Eingruppierung einer Stationsleitung - Große Station
Leitsatz
Beschäftigte in der Pflege leiten im Regelfall dann eine "große Station" iSd. Entgeltgruppe P 13 der Anlage 1 - Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA, wenn ihnen als Stationsleitung mehr als zwölf Beschäftigte (Vollzeitäquivalente) fachlich unterstellt sind. Mit dem Begriff "in der Regel" haben die Tarifvertragsparteien aber zu erkennen gegeben, dass im Ausnahmefall neben der Zahl fachlich unterstellter Beschäftigter auch andere Faktoren für die Bewertung maßgeblich sein können, ob eine Station als "groß" im Tarifsinn anzusehen ist.
Gesetze: § 12 TVöD-K, Anl 1 Vorbem 9 TVöD, Anl 1 Teil B Abschn XI Nr 2 Vorbem 1 TVöD, Anl 1 Teil B Abschn XI Nr 2 Entgeltgr P13 TVöD
Instanzenzug: ArbG Augsburg Az: 5 Ca 676/18 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht München Az: 11 Sa 798/18 Urteilnachgehend Landesarbeitsgericht München Az: 11 Sa 798/18 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin und daraus resultierende Differenzvergütungsansprüche.
2Die Beklagte betreibt eine Fachklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik. Dort ist die Klägerin seit 1995 beschäftigt und leitet die Station B2, Soziotherapie und Schizophrenie. Als Stationsleiterin sind ihr die im Pflegedienst der Station tätigen Mitarbeiter unterstellt. Im Stellenplan 2018 sind für die Station - umgerechnet auf Vollzeitbeschäftigte - zehn Pflegekräfte und eine Stationsassistentin ausgewiesen.
3Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit die Tarifverträge für den Öffentlichen Dienst in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände geltenden Fassung (TVöD/VKA) Anwendung. Ab dem wurde die Klägerin zunächst nach Entgeltgruppe P 10 Teil B Abschnitt XI Ziffer 2 der Anlage 1 - Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA (nachfolgend TVöD/VKA), später rückwirkend zum nach Entgeltgruppe P 12 TVöD/VKA vergütet. Eine von ihr mit Schreiben vom weiter gehend unter Berufung auf § 29b TVÜ-VKA begehrte rückwirkende Höhergruppierung nach Entgeltgruppe P 13 TVöD/VKA lehnte die Beklagte ab.
4Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts werden auf der Station B2 unter anderem Patienten betreut, die nach dem Betreuungsgesetz, dem Unterbringungsgesetz oder nach § 63 StGB eingewiesen wurden. Diese Patienten bedürfen einer ständigen Beaufsichtigung, da bei ihnen die Gefahr der Entweichung grundsätzlich höher ist als bei anderen Patienten. Es handelt sich jedoch um eine offene Station, auf der die Patienten nicht mithilfe von physischen Barrieren daran gehindert werden, diese zu verlassen. Bei den anderen dort untergebrachten Patienten handelt es sich zum Teil um Patienten mit schwerer Schizophrenie, die einer intensiven Betreuung bedürfen.
5Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie sei nach Entgeltgruppe P 13 TVöD/VKA zu vergüten, da sie eine „große Station“ im Tarifsinn leite. Bei einer Station als kleinster organisatorischer Einheit seien deren Leitung in der Regel nicht mehr als zwölf Beschäftigte unterstellt. Dies sei im Regelfall als Obergrenze anzusehen. Bei einer Beschäftigtenanzahl im oberen Drittel von zwölf Beschäftigten müsse bereits von einer großen Station ausgegangen werden. Darüber hinaus habe sich die Anzahl der ihr unterstellten Beschäftigten auf 12,96 Mitarbeiter erhöht. Weiterhin trage die Klägerin ein erhöhtes Maß an Verantwortlichkeit iSd. Tätigkeitsmerkmals der Entgeltgruppe P 13 TVöD/VKA. Dies ergebe sich aus ihrer Stellenbeschreibung sowie aus dem Umstand, dass sie als Stationsleitung eine besondere Verantwortung für die Patienten trage. Bei den der Station B2 zugeordneten Patienten ergäben sich wegen der Art der Erkrankungen eine höhere Beaufsichtigungspflicht, eine intensivere Betreuung und größere Haftungsrisiken, insbesondere weil eine erhöhte Fluchtgefahr bestehe.
6Die Klägerin hat zuletzt beantragt:
7Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der Klägerin seien auch unter Berücksichtigung von zwei in Teilzeit beschäftigten Stationsassistentinnen nie mehr als zwölf Vollzeitbeschäftigte in der Pflege unterstellt. Die Klägerin habe zudem unzutreffend zwei Reinigungskräfte berücksichtigt, die bei einem Drittunternehmen beschäftigt und ihr daher nicht unterstellt seien. Gleiches gelte hinsichtlich einer Auszubildenden, die nur zeitweise als Praktikantin auf der Station tätig gewesen sei, aber keinen Ausbildungsvertrag mit der Beklagten besitze. Das Maß der Verantwortlichkeit der Klägerin sei nicht höher als dasjenige anderer Stationsleitungen bei der Beklagten. Im Übrigen liege die maßgebende Verantwortlichkeit für die Patienten beim ärztlichen Personal.
8Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Gründe
9Die zulässige Revision ist begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung durfte die Klage nicht abgewiesen werden. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
10I. Die Vorinstanzen gehen zutreffend davon aus, dass für die Eingruppierung die §§ 12 und 13 TVöD/VKA iVm. der Anlage 1 zum TVöD/VKA maßgebend sind. Zwar erfolgt die Überleitung der Beschäftigten zum grundsätzlich unter Beibehaltung der bisherigen Entgeltgruppe für die Dauer der unverändert auszuübenden Tätigkeit. Die Klägerin hat jedoch mit Schreiben vom fristgemäß einen Antrag nach § 29b Abs. 1 TVÜ-VKA gestellt (zu diesem Erfordernis - Rn. 19, BAGE 162, 81 [zu § 26 TVÜ-Bund]).
11Die danach maßgeblichen Tätigkeitsmerkmale im Teil B Abschnitt XI „Beschäftigte in Gesundheitsberufen“ der Anlage 1 zum TVöD/VKA lauten:
12Die Vorbemerkung Nr. 9 zur Anlage 1 zum TVöD/VKA lautet auszugsweise:
13II. Die Berufungsentscheidung unterliegt bereits deshalb der Aufhebung, weil das Landesarbeitsgericht keine Arbeitsvorgänge iSv. § 12 Abs. 2 TVöD/VKA bestimmt hat.
141. Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 TVöD/VKA ist der Beschäftigte in der Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Das ist der Fall, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen. Grundlage für die Bewertung der auszuübenden Tätigkeit ist danach der Arbeitsvorgang.
152. Der Begriff des „Arbeitsvorgangs“ ist ein feststehender, abstrakter, von den Tarifvertragsparteien vorgegebener Rechtsbegriff. Seine Anwendung durch die Tatsachengerichte ist revisionsgerichtlich in vollem Umfang nachprüfbar. Dabei kann das Revisionsgericht bei Vorliegen der erforderlichen Tatsachenfeststellungen die Arbeitsvorgänge auch selbst bestimmen (st. Rspr., zuletzt zB - Rn. 18).
16Für die Bestimmung eines Arbeitsvorgangs ist das Arbeitsergebnis maßgebend. Bei der Zuordnung zu einem Arbeitsvorgang können wiederkehrende und gleichartige Tätigkeiten zusammengefasst werden. Dabei kann die gesamte vertraglich geschuldete Tätigkeit einen einzigen Arbeitsvorgang ausmachen. Einzeltätigkeiten können jedoch dann nicht zusammengefasst werden, wenn die verschiedenen Arbeitsschritte von vorneherein auseinandergehalten und organisatorisch voneinander getrennt sind. Dafür reicht die theoretische Möglichkeit nicht aus, einzelne Arbeitsschritte oder Einzelaufgaben verwaltungstechnisch isoliert auf andere Beschäftigte übertragen zu können, solange sie nach der tatsächlichen Arbeitsorganisation des Arbeitgebers als einheitliche Arbeitsaufgabe einer Person real übertragen sind. Tatsächlich getrennt sind Arbeitsschritte nicht, wenn sich erst im Laufe der Bearbeitung herausstellt, welchen tariflich erheblichen Schwierigkeitsgrad der einzelne Fall aufweist. Zur Tätigkeit rechnen dabei auch die Zusammenhangstätigkeiten. Das sind solche, die aufgrund ihres engen Zusammenhangs mit bestimmten Aufgaben eines Beschäftigten bei der tariflichen Bewertung zwecks Vermeidung tarifwidriger „Atomisierung“ der Arbeitseinheiten nicht abgetrennt werden dürfen, sondern diesen zuzurechnen sind. Die tarifliche Wertigkeit der verschiedenen Einzeltätigkeiten oder Arbeitsschritte bleibt bei der Bestimmung der Arbeitsvorgänge außer Betracht. Erst nachdem der Arbeitsvorgang bestimmt ist, ist dieser anhand des in Anspruch genommenen Tätigkeitsmerkmals zu bewerten ( - Rn. 24 f. mwN, BAGE 162, 81).
173. Das Landesarbeitsgericht hat selbst keine Arbeitsvorgänge bestimmt, sondern gemeint, die Klägerin hätte Arbeitsvorgänge aufzeigen und die Tatsachen vortragen müssen, aus denen sich dann bezogen auf diese die Erfüllung der Tarifmerkmale ableiten lasse. Insoweit verkennt das Landesarbeitsgericht die Reichweite der Darlegungslast der Klägerin. Im Eingruppierungsrechtsstreit umfasst die Darlegungslast eines Beschäftigten nicht, seine Tätigkeit nach Arbeitsvorgängen gegliedert darzulegen. Er hat lediglich neben der Darstellung der Arbeitsinhalte Angaben insbesondere zu den Arbeitsergebnissen, zu den Zusammenhangstätigkeiten und zu der Abgrenzbarkeit der verschiedenen Einzelaufgaben zu machen, die dem Gericht die Bestimmung von Arbeitsvorgängen ermöglichen. Diese Anforderungen hat die Klägerin im Grundsatz erfüllt. Die Bestimmung der Arbeitsvorgänge selbst ist eine Rechtsfrage und damit Aufgabe des Gerichts (st. Rspr., vgl. nur - zu II 2 f bb der Gründe). Bleiben dabei tatsächliche Umstände unklar, hat das Gericht ggf. im Rahmen seiner Hinweispflicht nach § 139 ZPO auf eine Ergänzung des Vortrags der Parteien hinzuwirken.
184. Der Senat kann die Arbeitsvorgänge mangels hinreichender Feststellungen durch das Landesarbeitsgericht nicht selbst bestimmen (§ 563 Abs. 3 ZPO). Bereits dies führt zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
19a) Es spricht vieles dafür, dass es sich bei der Tätigkeit der Klägerin als Stationsleiterin um einen einheitlichen Arbeitsvorgang iSv. § 12 Abs. 2 TVöD/VKA handelt (vgl. dazu zB - Rn. 31). Es ließe sich zwar bei einer solchen Funktion zwischen unmittelbaren Leitungstätigkeiten und anderen Tätigkeiten unterscheiden, aber letztlich dienen alle Tätigkeiten dem Arbeitsergebnis Leitung der Station. Wenn die Leiterin einer Organisationseinheit selbst Aufgaben wahrnimmt, die innerhalb des von ihr betreuten Bereichs anfallen, gehören diese Tätigkeiten als Zusammenhangsarbeiten zur einheitlich bewerteten Leitungstätigkeit (vgl. schon - Rn. 14 mwN zur Tätigkeit als Stationsschwester iSd. BAT).
20b) Die Beklagte hatte jedoch mit ihrer Berufungserwiderung vorgetragen, dass der Klägerin eine 0,25-Stelle in der Ambulanz „auch untersteht“. In dem als Anlage dazu vorgelegten Stellenplan der Station B2 ist die Ambulanz mit einem Wert von „- 0,25“ ebenfalls erwähnt. Hierzu hat das Landesarbeitsgericht keine unmittelbaren Feststellungen getroffen. Deshalb bleibt unklar, ob die Ambulanz zur Station B2 gehört oder es sich um eine eigene Organisationseinheit handelt. Ebenfalls wird nicht deutlich, ob die Klägerin auch die Ambulanz leitet und dies Teil eines einheitlichen Arbeitsvorgangs „Stationsleitung“ ist oder ob es sich um einen eigenständigen Arbeitsvorgang handelt.
21III. Es steht auch noch nicht fest, ob es sich bei der Station B2 um eine „große Station“ iSd. Entgeltgruppe P 13 TVöD/VKA handelt. Die Auslegung des Tarifbegriffs der „großen Station“ durch das Landesarbeitsgericht ist unzutreffend.
221. Das Landesarbeitsgericht ist unausgesprochen davon ausgegangen, dass die Klägerin das Tätigkeitsmerkmal der Entgeltgruppe P 12 Fallgruppe 1 TVöD/VKA erfüllt, also eine Station im Tarifsinn leitet (vgl. dazu - Rn. 17 ff.). Dies entspricht dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien und dürfte - auch wenn die Arbeitsvorgänge noch nicht abschließend bestimmt werden können - zutreffend sein.
232. Eine „große Station“ im Tarifsinn liegt regelmäßig dann vor, wenn der Stationsleitung mehr als zwölf Vollzeitäquivalente iSd. Vorbemerkung Nr. 9 zur Anlage 1 zum TVöD/VKA fachlich unterstellt sind. Da Teilzeitbeschäftigte nach dieser Vorbemerkung anteilig zu berücksichtigen sind, ist dies ab einer Unterstellung von 12,01 Vollzeitäquivalenten der Fall. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen stellt die Zahl von zwölf unterstellten Vollzeitäquivalenten aber keine starre Grenze zwischen den Entgeltgruppen P 12 und P 13 TVöD/VKA dar, sondern bestimmt lediglich „in der Regel“ die Abgrenzung zu einer „großen Station“. Andere Abgrenzungsfaktoren können ebenfalls eine Rolle spielen. Dies ergibt die Auslegung der Tarifnorm.
24a) Der Tarifvertrag definiert nicht ausdrücklich, was unter einer „großen Station“ zu verstehen ist. Bei der Wortlautauslegung, von der zunächst auszugehen ist (vgl. zuletzt - Rn. 19), ist anzunehmen, dass die Tarifvertragsparteien den Begriff in dem Sinne gebraucht haben, der dem allgemeinen Sprachgebrauch und dem der beteiligten Kreise entspricht, wenn nicht sichere Anhaltspunkte für eine abweichende Auslegung gegeben sind ( - Rn. 28; - 4 AZR 41/08 - Rn. 21, BAGE 129, 355). Weder der allgemeine Sprachgebrauch noch derjenige der beteiligten Verkehrskreise gibt aber eine feste Zahl vor, wann etwas als „groß“ zu verstehen ist. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird das Adjektiv „groß“ benutzt, um zu beschreiben, dass etwas den Durchschnitt oder einen Vergleichswert übertrifft (Duden Deutsches Universalwörterbuch 8. Aufl. Stichwort „groß“). Der Vergleich kann quantitativer, aber auch qualitativer Natur sein. Stets notwendig ist jedoch ein Bezugsobjekt. Daher kann das Adjektiv „groß“ allein ohne Betrachtung des Kontextes keinen Aufschluss darüber geben, was die Tarifvertragsparteien unter einer „großen Station“ verstanden haben. Allerdings lässt sich bereits aus dem Wortlaut der Norm entnehmen, dass für die Abgrenzung der Tätigkeitsmerkmale der Entgeltgruppen P 12 und P 13 TVöD/VKA nur das Begriffspaar „Station - große Station“ maßgeblich ist. Die von der Klägerin verwendeten Begriffe „kleine“ oder „mittlere Station“ finden sich im Tarifvertrag nicht und sind für die Zuordnung zu den Entgeltgruppen irrelevant.
25b) Systematik und Tarifzusammenhang machen das Regel-Ausnahme-Verhältnis bei der Zuordnung der Stationsgrößen und der Bedeutung der Anzahl der unterstellten Beschäftigten deutlich.
26aa) Nach der Vorbemerkung Nr. 1 zum Teil B Abschnitt XI Ziffer 2 der Anlage 1 zum TVöD/VKA sind die Tarifvertragsparteien hinsichtlich des Aufbaus der Tätigkeitsmerkmale für Leitungskräfte in der Pflege von einer bestimmten Organisationsstruktur ausgegangen. Unterste Leitungsebene ist danach die „Gruppen- bzw. Teamleitung“, während die Station die kleinste organisatorische Einheit darstellt. Ein „Bereich bzw. eine Abteilung“ umfasst in der Regel mehrere Stationen. Der Begriff der Stationsleitung in den Entgeltgruppen P 12 und P 13 TVöD/VKA knüpft insoweit an der (kleinsten) organisatorischen Einheit „Station“ an. Aus dem Aufbau der Tätigkeitsmerkmale für die Leitenden Beschäftigten in der Pflege wird weiterhin deutlich, dass die Eingruppierung von einem mehrstufigen, hierarchischen Organisations- und Leitungsmodell ausgeht. Dieses besteht in den Entgeltgruppen P 9 bis P 14 TVöD/VKA aus den drei Ebenen Gruppe/Team, Station und Bereich/Abteilung. Innerhalb der Ebenen wird weiter nach deren Größe oder nach dem Maß der Verantwortlichkeit bzw. dem Umfang und der Bedeutung des Aufgabengebiets sowie dem Maß an Selbständigkeit unterschieden. Allen Ebenen ist gemeinsam, dass dort Leitungsaufgaben ausgeübt werden ( - Rn. 24 f.).
27bb) Satz 2 der Vorbemerkung Nr. 1 Buchst. b zum Teil B Abschnitt XI Ziffer 2 der Anlage 1 zum TVöD/VKA bestimmt dabei, dass einer Stationsleitung in der Regel nicht mehr als zwölf Beschäftigte - genauer: Vollzeitäquivalente iSd. Vorbemerkung Nr. 9 zur Anlage 1 zum TVöD/VKA - unterstellt sind. Daraus wird zunächst erkennbar, dass vorrangig die Anzahl der unterstellten Beschäftigten maßgeblich ist. Darüber hinaus sind die Tarifvertragsparteien von der typischen Struktur einer Station im Rahmen der üblichen Organisation ausgegangen, bei der einer Stationsleitung - umgerechnet - maximal zwölf Beschäftigte fachlich unterstellt sind. Gleichzeitig zeigt dies, dass eine Station, die diese Beschäftigtenanzahl übersteigt, mangels anderer Kategorien im Regelfall als „große Station“ iSd. Entgeltgruppe P 13 TVöD/VKA angesehen werden muss. Eine Station, bei der dies nicht der Fall ist, ist hingegen im Regelfall keine „große Station“ im Tarifsinn. Soll der Nennung der regelmäßig unterstellten Beschäftigten eine Bedeutung zukommen, kann dies nur Bedeutung für die Abgrenzung zwischen Normalstation und „großer Station“ haben. Für die Annahme der Revision, die Nennung der regelmäßig unterstellten Beschäftigten sei als Obergrenze für jede Station zu verstehen, finden sich in der Tarifsystematik keinerlei Anhaltspunkte.
28cc) Da Teilzeitbeschäftigte nach Satz 3 der Vorbemerkung Nr. 9 zur Anlage 1 zum TVöD/VKA entsprechend dem Verhältnis der mit ihnen im Arbeitsvertrag vereinbarten Arbeitszeit zur regelmäßigen Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten zu berücksichtigen sind, zählen auch Stellenanteile. Sobald damit die Zahl von 12,00 Vollzeitäquivalenten überschritten ist - und sei es auch nur um geringfügige Stellenanteile - ist regelmäßig die Kategorie „große Station“ erfüllt. Für die Auffassung, eine große Station könne nur dann vorliegen, wenn die Anzahl von zwölf unterstellten Beschäftigten „deutlich“ überschritten wird (so Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TVöD Stand Januar 2020 Teil IIIb EntgO VKA - B XI - Gesundheitsberufe Rn. 528) finden sich weder im Wortlaut noch in der Systematik des Tarifvertrags Anhaltspunkte.
29dd) Allerdings macht die Begrifflichkeit „in der Regel“ deutlich, dass es sich bei der Anzahl der unterstellten Beschäftigten lediglich um „Richtgrößen“ (so Breier/Dassau/Faber/Hoffmann TVöD Entgeltordnung VKA Stand März 2020 EntgO (VKA) Teil B XI 2 D .2 Erl. 3.1.2 Rn. 25) handelt, nicht um starre Schwellenwerte (ebenso Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese aaO EntgO VKA - B XI - Gesundheitsberufe Rn. 527). „In der Regel“ bedeutet im allgemeinen Sprachgebrauch „regelmäßig, fast ausnahmslos geübte Gewohnheit oder das Übliche, üblicherweise Geltende“ (Duden aaO Stichwort „Regel, die“). Mit einem solchen Begriffsverständnis ist notwendigerweise verbunden, dass Ausnahmen von der Regel bestehen können. Andernfalls wäre die Verwendung dieser Begrifflichkeit im Tarifvertrag ohne Bedeutung und ohne Anwendungsbereich.
30ee) Der Begriff „in der Regel“ findet sich auch in vielen gesetzlichen Vorschriften, in denen es auf Beschäftigtenzahlen ankommt (so etwa in § 23 Abs. 1 KSchG, § 99 Abs. 1 Satz 1, § 106 Abs. 1 Satz 1 BetrVG). Dort bringt er zum Ausdruck, dass es nicht auf die (zufällige) tatsächliche Anzahl der Beschäftigten zu einem bestimmten Zeitpunkt ankommt, sondern auf diejenige, die für das Bezugsobjekt Betrieb oder Unternehmen kennzeichnend ist (vgl. zu § 23 KSchG etwa - Rn. 24, BAGE 144, 222; zu § 9 BetrVG - 7 ABR 37/11 - Rn. 12; zu § 111 Satz 1 BetrVG - 1 AZR 335/10 - Rn. 21, BAGE 139, 342). Wird in einem Tarifvertrag ohne eigene Definition ein Begriff übernommen, der in einem Gesetz verwandt wird, mit dem ein Sachzusammenhang besteht, so ist grundsätzlich die fachspezifische gesetzliche Bedeutung zugrunde zu legen ( - Rn. 12; weiter gehend unter Verzicht auf einen Sachzusammenhang - 4 AZR 209/86 -). Vorliegend fehlt es aber bereits an jedem Sachzusammenhang zwischen der tariflichen Regelung von Unterstellungsverhältnissen im Hinblick auf die Zuordnung zu Entgeltgruppen und einer der genannten gesetzlichen Bestimmungen. Gegen ein solches Verständnis spricht vor allem, dass es nach Satz 4 der Vorbemerkung Nr. 9 zur Anlage 1 zum TVöD/VKA für die Eingruppierung unschädlich ist, wenn im Organisations- und Stellenplan ausgewiesene Stellen nicht besetzt sind. Auf die tatsächliche Stellenbesetzung kommt es gerade nicht an (Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese aaO EntgO VKA - 0 - Vorbemerkungen Rn. 335). Da der Organisations- und Stellenplan regelmäßig längerfristig angelegt ist, sind Schwankungen in der tatsächlichen Stellenbesetzung deshalb bereits hierüber abgebildet. Ein Verständnis der Begrifflichkeit „in der Regel“ aus der Vorbemerkung Nr. 1 Buchst. b zum Teil B Abschnitt XI Ziffer 2 der Anlage 1 zum TVöD/VKA wie in den genannten gesetzlichen Bestimmungen wäre deshalb ohne sinnvollen Anwendungsbereich.
31ff) Aus dem Begriff „in der Regel“ lässt sich vielmehr entnehmen, dass es neben der Zahl fachlich unterstellter Beschäftigter andere Faktoren geben kann, die im Ausnahmefall zu einer abweichenden Bewertung führen können und die Station ihrer Struktur nach als „groß“ im Tarifsinn erscheinen lassen. Dabei muss es sich um Faktoren handeln, die an die Leitungsfunktion anknüpfen und quantitativ größere Anforderungen an diese stellen. Dies kann beispielsweise ein aus einer besonders großen Anzahl von unterstellten Teilzeitbeschäftigten resultierender besonders hoher Koordinierungsaufwand sein (vgl. zu diesem Aspekt zB - zu I 2 a bb (2) (c) (dd) der Gründe, BAGE 113, 291). Weitere Aspekte könnten die Größe der Station nach der Anzahl der Betten und der zu pflegenden Patienten (vgl. die Wertung in - Rn. 25) oder deren räumliche Größe sein (Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese aaO EntgO VKA - B XI - Gesundheitsberufe Rn. 529). Gleiches gilt im umgekehrten Fall. Auch eine nach der Anzahl unterstellter Beschäftigter „große Station“ kann ausnahmsweise aufgrund anderer Faktoren dieses Attribut verlieren. Keine Berücksichtigung können dabei allerdings jeweils Umstände finden, die mit dem weiteren Qualifikationsmerkmal „höheres Maß von Verantwortlichkeit“ (Entgeltgruppe P 13 TVöD/VKA) im Zusammenhang stehen, da dieses nach der Tarifsystematik gesondert bewertet wird.
32c) Ein solches Verständnis entspricht Sinn und Zweck der Tarifregelung. Mit der Beseitigung der starren Unterstellungsgrenzen, wie sie noch in der Anlage 1b zum BAT vorgesehen waren, sollte ua. eine stärkere Anpassung der Eingruppierungsregeln an die unterschiedlichen Strukturen der verschiedenen Krankenhäuser ermöglicht werden (Breier/Dassau/Faber/Hoffmann aaO Erl. 1 Rn. 3). Soweit dieses Tarifverständnis mangels - im Vergleich zur früheren Tariflage - einfacher Abgrenzungskriterien zu Schwierigkeiten in der Anwendung führen kann, ist dies im Tarifvertrag angelegt und kann nicht aus Praktikabilitätserwägungen unbeachtet bleiben. Anders als noch in der Anlage 1b zum BAT wird gerade nicht mehr auf „harte“ Unterstellungszahlen abgestellt (Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese aaO EntgO VKA - B XI - Gesundheitsberufe Rn. 470).
333. Der Stationsleitung müssen die Beschäftigten nach Satz 2 der Vorbemerkung Nr. 1 zum Teil B Abschnitt XI Ziffer 2 der Anlage 1 zum TVöD/VKA „fachlich“ unterstellt sein. Das umfasst etwa die Befugnis, in der Pflege fachliche Weisungen zu erteilen, Arbeitsinhalte festzulegen und das Recht, Arbeitsergebnisse zu überprüfen ( - Rn. 26; vgl. Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese aaO EntgO VKA - B XI - Gesundheitsberufe Rn. 475). Typischerweise handelt es sich bei den fachlich unterstellten Beschäftigten um Pflegekräfte iSd. Ziffer 1 des Teils B Abschnitt XI der Anlage 1 zum TVöD/VKA. In Betracht kommen aber auch andere Beschäftigte, wie beispielsweise Stationsassistentinnen und -assistenten, wenn diese Aufgaben ausüben, die der fachlichen Zuständigkeit der Stationsleitung unterliegen und dieser insoweit unterstellt sind. Bei Reinigungskräften - insbesondere solchen anderer Arbeitgeber - wird dies hingegen typischerweise nicht der Fall sein (Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese aaO EntgO VKA - B XI - Gesundheitsberufe Rn. 476 f., 524).
344. Nach diesen Grundsätzen steht noch nicht fest, ob die Klägerin eine „große Station“ iSd. Entgeltgruppe P 13 TVöD/VKA leitet.
35a) Allerdings ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts nicht zu beanstanden, dass der Klägerin nicht mehr als zwölf Vollzeitäquivalente unterstellt waren und die Station B2 deshalb allein unter Betrachtung der Anzahl der unterstellten Beschäftigten nicht als „große Station“ angesehen werden kann. Weder aus dem Vortrag der Klägerin zu den Dienstplänen einzelner Monate noch aus dem Stellenplan für das Jahr 2018 ergibt sich eine höhere Zahl. Der Stellenplan weist - umgerechnet auf Vollzeitbeschäftigte - eine Sollstärke von zehn Pflegekräften und einer Pflegeassistentin aus. Die tatsächliche Stellenbesetzung war nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts allenfalls in einzelnen Monaten geringfügig höher, ohne jemals die Schwelle von 12,00 Vollzeitäquivalenten zu überschreiten. Nach unwidersprochenem Vortrag der Beklagten hat sich die tatsächliche Stellenbesetzung bis zur Entscheidung des Landesarbeitsgerichts nicht zu Gunsten der Klägerin verändert. Die Klägerin hat trotz Bestreitens der Beklagten nicht weiter dargelegt, dass die zwei Reinigungskräfte, die bei einer externen Reinigungsfirma angestellt sind, ihr fachlich unterstellt wären. Gleiches gilt im Hinblick auf die von ihr angeführte Praktikantin.
36b) Feststellungen zu sonstigen Faktoren, die ausnahmsweise trotz des Nichterreichens der Beschäftigtenzahl die Annahme einer „großen Station“ begründen könnten, hat das Landesarbeitsgericht - aus seiner Sicht konsequent - nicht getroffen. Der Klägerin ist allerdings in Anbetracht der vorliegenden ersten Entscheidung des Senats zu diesem neuen Tätigkeitsmerkmal unter dem Gesichtspunkt des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs Gelegenheit zu geben, ergänzend vorzutragen.
37IV. Ebenso wenig kann der Senat abschließend entscheiden, ob die Klägerin im Rahmen ihrer auszuübenden Tätigkeit ein höheres Maß von Verantwortlichkeit iSd. Entgeltgruppe P 13 TVöD/VKA trägt.
381. Unter „Verantwortung“ im Tarifsinn ist die Verpflichtung des Beschäftigten zu verstehen, dafür einstehen zu müssen, dass in dem übertragenen Dienst- oder Arbeitsbereich die dort - auch von anderen Beschäftigten - zu erledigenden Aufgaben sachgerecht, pünktlich und vorschriftsgemäß ausgeführt werden (st. Rspr., zuletzt zB - Rn. 26 mwN zum Begriff der besonders verantwortungsvollen Tätigkeit). Die Begriffe „Verantwortung“ und „Verantwortlichkeit“ werden dabei in den Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes synonym verwendet (vgl. zB -). Der Tarifbegriff „mit einem höheren Maß von Verantwortlichkeit“ der Entgeltgruppe P 13 TVöD/VKA entspricht der früher ua. in den Tätigkeitsmerkmalen für die Vergütung von Meistern nach der Anlage 1a zum BAT verwendeten Begrifflichkeit. Zur Erfüllung des Qualifizierungsmerkmals muss in der auszuübenden Tätigkeit eine Verantwortung liegen, die die regelmäßig zu tragende Verantwortung, wie sie begriffsnotwendig schon in der niedrigeren Entgeltgruppe (hier Entgeltgruppe P 12 Fallgruppe 1 TVöD/VKA) enthalten ist, auf der die höhere aufbaut, deutlich wahrnehmbar übersteigt (vgl. zB -). Unausgesprochen setzt auch die Entgeltgruppe P 12 TVöD/VKA ein bestimmtes, der darin beschriebenen Tätigkeit als Stationsleitung adäquates Maß an Verantwortung voraus, weil andernfalls das Qualifizierungsmerkmal der Entgeltgruppe P 13 TVöD/VKA keine Vergleichsgröße enthielte. Die Prüfung des Verantwortungsmaßstabs setzt daher einen wertenden Vergleich mit der nach der Entgeltgruppe P 12 TVöD/VKA geforderten Verantwortung voraus, für den die klagende Partei die tatsächlichen Grundlagen vorzutragen hat (vgl. zB - Rn. 14; - 4 AZR 6/04 - zu I 2 b bb (3) (a) der Gründe, BAGE 113, 291 zur „erheblichen“ Heraushebung durch „das Maß der damit verbundenen Verantwortung“).
392. Vergleichsgruppe für das Maß der Verantwortlichkeit sind - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht die Stationsleitungen bei der jeweiligen Arbeitgeberin, sondern es kommt auf die allgemeinen Anforderungen an die Verantwortung einer Stationsleitung unter Berücksichtigung der von den Tarifvertragsparteien nach der Vorbemerkung Nr. 1 zum Teil B Abschnitt XI Ziffer 2 der Anlage 1 zum TVöD/VKA vorgesehenen regelmäßigen Organisationsstruktur an (Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese aaO EntgO VKA - B XI - Gesundheitsberufe Rn. 530). Dass bei einer Arbeitgeberin wegen bestimmter Arbeitsumstände ggf. alle Stationsleitungen ein solches erhöhtes Maß an Verantwortung zu tragen haben, stünde der Annahme der Erfüllung des Tätigkeitsmerkmals nicht entgegen. Allerdings findet auch die Auffassung der Revision, die Tätigkeit als Stationsleitung in einer Fachklink für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik begründe stets ein höheres Maß von Verantwortlichkeit, keine Stütze in den tarifvertraglichen Bestimmungen. Vielmehr sind die konkreten Umstände der jeweiligen Tätigkeit in den Blick zu nehmen und mit der „Normalverantwortung“ einer Stationsleitung zu vergleichen. Aus der Zulagenregelung für Beschäftigte, die die Grund- und Behandlungspflege zeitlich überwiegend bei Kranken in geschlossenen oder halbgeschlossenen psychiatrischen Stationen erbringen (Protokollerklärung Nr. 1 Buchst. b zum Teil B Abschnitt XI Ziffer 1 der Anlage 1 zum TVöD/VKA), ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin nichts anderes. Diese Zulage dient der Abgeltung der durch die besonderen Gegebenheiten auf einer (halb-)geschlossenen Station bedingten Erschwernisse der Arbeit ( - Rn. 10 mwN). Für das Maß der Verantwortlichkeit der Stationsleitung lässt sich hieraus nichts ableiten.
403. Ein höheres Maß an Verantwortlichkeit kann sich grundsätzlich aus den Auswirkungen der Tätigkeit für den Arbeitgeber oder auch aus der Bedeutung der Angelegenheit für Dritte oder die Allgemeinheit ergeben. Im Hinblick auf das weitere Qualifizierungsmerkmal der Entgeltgruppe P 13 TVöD/VKA ist allerdings tarifsystematisch zu beachten, dass das Maß der Verantwortung sich nicht auf das quantitative Maß der Führungsverantwortung beziehen kann. Dieses ist in dem Qualifizierungsmerkmal „Leitung einer großen Station“ abgebildet (Breier/Dassau/Faber/Hoffmann aaO Erl. 4.5 Rn. 57; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese aaO EntgO VKA - B XI - Gesundheitsberufe Rn. 516). Kriterien für ein gesteigertes Maß an Verantwortung im Tarifsinn können deshalb ua. die organisatorische Verantwortlichkeit für - nicht unterstellte - Beschäftigte (auch anderer Stationen) sein, der Umstand, dass die Tätigkeit bedeutsame Auswirkungen für das Leben Dritter hat oder dass die Belange des Arbeitgebers besonders berührt werden, zB bei der Verantwortung für besondere teure oder komplexe Geräte (Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese aaO EntgO VKA - B XI - Gesundheitsberufe Rn. 514 ff.; Breier/Dassau/Faber/Hoffmann aaO Erl. 4.5 Rn. 58 f.: „Besondere Sorgfalt und Umsicht bei Heil- und Behandlungsmethoden“, „organisatorische Leitung für andere Station“).
414. Das Qualifizierungsmerkmal ist - entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts - bereits erfüllt, wenn Arbeitsvorgänge, die mindestens die Hälfte der gesamten Arbeitszeit des Beschäftigten in Anspruch nehmen, solche Tätigkeiten enthalten. Dabei ist es nicht erforderlich, dass die für die Höherwertigkeit maßgebenden Einzeltätigkeiten innerhalb des Arbeitsvorgangs zeitlich überwiegend anfallen. Vielmehr genügt es, dass die Anforderungen in rechtlich nicht ganz unerheblichem Ausmaß anfallen und ohne sie ein sinnvoll verwertbares Arbeitsergebnis nicht erzielt würde ( - Rn. 38 mwN, BAGE 162, 81 zum Heraushebungsmerkmal „schwierige Tätigkeiten“).
425. Nach diesen Grundsätzen steht noch nicht fest, ob die auszuübende Tätigkeit der Klägerin ein höheres Maß von Verantwortlichkeit erfordert.
43a) Das Landesarbeitsgericht hat - wie dargelegt (Rn. 17) - keine Arbeitsvorgänge bestimmt. In diesem Zusammenhang ist nicht geklärt, welche Bedeutung der Tätigkeit der Klägerin in Bezug auf die Ambulanz zukommt. Hinzu kommt, dass die genauen Umstände der Tätigkeit der Klägerin nicht widerspruchsfrei festgestellt sind. Insbesondere ist unklar, was unter „ständiger Beaufsichtigung der Patienten“ und dem „Entweichungsrisiko“ der (untergebrachten?) Patienten zu verstehen ist, wenn die Station gleichzeitig als „offen“ gekennzeichnet wird.
44b) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts kann auch nicht angenommen werden, dass nach dem bisherigen Vortrag der Klägerin mangels der Möglichkeit eines wertenden Vergleichs die Erfüllung des Tätigkeitsmerkmals ausgeschlossen wäre. Die Klägerin hat im Berufungsverfahren vorgetragen, inwieweit sich ihre Tätigkeit als Stationsleitung nach dem Maß der Verantwortlichkeit von der anderer Stationsleitungen bei der Beklagten unterscheidet. Dabei hat sie insbesondere auf die Art der Patienten, die „beaufsichtigungspflichtig, weil auf Bewährung“ sind und auf das Problem der Entweichung mit bestehenden Haftungsrisiken hingewiesen. Zudem sei sehr viel häufiger eine Kontaktaufnahme zu anderen therapeutischen Diensten und eine erhöhte Kontaktpflege zu Patientinnen und Patienten erforderlich. Darüber hinaus verlange die „Aufgabenwahrnehmung als Bezugsperson zu Patienten“ ein erhöhtes Maß an Verantwortlichkeit, weil eine intensive therapeutische Beziehung aufgebaut werden müsse. Dieser Vortrag ist zwar nicht in jedem Punkt hinreichend präzise und reicht für sich genommen nicht aus, um die Erfüllung des Tätigkeitsmerkmals zu begründen. Er bietet aber Anhaltspunkte, um den geforderten wertenden Vergleich vorzunehmen und es erscheint auch nicht ausgeschlossen, dass insbesondere der Umgang mit „untergebrachten“ Patienten ein höheres Maß an Verantwortlichkeit begründen kann. Insoweit bedarf der klägerische Vortrag - abgesehen von den offenen Fragen zum Charakter der Station - insbesondere dahingehend der Ergänzung, welche der geschilderten Aufgaben die Klägerin auszuüben hat, welche dem ärztlichen Dienst vorbehalten sind und wie die Verantwortlichkeit verteilt ist. Auf diese Lücken im Vortrag wäre nach dem Prozessverlauf vom Landesarbeitsgericht hinzuweisen gewesen. Der in der Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht erteilte Hinweis bezog sich nur auf die Frage des zeitlichen Anteils an der auszuübenden Tätigkeit.
45V. Im Rahmen der neuen Verhandlung und Entscheidung wird das Landesarbeitsgericht - nachdem es den Parteien Gelegenheit zu weiter gehendem Vorbringen gegeben und dabei ggf. konkret auf die Ergänzung von aus seiner Sicht fehlendem Tatsachenvortrag hingewirkt hat - neben den vorstehend genannten Ausführungen zur Bestimmung der Arbeitsvorgänge (Rn. 19 f.), zur „großen Station“ (Rn. 23 bis 36) und zum erhöhten Maß an Verantwortlichkeit (Rn. 38 bis 44) weiterhin Folgendes zu berücksichtigen haben:
461. Die Klage ist hinsichtlich der Zahlungsanträge ohne weiteres zulässig. Gleiches gilt hinsichtlich des Feststellungantrags - einschließlich des Zinsanspruchs - für die Zeit ab März 2019 als allgemein üblicher Eingruppierungsfeststellungklage (hierzu zuletzt etwa - Rn. 15, BAGE 164, 326). Hingegen spricht vieles dafür, dass es am nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderlichen besonderen Feststellungsinteresse fehlt, soweit die entsprechende Feststellung auch für den Zeitraum von Januar 2017 bis einschließlich Februar 2019 begehrt wird. Denn für diesen Zeitraum macht die Klägerin gleichzeitig die Vergütungsdifferenz zwischen der von ihr erhaltenen und der angestrebten Vergütung mit einem Leistungsantrag beziffert geltend. Es ist bisher nicht ersichtlich, welches über eine entsprechende Entgeltzahlung hinausgehende Interesse an der begehrten Feststellung bestehen könnte. Aus diesem Grund kommt bisher auch eine Zulässigkeit als Zwischenfeststellungsklage (§ 256 Abs. 2 ZPO) nicht in Betracht. Auch diese setzt voraus, dass weitere Rechtsfolgen aus einer entsprechenden Feststellung möglich erscheinen, die über das mit der erfolgreichen Leistungsklage Erreichte hinausgehen (vgl. insgesamt dazu - Rn. 20 mwN).
472. Falls das Vorliegen einer „großen Station“ zu verneinen ist, wird bei der Beurteilung des „höheren Maß an Verantwortlichkeit“ zu beachten sein, dass allein der Umstand, dass die Letztverantwortung für einen Patienten beim ärztlichen Personal liegt, der Annahme einer gegenüber dem Normalmaß erhöhten Verantwortung als Stationsleitung nicht entgegensteht, soweit sich die höhere Verantwortlichkeit auch in den Aufgaben der Klägerin niederschlägt. Eine Allein- oder Letztverantwortlichkeit setzt das Tätigkeitsmerkmal nicht voraus (vgl. allgemein zur Verantwortung der Stationsleitung - Rn. 22 ff.).
483. Soweit sich danach ein Anspruch auf Vergütung nach Entgeltgruppe P 13 TVöD/VKA ergeben sollte, hat die Klägerin mit ihrem Antrag vom hinsichtlich des Streitzeitraums die Ausschlussfrist des § 37 TVöD/VKA gewahrt (vgl. dazu - Rn. 26 ff.).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2020:130520.U.4AZR173.19.0
Fundstelle(n):
OAAAH-55022