, der gegen eine Vorschrift des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen oder gegen Art. 81 oder 82 EGV (jetzt: Art. 101, 102 AEUV) verstößt, dem Betroffenen zur Beseitigung und gegebenenfalls zur Unterlassung verpflichtet.
22b) Mit Recht hat das Berufungsgericht einen schuldhaften Verstoß der Beklagten gegen § 1 GWB festgestellt und dabei angenommen, dass nach den gemäß § 33 Abs. 4 GWB 2005 für den nachfolgenden Schadensersatzprozess bindenden Feststellungen des Bundeskartellamts im Bußgeldbescheid die Beklagten über einen längeren Zeitraum an wettbewerbsbeschränkenden Absprachen beteiligt waren. Dies wird von der Revision auch nicht beanstandet. Nach den Feststellungen des Bundeskartellamts haben die Beklagten auch gegen Art. 81 Abs. 1 EGV (jetzt: Art. 101 Abs. 1 AEUV) verstoßen.
23Danach praktizierten Hersteller und Händler von Schienen, Weichen und Schwellen spätestens seit 2001 bis zur Aufdeckung des Kartells im Mai 2011 auf dem Privatmarkt in Deutschland Preis-, Quoten- und Kundenschutzabsprachen. Die Unternehmensgruppen ThyssenKrupp und voestalpine waren in allen Regionen und über den gesamten Zeitraum beteiligt. Die Beklagte zu 1 nahm in diesem Zeitraum im Bereich Schienen und Schwellen regional bei Ausschreibungen an Absprachen teil. Die genannten Absprachen beruhten maßgeblich darauf, dass den einzelnen Unternehmen bestimmte "Altkunden" oder "Stammkunden" zugeordnet waren und diese Zuordnung von den Kartellteilnehmern grundsätzlich respektiert wurde. Hierzu verzichteten die anderen Kartellteilnehmer auf die Abgabe von Angeboten oder reichten diese erst nach Ablauf der Angebotsfrist oder zu überhöhten Preisen ein, so dass der Auftrag dem vorbestimmten Unternehmen zufallen konnte. Die Absprachen wurden vorwiegend über telefonische Kontakte und persönliche Treffen sowie E-Mails umgesetzt. Aufgrund der über Jahre praktizierten Absprachen und gewachsenen Kundenbeziehungen war allen Beteiligten klar, wer jeweils den ausgeschriebenen Auftrag erhalten sollte. Dem betreffenden, als "Spielführer" bezeichneten Unternehmen kam eine organisatorische und koordinierende Funktion für den Auftrag zu. Diese beinhaltete unter anderem, den anderen Unternehmen, überwiegend in getarnter Form, die Preise der Schutzangebote oder den vom "Spielführer" angestrebten Zuschlagspreis mitzuteilen. Zum Ausgleich für die Abgabe von Schutzangeboten wurden die Kartellteilnehmer meist durch Unteraufträge oder sonstige Kompensationsgeschäfte entschädigt. Der Ausgleich erfolgte aber nicht nur projektbezogen; vielmehr basierte das System auf einem projektübergreifenden Verständnis und Vertrauensverhältnis der Kartellteilnehmer untereinander. Als Gegenleistung für die Abgabe eines Schutzangebots konnte der Schützende grundsätzlich davon ausgehen, dass er bei einem anderen Projekt von den Kartellteilnehmern geschützt würde. Der Ablauf war insgesamt so etabliert, dass es häufig keiner ausdrücklichen Absprache bezogen auf ein konkretes Projekt bedurfte. Im Bereich Weichen war die Beklagte zu 1 an Absprachen beteiligt, die bis Ende 2008 vor allem bei Sitzungen des Arbeitskreises Marketing des Fachverbands Weichenbau beziehungsweise innerhalb des Verbands der Bahnindustrie getroffen wurden.
24c) Das Berufungsgericht ist im Ergebnis mit Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin zur Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs berechtigt ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist Voraussetzung eines kartellrechtlichen Schadensersatzanspruchs sowohl nach § 33 Satz 1 GWB 1999 als auch nach § 33 Abs. 3, Abs. 1 GWB 2005 ebenso wie nach § 823 Abs. 2 BGB, dass dem Anspruchsgegner ein wettbewerbsbeschränkendes Verhalten anzulasten ist, das - vermittelt durch den Abschluss von Umsatzgeschäften oder in anderer Weise - geeignet ist, einen Schaden des Anspruchstellers unmittelbar oder mittelbar zu begründen (BGH, WuW 2020, 202 Rn. 25 - Schienenkartell II; Urteile vom - KZR 23/17, juris Rn. 33; KZR 25/17, juris Rn. 42, und KZR 27/17, NZKart 2020, 384 Rn. 43). Auf die weitergehende Frage, ob sich die Kartellabsprache auf den in Rede stehenden Beschaffungsvorgang, auf den der Anspruchsteller sein Schadensersatzbegehren stützt, tatsächlich ausgewirkt hat und das Geschäft damit in diesem Sinn "kartellbefangen" oder "kartellbetroffen" war, kommt es im Rahmen der Prüfung der haftungsbegründenden Kausalität hingegen nicht an. Für die Feststellung der hiernach maßgeblichen Voraussetzungen gilt der Maßstab des § 286 ZPO. Im Streitfall sind sie ohne Weiteres erfüllt, weil die Klägerin nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts von der am Kartell beteiligten Beklagten zu 1 Waren erworben hat, welche Gegenstand der Kartellabsprache waren.
25d) Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann jedoch nicht angenommen werden, dass der Klägerin aufgrund der Kartellabsprache zwischen den beteiligten Unternehmen - mit der für ein Zwischenurteil nach § 304 ZPO erforderlichen Wahrscheinlichkeit (BGH, WRP 2019, 474 Rn. 38 - Schienenkartell I) - überhaupt ein Schaden entstanden ist. Die Annahme, der Beweis des ersten Anscheins streite dafür, dass sich die Kartellabsprache auf die in Rede stehenden Beschaffungsvorgänge preissteigernd ausgewirkt habe, und die Beklagten hätten die daraus folgende Vermutung eines kartellbedingten Schadens nicht erschüttert, steht mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht in Einklang.
26Für die Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises fehlt es - wie der Bundesgerichtshof nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat - bei einem Quoten- und Kundenschutzkartell, wie es hier in Rede steht, an der dafür erforderlichen Typizität des Geschehensablaufs (BGH, WRP 2019, 474 Rn. 57 - Schienenkartell I). Die Annahme des Berufungsgerichts, der Anscheinsbeweis sei durch das Vorbringen der Beklagten nicht erschüttert, trägt deshalb die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten nicht. Den Urteilsgründen ist auch nicht zu entnehmen, dass das Berufungsgericht unter Berücksichtigung aller Umstände des Streitfalls zu der Überzeugung gelangt wäre, dass der Klägerin ein Schaden entstanden ist.
272. Da die Feststellungen des Berufungsgerichts die Annahme eines Schadensersatzanspruchs nicht tragen, kann auch der Ausspruch zur Freistellung von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten keinen Bestand haben.
28IV. Da sich das Urteil des Berufungsgerichts nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO), ist es aufzuheben (§ 562 ZPO). Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, weil er der vom Tatrichter vorzunehmenden Würdigung der maßgeblichen Umstände des Einzelfalls nicht vorgreifen kann. Die Sache ist daher zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).
29V. Bei der erneuten Prüfung, ob der Klägerin durch das Quoten- und Kundenschutzkartell, an dem sich die Beklagten beteiligt haben, ein Schaden entstanden ist, und der sich daran gegebenenfalls anschließenden Prüfung der Höhe des Schadens wird das Berufungsgericht die Anforderungen an die Tatsachenfeststellung zu beachten haben, wie sie der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu entnehmen sind (BGH, WuW 2020, 202 Rn. 34 ff. - Schienenkartell II). Darüber hinaus wird das Berufungsgericht Folgendes zu berücksichtigen haben:
301. Sollte das Berufungsgericht im wiedereröffneten Berufungsverfahren erneut zu der Annahme eines kartellbedingten Schadens gelangen, wird eine gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten zu 3 bis 7 nach §§ 830, 840 BGB, anders als die Revision meint, nach Maßgabe der folgenden Erwägungen auch dann anzunehmen sein, wenn nicht festgestellt werden kann, ob sich die Beklagten zu 3 bis 7 an Absprachen im Hinblick auf einzelne hier in Rede stehende Beschaffungsvorgänge beteiligt haben.
31a) Da es sich bei der Verabredung und Durchführung eines Kartells um eine gemeinschaftlich begangene unerlaubte Handlung handelt, haften grundsätzlich alle Kartellteilnehmer nach § 830 Abs. 1 Satz 1, § 840 Abs. 1 BGB als Gesamtschuldner (, BGHZ 190, 145 Rn. 80 - ORWI). Die Beurteilung, ob sich jemand als Mittäter oder Gehilfe im Sinne der genannten Bestimmungen an einer die zivilrechtliche Haftung begründenden deliktischen Verhaltensweise beteiligt hat, richtet sich nach den für das Strafrecht entwickelten Rechtsgrundsätzen (vgl. nur , BGHZ 63, 124, 126, und vom - VI ZR 37/82, BGHZ 89, 383, 389).
32aa) Soweit ein Verstoß gegen kartellrechtliche Verbotstatbestände in Rede steht, gilt dies grundsätzlich auch für den Begriff der Tat. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs begründen Einzelabsprachen, die lediglich eine kartellrechtswidrige Grundabsprache konkretisieren, regelmäßig keine selbständigen Taten. Sie stellen keine mehrfache Verletzung desselben Tatbestandes dar; vielmehr werden sie schon vom gesetzlichen Tatbestand zu einer Bewertungseinheit verbunden (vgl. BGH, Beschlüsse vom - KRB 33/95, BGHSt 41, 385, 394; vom - KRB 2/05, NJW 2006, 163 f. - Berliner Transportbeton I, und vom - KRB 20/12, BGHSt 58, 158 Rn. 23 - Grauzementkartell I), die auch zivilrechtlich eine tatbestandliche Handlungseinheit (ebenso zur natürlichen Handlungseinheit , WRP 2015, 1214 Rn. 29 - Kopfhörer-Kennzeichnung) darstellen kann.
33Wer sich an einer solchen Grundabsprache beteiligt, haftet nach § 830 BGB für alle Folgen, die sich aus diesem Verstoß ergeben. Für die Haftung des Teilnehmers ist es daher unerheblich, ob er den Schaden eigenhändig (mit-)verursacht und wieviel er selbst zu ihm beigetragen hat. Maßgebend ist, dass er sich an der schadenstiftenden Handlung mit dem Willen beteiligt hat, sie als eigene Tat gemeinschaftlich mit anderen zu verwirklichen (Mittäter) oder sie als die Tat anderer durch seine Anstiftung oder Beihilfe zu fördern oder zu unterstützen. Ein Weniger an eigenhändiger Verwirklichung der unmittelbaren Schadensherbeiführung wird insoweit durch den in die Tat umgesetzten Willen zur Teilnahme an ihr kompensiert (vgl. BGHZ 63, 124, 126).
34Aus diesem Grund ist es im Streitfall unerheblich, wenn in Bezug auf einzelne Beschaffungsvorgänge nicht festgestellt werden kann, ob und inwieweit ein Unternehmen, welches an der Grundabsprache beteiligt ist, sich auch an einer Einzelabsprache beteiligt hat, mit der die Grundabsprache umgesetzt wird. Wirkt sich die Kartellabsprache zudem allgemein auf die Preise der an der Grundabsprache beteiligten Unternehmen aus, so erstreckt sich die gesamtschuldnerische Haftung der an der Grundabsprache beteiligten Unternehmen nach §§ 830, 840 BGB typischerweise auch dann auf Absatzgeschäfte eines anderen, ebenfalls an der Grundabsprache beteiligten Unternehmens, wenn in Bezug auf dieses Geschäft eine Einzelabsprache nicht getroffen worden ist oder eine solche nicht festgestellt werden kann. Hat die Kartellabsprache weitergehend Einfluss auf die von Kartellaußenseitern geforderten Preise gehabt, umfasst die gesamtschuldnerische Haftung regelmäßig auch Schäden, die aus Geschäften zwischen Kartellaußenseitern und ihren Abnehmern oder Lieferanten resultieren (vgl. , NZKart 2018, 315 Rn. 38 ff. - Grauzementkartell II).
35bb) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verlangt der subjektive Tatbestand einer Teilnahme im Sinne des § 830 BGB neben der Kenntnis der Tatumstände wenigstens in groben Zügen den jeweiligen Willen der einzelnen Beteiligten, die Tat gemeinschaftlich mit anderen auszuführen oder sie als fremde Tat zu fördern. Für den einzelnen Teilnehmer muss ein Verhalten festgestellt werden, das den rechtswidrigen Eingriff in ein fremdes Rechtsgut zumindest unterstützt hat und von der Kenntnis der Tatumstände und dem auf die Rechtsgutsverletzung gerichteten Willen getragen war (vgl. nur , BGHZ 137, 89 Rn. 102; vom - XI ZR 93/09, BGHZ 184, 365 Rn. 34, und vom - VI ZR 124/12, BGH NJW 2014, 1380 Rn. 15). Dass der Mittäter positive Kenntnis von den konkreten Folgen der Tat hat, ist wegen der Zurechnung wechselseitiger Tatbeiträge, die ihre Grenze erst im Mittäterexzess findet (vgl. , NJW 1984, 1226, 1229 mwN; MünchKommBGB/Wagner, 7. Aufl., § 830 Rn. 40), nicht erforderlich.
36cc) Diese Anforderungen stehen in Einklang mit den aus Art. 81 Abs. 1 EGV (jetzt: Art. 101 Abs. 1 AEUV) folgenden Vorgaben des Unionsrechts. Danach kann ein an einem Kartell beteiligtes Unternehmen zivilrechtlich bereits dann für mittelbar verursachte Schäden haften, wenn dies den Kartellbeteiligten nicht verborgen bleiben konnte (, WuW 2014, 783 = EuZW 2014, 586 Rn. 34 - Kone), wobei die Vorhersehbarkeit dieser Folgen unzweifelhaft nach objektiven Kriterien zu beurteilen ist (vgl. Generalanwältin Kokott, Schlussanträge vom - C-557/12 Rn. 74 - Kone; Ohlhoff, in Kamann/Ohlhoff/Völcker, Kartellverfahren und Kartellprozesse, § 26 Rn. 139). Aus diesem Grund ist auch nach dem Unionsrecht eine Haftung für Schäden nicht ausgeschlossen, die daraus resultieren, dass ein an diesem Kartell nicht beteiligtes Unternehmen in Anbetracht der Machenschaften des Kartells seine Preise höher festgesetzt hat, als es dies ohne das Kartell getan hätte (EuGH, WuW 2014, 783 Rn. 37 - Kone).
37b) Sollte das Berufungsgericht erneut einen kartellbedingten Schaden der Klägerin bejahen, wird nach diesen Maßstäben eine gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten zu 3 bis 7 gemeinsam mit den Beklagten zu 1 und 2 anzunehmen sein. Das Berufungsgericht wird bei der erneuten Würdigung der zwischen den Kartellbeteiligten getroffenen Absprachen im Rahmen der Bindungswirkung nach § 33 Abs. 4 GWB 2005 und ungeachtet seiner eigenen Ausführungen im Beschluss über die Tatbestandsberichtigung in den Blick zu nehmen haben, dass die Beklagten - wie bereits dem Tatvorwurf des Bußgeldbescheids zu entnehmen ist - gemeinschaftlich handelnd durch dieselbe Handlung, mithin durch eine Tat, vorsätzlich gegen das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen gemäß § 1 GWB und Art. 81 Abs. 1 EGV verstoßen haben. Dies erfolgte nach den vom Bundeskartellamt im Bußgeldbescheid getroffenen Feststellungen durch eine umfassende Verhaltenskoordinierung der Kartellbeteiligten, wobei diese Koordinierung über die Zeit hinweg immer von demselben Grundverständnis getragen war, wonach einzelnen Unternehmen bestimmte Kunden zugeordnet waren und die Kartellanten diese Kundenbeziehungen grundsätzlich respektierten. Nach den weiteren im Bußgeldbescheid getroffenen Feststellung basierte die Verhaltensabstimmung auf einem projektübergreifenden Verständnis und Vertrauensverhältnis der Kartellbeteiligten, auf dessen Grundlage ein Beteiligter, der im Rahmen einer Ausschreibung ein Schutzangebot abgab, davon ausgehen konnte, seinerseits bei einem anderen Projekt geschützt zu werden. Daran waren die Unternehmensgruppen ThyssenKrupp und voestalpine, zu denen die Beklagten zu 3 bis 7 gehören, in allen Regionen und im gesamten Kartellzeitraum beteiligt. Vor diesem Hintergrund wird es für eine umfassende gesamtschuldnerische Haftung genügen, dass sich die Beklagten zu 3 bis 7 an diesem von den Kartellmitgliedern intendierten und ins Werk gesetzten System wechselseitiger Rücksichtnahme beteiligten, das auf die Verfälschung des Wettbewerbsprozesses gerichtet war und bei dem die Existenz einer Vielzahl von Einzelabsprachen sowie deren Wechselbezüglichkeit den Schluss rechtfertigt, dass den auf konkrete Erwerbsvorgänge bezogenen Einzelabsprachen eine diese umfassende - nicht notwendigerweise ausdrücklich erklärte - Grundabsprache zugrunde lag.
38Folge einer solchen Grundabsprache ist es, dass die hieran beteiligten Unternehmen gesamtschuldnerisch nicht nur für etwaige Schäden haften, die durch die Umsetzung dieser Absprache unter ihrer Beteiligung in Bezug auf einzelne Auftragsvergaben verursacht worden sind, sondern für sämtliche Schäden, die ihre Ursache in der verbotenen Verhaltenskoordinierung haben. Dies umfasst auch solche Schäden, die sich daraus ergeben, dass die durch die Koordinierung verursachte Schwächung der wettbewerblichen Kräfte die Angebotspreise der Kartellbeteiligten für die Abnehmer nachteilig beeinflusst hat. Für diese Auswirkungen haften die an der Grundabsprache Beteiligten gesamtschuldnerisch, weil es sich dabei um eine zumindest vorhersehbare, typischerweise auch beabsichtigte Folge von Absprachen der in Rede stehenden Art handelt. Ebenso stellen sich etwaige auf die Koordinierung zurückzuführende Auswirkungen auf die Angebotspreise von Kartellaußenseitern regelmäßig als vorhersehbare Folge solcher Absprachen dar. Auf die Frage, ob die Beklagten zu 3 bis 7 an projektbezogenen Preis-, Quoten- und Kundenschutzabsprachen bezüglich sämtlicher der in Rede stehenden Beschaffungsvorgänge beteiligt waren, wird es daher für die Annahme einer gesamtschuldnerischen Haftung nicht entscheidend ankommen.
392. Sollte das Berufungsgericht im wiedereröffneten Berufungsverfahren zu der Annahme gelangen, dass der Klägerin ein kartellbedingter Schaden entstanden ist, so wird es im Hinblick auf den Beschaffungsvorgang Nr. 4 zu berücksichtigen haben, dass der diesbezügliche Schaden bereits vollständig durch die aus einem anderen Grund erfolgte Schadensersatzzahlung seitens eines Dritten kompensiert worden ist. Dieser Dritte und die Beklagten haften wie Gesamtschuldner (vgl. , NJW 1972, 1802, 1803). Daraus folgt, dass die Beklagten nach § 422 Abs. 1 BGB gegenüber der Klägerin befreit worden sind und der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagten nach § 426 Abs. 2 Satz 1 BGB auf den Dritten übergegangen ist.
403. Sollte das Berufungsgericht erneut - und unter Berücksichtigung der in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannten Grundsätze (vgl. WuW 2020, 202 Rn. 51 ff. - Schienenkartell II) - den Erlass eines Zwischenurteils nach § 304 ZPO in Betracht ziehen, wird die im angegriffenen Urteil offengelassene Frage nach einem Mitverschulden der Klägerin nur dann dem Betragsverfahren vorbehalten werden können, wenn das Berufungsgericht nach summarischer Prüfung zu dem Ergebnis kommen kann, dass die Klageforderung in keinem Fall von einem etwa zu berücksichtigenden Mitverschulden der Klägerin voll aufgezehrt werden kann (vgl. , NJW 1975, 106, 108) und sich zugleich der Einwand des Mitverschuldens vom Grund der Haftung trennen lässt; was dann nicht der Fall ist, wenn sich beides aus einem einheitlich zu würdigenden Schadensereignis ableitet (, NJW 2013, 1948 Rn. 11).
41Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind die Beklagten nach Treu und Glauben daran gehindert, sich auf ein Mitverschulden der Klägerin unter Verweis auf die Kenntnisse eines Mitarbeiters der Klägerin von den wettbewerbsbeschränkenden Absprachen und der Beteiligung der Beklagten hieran zu berufen (vgl. dazu BGH, WRP 2019, 474 Rn. 91 - Schienenkartell I). Der Umstand, dass Mitarbeiter der Klägerin Kenntnis von wettbewerbsbeschränkenden Absprachen hatten oder sich gar pflichtwidrig an diesen beteiligten, rechtfertigt als solcher auch nicht den Schluss, die Klägerin habe ihre Organisations- und Überwachungspflichten verletzt; im Übrigen träfe sie insoweit allenfalls der Vorwurf der Fahrlässigkeit, so dass ihr Beitrag angesichts des vorsätzlichen Handelns der Beklagten zurückzutreten hätte (BGH, aaO Rn. 84). Gleiches gilt, soweit geltend gemacht wird, die Einbeziehung eines Unternehmens in die Erstellung des Leistungsverzeichnisses eines potentiellen Kunden habe dazu geführt, dass die Ausschreibungen auf die Produkte eines bestimmten Herstellers zugeschnitten wurden (BGH, aaO Rn. 78).
424. Nicht zu beanstanden ist, dass das Berufungsgericht eine kenntnisabhängige Verjährung der geltend gemachten Ansprüche verneint hat. Auf die Frage, ob Mitarbeiter der Klägerin, die nach dem Vorbringen der Beklagten im Bereich des Einkaufs der in Rede stehenden Produkte leitende Funktionen bekleideten, von den wettbewerbswidrigen Absprachen wussten, kommt es nicht an. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dient die Wissenszurechnung dem Schutz des redlichen Vertragspartners. Sie ist nicht gerechtfertigt, wenn dieser nicht schutzwürdig ist, was insbesondere dann der Fall wäre, wenn Mitarbeiter der Klägerin hinter ihrem Rücken zu deren Nachteil mit den Beklagten zusammengewirkt hätten (BGH, WRP 2019, 474 - Schienenkartell I). Soweit die Revision vorbringt, die Klägerin habe es unterlassen, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass etwaige Informationen über wettbewerbsbeschränkende Absprachen weitergeleitet würden, verhilft ihr dies nicht zum Erfolg. Eine grobfahrlässige Unkenntnis der anspruchsbegründenden Umstände im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB kann darin nicht erblickt werden (BGH, WRP 2019, 474 Rn. 84 - Schienenkartell I).
435. Ungeachtet der verfahrensfehlerhaften Feststellung eines kartellbedingten Schadens ist die Annahme des Berufungsgerichts, der Klägerin stünde dem Grunde nach ein Anspruch auf Freistellung von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten zu, für sich genommen nicht zu beanstanden.
44Ob eine vorprozessuale anwaltliche Zahlungsaufforderung eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG auslöst oder als der Vorbereitung der Klage dienende Tätigkeit nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 RVG zum Rechtszug gehört und daher mit der Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG abgegolten ist, ist eine Frage der Art und des Umfangs des im Einzelfall erteilten Mandats (, BKR 2013, 283 Rn. 37, und vom - XI ZR 421/10, juris Rn. 33, jeweils mwN). Erteilt der Mandant den unbedingten Auftrag, im gerichtlichen Verfahren tätig zu werden (vgl. Vorbemerkung 3 Abs. 1 Satz 1 VV RVG), lösen bereits Vorbereitungshandlungen die Gebühren für das gerichtliche Verfahren aus, und zwar auch dann, wenn der Anwalt zunächst nur außergerichtlich tätig wird. Für das Entstehen der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG ist dann kein Raum mehr. Anders liegt es, wenn sich der Auftrag nur auf die außergerichtliche Tätigkeit des Anwalts beschränkt oder der Prozessauftrag jedenfalls unter der aufschiebenden Bedingung erteilt wird, dass zunächst vorzunehmende außergerichtliche Einigungsversuche erfolglos bleiben. Ein lediglich (aufschiebend) bedingt für den Fall des Scheiterns des vorgerichtlichen Mandats erteilter Prozessauftrag steht der Gebühr aus Nr. 2300 VV RVG nicht entgegen (, NJW-RR 2019, 1332 Rn. 43, mwN).
45Das Berufungsgericht hat, anders als die Revision geltend macht, nicht übergangen, dass die Beklagten das Vorbringen der Klägerin, diese habe ihre Bevollmächtigten zunächst nur beschränkt oder bedingt beauftragt, in Abrede gestellt haben. Es hat vielmehr im Rahmen der freien Beweiswürdigung dem Inhalt des Aufforderungsschreibens vom sowie der schriftsätzlichen Erklärung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Prozess indizielle Bedeutung beigemessen und sich auf dieser Grundlage die Überzeugung gebildet, dass die Klägerin jedenfalls keinen unbedingten Auftrag zur gerichtlichen Rechtsverfolgung erteilt hat.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:190520UKZR70.17.0
Fundstelle(n):
BB 2020 S. 2113 Nr. 39
NJW 2020 S. 8 Nr. 40
WM 2021 S. 2355 Nr. 48
ZIP 2020 S. 75 Nr. 39
RAAAH-58242