Verwaltungsrechtsweg bei Informationszugangsanspruch gegenüber juristischer Person des Privatrechts
Leitsatz
Für eine Rechtsstreitigkeit über einen auf das Hamburgische Transparenzgesetz gestützten Informationszugangsanspruch gegen eine juristische Person des Privatrechts ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet, wenn diese im Hinblick darauf in Anspruch genommen wird, dass sie nach § 2 Abs. 3 Halbs. 2 HmbTG als Behörde gilt.
Gesetze: § 17a Abs 4 S 4 GVG, § 40 Abs 1 VwGO, § 1 Abs 2 TranspG HA, § 2 Abs 3 TranspG HA, § 2 Abs 5 TranspG HA
Instanzenzug: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Az: 3 So 82/19 Beschlussvorgehend Az: 17 K 141/19
Gründe
I
1Der Kläger begehrt, gestützt auf das Hamburgische Transparenzgesetz (HmbTG), Zugang zu Informationen betreffend Befunduntersuchungen sowie restauratorische Arbeiten im Foyer des Theatergebäudes der Beklagten, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung.
2Auf die Rüge der Beklagten, die sich auf eine zivilrechtliche Natur der Streitigkeit beruft, hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist. Die Beschwerde der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene weitere Beschwerde.
II
3Die gemäß § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG, § 152 Abs. 1 und § 173 Satz 1 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige weitere Beschwerde ist unbegründet. Für eine Rechtsstreitigkeit über einen auf das Hamburgische Transparenzgesetz vom - HmbTG - (HmbGVBl. S. 271), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom (HmbGVBl. S. 19), gestützten Informationszugangsanspruch gegen eine juristische Person des Privatrechts ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet, wenn dieser im Hinblick darauf in Anspruch genommen wird, dass sie nach § 2 Abs. 3 Halbs. 2 HmbTG als Behörde gilt.
41. Eine einzelgesetzliche Zuweisung (so genannte "aufdrängende Sonderzuweisung") von Rechtsstreitigkeiten um Informationszugangsansprüche nach dem Hamburgischen Transparenzgesetz, die gegen privatrechtlich organisierte informationspflichtige Stellen gerichtet sind, an die Verwaltungsgerichte besteht nicht. Das Oberverwaltungsgericht hat überzeugend dargelegt, dass die landesrechtliche Regelung des § 14 Abs. 7 HmbTG ("Vorschriften über den Rechtsschutz nach der Verwaltungsgerichtsordnung bleiben unberührt") keine Rechtswegzuweisung darstellt. Der Hamburgische Landesgesetzgeber wollte eine solche Regelung auch nicht treffen (vgl. Bü-Drs. 21/17907, S. 17). Anders als hinsichtlich von Streitigkeiten um Ansprüche auf Zugang zu Umweltinformationen nach landesrechtlichen Vorschriften, die gegen privatrechtlich organisierte informationspflichtige Stellen gerichtet sind (vgl. hierzu § 6 Abs. 5 UIG), fehlt es hinsichtlich von Ansprüchen, die - wie hier - auf die allgemeinen Informationsfreiheits- bzw. Transparenzgesetze der Länder gestützt werden, an einer bundesgesetzlichen Ermächtigung zur landesrechtlichen Rechtswegzuweisung an die Verwaltungsgerichte (§ 40 Abs. 1 Satz 2 VwGO, vgl. 7 B 2.12 - Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 307 Rn. 10).
52. Gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Maßgeblich ist hiernach, ob die Geltendmachung eines auf das Hamburgische Transparenzgesetz gestützten Informationszugangsanspruches gegenüber der privatrechtlich organisierten Beklagten eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit darstellt.
6Ob eine Streitigkeit bürgerlich-rechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Art ist, beurteilt sich nach der Rechtsnatur der Rechtsnormen, die das Rechtsverhältnis prägen, aus dem der geltend gemachte Anspruch hergeleitet wird. Bürgerliches Recht ist Jedermannsrecht. Öffentlich-rechtlicher Natur sind demgegenüber diejenigen Rechtsnormen, welche einen Träger öffentlicher Gewalt gerade als solchen berechtigen oder verpflichten, die also einen öffentlichen Verwaltungsträger zur Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben mit besonderen Befugnissen ausstatten oder besonderen Regeln unterwerfen (stRspr; vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 10 AV 1.16 - BVerwGE 156, 320 Rn. 5 und vom - 10 B 25.17 - BVerwGE 161, 255 Rn. 7; 1/88 - BGHZ 108, 284 <287>).
7Nach diesen Grundsätzen ist der mit der Klage geltend gemachte Informationszugangsanspruch öffentlich-rechtlicher Natur. Der Kläger nimmt die als Gesellschaft mit beschränkter Haftung organisierte Beklagte auf der Grundlage des Hamburgischen Transparenzgesetzes in Anspruch. Das Hamburgische Transparenzgesetz dient ausweislich seines § 1 Abs. 1 dem Zweck, die demokratische Meinungs- und Willensbildung zu fördern und eine Kontrolle des staatlichen Handelns zu ermöglichen. Zu diesem Zweck verleiht § 1 Abs. 2 HmbTG jeder Person einen Anspruch auf Zugang zu allen amtlichen Informationen auskunftspflichtiger Stellen. Auskunftspflichtig sind alle Behörden (§ 2 Abs. 5 HmbTG). Behörden im Sinne des Gesetzes sind hierbei alle Stellen, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen (§ 2 Abs. 3 Halbs. 1 HmbTG i.V.m. § 1 Abs. 2 HmbVwVfG). Als Behörden im Sinne des Hamburgischen Transparenzgesetzes gelten darüber hinaus jedoch auch natürliche oder juristische Personen des Privatrechts, soweit sie öffentliche Aufgaben wahrnehmen oder öffentliche Dienstleistungen erbringen und dabei der Kontrolle der Freien und Hansestadt Hamburg unterliegen (§ 2 Abs. 3 Halbs. 2 HmbTG).
8Die genannten, das verfahrensgegenständliche Rechtsverhältnis prägenden Rechtsnormen unterwerfen auch Privatrechtssubjekte, sofern und soweit diese öffentliche Aufgaben wahrnehmen oder öffentliche Dienstleistungen erbringen und dabei öffentlicher Kontrolle unterliegen, besonderen, spezifisch für Behörden geltenden Informationszugangsregeln, deren als öffentlich zu qualifizierender Zweck es ist, die demokratische Meinungs- und Willensbildung zu fördern und eine Kontrolle des staatlichen Handelns zu ermöglichen. Die gesetzlichen Regelungen verpflichten die betroffenen Privatrechtssubjekte hierbei nicht als Jedermann und knüpfen nicht an deren Teilnahme am allgemeinen Rechtsverkehr an, sondern begründen eine - von privatautonom radizierten Rechtsverhältnissen unabhängige - spezifische Pflichtenstellung, die derjenigen von Behörden als Stellen, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen (vgl. § 1 Abs. 2 HmbVwVfG), entspricht. Ob die Voraussetzungen für diese Gleichstellung vorliegen, ob das in Anspruch genommene Privatrechtssubjekt mit anderen Worten öffentliche Aufgaben wahrnimmt oder öffentliche Dienstleistungen erbringt und dabei staatlicher Kontrolle unterliegt, ist Frage der Begründetheit der Klage. Der öffentlich-rechtliche Charakter von gegen Behörden gerichteten, auf die Informationsfreiheitsgesetze von Bund und Ländern gestützten Informationszugangsansprüchen unterliegt keinem Zweifel (vgl. nur BVerwG, Beschlüsse vom - 7 B 5.12 - Buchholz 404 IFG Nr. 9 Rn. 3 und vom - 10 AV 1.16 - BVerwGE 156, 320 Rn. 10 m.w.N.; Schoch, IFG, 2. Aufl. 2016, § 9 Rn. 77 m.w.N.).
9Eine zivilrechtliche Natur der Streitigkeit lässt sich auch aus der von der Beklagten in Bezug genommenen Rechtsprechung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, des Bundesgerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts nicht ableiten ( 1.85 - BVerwGE 74, 368 <370>; - NJW 2017, 3153 und Beschluss vom - XI ZB 7/99 - NJW 2000, 1042; BVerwG, Beschlüsse vom - 7 B 120.89 - Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 244 und vom - 3 B 78.05 - Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 295). Der zu ganz unterschiedlichen Sachverhalten ergangenen Rechtsprechung liegt insbesondere kein allgemeiner, auf alle denkbaren Sachverhaltskonstellationen anwendbarer Rechtssatz zugrunde, wonach die Inanspruchnahme von Privatrechtssubjekten außer im Falle der Beleihung stets als bürgerlich-rechtlich zu qualifizieren wäre. Maßgeblicher Bezugspunkt der Prüfung, ob es sich bei einer Streitigkeit um eine öffentlich-rechtliche oder eine bürgerlich-rechtliche handelt, ist nicht die öffentlich-rechtliche oder zivilrechtliche Verfasstheit der Beteiligten eines Rechtsverhältnisses, sondern - wie dargelegt - der übergeordnete Gesichtspunkt der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird (GmS-OGB, Beschlüsse vom - 1.85 - BVerwGE 74, 368 <370> und vom - 1/88 - BGHZ 108, 284 <287>, jeweils m.w.N.). Dies stellt den seitens der Beklagten hervorgehobenen Umstand, dass die Tätigkeit von natürlichen Personen oder juristischen Personen des Privatrechts regelmäßig dem Privatrecht - und damit der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte - unterfällt, nicht in Frage (vgl. hierzu etwa 7 B 120.89 - Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 244 S. 28 f. m.w.N.).
10Anlass zu einer Vorlage nach § 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes - RSprEinhG - i.d.F. der Bekanntmachung vom (BGBl. I S. 661), zuletzt geändert durch Art. 144 der Verordnung vom (BGBl. I S. 1474), ergibt sich auch aus der zitierten jüngeren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ( - juris Rn. 10) nicht, nach der für eine Streitigkeit über die Inanspruchnahme einer staatlich beherrschten, im Bereich der Daseinsvorsorge tätigen juristischen Person des Zivilrechts auf der Grundlage des Auskunftsanspruchs nach § 4 Abs. 1 des Pressegesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen vom - PresseG NW - (GVBl. NW S. 340), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom (GVBl. NW S. 214), der Zivilrechtsweg eröffnet ist.
11Nach § 2 Abs. 1 RSprEinhG entscheidet der Gemeinsame Senat, wenn ein oberster Gerichtshof in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen obersten Gerichtshofs oder des Gemeinsamen Senats abweichen will. Die Rechtsfrage muss sich auf der Grundlage von Vorschriften stellen, die in ihrem Regelungsgehalt gänzlich übereinstimmen und nach denselben Prinzipien auszulegen sind. Darüber hinaus muss die Rechtsfrage sowohl für den erkennenden Senat in der anhängigen Sache als auch für den divergierenden Senat in der bereits entschiedenen Sache entscheidungserheblich sein ( 4 C 2.18 - NVwZ-RR 2019, 885 Rn. 18 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Weder stimmen die presserechtlichen Auskunftsansprüche - hier nach § 4 Abs. 1 PresseG NW - und die Informationszugangsansprüche nach den Informationsfreiheitsgesetzen - hier nach § 1 Abs. 2 i.V.m. § 2 Abs. 3 und 5 HmbTG - in ihrem Regelungsgehalt überein (vgl. hierzu 7 C 7.15 - AfP 2016, 564 Rn. 7 m.w.N.), noch sind die Darlegungen des Bundesgerichtshofs zum Vorliegen einer bürgerlichen Rechtsstreitigkeit im Sinne des § 13 GVG entscheidungstragend. Der Bundesgerichtshof hat selbst darauf hingewiesen, dass im dortigen Revisionsverfahren nach § 17a Abs. 5 GVG nicht zu prüfen war, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig gewesen ist (vgl. - juris Rn. 10).
12Die vom Hamburgischen Transparenzgesetz unter bestimmten Voraussetzungen begründete öffentlich-rechtliche Pflichtenstellung sowohl natürlicher als auch juristischer Personen des Privatrechts stellt entgegen der Auffassung der Beklagten keine kompetenzwidrige zivilrechtliche Regelung der Rechtsverhältnisse der Gesellschaften mit beschränkter Haftung dar. Die gesellschaftsrechtliche Vorschrift des § 13 GmbHG ist für die Rechtswegfrage vorliegend ohne Bedeutung.
13Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Anfechtung der Entscheidung über den Rechtsweg löst ein selbstständiges Rechtsmittelverfahren aus, in dem nach den allgemeinen Vorschriften über die Kosten zu befinden ist ( 1 B 1.10 - BVerwGE 137, 52 Rn. 13 m.w.N.).
14Der Festsetzung eines Streitwerts für das Beschwerdeverfahren bedarf es nicht, da für Beschwerden der vorliegenden Art nach Nr. 5502 der Anlage 1 zum GKG eine Festgebühr von 60 € erhoben wird.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2020:260520B10B1.20.0
Fundstelle(n):
UAAAH-53546