Besorgnis der Befangenheit: Mitteilung der Voreingenommenheit an den Angeklagten durch den Richter selbst
Gesetze: § 24 Abs 2 StPO
Instanzenzug: LG Deggendorf Az: 8 Js 2689/19 - 1 KLs
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Brandstiftung in zwei tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit Sachbeschädigung, wegen versuchter Brandstiftung in Tateinheit mit Sachbeschädigung und wegen Brandstiftung in Tateinheit mit Sachbeschädigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Die auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensbeanstandung Erfolg.
21. Die Rüge, mit welcher der Angeklagte die rechtsfehlerhafte Zurückweisung eines Ablehnungsantrags geltend macht (§ 338 Nr. 3, § 24 Abs. 2, § 28 Abs. 2 Satz 2, § 31 Abs. 1 StPO; vgl. auch § 336 Satz 1, 2 Alternative 2; § 26a Abs. 1 Nr. 1, § 25 Abs. 2 Satz 1 StPO), dringt durch.
3a) Ihr liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
4Mit Schreiben vom teilte die zum Hauptverhandlungstermin geladene Schöffin V. mit, sie habe mit der Kanzlei der Verteidigerin des Angeklagten im Scheidungsverfahren, in welchem die Sozietät ihren Ehemann vertrat, "gravierende negative Erfahrungen sammeln dürfen"; daher fühle sie sich aus "privaten Gründen befangen" und bat sie den Vorsitzenden um ihre Entpflichtung. Daraufhin lehnte der Angeklagte die Schöffin wegen Besorgnis der Befangenheit am ab. Das Ablehnungsgesuch wies die Kammer mit Beschluss vom als unbegründet zurück.
5b) Der Beschwerdeführer beanstandet zurecht die Mitwirkung der Schöffin als erkennender Richterin.
6aa) Die Verfahrensrüge genügt den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO; insbesondere teilt sie den wesentlichen Inhalt des Ablehnungsantrags vom und des Zurückweisungsbeschlusses vom mit (vgl. unter 1.).
7bb) Der Zurückweisungsbeschluss hält rechtlicher Überprüfung am Maßstab der § 24 Abs. 2, § 31 Abs. 1 StPO nicht stand. Die von der Schöffin mitgeteilten Bedenken gegen ihre Hinzuziehung zur Verhandlung lassen aus Sicht eines verständigen Angeklagten den Schluss zu, dass sie ihm wegen ihrer Erfahrungen mit der Rechtsanwaltsgesellschaft, welcher seine Verteidigerin angehört, nicht unvoreingenommen gegenübertreten werde.
8(1) Zwar ist es für die Befangenheit grundsätzlich unerheblich, ob sich ein Richter für befangen hält; denn es kommt maßgeblich nicht auf dessen Sicht, sondern auf eine objektive Betrachtung der Sachlage an. Teilt der Richter dem Angeklagten aber mit, dass er ihm gegenüber voreingenommen sei, bekundet er eine innere Einstellung zum Angeklagten, die diesem - jedenfalls wenn sie mit nachvollziehbaren objektiven Umständen begründet wird - bei verständiger Würdigung Grund zur Annahme liefert, der betreffende Richter habe eine Haltung gegen seine Person eingenommen, die seine Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit störend beeinflusst ( Rn. 8).
9(2) So liegt es hier. Nicht bereits wegen der Auseinandersetzung im Scheidungsverfahren, aber aufgrund des Sinngehalts des Schreibens der Schöffin war zu besorgen, sie würde ihre ablehnende Haltung gegenüber der Sozietät der Verteidigerin auf den Angeklagten erstrecken (vgl. Rn. 3, 8); jedenfalls musste der Angeklagte befürchten, die Schöffin werde Vorbringen der Verteidigerin von vornherein abwertend beurteilen (vgl. Rn. 5, BGHR StPO § 24 Abs. 2 Befangenheit 8). Ob die Schöffin tatsächlich befangen gewesen ist, ist nicht maßgebend; es genügt eine aus konkreten Umständen verständliche Besorgnis aus der Sicht eines besonnenen Angeklagten ( Rn. 18, BGHR StPO § 24 Abs. 2 Befangenheit 14; Beschluss vom - 2 StR 234/16 Rn. 24). Bei einer solchen Verfahrenslage hätte es nahegelegen, eine dienstliche Stellungnahme der Schöffin einzuholen (§ 26 Abs. 3 StPO), mit welcher sie die durch ihr Schreiben ausgelösten Bedenken gegebenenfalls hätte ausräumen können (vgl. Rn. 19 mwN; Beschluss vom - 5 StR 278/05 Rn. 10). Dadurch, dass die Selbstablehnung der Schöffin weiterhin im Raum stand, musste auch ein verständiger Angeklagter ihre Befangenheit besorgen.
102. Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Senat weist bezüglich der Konkurrenzen innerhalb des § 52 Abs. 1 StGB darauf hin, dass bei Übergreifen eines Feuers nach einer Brandlegung auf weitere Objekte nur von einer einzigen Tat der Brandstiftung (§ 306 Abs. 1 StGB) auszugehen ist (, BGHR StGB § 306 Konkurrenzen 2 Rn. 23 mwN; Beschluss vom - 1 StR 474/02 Rn. 2-6, BGHR StGB § 306 Konkurrenzen 1). Die vollendete Brandstiftung verdrängt als spezielleres Gesetz grundsätzlich die Sachbeschädigung ( Rn. 26).
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:020420B1STR90.20.0
Fundstelle(n):
JAAAH-55576