NWB Nr. 30 vom Seite 2201

Ist der Fälligkeitstermin jetzt fällig?

Markus Stier | Selbständiger Berater | Spezialist Entgeltabrechnung | Syke

Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge und kein Bürokratieabbau in Sicht!

„Früher war alles besser!“ – Bei diesem Satz verdrehen einige genervt die Augen. Aber für die Zukunft lohnt auch der Blick zurück. In den letzten Wochen erleben wir in einem rasanten Tempo, wie schnell der Gesetzgeber auf die Corona-Pandemie reagiert. In diesem Zusammenhang war immer wieder die Rede von Entlastung und Bürokratieabbau. Letzteres begleitet die Gesetzgebungsverfahren seit Jahren. Im September 2018 tagte der Ausschuss für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestags. Auf der Tagesordnung fand sich nur ein einziger Punkt, der seit Jahren kontrovers diskutiert wird: Bürokratieabbau für Unternehmen schaffen – Fälligkeitsdatum der Sozialversicherung verschieben (BT-Drucks. 19/1838).

Angesichts knapper Rentenkassen wurde 2005 mit der Änderung des Vierten und Sechsten Sozialgesetzbuchs die Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge vom 15. des Folgemonats in den laufenden Monat verlagert. Im Ergebnis müssen Arbeitgeber den voraussichtlichen Sozialversicherungsbeitrag für den laufenden Kalendermonat schätzen und bereits vor der eigentlichen Lohnzahlung abführen. Häufig erfolgen im Folgemonat nachträgliche Korrekturen. Zum damaligen Zeitpunkt war die gesetzliche Änderung unvermeidbar. Im Ausschuss diskutierten die Mitglieder die Fälligkeit angesichts hoher Überschüsse in den Sozialversicherungskassen (in 2017 waren es 10,5 Milliarden Euro). Eine Vielzahl von Sachverständigen gaben in der öffentlichen Anhörung ihre Stellungnahmen ab. Dabei verwundert es nicht, dass die Vertreter der Sozialversicherungsträger sich klar gegen eine Änderung der Fälligkeit aussprachen, während die Arbeitgebervertreter für die Abschaffung der vorgezogenen Beitragsfälligkeit votierten.

Zwar hat der Gesetzgeber im Zweiten Bürokratieentlastungsgesetz das Schätzverfahren auf Basis des Vormonats verbessert, aber eine wirkliche Bürokratieentlastung ist damit nicht erfolgt. Die Corona-Krise hat gezeigt, dass gerade klein- und mittelständische Unternehmen von der vorgezogenen Beitragsfälligkeit betroffen sind. Die schnelle Umsetzung eines Stundungsverfahrens war hierbei nur wenig hilfreich. Vor allem, weil die Voraussetzungen zur Stundung der Beiträge eine erhebliche Hürde darstellen. Es ist an der Zeit, erneut über die Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge zu diskutieren. Wie wäre es, wenn die Sozialversicherungsbeiträge am 10. des Folgemonats fällig werden? Sozialversicherung und Lohnsteuer sind dann gleichlaufend. Das Argument, die Sozialversicherungsbeiträge müssen bei einer späteren Fälligkeit steigen, ist übertrieben. Auch wenn die Corona-Pandemie die Überschüsse der Sozialversicherungsträger verringern wird, bleibt jetzt die Chance zu einem weiteren Abbau der Bürokratie.

Manchmal ist ein Blick zurück sinnvoll, um den Blick in die Zukunft zu schärfen. Denn ein Ziel seit Jahrzehnten ist es auch, die lohnsteuer- und sozialversicherungsrechtlichen Vorgaben durch einheitliche Regelungen zu vereinfachen. In den letzten Jahren hat man sich von diesem Ziel immer weiter entfernt. Der vorgezogene Fälligkeitstermin ist jetzt fällig. Denn wie sagt man so schön: „Früher war alles besser!“ – in diesem Sinne.

Markus Stier

Fundstelle(n):
NWB 2020 Seite 2201
NWB UAAAH-53961