Verfolgungsverjährung: Verjährungslauf bei Tateinheit; Verjährungsbeginn beim Bankrott
Gesetze: § 52 StGB, § 78a S 1 StGB, § 266 StGB, § 283 Abs 6 StGB
Instanzenzug: LG Chemnitz Az: 330 Js 37634/09 - 4 KLs (2)nachgehend Az: 5 StR 435/19 Urteil
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen zwei Fällen der Beihilfe zum Bankrott in Tateinheit mit Beihilfe zur Untreue zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Von der Gesamtfreiheitsstrafe hat es sechs Monate wegen rechtsstaatswidriger Verzögerung für vollstreckt erklärt. Seine auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision führt zur Einstellung des Verfahrens gemäß § 206a StPO.
21. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3a) Der Mitangeklagte H. gründete mit dem ehemals Mitangeklagten P. und anderen Personen im Jahr 2001 die w. AG (nachfolgend w. AG), deren Mehrheitsaktionär er war. Nachdem der bisherige Vorstand der Aktiengesellschaft ab März 2004 seine Tätigkeit einstellte, führte H. gemeinsam mit dem als Aufsichtsratsvorsitzenden fungierenden P. fortan jedenfalls bis Ende Januar 2005 tatsächlich die Unternehmensgeschäfte. Ebenfalls im Jahr 2001 gründete H. mit P. die T GmbH. Im Mai 2004 veräußerten beide ihre Geschäftsanteile an ihre Ehefrauen.
4Geschäftsgegenstand der w. AG war es unter anderem, Wohngrundstücke an Privatpersonen zu vermieten. Zu diesem Zweck erwarb sie umfangreichen Grundbesitz und ließ Mehrfamilienhäuser sanieren. Zur Finanzierung des Ankaufs und der Sanierung von drei Wohngrundstücken mit fünf Mehrfamilienhäusern nahm sie 2002 drei Darlehen über einen Nettogesamtbetrag in Höhe von 2.093.750 Euro bei der Deutschen Kreditbank AG auf. Zur Sicherung der Rückzahlungsansprüche räumte ihr die w. AG Buchgrundschulden an den finanzierten Objekten ein. Zudem trat die w. AG die Ansprüche aus der Vermietung der betreffenden Wohnungen im Voraus an die Bank ab.
5Mitte 2004 zeichnete sich eine wirtschaftliche Krise der w. AG ab. Um deren Vermögenswerte dem Zugriff der Gläubiger zu entziehen, trafen der Mitangeklagte H. und P. mehrere Verfügungen.
6aa) Zu einem nicht bekannten Zeitpunkt zwischen Juli und September 2004 beschlossen H. und P. , der T. GmbH die Mieteinnahmen der im Eigentum der w. AG stehenden Wohnungen zukommen zu lassen. Hierzu schlossen sie im Namen der w. AG mit dem Angeklagten einen auf den - einen vor der wirtschaftlichen Krise liegenden Zeitpunkt - rückdatierten Generalmietvertrag für eine Dauer von zehn Jahren. Die im Voraus fällige Miete in Höhe von 1.750.000 Euro sollte mit Gegenforderungen des Angeklagten, die in Wahrheit nicht bestanden, verrechnet werden.
7Der Angeklagte wiederum schloss dem Tatplan folgend mit der T. GmbH ebenfalls einen rückdatierten Generalmietvertrag zum über die Wohngrundstücke zum Preis von 26.666,68 Euro monatlich. Die Miete sollte der Angeklagte auf die Zahlung einer von ihm zuvor eingegangenen Verpflichtung gegenüber der T. GmbH für den Erwerb von Grundstücken und Gesellschaftsanteilen aus anderen Geschäften verwenden. Die Zwischenvermietung an den Angeklagten erfolgte, um eine auffällige Personennähe zwischen dem für die w. AG handelnden Mitangeklagten H. sowie P. und deren Ehefrauen als Gesellschafterinnen der T. GmbH zu verschleiern.
8In der Folge schloss (überwiegend) H. für die w. AG handelnd ab Juli 2004 mit den Mietern der Wohnungen Aufhebungsverträge über deren bisherige Mietverhältnisse rückwirkend zum ab. Zugleich schloss die T. GmbH mit diesen Mietern neue Mietverträge rückwirkend zum ab. Auf diese Weise wurden die Mieter, die von der Sicherungsabtretung an die Deutsche Kreditbank AG keine Kenntnis hatten, veranlasst, die Miete fortan an die T. GmbH zu leisten (Fall 1 der Urteilsgründe).
9bb) Mit notarieller Urkunde vom bestellte der Mitangeklagte H. handelnd für die w. AG dem Angeklagten Nießbrauchsrechte an mehreren im Eigentum der Gesellschaft stehenden Grundstücken, um den Zugriff der Gläubiger hierauf zu verhindern oder zumindest zu erschweren. Eine Gegenleistung durch den Angeklagten erfolgte vereinbarungsgemäß nicht. Die Nießbrauchsrechte wurden zwischen dem 5. Januar und dem im Grundbuch eingetragen (Fall 2 der Urteilsgründe).
10Das Landgericht hat das Geschehen in den Fällen 1 und 2 hinsichtlich des Mitangeklagten H. als Bankrott in Tateinheit mit Untreue gewertet; den Angeklagten hat es jeweils der Beihilfe zu diesen Taten für schuldig gehalten.
112. In den Fällen 1 und 2 der Urteilsgründe steht der Verfolgung der Taten das Verfahrenshindernis der Verjährung entgegen (§ 78 Abs. 1 Satz 1 StGB).
12a) Die Verjährungsfrist beginnt zu laufen, sobald die Tat beendet ist (§ 78a Satz 1 StGB). Dabei läuft bei Tateinheit die Frist für jedes Delikt selbständig (, wistra 2016, 268; Urteil vom - 2 StR 299/18, NStZ-RR 2019, 108).
13aa) Im Hinblick auf den Tatvorwurf der Untreue waren die Taten mit dem Abschluss der Mietaufhebungsverträge Mitte 2004 (Fall 1) bzw. der Eintragung der Nießbrauchsrechte im Grundbuch Anfang 2005 (Fall 2) beendet, sodass die Anordnung der Vernehmung der Beschuldigten durch die Staatsanwaltschaft am , die als erste verjährungsunterbrechende Maßnahme in Betracht kommt, keine Unterbrechung der fünfjährigen Verjährungsfrist (§ 78 Abs. 3 Nr. 4, § 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB) bewirkt hat.
14bb) Demgegenüber beginnt die Verjährung des Bankrotts mit Eintritt der objektiven Strafbarkeitsbedingung nach § 283 Abs. 6 StGB (vgl. Fischer, StGB, 67. Aufl., § 283 Rn. 39 mwN), die hier in der Variante der Zahlungseinstellung vorliegt. Zahlungseinstellung im Sinne von § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO ist dasjenige nach außen hervortretende Verhalten des Schuldners, in dem sich typischerweise ausdrückt, dass er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Sie ist in einer Gesamtschau anhand von Beweisanzeichen zu folgern (, NZI 2013, 932; vgl. auch zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit BGH, Beschlüsse vom - 1 StR 665/12, NJW 2014, 164, und vom - 5 StR 538/17, BGHR InsO § 15 Abs. 4 Zahlungsunfähigkeit 1 [Gründe]).
15Nach den Feststellungen erbrachte die w. AG ab Oktober 2004 keine Zahlungen mehr auf die Darlehensschuld bei der Deutschen Kreditbank AG, nachdem sie schon zuvor die Einstellung ihrer Tätigkeit wegen „wirtschaftlicher Probleme“ angezeigt hatte. Ferner kündigte die Deutsche Kreditbank AG am das Darlehen auf und stellte den offenen Gesamtbetrag fällig, auf den seitens der w. AG in der Folge keine Zahlung getätigt wurde, sodass spätestens Anfang 2005 von einer Zahlungseinstellung auszugehen ist. Da es sich hierbei um die Forderung eines Großgläubigers in beträchtlicher Höhe handelte, kommt der Frage keine Bedeutung zu, ob die w. AG möglicherweise andere Verbindlichkeiten weiterhin bedient hat (vgl. , NZI 2017, 64 mwN).
16b) Die Verjährung der Taten des Mitangeklagten H. in den Fällen 1 und 2 bewirkt auch die Verjährung der diesbezüglichen Beihilfetaten des Angeklagten, die sich auch insoweit akzessorisch zu den Haupttaten verhalten (vgl. , BGHSt 20, 227, 229; Fischer, aaO, § 78a Rn. 4). Der Senat stellt demgemäß das Verfahren in den Fällen 1 und 2 der Urteilsgründe ein (§ 206a Abs. 1 StPO), was hinsichtlich dieses Angeklagten zu einer Einstellung des Verfahrens insgesamt führt.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:150420B5STR435.19.0
Fundstelle(n):
wistra 2021 S. 27 Nr. 1
LAAAH-51579