BSG Beschluss v. - B 3 KR 48/18 B

Krankenversicherung - Weitergewährung von Krankengeld - Anzeige der Arbeitsunfähigkeit

Gesetze: § 49 Abs 1 Nr 5 Halbs 2 SGB 5

Instanzenzug: SG Duisburg Az: S 50 KN 118/16 KR Urteilvorgehend Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Az: L 16 KR 842/17 Urteil

Gründe

1I. Die Vorinstanzen haben die Beklagte unter Aufhebung ihrer entgegenstehenden Bescheide verurteilt, dem Kläger in der Zeit vom 20. bis Krankengeld (Krg) zu zahlen.

2Die Beklagte hatte die Krg-Zahlung für diesen Zeitraum abgelehnt, da der behandelnde Arzt dem Kläger Arbeitsunfähigkeit (AU) bis zum bescheinigt hatte und die weitere AU erst am ärztlich festgestellt worden sei. Der am vom behandelnden Arzt erstellte Wiedereingliederungsplan, der die stufenweise Wiedereingliederung des Klägers bis zur Wiederherstellung der vollen Arbeitsfähigkeit am vorsah, enthalte keine den gesetzlichen Anforderungen genügende ärztliche Feststellung von AU. Zudem sei sie nicht binnen einer Woche ab dem bei der Beklagten eingegangen, sondern erst am .

3Die Vorinstanzen sind dem nicht gefolgt. Das SG hat ausgeführt, im Wiedereingliederungsplan vom sei die weitere AU des Klägers über den hinaus festgestellt worden. Dies reiche als Bescheinigung der AU aus, da nach der Rechtsprechung des BSG die ärztliche Feststellung der AU nicht zwingend auf dem dafür vorgesehenen Vordruck erfolgen müsse. Wegen der vorherigen Bescheinigung der AU des Klägers bis zum sei der Beklagten die weitere AU des Klägers mit dem bei ihr am eingegangenen Wiedereingliederungsplan auch innerhalb einer Woche gemeldet worden. Für diese Wochenfrist nach § 49 Abs 1 Nr 5 Halbs 2 SGB V komme es nicht auf den Zeitpunkt der Ausstellung des Wiedereingliederungsplans an, sondern auf den Beginn der "weiteren" AU. Dies ergebe sich bereits aus dem Wortlaut von § 49 Abs 1 Nr 5 Halbs 2 SGB V ().

4Die Beklagte hat im Berufungsverfahren nicht mehr an ihrer Rechtsauffassung festgehalten, dass ein Wiedereingliederungsplan keine Feststellung von AU beinhalten könne.

5Das LSG hat ausgeführt, der Krg-Anspruch habe im streitgegenständlichen Zeitraum nicht nach § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V geruht, weil die Meldung der (weiteren) AU innerhalb der Wochenfrist erfolgt sei. Da die vorhergehende AU-Bescheinigung den Zeitraum bis zum erfasst habe, sei durch den Wiedereingliederungsplan die weitere AU ab festgestellt worden. Die Auffassung der Beklagten, dass auf die Erstellung des Wiedereingliederungsplans am abzustellen sei, lasse den Sinn und Zweck der Vorschrift, nicht im Nachhinein verspätet geltend gemachte Krg-Ansprüche aufklären zu müssen, außer Acht ().

6Mit der Beschwerde wendet sich die Beklagte gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG.

7II. Die Nichtzulassungsbeschwerde bleibt ohne Erfolg. Soweit sie nicht bereits unzulässig ist, ist sie jedenfalls unbegründet. Die von der Beklagten geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) liegt nicht vor.

8Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung erfordert eine klärungsbedürftige und für den zu entscheidenden Fall erhebliche, über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage mit Breitenwirkung (stRspr vgl nur BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Das ist vorliegend nicht der Fall.

10Der Frage fehlt es im Hinblick auf den Wortlaut von § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V und die hierzu ergangene Rechtsprechung des BSG sowie nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift an Klärungsbedürftigkeit. Eine Rechtsfrage ist nämlich dann nicht klärungsbedürftig, wenn sich die Antwort ohne Weiteres aus dem Gesetz und der bereits ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung ergibt (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig ua, SGG, 12. Aufl 2017, § 160 RdNr 8 ff mwN). Das ist vorliegend der Fall.

11Wie die Beklagte selbst ausführt, stellt der Wortlaut des § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V für die rechtzeitige Meldung lediglich auf den Beginn der AU ab. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG muss die AU der Krankenkasse jedoch vor jeder erneuten Inanspruchnahme von Krg auch dann angezeigt werden, wenn sie seit ihrem Beginn ununterbrochen bestanden hat und wegen der Befristung der bisherigen Attestierung der AU über die Weitergewährung von Krg neu zu befinden ist ( - BSGE 85, 271, 275 f = SozR 3-2500 § 49 Nr 4 S 15; - BSGE 111, 18 = SozR 4-2500 § 46 Nr 4 RdNr 18). Tritt also der Fall ein, dass wegen der Befristung der bisher attestierten AU über die Weitergewährung von Krg neu zu befinden ist, ruht der Anspruch auf die Weitergewährung von Krg nach § 49 Abs 1 Nr 5 Halbs 2 SGB V nur dann, wenn die "weitere" AU nicht rechtzeitig gemeldet wird. Einem anderen Verständnis dieser Vorschrift steht schon entgegen, dass ein Krg-Anspruch, der auf einer der Krankenkasse bereits vorliegenden ärztlichen Bescheinigung von AU basiert, durch die Erstellung einer weiteren AU-Bescheinigung für (teilweise) den gleichen Zeitraum grundsätzlich nicht berührt wird, insbesondere nicht nachträglich zum Ruhen kommt. Denn bei fortbestehender AU trifft den Versicherten eine erneute Meldeobliegenheit nach § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V erst dann, wenn wegen der Befristung der bisher attestierten AU über die Weitergewährung von Krg neu zu befinden ist. Dann beginnt aber auch die Wochenfrist des § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V erst mit dem Ablauf der Befristung der bisher attestierten AU bzw mit dem Beginn der "weiteren" AU. Das Ausstellungsdatum der weiteren AU-Bescheinigung ist dabei ebenso irrelevant, wie bei einer Erstbescheinigung.

12Dies lässt sich dem Wortlaut der Ruhensvorschrift nach § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V vor dem Hintergrund der hierzu ergangenen Rechtsprechung mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen und entspricht darüber hinaus der vom Berufungsgericht nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift vorgenommenen und ebenfalls an der Rechtsprechung des BSG orientierten Auslegung der Vorschrift. Die von der ständigen Rechtsprechung des BSG vorgenommene, bereits über den Wortlaut hinausgehende Auslegung von § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V und dessen Anwendung auf Folgebescheinigungen lässt für die von der Beklagten favorisierte noch weitergehende Auslegung ersichtlich keinen Raum. Die von der Beklagten vorgebrachten Argumente sind nicht tragfähig. Insbesondere ist nicht nachvollziehbar, warum die in einer ärztlichen Bescheinigung prognostizierte voraussichtliche Dauer der AU als hinfällig anzusehen sein könnte, wenn sie sich zeitlich mit einer späteren erneuten ärztlichen AU-Feststellung überschneidet. Durch die erneute AU-Bescheinigung wird doch gerade die bereits zuvor prognostizierte AU für den Überschneidungszeitraum bestätigt. Die von der Beklagten angeführte Entscheidung des BSG, in der in einer Folgebescheinigung nicht die weitere AU, sondern die Arbeitsfähigkeit festgestellt wurde ( - SozR 2200 § 216 Nr 8), kann zur Entscheidung der vorliegenden Rechtsfrage nicht beitragen. Die Beklagte setzt sich auch weder mit den Ausführungen des Berufungsgerichts zum Sinn und Zweck der Vorschrift auseinander, noch lassen sich ihren Ausführungen sonstige nachvollziehbare Gründe für ihre Rechtsauffassung entnehmen.

13Die in der Kommentarliteratur gebräuchliche Formulierung, der Fristbeginn setze erst mit der ärztlichen Feststellung der AU ein, ist allein dem Umstand geschuldet, dass die Rechtsfolge des "Ruhens" des Krg-Anspruchs erst eintreten kann, wenn alle Voraussetzungen des Krg-Anspruchs kumulativ vorliegen, also auch die ärztliche Feststellung der AU (vgl zB Berchtold in BeckOK SozR, 12. Ed , § 49 SGB V RdNr 26 f; sowie Tischler in BeckOK SozR, 52. Ed. , § 49 SGB V RdNr 26; Joussen in Becker/Kingreen, SGB V, 6. Aufl 2018 § 49 RdNr 7: bei ausnahmsweise zulässiger nachträglicher ärztlicher Feststellung beginnt die Wochenfrist erst mit deren Vorliegen; hierzu auch BSG SozR 4-2500 § 46 Nr 1 RdNr 28; BSG SozR 2200 § 216 Nr 8 S 24). Im Ergebnis bestätigt aber gerade dies auch, dass die Meldeobliegenheit erst eintritt, wenn daneben zusätzlich auch die Anspruchsvoraussetzung der "weiteren" AU vorliegt.

14Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2019:040619BB3KR4818B0

Fundstelle(n):
IAAAH-55306