BGH Urteil v. - VIII ZR 323/18

Teilurteil gegen einen von mehreren Streitgenossen; Fortsetzung des Mietverhältnisses nach Widerspruch gegen eine ordentliche Kündigung bei Vorliegen von Gründen für eine außerordentliche Kündigung; Folgen der fristgerechten Schonfristzahlung

Leitsatz

1. Ein Teilurteil über die Klage gegen einen von mehreren einfachen Streitgenossen ist in der Regel unzulässig, wenn die Möglichkeit besteht, dass es in demselben Rechtsstreit, auch im Instanzenzug, zu einander widersprechenden Entscheidungen kommt (Bestätigung von , NJW 2018, 623 Rn. 7; vom - VI ZR 279/14, NJW 2015, 2429 Rn. 7; vom - VI ZR 8/03, NJW 2004, 1452 unter II 1 a; vom - VI ZR 77/98, NJW 1999, 1035 unter II 2).

2. Der nach Widerspruch gegen eine ordentliche Kündigung unter den Voraussetzungen des § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB gegebene Anspruch des Mieters auf Fortsetzung des Mietverhältnisses ist nach § 574 Abs. 1 Satz 2 BGB ausgeschlossen, wenn ein Grund vorliegt, der den Vermieter zu einer außerordentlichen fristlosen Kündigung berechtigt. Dabei ist es nicht erforderlich, dass der Vermieter die außerordentliche Kündigung erklärt hat; es genügt, wenn dem Vermieter bei Zugang der ordentlichen Kündigung (auch) ein Recht zur fristlosen Kündigung zusteht.

Eine fristgerechte Schonfristzahlung nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB ändert an dem Ausschluss des Fortsetzungsanspruchs des Mieters nichts, da sie einer ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung im Wege der gesetzlichen Fiktion lediglich rückwirkend deren Gestaltungswirkung nimmt (vgl. hierzu , BGHZ 220, 1 Rn. 21 ff., und VIII ZR 261/17, WuM 2018, 758 Rn. 29 ff.), nicht aber dazu führt, dass ein Grund für die fristlose Kündigung von vornherein nicht bestand (vgl. hierzu Senatsurteil vom - VIII ZR 6/04, NZM 2005, 334 unter II 2 d bb). Für eine teleologische Reduktion von § 574 Abs. 1 BGB dahin, dass das Widerspruchsrecht des Mieters mit fristgerechter Schonfristzahlung neu entsteht oder wiederauflebt, ist kein Raum, da es an einer hierfür notwendigen planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes - verdeckten Regelungslücke - fehlt.

Gesetze: § 301 ZPO, § 574 Abs 1 S 1 BGB, § 569 Abs 3 Nr 2 BGB, § 574 Abs 1 S 2 BGB

Instanzenzug: Az: 64 S 4/18 Urteilvorgehend Az: 206 C 310/17

Tatbestand

1Der (inzwischen verstorbene) Ehemann der Beklagten zu 1 mietete im Jahr 1987 von der Rechtsvorgängerin der Kläger eine Zweieinhalbzimmerwohnung in Berlin an. Die Beklagte zu 1 lebt seit 1989 in der Wohnung und ist nach dem Tod ihres Ehemannes im Jahr 2004 in das Mietverhältnis eingetreten. Im Jahr 2007 zog auch ihr Lebensgefährte, der Beklagte zu 2, in die Wohnung ein, in der sie nunmehr mit ihren gemeinsamen minderjährigen Kindern (geboren in den Jahren 2011 und 2014) leben.

2Die Miete betrug zuletzt einschließlich Betriebs- und Heizkostenvorauszahlung 563,92 €. Nachdem ein Zahlungsrückstand von 1.629,16 € (1.303,85 € Grundmiete und 325,31 € Betriebskostennachzahlung) aufgelaufen war, kündigten die Kläger mit Schreiben vom das Mietverhältnis außerordentlich, hilfsweise ordentlich. Wegen des vorgenannten Rückstands erhoben die Kläger in einem Vorprozess Klage auf Zahlung rückständiger Miete gegen die Beklagte zu 1, die daraufhin mit Urteil vom antragsgemäß zur Zahlung verurteilt wurde. Ende Juli 2017 summierte sich der Mietrückstand auf nunmehr 2.757 €.

3Mit der vorliegenden Klage haben die Kläger zunächst die Beklagte zu 1 und durch Klagerweiterung in der Berufungsinstanz auch den Beklagten zu 2 auf Räumung und Herausgabe der Wohnung in Anspruch genommen, wobei sie wegen des Rückstands per Ende Juli 2017 in der Klagschrift erneut die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung ausgesprochen haben. Die Mietrückstände sind innerhalb der Schonfrist vom Jobcenter vollständig beglichen worden.

4Die Beklagte zu 1 hat geltend gemacht, die Beendigung des Mietverhältnisses stelle für sie angesichts der langen Wohndauer und der damit einhergehenden Verwurzelung, wegen fehlenden Ersatzwohnraums sowie mit Rücksicht auf die bei beiden Kindern bestehenden Entwicklungsauffälligkeiten eine unzumutbare Härte dar.

5Das Amtsgericht hat der Räumungsklage gegen die Beklagte zu 1 stattgegeben. Auf die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten zu 1 hat das Landgericht durch Teilurteil bezüglich der Beklagten zu 1 das erstinstanzliche Urteil abgeändert, die Räumungsklage insoweit abgewiesen und ausgesprochen, dass sich das Mietverhältnis nach §§ 574, 574a BGB infolge einer nicht zu rechtfertigenden Härte auf unbestimmte Zeit verlängere. Im Hinblick auf die gegen den Beklagten zu 2 gerichtete Räumungsklage hat das Berufungsgericht das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehren die Kläger die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

Gründe

6Die Revision hat Erfolg.

I.

7Das Berufungsgericht (LG Berlin, GE 2019, 966) hat, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

8Der Rechtsstreit sei im Hinblick auf den von den Klägern geltend gemachten Räumungsanspruch zur Endentscheidung reif im Sinne von § 301 Abs. 1 ZPO. Da es sich bei dem Beklagten zu 2 um einen Dritten handele, zu dem seitens der Kläger mietvertragliche Beziehungen nicht bestünden, sei die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen nicht gegeben.

9Den Klägern stehe ein Räumungsanspruch gegen die Beklagte zu 1 nicht zu. Zwar habe das Amtsgericht zu Recht angenommen, die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung sei wirksam, da die Beklagte zu 1 ihre Pflichten aus dem Mietverhältnis nicht unerheblich verletzt habe (§ 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB).

10Der geltend gemachte Räumungsanspruch sei aber dennoch unbegründet, weil sich das Mietverhältnis nach den §§ 574, 574a BGB infolge einer für die Beklagte zu 1 nicht zu rechtfertigenden Härte auf unbestimmte Zeit verlängert habe. Die Beklagte zu 1 habe schon im ersten Termin des Räumungsrechtsstreits (§ 574b Abs. 2 Satz 2 BGB) erklärt, aufgrund der besonderen familiären Situation nicht einfach aus der Wohnung ausziehen zu können. Dieses angesichts ihrer beengten finanziellen Verhältnisse nachvollziehbare Vorbringen sei nach § 574 Abs. 2 BGB grundsätzlich als Härteeinwand zu berücksichtigen und als Widerspruch gegen die Kündigung des Mietverhältnisses auszulegen; es führe gemäß § 574a BGB, § 308a ZPO zur Anordnung der Fortsetzung des Mietverhältnisses.

11Der Widerspruch der Beklagten zu 1 sei nicht etwa deswegen nach § 574 Abs. 1 Satz 2 BGB ausgeschlossen, weil die ordentliche Kündigung auf Gründen beruhte, die die Kläger auch zur außerordentlichen fristlosen Kündigung berechtigten. Seien dem Mieter verhaltensbedingte Vertragsverletzungen vorzuwerfen, die eine fristlose Beendigung des Mietverhältnisses tragen könnten, solle der Widerspruch des Mieters nach der Ratio des Gesetzes deshalb ausgeschlossen sein, weil er in solchen Fällen keinen Schutz verdiene. Diese Erwägung treffe aber auf Fälle wie den Vorliegenden nicht zu, da die fristlose Kündigung mit der Schonfristzahlung unwirksam geworden sei mit der Folge, dass die ursprünglich bestehenden und auch hinreichenden Kündigungsgründe nach Anordnung des diesen Ausnahmefall regelnden § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB eine fristlose Kündigung - rückwirkend - nicht (mehr) tragen könnten.

12Der Bundesgerichtshof habe zwar in seinem Urteil vom (VIII ZR 6/04, JR 2006, 28) angenommen, § 574 Abs. 1 Satz 2 BGB stehe auch nach einer wirksamen Schonfristzahlung einem Widerspruch des Mieters und einer Fortsetzung des Mietverhältnisses entgegen. Die Kammer halte es jedoch für sachgerecht, den Anwendungsbereich des § 574 Abs. 1 Satz 2 BGB im Wege der teleologischen Reduktion dahin einzuschränken, dass das Widerspruchsrecht mit einer wirksamen Schonfristzahlung entstehe oder wiederauflebe. Nach den Beobachtungen der Kammer habe sich die Befürchtung, Vermieter könnten angesichts sich verengender Mietmärkte und erhöhter Ertragschancen bei Neuvermietung vermehrt versuchen, die Schonfrist durch eine "kombinierte Kündigung" zu unterlaufen, jedenfalls für ihren Zuständigkeitsbereich bestätigt. Im Übrigen erscheine die Annahme eines Widerspruchsrechts nach wirksamer Schonfristzahlung nicht nur für Gemeinden mit einer Wohnungsmangellage, sondern generell sachgerecht, denn ein Widerspruch könne sich auch auf Härtegründe beziehen, die hiervon unabhängig bestünden. Auch der Härtegrund des fehlenden Ersatzwohnraums werde nicht nur durch die örtlichen Gegebenheiten, sondern maßgeblich auch durch die persönlichen Umstände des Mieters bestimmt.

13Aufgrund der Anwendbarkeit der §§ 574, 574a BGB habe sich das Mietverhältnis infolge einer nicht zu rechtfertigenden Härte auf unbestimmte Zeit verlängert. Vorliegend sei die Härte in der besonderen Familiensituation der Beklagten, dem langandauernden Mietverhältnis und dem Fehlen von angemessenem Ersatzwohnraum begründet mit der Folge, dass das Interesse der Beklagten am Erhalt der Wohnung das Interesse der Kläger an der Erlangung der Wohnung überwiege.

14Die der Beklagten zu 1 und ihrer Familie im Falle der Beendigung des Mietverhältnisses drohende Härte sei auch unter Würdigung der berechtigten Interessen der Kläger nicht zu rechtfertigen. Bei einer Abwägung der Interessen der Beklagten zu 1 an dem Fortbestand des Mietverhältnisses und dem Interesse der Kläger an der Erlangung der Wohnung überwögen die Interessen der Beklagten zu 1, so dass das Erlangungsinteresse der Kläger zurücktreten müsse. Dem Interesse der Kläger komme ein geringeres Gewicht zu. Sie selbst hätten weder ein Eigennutzungsinteresse noch seien sie aus persönlichen Gründen auf die Nutzung der Wohnung angewiesen. Die Mietrückstände, aufgrund derer die Kündigungen erklärt worden seien, beliefen sich auf 1.629,16 € am und auf 2.157 € am . Auch vor dem Hintergrund der jahrzehntelangen Dauer des Mietverhältnisses erschienen diese Beträge zu gering, um eine nachhaltige Gefährdung der Interessen der Kläger zu begründen, zumal der Mietrückstand innerhalb der Schonfrist beglichen worden und seither auch keine neuen Rückstände aufgetreten seien. Die Kammer übersehe dabei nicht, dass die Beklagte zu 1 über einen Zeitraum mehrerer Jahre im Zahlungsverzug gewesen sei und ihr Verschulden zudem mit unberechtigten Minderungseinwänden zu rechtfertigen gesucht habe. Sie meine aber, dass das Verhalten der Beklagten zu 1 nach Klageerhebung, namentlich die Schonfristzahlungen und die vollständige Tilgung der seither fällig gewordenen Forderungen der Kläger, geeignet sei, den eingetretenen Vertrauensverlust der Kläger zu einem wesentlichen Teil auszugleichen, so dass ihnen die Fortsetzung des Mietverhältnisses zuzumuten sei, um die der Beklagten zu 1 und ihrer Familie andernfalls drohende Härte abzuwenden.

15Gemäß § 574a Abs. 2 Satz 2 BGB sei die Fortführung des Mietverhältnisses auf unbestimmte Zeit auszusprechen. Denn es sei ungewiss, wann voraussichtlich die Umstände wegfielen, aufgrund derer die Beendigung des Mietverhältnisses für die Beklagte zu 1 eine Härte darstelle. Ein bestimmter Zeitraum, innerhalb dessen die Räumungsfähigkeit der Beklagten wiederhergestellt werden könne, sei nicht festzustellen.

II.

16Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung in mehrfacher Hinsicht nicht stand. Das Berufungsgericht hat ein unzulässiges Teilurteil erlassen, das bereits aus diesem Grund der Aufhebung unterliegt. Zudem hat das Berufungsgericht verkannt, dass das Widerspruchsrecht der Beklagten zu 1 gemäß § 574 Abs. 1 Satz 2 BGB ausgeschlossen ist. Die - vom Berufungsgericht nicht im Einzelnen geprüften - Voraussetzungen einer richterlichen Rechtsfortbildung im Wege einer teleologischen Reduktion liegen nicht vor.

171. Wie die Revision zu Recht rügt, ist das Berufungsurteil schon deshalb aufzuheben, weil es in verfahrensrechtlich unzulässiger Weise in Form eines Teilurteils nur bezüglich der Beklagten zu 1 ergangen ist.

18a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf auch bei grundsätzlicher Teilbarkeit des Streitgegenstandes ein Teilurteil (§ 301 ZPO) nur ergehen, wenn die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen - auch infolge abweichender Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht - ausgeschlossen ist. Eine Gefahr sich widersprechender Entscheidungen ist namentlich dann gegeben, wenn in einem Teilurteil eine Frage entschieden wird, die sich dem Gericht im weiteren Verfahren über andere Ansprüche oder Anspruchsteile noch einmal stellt oder stellen kann. Das gilt auch insoweit, als es um die Möglichkeit einer unterschiedlichen Beurteilung von bloßen Urteilselementen geht, die weder in Rechtskraft erwachsen noch das Gericht nach § 318 ZPO für das weitere Verfahren binden (st. Rspr.; vgl. nur IVb ZR 48/88, BGHZ 107, 236, 242; vom - III ZR 93/90, NJW 1992, 511 unter III 1; vom - VI ZR 69/96, NJW 1997, 1709 unter II 1; vom - VIII ZR 109/99, NJW 2001, 155 unter II 1 b; vom - VI ZR 8/03, NJW 2004, 1452 unter II 1 a; vom - X ZR 149/04, NJW 2007, 156 Rn. 12; vom - VIII ZR 47/07, NJW-RR 2009, 494 Rn. 14 f.; vom - VIII ZR 62/09, NJW-RR 2011, 189 Rn. 21; vom - VIII ZR 42/10, BGHZ 189, 356 Rn. 13).

19Eine solche Gefahr besteht bei einer Mehrheit selbständiger prozessualer Ansprüche etwa dann, wenn zwischen den prozessual selbständigen Ansprüchen eine materiell-rechtliche Verzahnung besteht (, BGHZ 157, 133, 142 f.; vom - X ZR 149/04, aaO; vom - VIII ZR 62/09, aaO Rn. 22; vom - VIII ZR 42/10, aaO Rn. 14). Hierzu kann es auch bei Klagen gegen mehrere Personen (subjektive Klagehäufung) kommen (, aaO S. 143; vom - VI ZR 436/16, NJW 2018, 623 Rn. 7).

20Ein Teilurteil über die Klage gegen einen von mehreren einfachen Streitgenossen ist daher in der Regel unzulässig, wenn die Möglichkeit besteht, dass es in demselben Rechtsstreit, auch im Instanzenzug, zu einander widersprechenden Entscheidungen kommt (, aaO; vom - VI ZR 279/14, NJW 2015, 2429 Rn. 7; vom - VI ZR 8/03, aaO; vom - VI ZR 77/98, NJW 1999, 1035 unter II 2). Zwar muss gegenüber einfachen Streitgenossen grundsätzlich keine einheitliche Entscheidung getroffen werden. Eine Teilentscheidung ist aber nur zulässig, wenn sie unabhängig von der Entscheidung über den restlichen Verfahrensgegenstand ist (, aaO; vom - VI ZR 279/14, aaO; vom - II ZR 112/07, NJW 2009, 230 Rn. 8). Dies ist etwa dann der Fall, wenn das Teilurteil nur auf Gründen beruht, die ausschließlich einen der Streitgenossen berühren (, NJW 2017, 1745 Rn. 7, und vom - VI ZR 436/16, aaO).

21b) Nach diesen Maßstäben durfte das Berufungsgericht ein klageabweisendes Teilurteil gegen die Beklagte zu 1 nicht mit der Begründung erlassen, sie habe der ordentlichen Kündigung der Kläger wirksam widersprochen, weil diese für sie eine unbillige Härte bedeute, so dass das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit fortzusetzen sei. Diese Begründung berührt, entgegen der rechtsirrigen Annahme des Berufungsgerichts, nicht allein das Rechtsverhältnis der Kläger zur Beklagten zu 1, sondern auch das Rechtsverhältnis zum Beklagten zu 2. Denn bestünde ein Herausgabeanspruch der Kläger gegen die Beklagte zu 1 nicht, wären die Anspruchsvoraussetzungen des § 546 Abs. 2 BGB, der einen Herausgabeanspruch des Vermieters nach Beendigung des Mietverhältnisses gegen den mitbesitzenden Dritten - hier den Beklagten zu 2 - regelt, nicht erfüllt. Allein dies führt zu einer materiell-rechtlichen Verzahnung der Räumungsansprüche der Kläger gegen die Beklagten zu 1 und 2.

22Aufgrund dessen besteht auch die Gefahr divergierender Entscheidungen. Denn die Rechtskraft der gegen den Mieter ergangenen Entscheidung über den Rückgabeanspruch des Vermieters aus § 546 Abs. 1 BGB bewirkt, wie der Senat bereits entschieden hat, hinsichtlich der Frage der Beendigung des Mietverhältnisses keine Bindung für eine nachfolgende Entscheidung über den gegen den Dritten gerichteten Rückgabeanspruch aus § 546 Abs. 2 BGB (Senatsurteil vom - VIII ZR 6/09, NJW 2010, 2208 Rn. 9; ebenso , NJW-RR 2006, 1385 Rn. 26 ff.; jeweils mwN). Im Falle des rechtskräftigen Abschlusses des Verfahrens im Verhältnis zur Beklagten zu 1 wären weder der Beklagte zu 2 noch die Kläger daran gehindert, in dem gegen den Beklagten zu 2 fortzuführenden Räumungsverfahren geltend zu machen, der Rechtsstreit sei im Verhältnis zu der Beklagten zu 1 unrichtig entschieden. Sowohl den Klägern als auch dem Beklagten zu 2 wäre es in dem Verfahren nicht verwehrt, geltend zu machen, das Mietverhältnis sei, abweichend von der Entscheidung gegen die Beklagte zu 1, beendet beziehungsweise nicht beendet oder, soweit man auf das vom Berufungsgericht angenommene Widerspruchsrecht der Beklagten zu 1 abstellte, aus Sicht des Beklagten zu 2 fortzusetzen - etwa weil das Berufungsgericht mögliche und in seiner Person als Angehöriger begründete Härtegründe bei der vorgenommenen Härteabwägung unberücksichtigt gelassen habe - oder aus Sicht der Kläger nicht fortzusetzen, weil der Beklagten zu 1 bereits dem Grunde nach kein Widerspruchsrecht zustehe. Daran ändert der Umstand nichts, dass das Berufungsgericht das Ruhen des gegen den Beklagten zu 2 gerichteten Verfahrens angeordnet hat (vgl. Senatsurteil vom - VIII ZR 42/10, aaO Rn. 16 ff.).

232. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung, das aufgrund der Kündigungen der Kläger beendete Mietverhältnis mit der Beklagten zu 1 sei auf deren Widerspruch gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB fortzusetzen, kann ein Räumungsanspruch der Kläger gegen die Beklagte zu 1 nach § 546 Abs. 1 BGB nicht verneint werden. Denn die Anwendung der Vorschrift des § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB ist nach § 574 Abs. 1 Satz 2 BGB ausgeschlossen, weil ein Grund vorliegt, der die Kläger zur außerordentlichen Kündigung berechtigt.

24a) Zwischen den Parteien steht allerdings nicht mehr im Streit, dass bei Erklärung der beiden fristlos, hilfsweise ordentlich ausgesprochenen Kündigungen des Mietverhältnisses vom und ein Zahlungsverzug von (deutlich) mehr als zwei Monatsmieten bestand (bei der zweiten Kündigung ein sich auf mehr als vier Monatsmieten belaufender, in der Zeit ab 2013 aufgebauter Rückstand) und damit sowohl die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b BGB als auch für eine ordentliche Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB vorlagen.

25Im Ausgangspunkt noch zutreffend hat das Berufungsgericht auch angenommen, dass die Schonfristzahlung lediglich dazu führt, dass die fristlose Kündigung unwirksam wird (§ 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB), die Wirksamkeit der hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigung davon aber nicht berührt wird (st. Rspr.; vgl. , BGHZ 195, 94 Rn. 28; vom - VIII ZR 278/13, NJW 2015, 2650 Rn. 22; vom - VIII ZR 6/04, NZM 2005, 334 unter II 2 a-d mwN).

26b) Von Rechtsirrtum beeinflusst ist hingegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die Zahlung des Sozialhilfeträgers innerhalb der Schonfrist führe dazu, dass für den Mieter gegenüber der vom Vermieter hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigung nunmehr die Möglichkeit des Widerspruchs gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB wegen einer von ihm geltend gemachten unzumutbaren Härte eröffnet sei, weil der Ausnahmetatbestand des § 574 Abs. 1 Satz 2 BGB dann nicht eingreife.

27aa) Nach § 574 Abs. 1 Satz 2 BGB ist das dem Mieter gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB gegen eine ordentliche Kündigung im Fall einer nicht zu rechtfertigenden Härte grundsätzlich zustehende Widerspruchsrecht ausgeschlossen, wenn ein Grund zur außerordentlichen Kündigung vorliegt. Dabei ist es nicht erforderlich, dass der Vermieter die außerordentliche Kündigung erklärt hat; vielmehr genügt es, wenn dem Vermieter bei Zugang der ordentlichen Kündigung auch ein Recht zur fristlosen Kündigung zusteht (BT-Drucks. 3/1234, S. 74 zu § 565a Abs. 2 BGB-E, der durch das Gesetz über den Abbau der Wohnungszwangswirtschaft und über ein soziales Miet- und Wohnrecht vom [BGBl. I S. 389] als § 556a BGB in das Mietrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs als Vorgängerregelung des § 574 Abs. 1 Satz 2 BGB Eingang gefunden hat; siehe dazu auch Staudinger/Rohlfs, BGB, Neubearb. 2018, § 574 Rn. 20; vgl. auch Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 14. Aufl., § 574 BGB Rn. 12; MünchKommBGB/Häublein, 8. Aufl., § 574 Rn. 30; BeckOK-BGB/Hannappel, Stand: , § 574 Rn. 32).

28Diese Voraussetzung ist hier aber zweifellos gegeben, denn bei Erklärung (beider) Kündigungen, die jeweils fristlos und hilfsweise fristgemäß erfolgten, lag ein Zahlungsverzug in einer die fristlose Kündigung rechtfertigenden beziehungsweise sogar deutlich übersteigenden Höhe vor. Die spätere Schonfristzahlung des Sozialhilfeträgers ändert daran nichts, denn diese beseitigt lediglich rückwirkend die Gestaltungswirkung der außerordentlichen Kündigung im Wege der gesetzlichen Fiktion (vgl. zum Letzteren: , BGHZ 220, 1 Rn. 21 ff., und VIII ZR 261/17, WuM 2018, 758 Rn. 29 ff.), führt aber nicht dazu, dass ein Grund für die fristlose Kündigung von vornherein nicht bestand (vgl. auch Senatsurteil vom - VIII ZR 6/04, aaO unter II 2 d bb).

29Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung setzt das Eingreifen des Ausschlusstatbestands des § 574 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht zwingend voraus, dass ein Grund für die fristlose Kündigung in dem für die eigentliche Härtefallabwägung maßgebenden Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz (dazu , NJW 2020, 1215 Rn. 41; vom - VIII ZR 180/18, BGHZ 222, 133 Rn. 32, und VIII ZR 167/17, NJW-RR 2019, 972 Rn. 48) besteht. Zwar wird eine Anwendung der Härtefallregelung regelmäßig auch dann ausgeschlossen sein, wenn ein Grund für die fristlose Kündigung des Vermieters erst nach der ordentlichen Kündigung entsteht, beispielsweise erst im Laufe des Räumungsprozesses (vgl. Bub/Treier/Fleindl, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Aufl., IV Rn. 238; Schmidt-Futterer/Blank, aaO; Staudinger/Rohlfs, aaO; MünchKommBGB/Häublein, aaO; BeckOK-BGB/Hannappel, aaO). Denn auch in diesem Fall liegt eine schwere Vertragsstörung vor, die einer Anwendung der Härtefallregelung von vornherein entgegensteht. Es genügt aber auch, wenn für den Vermieter im Zeitpunkt der ordentlichen Kündigung ein Grund zur fristlosen Kündigung besteht, wie hier angesichts des zwei Monatsmieten weit übersteigenden Zahlungsverzugs. Auch dann liegt, wie sich aus der Möglichkeit der fristlosen Kündigung ergibt, eine schwere Vertragsstörung vor, die eine Anwendung der Härtefallregelung nach § 574 Abs. 1 Satz 2 BGB von vornherein ausschließt.

30bb) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts besteht kein Grund zu der Annahme, dass das Widerspruchsrecht des Mieters nach § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB mit der Schonfristzahlung "neu entstehen" oder "wiederaufleben" könnte, etwa im Wege einer vom Berufungsgericht (ohne weiteres) angenommenen teleologischen Reduktion des § 574 Abs. 1 Satz 2 BGB (vgl. Hinz in Klein-Blenkers/Heinemann/Ring, Miete/WEG/Nachbarschaft, 2. Aufl., § 574 BGB Rn. 26; Bub/Treier/Fleindl, aaO).

31(1) Eine richterliche Rechtsfortbildung im Wege der teleologischen Reduktion setzt eine verdeckte Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes voraus (, BGHZ 192, 148 Rn. 31; vom - VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rn. 22; vom - X ZR 134/00, BGHZ 149, 165, 174, und vom - IV ZR 105/11, BGHZ 192, 148 Rn. 16). Ob eine derartige Lücke besteht, ist vom Standpunkt des Gesetzes und der ihm zugrundeliegenden Regelungsabsicht zu beurteilen. Das Gesetz muss, gemessen an seiner eigenen Regelungsabsicht, unvollständig sein (, aaO; vom - XI ZR 168/13, BGHZ 202, 302 Rn. 13).

32(2) An einer solchen planwidrigen Unvollständigkeit der Regelung zum Widerspruchsrecht fehlt es. Mit dem Widerspruchsrecht des Mieters in § 574 BGB, das auf eine entsprechende Regelung im früheren § 556a BGB aF ("Sozialklausel") zurückgeht, sollte zugunsten des Mieters aus sozialen Gründen unter bestimmten Voraussetzungen (in Abwägung der beiderseitigen Interessen der Vertragsparteien) die Möglichkeit geschaffen werden, nach einer an sich berechtigten Kündigung des Vermieters die Fortsetzung des Mietverhältnisses - gegebenenfalls auch auf unbestimmte Zeit - beanspruchen zu können (vgl. BT-Drucks. 3/1234, S. 74; BT-Drucks. 14/4553, S. 68). Ein Anspruch auf Fortsetzung des Mietverhältnisses sollte dem Mieter indes nicht eingeräumt werden, wenn gravierende (den Vermieter zur fristlosen Kündigung berechtigende) Vertragsstörungen eingetreten waren (vgl. § 556a Abs. 4 Nr. 2 BGB in der Fassung des Gesetzes über den Abbau der Wohnungszwangswirtschaft und über ein soziales Miet- und Wohnrecht vom , BGBl. I S. 389 [im Folgenden: AbbauG], in Kraft getreten am [vgl. Art. X § 12 AbbauG], außer Kraft getreten mit Ablauf des mit Inkrafttreten des § 574 Abs. 1 Satz 2 BGB).

33Die Regelung der Schonfristzahlung war aber schon durch das Gesetz zur Änderung mietrechtlicher Vorschriften vom (BGBl. I S. 505) - mit dem ein früher bereits in § 3 Abs. 3 des Mieterschutzgesetzes vom (RGBl. I S. 353) verankertes Nachholrecht des Mieters wieder aufgegriffen wurde - in § 554 BGB aF und später in § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB vorgesehen. Es wäre daher eine ausdrückliche Regelung zu erwarten gewesen, wenn der Gesetzgeber für den Fall der Schonfristzahlung den Schutz des Mieters über die - der Vermeidung von Obdachlosigkeit des Mieters (vgl. , aaO unter II 2 d aa; vom - VIII ZR 175/14, BGHZ 204, 134 Rn. 23; vom - VIII ZR 267/09, NJW 2010, 3020 Rn. 21; vom - VIII ZR 107/12, BGHZ 195, 64 Rn. 28) dienenden - Unwirksamkeit einer ausgesprochenen fristlosen Kündigung hinaus noch weiter ausdehnen und dem Mieter auch für diesen Fall die Möglichkeit des Widerspruchs nach § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB und damit gegebenenfalls einen Anspruch auf Fortsetzung des Mietverhältnisses hätte eröffnen wollen. Auch sonst bestehen keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber einer gravierenden Vertragsstörung, die durch einen zur fristlosen Kündigung berechtigenden Zahlungsverzug entstanden ist, wegen einer nachträglich erfolgten Schonfristzahlung nur noch ein geringes, der Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht entgegenstehendes Gewicht beimessen wollte und den Ausschlusstatbestand des § 574 Abs. 1 Satz 2 BGB deshalb versehentlich zu weit gefasst hat.

III.

34Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die nicht entscheidungsreife Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:




ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:010720UVIIIZR323.18.0

Fundstelle(n):
NJW-RR 2020 S. 956 Nr. 16
YAAAH-54077