Begünstigung: Anforderungen an die Absicht zur Sicherung der Tatvorteile
Gesetze: § 257 Abs 1 StGB
Instanzenzug: LG Lüneburg Az: 111 KLs 9/19
Gründe
1Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Begünstigung in vier Fällen, jeweils in Tateinheit mit leichtfertiger Geldwäsche, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt und gegen die Angeklagte als Gesamtschuldnerin die Einziehung des Wertes der Taterträge in Höhe von 106.880 € angeordnet. Die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision der Angeklagten erzielt den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
21. Nach den Feststellungen des Landgerichts eröffnete die Angeklagte in der Zeit von September 2018 bis März 2019 auf Geheiß des Mitangeklagten T. vier Girokonten. Auf diesen gingen die von dem Mitangeklagten durch gewerbsmäßigen Betrug erzielten Taterträge in Höhe von insgesamt 106.880 € ein, die er abhob bzw. durch die Angeklagte abheben ließ, soweit die Guthaben nicht zuvor von der Staatsanwaltschaft gepfändet worden waren. Wenngleich der Mitangeklagte die Eröffnung der Konten von der Angeklagten unter einem Vorwand verlangt hatte, nahm sie billigend in Kauf, dass die Konten der Überweisung von aus Straftaten stammenden Erträgen dienen sollten.
32. Die Verfahrensrüge bleibt aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom genannten Gründen ohne Erfolg.
43. Jedoch ist das Urteil auf die Sachrüge hin teilweise aufzuheben.
5a) In den die Angeklagte betreffenden Fällen kann die Verurteilung wegen Begünstigung aus sachlich-rechtlichen Gründen nicht bestehen bleiben. Hierzu hat der Generalbundesanwalt ausgeführt:
„Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist das Landgericht zu der Überzeugung gelangt, dass die Angeklagte (lediglich) billigend in Kauf nahm, dem Mitangeklagten T. durch die fortdauernde Kontogewährung die Vorteile aus den Taten zu sichern. Erkannt habe die Angeklagte dies - so das Landgericht ausdrücklich - letztlich nicht, was sich damit erklären lasse, dass sie im Hinblick auf ihre „strukturelle Unterlegenheit“ gegenüber dem Angeklagten T. (ihre) Augen mehr oder minder bewusst davor verschlossen hatte (UA S. 30, vorletzter Absatz).
Damit jedoch ist der subjektive Tatbestand der Begünstigung nicht erfüllt. Schon das Wissens-Element des bedingten Vorsatzes erscheint nach UA S. 30, vorletzter Absatz fraglich. Darauf kommt es indes nicht an, denn entgegen der Rechtsauffassung des Landgerichts und der Revisionsbegründung (RB S. 18, zweiter Absatz) muss der Begünstigende gemäß § 257 Abs. 1, 2. Halbsatz StGB die „Absicht“ haben, dem Vortäter die Vorteile der Tat gegen ein Entziehen zugunsten des Verletzten oder sonst Berechtigten zu sichern.
Hierunter ist nach herrschender Meinung der zielgerichtete Wille (dolus directus 1. Grades) zu verstehen. Das bedeutet, dem Täter muss es darauf ankommen, im Interesse des Vortäters die Wiederherstellung des gesetzmäßigen, durch die Vortat beeinträchtigten Zustandes zu verhindern oder zu erschweren (BGHSt 4, 107, 108).
Allein das Bewusstsein der Angeklagten und die billigende Inkaufnahme der Beutesicherung als notwendige Konsequenz der „Kontenleihe“ (UA S. 30, vorletzter Absatz) reicht hierfür nicht aus (vgl. , NStZ 2000, 31).“
6Dem schließt sich der Senat an. Da hiernach die Voraussetzungen der Begünstigung in den genannten Fällen nicht vorliegen und dazu ergänzende Feststellungen im Fall der Aufhebung und Zurückverweisung der Sache nicht zu erwarten sind, ändert der Senat den Schuldspruch insoweit entsprechend § 354 Abs. 1 StPO (vgl. , NJW 1964, 210, 212; KK-StPO/Gericke, 8. Aufl., § 354 Rn. 15).
7b) Der Wegfall der tateinheitlichen Verurteilung wegen Begünstigung zieht die Aufhebung der Einzelstrafen und der Gesamtstrafe nach sich, weil die Strafkammer die Einzelstrafen dem Strafrahmen des § 257 StGB entnommen hat und der Senat nicht ausschließen kann, dass das Landgericht bei Anwendung des milderen Strafrahmens von § 261 Abs. 5 StGB niedrigere Strafen festgesetzt hätte.
8c) Keinen Bestand hat schließlich die Einziehungsentscheidung. Die Wertersatzeinziehung kommt im Grundsatz nach § 74 Abs. 1, § 74c Abs. 1, § 261 Abs. 7 Satz 1 StGB in Betracht. Denn die Angeklagte war trotz einer mit dem Mitangeklagten getroffenen Abrede darüber, wem die Guthaben zustehen, im Verhältnis zur Bank alleinige Inhaberin der Guthabenforderungen (vgl. OLG Celle, Beschluss vom - 1 Ws 169/09, NStZ-RR 2010, 279, 280).
9Dazu hat der Generalbundesanwalt ausgeführt:
„Indes ist die Einziehung nach § 74 Abs. 2 StGB bzw. hier die Wertersatzeinziehung gem. § 74c StGB eine Entscheidung, die im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts liegt. Für die Anordnung gilt zudem der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nach § 74f StGB (vgl. Fischer, StGB, 67. Aufl., § 74 Rn. 22 mwN).
Eine solche Ermessensentscheidung hat das Landgericht nicht getroffen.
Im Hinblick auf die besonderen Umstände des Einzelfalls, insbesondere die signifikante intellektuelle Unterlegenheit der Angeklagten, das Fehlen jeglicher Lesekompetenz (UA S. 31) und die Tatsache, dass die leseunkundige Angeklagte aufgrund ihrer intellektuellen Fähigkeiten und emotionalen Abhängigkeit den dominierenden Forderungen des Mitangeklagten wenig entgegen zu setzen hatte und schlicht seinem Willen gehorchte, sowie den Umstand, dass sie selbst keinen finanziellen Vorteil aus den Taten erlangt hat (UA S. 19 erster Absatz), kann nicht im Wege einer Ermessensreduzierung auf Null angenommen werden, dass die Kammer, wäre sie sich ihres Ermessens bewusst gewesen, dieselbe Einziehungsentscheidung getroffen hätte.“
10Dem schließt sich der Senat ebenfalls an.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:070420B6STR34.20.0
Fundstelle(n):
wistra 2020 S. 287 Nr. 7
KAAAH-50295