Diebstahl: Abgrenzung der Beihilfe von der Mittäterschaft
Gesetze: § 25 Abs 2 StGB, § 27 Abs 1 StGB, § 242 StGB
Instanzenzug: LG Dessau-Roßlau Az: 391 Js 13308/19 - 8 KLs
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls und schweren räuberischen Diebstahls in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubtem Umgang mit einer verbotenen Waffe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
21. Nach den zu dem Diebstahl (Fall II. 5. der Urteilsgründe) getroffenen Feststellungen des Landgerichts begaben sich der Angeklagte, der Mitangeklagte S. und die gesondert Verfolgte R. am gegen 2 Uhr zu einer Patientenannahmestelle eines Arztes in einem Medizinischen Versorgungszentrum, um nach stehlenswerten Sachen Ausschau zu halten. Während der Mitangeklagte die verriegelte Trennscheibe zur Patientenannahme gewaltsam aufschob und über den Tresen in den Raum gelangte, stand der Angeklagte in unmittelbarer Nähe „Schmiere“. Der Mitangeklagte suchte zunächst nach Tabletten und entwendete dann Stempel verschiedener Ärzte sowie eine Vielzahl von Blankoformularen. Sodann verließen alle drei die Patientenannahmestelle, wobei der Mitangeklagte S. die Beute in einem von ihm getragenen Beutel verstaut hatte. Diese versteckten sie in R. s Wohnung.
32. Die Verurteilung wegen Diebstahls hält sachlich-rechtlicher Überprüfung auch unter Berücksichtigung der nur eingeschränkten revisionsgerichtlichen Überprüfbarkeit (vgl. , NStZ 2003, 253, 254) nicht stand. Eine mittäterschaftliche Tatbegehung durch den Angeklagten ist nicht tragfähig belegt.
4Das Landgericht hat zwar rechtsfehlerfrei die Einlassung des Angeklagten als widerlegt angesehen, er habe sich nur aufwärmen wollen und er habe nicht gesehen, dass der Mitangeklagte in die Patientenannahme eindrang und dort etwas stahl. Allein die nach den Feststellungen gegebene vorherige Kenntnis des Angeklagten von der Tat des Mitangeklagten und sein Wille, die Tat als gemeinsame anzusehen, sowie sein Interesse am Taterfolg, weil ihm die Beute gegebenenfalls nützlich sein könnte, können eine Mittäterschaft nicht begründen (vgl. , NStZ-RR 2016, 6, 7). Maßgebend ist, dass Ausführung und Erfolg der Tat nach den Feststellungen in jeder Hinsicht allein in der Hand des – zudem gegenüber polizeilicher Entdeckung gleichgültigen (UA S. 29) – Mitangeklagten standen, dem Einfluss und dem Willen des Angeklagten mithin entzogen waren. Die Tatbeiträge des Angeklagten, nämlich das gemeinsame Betreten des Versorgungszentrums, das „Schmierestehen“ dort und das Verstecken der Beute in der Wohnung der gesondert Verfolgten R. , in der sich der Angeklagte nur kurzzeitig aufhielt, stellen demgegenüber nur Unterstützungshandlungen dar.
53. Der Senat schließt aus, dass noch Feststellungen getroffen werden können, die eine Mittäterschaft des Angeklagten ergeben. Da die Voraussetzungen der Beihilfe (§ 27 StGB) zum Diebstahl gegeben sind, ändert er den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO ab (vgl. , NJW 1964, 210, 212; KK-StPO/Gericke, 8. Aufl., § 354 Rn. 15). § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
64. Die Schuldspruchänderung zieht schon wegen der gemäß § 27 Abs. 2 StGB zwingenden Strafrahmenmilderung die Aufhebung der hierfür verhängten Einzelstrafe und der Gesamtstrafe nach sich. Die von dem Rechtsfehler nicht berührten, rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen können aufrechterhalten bleiben; das neue Tatgericht kann ergänzende, zu ihnen nicht in Widerspruch stehende Feststellungen treffen.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:210420B6STR22.20.0
Fundstelle(n):
MAAAH-55549