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LSG Hamburg Urteil v. - L 3 R 80/19

Die Klägerin wendet sich dagegen, dass die Beklagte zur Rückforderung einer überzahlten Rente eine über 757,87 Euro hinausgehende Erstattung verlangt. Die am 4. Februar 1949 geborene St. bezog von der Beklagten eine Rente mit einem monatlichen Zahlbetrag von zuletzt 1.470,91 Euro. Die Rente wurde auf das Konto mit der Nr. überwiesen, das von der Postbank, einer Rechtsvorgängerin der Beigeladenen, auf Frau St. Namen geführt wurde. Frau St. lebte in einer von ihr angemieteten Wohnung in einem Mehrparteienhaus in Hamburg,. Der monatliche Mietzins betrug im hier interessierenden Zeitraum 757,87 Euro (729,75 Euro Bruttomiete zuzüglich 28,12 Euro für einen Garagenstellplatz). Die Klägerin verwaltete die Wohnung und war von Frau St. ermächtigt worden, den Mietzins vom erwähnten Konto einzuziehen. Zwischen dem 13. und dem 24. Juli 2012 verstarb Frau St. in ihrer Wohnung. Die Klägerin, der dies zunächst nicht bekannt war, veranlasste noch die Lastschriftabbuchungen des Mietzinses für August, die am 2. August 2012 erfolgte, und für September, die am 4. September 2012 erfolgte. Jedenfalls den Mietzins für September leitete sie zunächst nicht an den Eigentümer weiter. Die Beklagte wurde am 4. September 2012 vom Rentenservice über das Versterben der Frau St. informiert und stellte die Rentenzahlung ein. Sie forderte mit einem hier nicht vorliegenden Schreiben, das am 5. September 2012 bei der Rechtvorgängerin der Beigeladenen einging, unter Hinweis auf das Versterben von Frau St. die für den Zeitraum vom 1. August bis zum 30. September 2012 gezahlte Rente in Höhe von 2.903,26 Euro zurück. Bei Eingang des Rückforderungsschreibens betrug der Kontostand 916,02 Euro im Haben. Die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen antwortete mit Schreiben vom 5. September 2012, der Rückforderung nur teilweise entsprechen zu können, weil seit der Gutschrift der Rente über einen Teil des Rentenbetrags verfügt worden sei. Die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen überwies 1.286,93 Euro an die Beklagte und übermittelte ihr eine Auflistung der seit dem 31. Juli 2012 getätigten Kontoumsätze. Die Beklagte überwies 38,56 Euro an die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zurück, weil dieser Betrag nach ihrer Berechnung zugunsten Dritter vom Konto abgebucht wurde. Die Klägerin versuchte vergeblich, den Mietzins für Oktober vom Konto einzuziehen. Die entsprechende Lastschrift wurde am 1. Oktober 2012 mangels Deckung zurückgegeben. Am 2. Oktober 2012 wurde zur Abwicklung des Nachlasses ein Nachlasspfleger bestellt. Die Lastschrift zum Einzug der Septembermiete wurde im Einklang mit den bankrechtlichen Vorschriften zurückgegeben und das Konto der Klägerin am 14. November 2012 "wegen Widerspruchs" mit einem entsprechenden Betrag belastet. Bereits mit Schreiben vom 12. November 2013 hatte die Beklagte die Klägerin zur Absicht angehört, wegen der im Zeitraum vom 1. August bis zum 30. September 2012 erfolgten Lastschriftabbuchungen Erstattung in Höhe von 1.515,74 Euro zu fordern, was der Summe des Mietzinses für August und September 2012 entsprach. Die Klägerin, die hierdurch erstmalig vom Versterben der Frau St. erfuhr, verwies auf die Rückgabe der Lastschrift zum Einzug der Septembermiete. Die Beklagte forderte gleichwohl mit Bescheid vom 18. Dezember 2013 von der Klägerin die Erstattung von 1.515,74 Euro. Sie stützte sich wie angekündigt auf § 114 Abs. 4 Satz 1 SGB VI. Die Klägerin erstatte den Mietzins für August 2012 und wandte sich mit ihrem Widerspruch nur gegen die Erstattung des darüber hinausgehenden Betrags. Die Beklagte sei nicht berechtigt, eine Erstattungsforderung wegen der Abbuchung des Mietzinses für September 2012 geltend zu machen. Wegen der Rückbuchung sei sie, die Klägerin, um diesen Betrag nie bereichert gewesen. Nach ihrer Auffassung ist insoweit die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zur Rücküberweisung verpflichtet. Andernfalls müsse sie oder müsse der Wohnungseigentümer einen Betrag entsprechend der Septembermiete aus eigenem Vermögen erstatten. Das sei nicht Sinn und Zweck der Regelung in § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI und komme einer verfassungswidrigen Enteignung gleich. Auf Aufforderung der Beklagten legte die Klägerin eine E-Mail vom 19. Januar 2014 vor, worin der Nachlasspfleger mitteilte, die Septembermiete sei "aufgrund der Rückbelastung am 01.10.2012" wieder dem Konto der Frau St. gutgeschrieben worden. Die Beklagte vertrat mit Schreiben vom 20. Januar 2014 die Auffassung, die Rückbuchung lasse die Empfängereigenschaft der Klägerin nicht entfallen. Sie sei zudem unbeachtlich, weil sie erst nach Eingang ihres Rückforderungsersuchens bei der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen erfolgt sei; 118 Abs. 3 Satz 3 SGB VI stelle allein auf die Sachlage bei Eingang des Rückforderungsersuchens ab. Mit Widerspruchsbescheid vom 3. April 2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und stützte sich unverändert auf § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI. Sie ergänzte zur Begründung, die Klägerin sei hinsichtlich der Septembermiete schon deswegen als Geldleistungsempfängerin anzusehen, weil sie den eingezogenen Betrag nicht an den Eigentümer weitergeleitet habe. Ihre Empfängereigenschaft entfalle auch nicht durch die "Stornierungsbuchung". Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass das Geldinstitut nicht zur Rücküberweisung an sie, die Beklagte, verpflichtet sei, wenn die Beträge wie vorliegend erst nach Eingang des Rückforderungsverlangens auf dem Konto zurückgebucht worden seien. Der Widerspruchsbescheid wurde am 3. April 2014 auf die Post gegeben. Am 2. Mai 2014 hat die Klägerin dagegen Klage vor dem Sozialgericht Hamburg erhoben. Zur Begründung hat sie ihr Vorbringen vertieft, die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen habe über die Rente nicht "anderweitig verfügt" iSd § 118 Abs. 3 Satz 3 SGB VI, solange Frau St. Rechtsnachfolger oder der Nachlasspfleger den Lastschriftabbuchungen hätten widersprechen können. Es sei ein Wertungswiderspruch, wenn sie, die Klägerin, eine Geldleistung erstatten müsse, die ihr nie einen wirtschaftlichen Vorteil gebracht habe, während die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen von der Rücküberweisungspflicht frei werde, obwohl sie über den zurückgebuchten Betrag habe verfügen können. Die Klägerin führt ergänzend an, die Miete nicht zu eigenen Zwecken eingezogen zu haben, sondern für den Wohnungseigentümer und Vermieter. Die Beklagte hat an ihren Bescheiden festgehalten und darüber hinaus vorgebracht, die Klägerin sei auch dann Leistungsempfängerin iSd § 118 Abs. 4 Satz 1SGB VI, wenn sie die Leistung nur treuhänderisch entgegengenommen haben sollte. Der eingezogene Betrag sei in das Vermögen der Klägerin übergegangen, als er auf deren Konto gutgeschrieben worden sei. Ein etwaiger Rückforderungsanspruch der Frau St. bzw. der Rechtsnachfolger oder des Nachlasspflegers habe daran nichts geändert, denn dieser Anspruch sei allein schuldrechtlicher Natur. Das Sozialgericht hat die Verwaltungsakte der Beklagten beigezogen. Es hat die Beteiligten mit Schreiben vom 16. Januar 2018 zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört. Mit Gerichtsbescheid vom 7. September 2018 hat es der Klage vollumfänglich stattgegeben und den Bescheid vom 18. Dezember 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. April 2014, soweit er mit der Klage angefochten sei, aufgehoben. Das Sozialgericht hat die Klägerin als Verfügende iSd § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI angesehen und ausgeführt, die Beklagte könne die Klägerin gleichwohl nicht in Anspruch nehmen, sondern habe sich vorrangig an die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu wenden. Diese sei nicht wegen einer "anderweitigen Verfügung" iSd § 118 Abs. 3 Satz 3 SGB VI entreichert, denn sie habe den streitigen Betrag vollständig zurückbuchen können. Das Sozialgericht hat sich damit der Auffassung des LSG Rheinland-Pfalz (Urt. v. 13. Mai 2015, L 4 R 466/14) angeschlossen, demzufolge bei Lastschriftabbuchungen keine wirksame "anderweitige Verfügung" vorliege, solange ein Widerspruch gegen die Abbuchung möglich sei. Unbeachtlich sei, dass die Rückbuchung erst nach Eingang des Rückforderungsverlangens der Beklagten bei der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen erfolgt sei, denn eine Erstattungspflicht der Klägerin, der im Ergebnis nichts zugeflossen sei, widerspreche dem Sinn und Zweck des § 118 Abs. 3 SGB VI. Die erstinstanzliche Entscheidung ist der Beklagten am 11. September 2018 zugestellt worden. Mit ihrer am 1. Oktober 2018 erhobenen Berufung hat sie ihr Vorbringen dazu vertieft, dass Kontobewegungen nach Eingang des Rückforderungsbegehrens beim Geldinstitut unbeachtlich seien, wenn die Rücküberweisungspflicht des Geldinstituts nach § 118 Abs. 3 Satz 3 SGB VI von der Erstattungspflicht des Geldleistungsempfängers nach § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI abgegrenzt werde. Sie beruft sich hierbei auf eine nicht veröffentlichte Entscheidung des Sozialgerichts Stuttgart v. 11. Nov. 2014 (S 17 R 2041/14).

Fundstelle(n):
JAAAH-58142

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