Vertragsschluss bei verzögerter Vergabe in einem öffentlichen Vergabeverfahren über Bauleistungen
Leitsatz
Zu einem Vertragsschluss bei verzögerter Vergabe in einem öffentlichen Vergabeverfahren über Bauleistungen (Fortführung von , BGHZ 194, 301).
Gesetze: § 133 BGB, § 150 Abs 2 BGB, § 241 Abs 2 BGB, § 280 Abs 1 BGB, § 280 Abs 3 BGB, § 311 Abs 2 BGB
Instanzenzug: Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt Az: 7 U 69/18 Urteilvorgehend LG Magdeburg Az: 9 O 761/18
Tatbestand
1Die Klägerin verlangt in erster Linie die Feststellung, dass im Rahmen eines Vergabeverfahrens nach öffentlicher Ausschreibung zwischen den Parteien ein Vertrag zustande gekommen ist; hilfsweise begehrt sie Schadensersatz wegen der Aufhebung der Ausschreibung.
2Die Beklagte beauftragte die Landesstraßenbaubehörde S.- Regionalbereich West - als Vergabestelle mit der Vergabe von Bauleistungen für die Erhaltung und Fahrbahnerneuerung einer Bundesstraße. Es erfolgte eine öffentliche Ausschreibung nach der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/A 2016). Bestandteil der Vergabeunterlagen waren die auf der Grundlage des Formulars HVA B-StB Besondere Vertragsbedingungen (Stand: 04/16) vorgegebenen Vertragsbedingungen, die als frühesten Beginn der Ausführung (Ziffer 2.1) den und als spätestes Datum der Vollendung (Ziffer 2.3) den bestimmten. Für das Vergabeverfahren war eine Bindefrist bis zum bestimmt.
3Die Klägerin gab ihr Angebot vom ab, das sich wirtschaftlich als das günstigste erwies. Die Bindefrist wurde wegen Verzögerungen bei der Schaffung der bautechnischen Voraussetzungen einvernehmlich bis zum verlängert. Mit Schreiben vom teilte die Vergabestelle der Klägerin mit, es sei nach Ablauf der Informationsfrist (am ) gemäß § 19 LVG LSA beabsichtigt, ihr den Zuschlag zu erteilen, sofern bis dahin kein Nachprüfungsverfahren eingeleitet sei und nicht andere unvorhersehbare entscheidungsrelevante Gründe eingetreten seien.
4Die Vergabestelle schrieb die Klägerin mit Formblatt HVA B-StB unter dem an. Darin erklärt die Vergabestelle:
…
5Mit Schreiben vom lud die Vergabestelle die Klägerin zur Bauanlaufberatung am unter Bezugnahme auf das Zuschlagsschreiben vom und in Vorbereitung des Baubeginns ein. Das Schreiben enthält zudem folgende Erklärung:
"Gleichzeitig bitten wir um die Übergabe des Bauzeitenplans (4-fach) basierend auf den neu festgelegten Vertragsfristen entsprechend dem Zuschlagsschreiben vom ."
6Mit Schreiben vom bedankte sich die Klägerin bei der Vergabestelle für die Zuschlagserteilung und teilte mit, der gewünschte Realisierungszeitraum könne derzeit nicht bestätigt werden. Sie führte hierzu aus:
"Vorbereitend zur Bauanlaufbesprechung am sind wir dabei die erforderlichen Kapazitäten zu prüfen. Wir werden unsere Kapazitäten nach der verspäteten Vergabe neu ordnen und Ihnen dann möglichst am 24.04. die möglichen Termine bekannt geben.
Vorsorglich möchten wir es jedoch nicht versäumen, Ihnen schon jetzt erforderliche Mehrkosten infolge der verspäteten Vergabe und den damit verbundenen geänderten Ausführungsfristen anzukündigen. Die Grundlage dazu ist der § 2 Abs. 5 der VOB/B."
7Im Rahmen der Bauanlaufberatung am pflegte die Klägerin die durch die Vergabestelle neu vorgegebenen Termine in einen Bauzeitenplan ein und verlangte zugleich eine Mehrvergütung infolge der zeitlichen Verzögerungen.
8Mit Schreiben vom teilte die Vergabestelle der Klägerin mit, ihr sei mit dem Zuschlagsschreiben vom kein Auftrag auf ihr Angebot vom erteilt worden. Das im Zuschlagsschreiben enthaltene modifizierte Angebot der Beklagten habe die Klägerin nicht angenommen, weil sie die geänderten Vertragsfristen nicht als ursprünglichen Vertragsinhalt bestätigt und eine Mehrvergütung verlangt habe. Die Beklagte informierte die Klägerin zudem mit Schreiben vom darüber, dass sie das Vergabeverfahren gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A aufgehoben habe, weil der Zuschlag aufgrund der eingetretenen Verzögerungen nicht mehr rechtzeitig für den beabsichtigten Baubeginn habe erteilt werden können.
9In dem gegen die Aufhebung der Ausschreibung geführten Nachprüfungsverfahren wies die zuständige Vergabekammer den Nachprüfungsantrag der Klägerin als unbegründet zurück. Die Beklagte führte ein neues Vergabeverfahren durch, in dessen Rahmen sie die Bauleistungen modifizierte und an ein Drittunternehmen vergab.
Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt,
festzustellen, dass im Rahmen des Vergabeverfahrens … zwischen ihr und der Beklagten ein wirksamer Vertrag zustande gekommen ist,
hilfsweise für den Fall der Unwirksamkeit des Zuschlags, der Beklagten aufzugeben, das Vergabeverfahren … unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts fortzuführen,
höchst hilfsweise für den Fall der Wirksamkeit der Aufhebung, festzustellen, dass die Aufhebung des Vergabeverfahrens … rechtswidrig war,
und äußerst hilfsweise für den Fall der Unzulässigkeit des höchst hilfsweise gestellten Antrags, die Beklagte zu verurteilen, an sie 243.881,01 € nebst Zinsen zu zahlen.
10Das Landgericht hat der Klage hinsichtlich des Hauptantrags stattgegeben. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt.
11In dem Berufungsverfahren hat die Klägerin neben ihrem auf Zurückweisung der gegnerischen Berufung gerichteten Antrag nunmehr hilfsweise beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 171.198,78 € nebst Zinsen zu zahlen;
äußerst hilfsweise festzustellen, dass die Zuschlagserteilung unter Abänderung vergaberechtswidrig war.
12Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das Urteil des Landgerichts abgeändert, die Klage hinsichtlich des Haupt- und Hilfsantrags abgewiesen und auf den äußerst hilfsweise gestellten Antrag der Klägerin festgestellt, dass die Zuschlagserteilung unter Abänderung mit Zuschlagsschreiben vom vergaberechtswidrig war.
13Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Haupt- und Hilfsantrag weiter.
Gründe
I.
14Die Revision ist hinsichtlich des Hauptantrags zulässig, aber nicht begründet.
151. Das Berufungsgericht hat zum Hauptantrag ausgeführt:
16Zwischen den Parteien sei kein Bauvertrag durch das Zuschlagsschreiben der Beklagten vom zustande gekommen.
17Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei in den Fällen, in denen sich aus dem Zuschlagsschreiben eindeutig neue Bauzeiten ergäben, danach zu differenzieren, ob der öffentliche Auftraggeber seinen vom Angebot abweichenden Willen deutlich zum Ausdruck gebracht habe. Ausgehend davon könne in dem Zuschlagsschreiben keine Annahme des von der Klägerin in dem Vergabeverfahren abgegebenen Angebots gesehen werden. Vielmehr habe es sich um eine modifizierte Annahme gehandelt, durch die in rechtlicher Hinsicht eine Ablehnung des Angebots der Klägerin im Vergabeverfahren verbunden mit dem Angebot auf Abschluss eines anderen Bauvertrags erfolgt sei, in dem Ausführungsfristen neu festgelegt wurden. Das ergebe sich daraus, dass das Zuschlagsschreiben auf eine Änderung der in den Vergabeunterlagen zwingend vorgegebenen und im Angebot der Klägerin ausschreibungskonform enthaltenen Ausführungsfristen gerichtet gewesen sei. Von den beiden im Zuschlagsschreiben vorgesehenen Varianten - der Ausführung der Arbeiten zu den bisher festgelegten oder zu den neuen Vertragsfristen - habe sich die Beklagte durch das Ankreuzen der zweiten Variante für die Neuregelung der Vertragsfristen entschieden und sodann diese näher benannt. Mit der im Zuschlagsschreiben weiter enthaltenen Aufforderung, die Klägerin solle sich gemäß § 18 Abs. 2 VOB/A (2016) unverzüglich über die Annahme des Zuschlagsschreibens erklären, sei der Klägerin als Erklärungsempfängerin deutlich gemacht worden, dass die Beklagte nicht von einem wirksamen Vertragsschluss ausgegangen sei. Aus der in dem Formular verwendeten Überschrift "Zuschlagsschreiben" könnten keine sicheren Rückschlüsse gezogen werden, ob der Zuschlag uneingeschränkt oder modifiziert erteilt werde. Die bei der Auslegung von Willenserklärungen gebotene Gesamtbetrachtung verdeutliche, dass dieser Teil des Schreibens nur der Auftakt einer Gesamterklärung sei, was die Klägerin als verständige Empfängerin habe erkennen können.
18Die in den letzten beiden Absätzen des Zuschlagsschreibens enthaltenen Erklärungen führten nicht zu einem abweichenden Verständnis. Diese seien zwar als Maßnahmen der Vertragsabwicklung zu bewerten, weil die Vergabestelle dadurch Handlungsanweisungen zum Abschluss des Vergabeverfahrens im HVA B-StB verfolgt habe. Alle von der Beklagten erhobenen Forderungen hätten indes unter einem Vorbehalt gestanden und seien bereits im Vorgriff auf den zu erwartenden Vertragsschluss erfolgt. Das Schreiben der Beklagten vom habe keinen für die Auslegung des Zuschlagsschreibens maßgeblichen Erklärungswert, weil es nur dazu gedient habe, der Klägerin eine Information über den Verfahrensstand zukommen zu lassen.
19Die Klägerin habe mit ihrem Schreiben vom das mit der modifizierten Annahme verbundene Angebot der Beklagten in dem Zuschlagsschreiben nicht angenommen. Ihr Dank für die Zuschlagserteilung sei untrennbar mit der eindeutigen Erklärung verknüpft gewesen, derzeit die neuen Vertrags-fristen nicht bestätigen zu können. Die in dem Schreiben enthaltene Ankündigung von Mehrvergütungsansprüchen mache deutlich, dass die Klägerin von einer nachträglichen Änderung des Bauentwurfs im Sinne von § 1 Abs. 3 VOB/B und damit von dem Zustandekommen des Vertrags mit den in ihrem Angebot enthaltenen Ausführungsfristen ausgegangen sei. Gleiches gelte für das Verhalten der Klägerin in der Bauanlaufbesprechung vom . Sie habe weiter einen Anspruch auf Mehrvergütung nach § 2 Abs. 5 VOB/B geltend gemacht, der voraussetze, dass die in ihrem Angebot vom enthaltenen Vertragsfristen weiterhin vereinbart seien. Übereinstimmende Willenserklärungen der Parteien zum Abschluss eines Bauvertrags über die Streckenbauleistungen hätten auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht vorgelegen.
202. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand. Rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass ein Vertrag zwischen den Parteien nicht zustande gekommen ist. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung der von den Parteien abgegebenen Willenserklärungen ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
21a) Die Auslegung von Individualvereinbarungen ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Dessen Auslegung unterliegt nur einer eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung dahingehend, ob Verstöße gegen gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, sonstige Erfahrungssätze oder die Denkgesetze vorliegen oder ob die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht, etwa weil wesentliches Auslegungsmaterial unter Verstoß gegen Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen worden ist (vgl. Rn. 19, BauR 2018, 1403 = NZBau 2018, 524; Urteil vom - VII ZR 60/14 Rn. 17, BauR 2015, 828 = NZBau 2015, 220; Urteil vom - VII ZR 193/10 Rn. 14, BGHZ 194, 301).
22Derartige Verstöße sind dem Berufungsgericht nicht anzulasten.
23b) Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die Beklagte das Angebot der Klägerin mit dem Zuschlagsschreiben vom nicht unverändert angenommen hat, sondern ein modifizierter Zuschlag gemäß § 150 Abs. 2 BGB erfolgt ist. Es hat zu Recht angenommen, dass in dem Zuschlagsschreiben der Wille der Beklagten klar und eindeutig zum Ausdruck gekommen ist, eine neue Bauzeit nicht nur unverbindlich vorzuschlagen, sondern durch das Abweichen von den in dem Angebot der Klägerin enthaltenen Ausführungsfristen neue Baufristen vertraglich regeln zu wollen.
24aa) Die Frage, ob und mit welchem Inhalt ein Bauvertrag in einem verzögerten öffentlichen Vergabeverfahren zustande kommt, war bereits Gegenstand mehrerer Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (vgl. Rn. 34 ff., BGHZ 181, 47; Urteil vom - VII ZR 213/08 Rn. 19, BGHZ 186, 295; Urteil vom - VII ZR 201/08 Rn. 14, BauR 2011, 503 = NZBau 2011, 97; Urteil vom - VII ZR 193/10 Rn. 20 ff., BGHZ 194, 301).
25Danach kann ein Zuschlag in einem solchen Fall selbst dann zu den angebotenen Fristen erfolgen, wenn diese nicht mehr eingehalten werden können. Das gilt jedenfalls, wenn der Zuschlag erfolgt, ohne dass er ausdrückliche Erklärungen zur Anpassung der vorgesehenen Regelungen zur Bauzeit oder zur hiervon abhängigen Vergütung enthält. Die im Rahmen des § 150 Abs. 2 BGB geltenden Grundsätze erfordern, dass der Empfänger eines Vertragsangebots, will er von dem Vertragswillen des Anbietenden abweichen, dies in der Annahmeerklärung klar und unzweideutig zum Ausdruck bringt. Fehlt es daran, kommt der Vertrag zu den Bedingungen des Angebots zustande ( Rn. 34 f., BGHZ 181, 47; Urteil vom - VII ZR 213/08 Rn. 19, BGHZ 186, 295; Urteil vom - VII ZR 201/08 Rn. 14, BauR 2011, 503 = NZBau 2011, 97; Urteil vom - VII ZR 193/10 Rn. 20 ff., BGHZ 194, 301; Urteil vom - VII ZR 60/14 Rn. 26, BauR 2015, 828 = NZBau 2015, 220). Der so zustande gekommene Bauvertrag ist, wenn die Parteien sich im Nachhinein nicht einigen, ergänzend dahin auszulegen, dass die Bauzeit unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und der vertragliche Vergütungsanspruch in Anlehnung an die Grundsätze des § 2 Abs. 5 VOB/B anzupassen sind (vgl. Rn. 44 ff., BGHZ 181, 47).
26Für eine solche Auslegung ist indes kein Raum, wenn sich aus dem Zuschlagsschreiben klar und eindeutig ergibt, dass die neue Bauzeit Bestandteil des Vertrags werden soll. Das ist etwa der Fall, wenn über die Bauzeit nicht mehr verhandelt werden soll, der Auftraggeber sie also einseitig vorgibt und er dem Auftragnehmer nur die Möglichkeit lässt, sie als Vertragsbestandteil anzunehmen oder das so geänderte Angebot - eventuell verbunden mit einem eigenen Vorschlag - abzulehnen. Ob eine Erklärung im Zuschlagsschreiben in dieser Weise verstanden werden muss, hat der Tatrichter unter Berücksichtigung aller Umstände durch Auslegung zu ermitteln. Enthält das Zuschlagsschreiben wegen der Verzögerung des Vergabeverfahrens eine neue Bauzeit und bringt der Auftraggeber darin eindeutig und klar zum Ausdruck, dass er den Vertrag mit diesen Fristen zu dem angebotenen Preis bindend schließen will, kann es nicht dahin ausgelegt werden, der Zuschlag sei auf eine Leistung zur ausgeschriebenen Bauzeit erteilt worden. Die Erteilung des Zuschlags stellt in einem solchen Fall, eine Ablehnung des im Vergabeverfahren unterbreiteten Angebots des Bieters und zugleich ein neues Angebot des Auftraggebers dar ( Rn. 16, BGHZ 194, 301).
27bb) Die vom Senat aufgestellten Grundsätze hat das Berufungsgericht bei der Auslegung des Zuschlagsschreibens beachtet. Es hat in revisionsrechtlich nicht angreifbarer Weise das Zuschlagsschreiben dahin ausgelegt, dass die Beklagte ein von ihr als bindend verstandenes Angebot zu einer neuen Bauzeit abgegeben hat. Dabei hat es sich in nicht zu beanstandender Weise davon leiten lassen, dass der Wortlaut der Erklärung zur veränderten Bauzeit auf den Abschluss einer neuen Vereinbarung zielt. Die Beklagte hat ausdrücklich erwähnt, dass die neuen Termine in Abweichung von den dem Angebot zugrundeliegenden Besonderen Vertragsbedingungen Vertragsbestandteil werden sollen. Sie hat von der Klägerin im Zuschlagsschreiben nicht lediglich eine Empfangsbestätigung oder Auftragsbestätigung, sondern eine unverzügliche Annahmeerklärung erbeten. Dabei hat sie sich auf § 18 Abs. 2 VOB/A bezogen, der die Möglichkeit vorsieht, Erweiterungen, Einschränkungen oder Änderungen vorzunehmen unter Aufforderung des Bieters, sich unverzüglich über die Annahme zu erklären.
28Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht weiter angenommen, dass die Verwendung des Formblatts mit der vorgegebenen Überschrift "Zuschlags- schreiben" keinen Rückschluss darauf zulässt, dass der Zuschlag auf das Angebot der Klägerin erteilt worden ist. Das Formular gilt für beide darin enthaltenen Varianten, das heißt auch für den modifizierten Zuschlag. In dem Zuschlagsschreiben wird zwar eingangs der Zuschlag auf das Hauptangebot der Klägerin erteilt. Daraus lässt sich im Hinblick auf die klare und eindeutige Bestimmung geänderter Ausführungsfristen als Vertragsbestandteil aber nicht ableiten, dass die Beklagte, zumindest was den Ausführungszeitraum betrifft, das Angebot der Klägerin unverändert annehmen wollte. Gleiches gilt zu den am Ende des Formulars enthaltenen Aufforderungen zur Vertragsabwicklung. Die Annahme des Berufungsgerichts, diese Erklärungen stünden unter dem Vorbehalt der Annahme des modifizierten Angebots und seien im Vorgriff auf den zu erwartenden Vertragsschluss ergangen, ist als Ergebnis tatrichterlicher Auslegung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Angesichts der klaren und eindeutigen Formulierungen im Zuschlag lässt sich ein Wille der Beklagten, zur Bauzeit nur ein unverbindliches Verhandlungsangebot abzugeben, nicht feststellen.
29cc) Ein davon abweichendes Verständnis ergibt sich nicht aus dem Grundsatz des vergaberechtlichen Nachverhandlungsverbots (§ 15 Abs. 3 VOB/A). Bei der Auslegung von Willenserklärungen des Auftraggebers im Vergabeverfahren ist zwar grundsätzlich davon auszugehen, dass von diesem im Zweifel ein vergaberechtskonformes Verhalten zu erwarten ist. Das bedeutet jedoch nicht, dass bei einem klaren und eindeutigen Willen zu einer veränderten Annahme das damit abgegebene neue Angebot nicht so ausgelegt werden kann, dass sich der Auftraggeber möglicherweise nicht vergaberechtskonform verhält und damit unter Umständen auch gegen seine Interessen und die Interessen des Auftragnehmers die Angaben zur Bauzeit als bindend verstanden wissen will. Es gibt keinen allgemeinen Grundsatz, dass der Auftraggeber sich stets vergaberechtskonform verhält. Daher lässt sich auch aus der Verwendung des Standardformulars gemäß HVA B-StB nichts Gegenteiliges herleiten. Rechtlich ist es möglich, dass der Auftraggeber unter Verstoß gegen das Nachverhandlungsverbot einen Zuschlag unter veränderten Bedingungen erteilt und damit ein neues Angebot im Sinne des § 150 Abs. 2 BGB abgibt. Maßgeblich für das Zustandekommen des auf der Grundlage einer öffentlichen Ausschreibung zu schließenden Vertrags sind die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (vgl. Rn. 21, BGHZ 194, 301; vgl. auch Rn. 16, BauR 2017, 1531 = NZBau 2017, 559).
30dd) Soweit das Berufungsgericht angenommen hat, dass das Schreiben der Beklagten vom für die Auslegung des Zuschlagsschreibens unerheblich ist, weil es nur dazu gedient hat, der Klägerin eine Information über den Verfahrensstand zukommen zu lassen, ist auch dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
31c) Das Berufungsgericht ist des Weiteren rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die Klägerin das modifizierte Angebot der Beklagten nicht angenommen hat.
32Für einen wirksamen Vertragsschluss bedarf es der - vorbehaltlosen - Annahme des modifizierten Angebots durch den Bieter. Die Klägerin hat zwar die geänderten Bauzeiten in der Bauanlaufbesprechung bestätigt. Sie hat indes die Ausführung der Arbeiten von einer zusätzlichen Vergütung abhängig gemacht. Dadurch hat sie das modifizierte Angebot der Beklagten mit geänderten Bauzeiten zu den in ihrem Angebot enthaltenen ursprünglichen Preisen abgelehnt (vgl. Rn. 24 f., BGHZ 194, 301). Mithin lässt sich allein auf die Teilnahme der Klägerin an der Bauanlaufbesprechung ein konkludenter Vertragsschluss nicht stützen. Soweit in der Ablehnung durch die Klägerin und der damit verbundenen Forderung einer zusätzlichen Vergütung ihrerseits wieder ein neues Angebot gesehen werden könnte, bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte dieses ausdrücklich oder konkludent angenommen hat.
II.
33Die Revision ist hinsichtlich des Hilfsantrags ebenfalls zulässig, aber nicht begründet.
341. Das Berufungsgericht hat die Revision auch hinsichtlich des Hilfsantrags zugelassen. Eine Einschränkung der Revisionszulassung ist weder dem Tenor noch den Urteilsgründen zu entnehmen.
35Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss die Beschränkung nicht im Tenor des Berufungsurteils angeordnet sein, sondern kann sich auch aus dessen Gründen ergeben. Allerdings muss sich in diesem Fall die Beschränkung den Urteilsgründen eindeutig entnehmen lassen (vgl. Rn. 17, NJW 2019, 2923; Urteil vom - VIII ZR 96/09 Rn. 18, NJW 2010, 3015). Diese Voraussetzung liegt nicht vor.
362. Die Revision der Klägerin ist hinsichtlich des Hilfsantrags unbegründet.
37a) Das Berufungsgericht hat insoweit ausgeführt, die Klägerin habe die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Ersatz des positiven Interesses wegen der rechtswidrigen Aufhebung des Vergabeverfahrens nicht schlüssig dargelegt. Ein solcher Anspruch erfordere, dass der ausgeschriebene Auftrag nach Aufhebung der Ausschreibung an einen anderen Auftragnehmer erteilt worden sei. Es sei unstreitig, dass die Beklagte den im Jahre 2018 ausgeschriebenen Bauauftrag nicht vergeben habe und die neue Ausschreibung des Streckenausbaus auf einen anderen Vertrag, nämlich unter grundlegender Änderung der Vergabeunterlagen, gerichtet gewesen sei. Die eingetretene Änderung des Beschaffungsbedarfs sei im Hinblick auf den Straßenaufbau (Struktur der Tragschichten) und auf den Wegfall der Schutzplanken als grundlegend zu bewerten. Hierauf sei die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom hingewiesen worden.
38b) Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.
39Rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Klägerin kein Schadenersatzanspruch auf Erstattung des entgangenen Gewinns (positives Interesse) gemäß § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB zusteht.
40aa) Mit der Ausschreibung und der Beteiligung des Bieters am Ausschreibungsverfahren kommt ein vertragsähnliches Vertrauensverhältnis zustande, das die Parteien zur gegenseitigen Rücksichtnahme verpflichtet und auf beiden Seiten Sorgfaltspflichten begründet, deren schuldhafte Verletzung Schadensersatzansprüche auslösen kann (, NZBau 2004, 283, juris Rn. 10 m.w.N.). Solche Ansprüche kommen in Betracht, wenn die öffentliche Hand eine Ausschreibung aufhebt, ohne dass einer der in § 17 Abs. 1 VOB/A genannten Aufhebungsgründe vorliegt. Dem Bieter, der bei Fortsetzung des Verfahrens und Vergabe des Auftrags den Zuschlag erhalten hätte, steht in diesem Fall ein Anspruch auf Ersatz der mit der Teilnahme am Verfahren verbundenen Aufwendungen zu (Ersatz des negativen Interesses).
41Ein auf das positive Interesse gerichteter Schadensersatzanspruch des Bieters setzt (auch bei Fehlen eines Aufhebungsgrunds im Sinne von § 17 Abs. 1 VOB/A) voraus, dass ihm bei ordnungsgemäßem Verlauf des Vergabeverfahrens der Zuschlag hätte erteilt werden müssen und der ausgeschriebene oder ein diesem wirtschaftlich gleichzusetzender Auftrag an einen Dritten vergeben worden ist ( Rn. 16, NZBau 2013, 180; Urteil vom - X ZR 115/04 Rn. 26, NZBau 2006, 797; Urteil vom - X ZR 282/02, NZBau 2004, 283, juris Rn. 11). Für die Beurteilung dieser Frage ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten, wonach die ausgeschriebenen und die tatsächlich in Auftrag gegebenen Leistungen zu vergleichen sind (, NZBau 2004, 283, juris Rn. 16; Urteil vom - X ZR 99/96, BGHZ 139, 280, juris Rn. 35). Bestehen zu dem erteilten Auftrag erhebliche Unterschiede, kommt grundsätzlich ein Schadensersatzanspruch auf Erstattung des entgangenen Gewinns nicht Betracht, weil der ausgeschriebene Auftrag nicht zur Ausführung gelangt ist (vgl. , BGHZ 139, 280, juris Rn. 35). Etwas Anderes gilt nur, wenn der übergangene Bieter auf Besonderheiten verweisen kann, die den Auftraggeber hätten veranlassen müssen, ihm den geänderten Auftrag zu erteilen (vgl. , BauR 2003, 240 = NZBau 2003, 168, juris Rn. 21). Hat die spätere Vergabe bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung dagegen den gleichen Auftrag zum Gegenstand, muss der später erteilte Zuschlag im Hinblick auf die Ersatzpflicht des Ausschreibenden einem Zuschlag auf die erste Ausschreibung gleichgesetzt werden.
42bb) Nach diesen Maßstäben ist die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe die Voraussetzungen für den Anspruch auf Ersatz des positiven Interesses nicht schlüssig dargelegt, nicht zu beanstanden.
43Rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, es fehle an der Anspruchsvoraussetzung, dass der ausgeschriebene Auftrag einem Dritten erteilt worden ist. Es hat angenommen, die Beklagte habe den ursprünglich ausgeschriebenen Auftrag nicht vergeben, weil die neue Ausschreibung unter grundlegender Änderung der Vergabeunterlagen erfolgt und damit auf einen anderen Vertrag gerichtet gewesen sei. Es hat die eingetretene Änderung des Beschaffungsbedarfs im Hinblick auf den Straßenaufbau (Struktur der Tragschichten) und den Wegfall der Schutzplanken als grundlegend erachtet und damit eine wirtschaftliche Identität zu dem ausgeschriebenen Auftrag verneint. Die dagegen erhobene Verfahrensrüge der Revision hat der Senat geprüft und nicht für durchgreifend erachtet, § 564 Satz 1 ZPO. Soweit die Revision die Änderungen der Vergabeunterlagen als unwesentliche Abweichung der Vertragsleistungen wertet, setzt sie lediglich ihre eigene Wertung an die Stelle des Berufungsgerichts, ohne aufzuzeigen, dass bei der Beurteilung wesentliche Umstände außer Acht gelassen wurden.
44cc) Es kann daher dahinstehen, ob ein Aufhebungsgrund im Sinne von § 17 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A gegeben ist.
III.
45Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:030720UVIIZR144.19.0
Fundstelle(n):
WM 2021 S. 2002 Nr. 41
UAAAH-54411