Gefährdung des Straßenverkehrs durch Vorfahrtverletzung: Strafrechtlicher Vorfahrtbegriff
Gesetze: § 315c Abs 1 Nr 2 Buchst a StGB, § 6 S 1 StVO, § 8 StVO
Instanzenzug: LG Aachen Az: 67 KLs 10/18
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten ‒ unter Freisprechung im Übrigen und Teileinstellung des Verfahrens ‒ wegen versuchter schwerer Brandstiftung in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung, Geldfälschung, versuchter Nötigung in vier Fällen, vorsätzlicher Körperverletzung, unerlaubten Entfernens vom Unfallort, vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs und fahrlässiger Körperverletzung und in dem anderen Fall in Tateinheit mit vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr, wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln, Sachbeschädigung in zwei Fällen, Bedrohung in vier Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Beleidigung, und wegen Beleidigung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt, die Verwaltungsbehörde angewiesen, ihm vor Ablauf von fünf Jahren keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen, und sichergestelltes Falschgeld sowie Betäubungsmittel eingezogen. Mit seiner Revision wendet sich der Angeklagte gegen seine Verurteilung. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet.
21. Die Verurteilung wegen versuchter Nötigung in den Fällen II. 4, II. 7, II. 10 und II. 12 der Urteilsgründe kann nicht bestehen bleiben, weil das Landgericht jeweils einen strafbefreienden Rücktritt nicht rechtsfehlerfrei ausgeschlossen hat.
3a) Nach den Feststellungen sandte der Angeklagte der Zeugin M. in vier Fällen Sprachnachrichten und Videobotschaften. Dabei kündigte er ihr an, ihren Bruder zu misshandeln, wenn sie ihn nicht in Ruhe lasse und medial Kontakt zu ihm aufnehme (Fall II. 4 der Urteilsgründe); ihren Bruder ein zweites Mal zu schlagen oder schlagen zu lassen, falls sie nicht „auf allen Vieren“ komme (Fall II. 7 der Urteilsgründe) sowie mit ihr dasselbe zu machen, wie mit der auf einem mitgeschickten Video sichtbar verletzten Zeugin Z. , falls sie nicht tue, was er sage (Fall II. 10 der Urteilsgründe). Außerdem drohte er dem Zeugen M. in einer Videobotschaft damit, dass er geschlagen werde, falls er nicht komme (Fall II. 12 der Urteilsgründe). In allen Fällen ging der Angeklagte davon aus, alles Erforderliche von seinem Tatplan umfasste getan zu haben, damit die Empfänger seiner Botschaften seinen Forderungen nachkommen. Weitere Tatmittel waren von dem jeweiligen Tatplan nicht umfasst (UA 34, 35, 37 und 38). Deshalb liege ein fehlgeschlagener Versuch vor (UA 66).
4b) Damit hat das Landgericht einen strafbefreienden Rücktritt nicht rechtsfehlerfrei ausgeschlossen.
5aa) Fehlgeschlagen ist ein Versuch, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen naheliegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält. Maßgeblich ist dabei die Sicht des Täters nach Abschluss der letzten mit Tatvorsatz vorgenommenen Ausführungshandlung. Liegt ein Fehlschlag vor, scheidet ein Rücktritt vom Versuch nach allen Varianten des § 24 Abs. 1 oder Abs. 2 StGB aus (st. Rspr.; vgl. , NStZ 2019, 198; Beschluss vom - 4 StR 471/16 Rn. 7 mwN). Demgegenüber ist von einem beendeten Versuch auszugehen, wenn der Täter nach der letzten Ausführungshandlung den Erfolgseintritt für möglich hält. Ein strafbefreiender Rücktritt setzt in diesem Fall voraus, dass der Täter den Erfolgseintritt durch eigene Tätigkeit verhindert oder sich darum bemüht, wenn der Erfolg ohne sein Zutun ausbleibt (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 und Satz 2 StGB). Rechnet der Täter nach der letzten Ausführungshandlung (noch) nicht mit dem Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges, ist der Versuch unbeendet, wenn die Vollendung aus der Sicht des Täters durch ihn noch möglich ist. In diesem Fall genügt bloßes Aufgeben weiterer Tatausführung und Nichtweiterhandeln, um die strafbefreiende Wirkung des Rücktritts zu erlangen. Auf den Tatplan kommt es jeweils nicht an (vgl. , BGHSt 39, 221, 227; weitere Nachweise bei Fischer, StGB, 67. Aufl., § 24 Rn. 15 ff.). Lässt sich den Urteilsfeststellungen das entsprechende Vorstellungsbild eines Angeklagten, das zur revisionsrechtlichen Prüfung des Vorliegens eines freiwilligen Rücktritts vom Versuch unerlässlich ist, nicht hinreichend entnehmen, hält das Urteil sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand (st. Rspr.; vgl. , NStZ 2019, 198, 199; Beschluss vom - 1 StR 393/17 Rn. 9; Urteil vom - 4 StR 99/15, StraFo 2015, 470; jew. mwN).
6bb) Die Urteilsgründe verhalten sich nicht dazu, welches Vorstellungsbild der Angeklagte nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung hatte. Stattdessen wird - bereits im Ansatz verfehlt - auf den nicht maßgeblichen Tatplan des Angeklagten Bezug genommen. Die zugehörige Beweiswürdigung beschränkt sich auf die pauschale Mitteilung, dass der Angeklagte geständig gewesen sei und die in Augenschein genommenen Nachrichten (UA 49, 50 und 54) dessen Richtigkeit bestätigen würden, sodass sich auch daraus nichts Weiterführendes ergibt. Eine revisionsrechtliche Überprüfung des Vorliegens eines freiwilligen Rücktritts vom Versuch ist auf dieser Grundlage nicht möglich.
7Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Dabei wird sich der neue Tatrichter im Fall II. 10 der Urteilsgründe auch näher damit zu befassen haben, zu welcher Handlung, Duldung oder Unterlassung die Zeugin M. tatsächlich genötigt werden sollte (vgl. dazu Fischer, StGB, 67. Aufl., § 240 Rn. 6). Die Formulierung, sie solle tun, was der Angeklagte ihr sage, lässt dies nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit erkennen.
82. Die Verurteilung wegen Bedrohung gemäß § 241 Abs. 1 StGB in den Fällen II. 6 und 16 der Urteilsgründe hält revisionsrechtlicher Überprüfung ebenfalls nicht stand.
9a) Nach den hierzu getroffenen Feststellungen übersandte der Angeklagte der Zeugin M. am eine Sprachnachricht mit dem folgenden Inhalt: „Jetzt hol ich mir auch noch N. “; „ich hole mir alles, was Dir was bedeutet“ und „Jetzt hol ich mir auch nen Säugling“. Die erste Drohung war auf die Schwester der Zeugin und die dritte Drohung auf ihren im Säuglingsalter befindlichen Sohn bezogen (Fall II. 6 der Urteilsgründe). Ende Dezember 2017/Anfang Januar 2018 schickte er der Zeugin M. und ihrem unmittelbaren Umfeld eine Sprachnachricht, in der er mitteilte, dass er jedem 1.000 Euro bezahle, der ihm die Zeugin M. bis zum Sonnenaufgang bringe, „auch wenn sie halb kaputt geschlagen sei“ (Fall II. 16 der Urteilsgründe).
10b) Diese Feststellungen belegen nicht, dass der Angeklagte gemäß § 241 Abs. 1 StGB einem Menschen mit der Begehung eines Verbrechens gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gedroht hat.
11aa) Zum Tatbestand der Bedrohung gehört die Ankündigung eines bestimmten tatsächlichen Verhaltens, in dem der Tatbestand eines Verbrechens gefunden werden kann. Eine allgemein gehaltene Drohung mit Worten, die für sich genommen noch nicht die tatsächlichen Merkmale eines Verbrechens umschreiben, kann den Tatbestand nur erfüllen, wenn sie im Zusammenhang mit anderen Umständen den Schluss auf die Ankündigung eines solchen Verhaltens ermöglicht (vgl. , NStZ-RR 2003, 45; Urteil vom - 1 StR 213/62, BGHSt 17, 307, 308).
12bb) Hieran fehlt in beiden Fällen. Die Strafkammer hat nicht dargelegt, welches Verbrechen nach ihrer Überzeugung von dem Angeklagten in seinen Sprachnachrichten angekündigt worden ist. Eine aus sich heraus verständliche Umschreibung der tatsächlichen Merkmale eines bestimmten Verbrechens kann weder dem Wort „holen“, noch dem in den Raum gestellten „halb kaputt geschlagen“ entnommen werden. Andere Umstände, die den Schluss auf die Ankündigung eines bestimmten Verbrechens zulassen würden, sind den Urteilsgründen nicht zu entnehmen.
133. Die Verurteilung des Angeklagten wegen versuchter schwerer Brandstiftung gemäß § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB im Fall II. 13 der Urteilsgründe kann nicht bestehen bleiben, weil die Annahme eines auf eine Brandlegung gerichteten Tatentschlusses nicht belegt ist.
14a) Nach den hierzu getroffenen Feststellungen begab sich der Angeklagte am Abend des zu einem Mehrfamilienhaus in S. -O. , in dem sich zu diesem Zeitpunkt der Zeuge Sc. und die Zeugin M. aufhielten. In der Absicht, das Mehrfamilienhaus derart in Brand zu setzen, dass auch die Wohnung des Zeugen Sc. betroffen und beschädigt werden sollte, tränkte er einen vor der Haustür befindlichen Stapel Zeitungspapier mit Treibstoff und zündete diesen in der Erwartung an, nunmehr alles nach seinem Tatplan Erforderliche getan zu haben, damit der entfachte Brand sich kurzfristig auf das Haus selbst, das über eine Eingangstür aus Holz verfügte, ausdehnen und das Gebäude selbstständig brennen würde. Dabei nahm er billigend in Kauf, dass sich zu diesem Zeitpunkt mehrere Bewohner in dem Haus aufhielten, die durch den entstehenden Brand beziehungsweise die dadurch entstehenden Rauchgase, die generell geeignet waren auch das Leben der Bewohner zu gefährden, nicht unerheblich verletzt werden könnten. Sodann entfernte er sich. Das Feuer wurde frühzeitig gelöscht. Wesentliche Gebäudeteile gerieten nicht in Brand (UA 38).
15Wie der Angeklagte sich zu dem Tatvorwurf geäußert hat, teilen die Urteilsgründe nicht mit. Die Strafkammer hat ihre Annahme, dass der Angeklagte bei der Tatbegehung mit einer Inbrandsetzung „tragender“ Gebäudeteile, Verletzungen von Bewohnern und einer generellen Gefährdung von deren Leben gerechnet habe, allein darauf gestützt, dass er „unmittelbar vor der Haustür“ einen Zeitungsstapel mit Hilfe von Treibstoff in Brand gesetzt habe (UA 59).
16b) Diese Erwägungen genügen nicht den Anforderungen, die an die Darlegung eines Tatentschlusses zu einer versuchten schweren Brandstiftung gemäß § 306a Abs. 1 Nr. 1, § 23 Abs. 1, § 22 StGB zu stellen sind.
17aa) Der Tatbestand eines versuchten Delikts verlangt in subjektiver Hinsicht (Tatentschluss) das Vorliegen einer vorsatzgleichen Vorstellung, die sich auf alle Umstände des äußeren Tatbestands bezieht (vgl. , NJW 2015, 3732). Die Annahme einer versuchten schweren Brandstiftung gemäß § 306a Abs. 1 Nr. 1, § 23 Abs. 1 1. Hs. StGB in der hier angenommenen Variante der Inbrandsetzung setzt daher in subjektiver Hinsicht voraus, dass der Täter zumindest für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat (bedingter Vorsatz), dass durch seine Tathandlung ein für den bestimmungsgemäßen Gebrauch des Tatobjekts wesentlicher Bestandteil derart vom Feuer ergriffen wird, dass sich der Brand auch nach Entfernung oder Erlöschen des verwendeten Zündstoffs selbstständig an der Sache weiter auszubreiten vermag (zum Merkmal des Inbrandsetzens vgl. die Nachw. bei Radtke in: Münch.Komm.z.StGB, 3. Aufl., § 306a Rn. 55). Um dies zu belegen, bedarf es einer Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Umstände (vgl. ‒ 4 StR 485/19 Rn. 6 f.; Beschluss vom - 4 StR 62/10, NStZ-RR 2010, 241 mwN). Dabei ist es in der Rechtsprechung anerkannt, dass von der Höhe der Wahrscheinlichkeit des Inbrandsetzens des Tatobjekts auf Grund der relevanten objektiven Umstände der Tatbegehung auf das Vorliegen von Brandstiftungsvorsatz geschlossen werden kann (vgl. , NStZ-RR 2017, 246 Rn. 17; Beschluss vom - 1 StR 578/12, NStZ 2014, 647 Rn. 28 mwN). Liegt bei der Brandlegung eine akute Berauschung vor, muss erörtert werden, welchen Einfluss sie auf die Risikokenntnis des Täters gehabt hat (vgl. , NStZ-RR 2018, 332; Urteil vom - 3 StR 140/12, NStZ-RR 2013, 75, 77).
18bb) Die Urteilsgründe verhalten sich nicht dazu, wo sich der in Brand gesetzte Zeitungsstapel tatsächlich befand und wie hoch unter den gegebenen Umständen die objektive Wahrscheinlichkeit war, dass es zu einem Übergreifen des Brandes auf das Gebäude kommt. Soweit davon die Rede ist, dass der Zeitungsstapel „unmittelbar vor der Haustür“ lag, findet sich dafür in der Beweiswürdigung kein Beleg. Dort nimmt die nicht sachverständig beratene Strafkammer lediglich auf einen verlesenen Tatortfundbericht vom und eine Strafanzeige Bezug, wonach der Brand im Eingangsbereich des in Rede stehenden Mehrfamilienhauses „durch einen Stapel Zeitungspapier und die Verwendung von Treibstoff als Brandbeschleuniger“ ausgelöst worden sei (UA 56). Aus welchen Umständen die Verfasser der jeweiligen Schriftstücke auf diesen Ursachenzusammenhang geschlossen haben, wird nicht mitgeteilt. Weitergehende Feststellungen zur Tatortsituation werden nicht getroffen. Unabhängig hiervon hat die Strafkammer auch nicht in ihre Betrachtungen eingestellt, dass bei dem Angeklagten - wie sie zu seinen Gunsten angenommen hat - eine akute Alkoholintoxikation vorlag und deshalb seine Steuerungsfähigkeit erheblich im Sinne des § 21 StGB vermindert war (UA 69).
19Dadurch verliert auch der von der Strafkammer angenommene bedingte Körperverletzungsvorsatz seine Grundlage, denn dieser knüpft an die Kenntnis der Möglichkeit eines Übergreifens des Brandes und die sich daraus ergebende Rauchgasentwicklung an.
204. Die in den Fällen II. 11 (Beleidigung in Tateinheit mit Bedrohung), II. 17 (Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis) und II. 20 der Urteilsgründe (Beleidigung) verhängten Einzelstrafen von jeweils neun Monaten Freiheitsstrafe können nicht bestehen bleiben, weil es sich jeweils um die Höchststrafe handelt und die Urteilsgründe den sich daraus ergebenden Begründungsanforderungen nicht genügen.
21a) Die dem Tatrichter vorbehaltene Strafzumessung ist für das Revisionsgericht nur eingeschränkt überprüfbar (zum Maßstab vgl. , BGHSt 34, 345, 349; Urteil vom - 1 StR 346/61, BGHSt 17, 35, 36). Der Richter hat jedoch in den Urteilsgründen die Umstände anzuführen, die für die Strafzumessung bestimmend gewesen sind (§ 267 Abs. 3 StPO). Dabei erhöhen sich die Begründungsanforderungen, je mehr sich die im Einzelfall verhängte Strafe dem unteren oder oberen Rand des zur Verfügung stehenden Strafrahmens nähert (vgl. , NStZ-RR 2003, 52, 53; weitere Nachweise bei Fischer, StGB, 67. Aufl., § 46 Rn. 149).
22b) Die Strafkammer ist in allen Fällen davon ausgegangen, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten im Sinne von § 21 StGB erheblich vermindert war und hat von der Milderungsmöglichkeit des § 49 Abs. 1 StGB Gebrauch gemacht. Damit ergaben sich in den angeführten Fällen jeweils Strafrahmen von Geldstrafe bis zu neun Monaten Freiheitsstrafe (vgl. Eschelbach in: SSW-StGB, 4. Aufl., § 49 Rn. 23). Die Urteilsgründe lassen nicht erkennen, dass sich die Strafkammer bewusst war, dass sie innerhalb dieses Strafrahmens die Höchststrafe verhängt hat. Zwar werden jeweils gewichtige Erschwernisgründe (Vorstrafen, Führungsaufsicht, etc.) angeführt, doch stehen dem stets auch erhebliche Milderungsgründe (Geständnis, lange Verfahrensdauer) gegenüber. Unter diesen Umständen hätte es näherer Begründung bedurft, warum der Strafrahmen gleichwohl ausgeschöpft werden musste.
235. Die Aufhebungen der Verurteilung in den Fällen II. 4, II. 6, II. 7, II. 10, II. 12, II. 13 und II. 16 der Urteilsgründe sowie der Einzelstrafen in den Fällen II. 11, II. 17 und II. 20 der Urteilsgründe ziehen die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich.
246. Im Übrigen weist das Urteil keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Erörterung bedarf lediglich das Folgende:
25Die Verurteilung des Angeklagten im Fall II. 2 der Urteilsgründe auch wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 2a StGB ist nicht zu beanstanden. Die Strafkammer ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Angeklagte gegen § 6 Satz 1 StVO verstoßen hat, als er mit seinem Pkw trotz Gegenverkehrs den freien Teil der Fahrbahn einer innerörtlichen Straße befuhr, obwohl auf seiner Seite Fahrzeuge geparkt waren und die verbleibende Fahrbahnbreite für zwei sich begegnende Fahrzeuge nicht ausreichte. Da § 315c Abs. 1 Nr. 2a StGB nicht nur den Vorrang beim Zusammentreffen von Fahrzeugen aus verschiedenen Straßen im Sinne des § 8 StVO erfasst, sondern für alle Verkehrsvorgänge gilt, bei denen die Fahrlinien zweier Fahrzeuge bei unveränderter Fahrtrichtung und Fahrweise zusammentreffen oder einander so gefährlich nahekommen, dass sich der Verordnungsgeber veranlasst gesehen hat, durch eine ausdrückliche besondere Vorschrift einem Verkehrsteilnehmer den Fahrtvorrang vor dem anderen einzuräumen (sog. erweiterter Vorfahrtsbegriff; vgl. dazu , NStZ-RR 2009, 185 [Ls.]; Beschluss vom - 4 StR 704/57; BGHSt 11, 219, 223), ist auch die Missachtung des Fahrtvorrangs nach § 6 Satz 1 StVO als Vorfahrtsverstoß zu werten (vgl. , NStZ-RR 2004, 285; OLG Oldenburg, Urteil vom - 1 Ss 205/71, VRS 42, 34, 35; Ernemann in: SSW-StGB, 4. Aufl., § 315c Rn. 15; Hagemeier in: Münch.Komm.StVR § 315c Rn. 47; Hecker in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 315c Rn. 14; Heß in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 26. Aufl., § 6 StVO Rn. 9; König in: Leipziger Komm. z. StGB, 12. Aufl., § 315c Rn. 72; ders. in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl., § 315c Rn. 8; Pegel in: Münch.Komm. z. StGB, 3. Aufl., § 315c Rn. 47).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:090120B4STR324.19.0
Fundstelle(n):
UAAAH-51725