BGH Beschluss v. - 6 StR 108/20

Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus: Anforderungen an die Erörterung der Frage der Aussetzung der Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung

Gesetze: § 56c Abs 3 StGB, § 63 StGB, § 67b Abs 1 StGB, § 67b Abs 2 StGB, § 68b Abs 2 S 2 StGB, § 68b Abs 2 S 4 StGB

Instanzenzug: LG Stade Az: 201 KLs 14/19

Gründe

1Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die hiergegen gerichtete Revision des Beschuldigten erzielt mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

2Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus hält aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts aufgeführten Gründen rechtlicher Überprüfung stand. Jedoch unterliegt das Urteil der Aufhebung, soweit dem Beschuldigten die Aussetzung der Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung nicht gewährt worden ist (§ 67b Abs. 1 StGB). Das Landgericht hat diese Frage nicht erörtert. Ihre Beantwortung versteht sich vorliegend nicht von selbst.

3Auch eingedenk der Erwartung von im Grenzbereich der Erheblichkeit liegenden Taten hätte sich das Landgericht besonders sorgfältig damit auseinandersetzen müssen, ob die fehlende Bereitschaft des Beschuldigten zur dauerhaften medikamentösen Therapie durch Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht (§ 67b Abs. 2 StGB) gefördert und damit die Chance zur Aufnahme in eine betreute Wohnform erhöht werden kann. Dabei wäre zu erwägen gewesen, ob die Wartezeit bis zum Freiwerden einer solchen Wohnmöglichkeit durch eine weisungsflankierte (§ 68b Abs. 2 Satz 2 und 4, auch i.V.m. § 56c Abs. 3 StGB) stationäre Therapie überbrückt werden kann, zumal angesichts des dahingehenden Vorschlags des Verteidigers eine - dem Behandlungserfolg naheliegend förderliche - Einwilligung des Beschuldigten nicht ausgeschlossen erscheint.

4Hiergegen spricht nicht durchgreifend die im Rahmen der Prüfung des § 62 StGB vorgenommene Wertung der Strafkammer, die wiederholte stationäre Behandlung habe den Zustand des Beschuldigten nicht nachhaltig gebessert. Dies gilt schon deswegen, weil sie in Spannung zu der Feststellung tritt, dass die stationär begonnene Depotmedikation durchaus zu einer Milderung der Krankheitssymptome geführt hat. Angesichts des für den Beschuldigten bestehenden Risikos eines Aussetzungswiderrufs liegt es nicht fern, dass bereits diese Maßnahmen geeignet sind, den geständigen und beginnend krankheitseinsichtigen Beschuldigten ausreichend für die regelmäßige Einnahme der Medikamente und für die störungsfreie - möglicherweise auch nur überbrückende - stationäre Therapie zu motivieren (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 97/88, NStZ 1988, 309, 310; vom - 5 StR 492/10, NStZ-RR 2011, 75, 76 f.; vom - 4 StR 586/09, NStZ-RR 2010, 171, jeweils mwN). Darüber hinaus wird mit fortschreitendem Zeitablauf die Wahrscheinlichkeit dafür steigen, dass ein für den Beschuldigten geeigneter Platz in einer betreuten Wohnform zur Verfügung steht.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:160620B6STR108.20.0

Fundstelle(n):
WAAAH-57666