BGH Beschluss v. - V ZB 135/18

Teilungsversteigerung: Einstweilige Einstellung wegen Suizidgefahr des die Immobilie bewohnenden Miteigentümers; Befugnisse des Vollstreckungsgerichts zur Auflösung des Konflikts zwischen den Interessen des betreibenden Teilhabers und dem suizidgefährdeten Beteiligten

Gesetze: § 765a ZPO

Instanzenzug: Az: V ZB 135/18 Beschlussvorgehend LG Darmstadt Az: 5 T 246/17vorgehend AG Darmstadt Az: 61 K 117/07nachgehend Az: V ZB 135/18 Beschluss

Gründe

I.

1Die Beteiligten sind zu je 1/2 Miteigentümer eines mit einem Wohnhaus (226 m² Wohnfläche) bebauten, von der heute 71 Jahre alten Beteiligten zu 1 bewohnten Grundstücks in B.        . Sie waren miteinander verheiratet, leben seit spätestens 2003 getrennt und sind seit März 2012 geschieden. Der heute 74 Jahre alte Beteiligte zu 2 ist wiederverheiratet.

2Auf Antrag des Beteiligten zu 2 ordnete das Vollstreckungsgericht mit Beschluss vom die Zwangsversteigerung zur Aufhebung der Gemeinschaft an dem Grundstück an. Einen Antrag der Beteiligten zu 1 auf vorläufige Einstellung der Zwangsversteigerung wies es mit Beschluss vom zurück. Nach der Zurückweisung der Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen die Wertfestsetzung durch bestimmte das Vollstreckungsgericht den ersten Versteigerungstermin auf den .

3Zur Durchführung dieses sowie eines auf den bestimmten weiteren Versteigerungstermins kam es nicht, weil die Beteiligte zu 1 akute Suizidgefahr einwandte und das Verfahren deswegen, gestützt auf ein ärztliches Attest und gerichtlicherseits eingeholte Sachverständigengutachten, teils durch das Vollstreckungsgericht selbst, teils durch das Landgericht bis zuletzt zum eingestellt wurde. Während dieses Zeitraums gestellte Anträge des Beteiligten zu 2 auf Fortsetzung des Verfahrens blieben ohne Erfolg.

4Auf Antrag des Beteiligten zu 2 vom ordnete das Vollstreckungsgericht mit Beschluss vom die Fortsetzung des Verfahrens an. Einen erneuten Antrag der Beteiligten zu 1 auf einstweilige Einstellung der Teilungsversteigerung, der wiederum auf akute Suizidalität gestützt war, sowie einen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe hat das Vollstreckungsgericht mit Beschluss vom zurückgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1 hat das Landgericht dieser selbst und dem Vollstreckungsgericht umfangreiche Auflagen zur Minderung der Suizidgefahr gemacht, das Rechtsmittel aber im Übrigen zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Beteiligte zu 1 ihren Vollstreckungsschutzantrag weiter.

II.

5Das Beschwerdegericht geht, sachverständig beraten, davon aus, dass die Beteiligte zu 1 nach wie vor - schon durch die drohende Erteilung des Zuschlags im Teilungsversteigerungsverfahren - akut suizidgefährdet ist und sich diese Suizidgefahr nur nach einer weiteren Therapie von drei bis vier Jahren Dauer und mit einem möglichst intensiven und breit gefächerten Therapieansatz deutlich verringern werde. Es rechnet angesichts des nach seiner Einschätzung relativ gering ausgeprägten Therapiewillens der Beteiligten zu 1 mit einer deutlich längeren Dauer. Eine einstweilige Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens um einen Zeitraum von weiteren drei bis vier Jahren und womöglich länger sei dem Beteiligten zu 2 aber nicht mehr zuzumuten. Das Beschwerdegericht meint, den Vollstreckungsschutzantrag trotz fortbestehender akuter Suizidgefahr zurückweisen zu können. Es stützt seine Entscheidung neben dem gering ausgeprägten Therapiewillen der Beteiligten zu 1 auf folgende Überlegungen: Das Verfahren dauere jetzt schon zehn Jahre. Zu berücksichtigen sei ferner die hohe finanzielle Belastung des Beteiligten zu 2, der seinen Anteil an dem in dem Haus gebundenen Vermögen nicht für sein eigenes Leben einsetzen könne. Er habe angesichts seines hohen Alters ein schützenswertes Interesse daran, das Ende des Zwangsversteigerungsverfahrens und den Nutzen seines Eigentums überhaupt noch zu erleben. Der Beteiligten zu 1 sei eine vorübergehende stationäre Unterbringung zuzumuten, die das Betreuungsgericht allerdings abgelehnt habe. Der Lebensschutz der Beteiligten zu 1 sei eine genuin staatliche Aufgabe, die im Rahmen der Aufgabenverteilung zwischen den staatlichen Stellen und dem Gläubiger nicht diesem allein angelastet werden dürfe.

III.

6Diese Erwägungen halten im entscheidenden Punkt einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Die nach § 96 ZVG i.V.m. § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 gegen die Zurückweisung ihres Antrags auf weitere einstweilige Einstellung des Teilungsversteigerungsverfahrens ist begründet. Sie führt zur teilweisen Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückweisung der Sache an das Beschwerdegericht.

71. Dem auf § 765a ZPO gestützten Antrag eines beteiligten Miteigentümers in einem Teilungsversteigerungsverfahren auf einstweilige Einstellung des Verfahrens ist, wovon das Beschwerdegericht zutreffend ausgeht, zu entsprechen, wenn der Zuschlag wegen einer mit dem Eigentumsverlust verbundenen konkreten Gefahr für das Leben des Schuldners oder eines nahen Angehörigen nicht erteilt werden darf. Das entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats für das Zwangsversteigerungsverfahren (Beschlüsse vom - V ZB 99/14, NJW-RR 2015, 393 Rn. 6, vom - V ZB 115/15, NJW-RR 2016, 336 Rn. 5, vom - V ZB 138/15, MDR 2017, 238 Rn. 8 und vom - V ZB 150/16, NJW-RR 2017, 695 Rn. 5 jeweils mwN). Für das Teilungsversteigerungsverfahren gilt nichts Anderes (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZB 152/06, NJW 2007, 3430 Rn. 21 f.).

82. Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts besteht bei der Beteiligten zu 1 die akute Gefahr, dass sie sich das Leben nimmt, wenn sie infolge der Erteilung des Zuschlags ihren Miteigentumsanteil an dem Grundbesitz verliert. Diese Feststellungen lassen Rechtsfehler nicht erkennen und werden auch von dem Beteiligten zu 2 nicht infrage gestellt.

93. Das Beschwerdegericht geht weiter zutreffend davon aus, dass der Zuschlag nicht ohne weiteres zu versagen und die Teilungsversteigerung (einstweilen) einzustellen ist, wenn eine konkrete Gefahr für Leben und Gesundheit des beteiligten Miteigentümers mit der Teilungsversteigerung verbunden ist. Vielmehr ist das in solchen Fällen ganz besonders gewichtige Interesse des von der Auseinandersetzung Betroffenen (Lebensschutz, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) gegen das Auseinandersetzungsinteresse der anderen Miteigentümer (Eigentumsschutz, Art. 14 GG; effektiver Rechtsschutz, Art. 19 Abs. 4 GG) abzuwägen. Es ist daher sorgfältig zu prüfen, ob der Gefahr der Selbsttötung auf andere Weise als durch Einstellung der Teilungsversteigerung wirksam begegnet werden kann (vgl. zum Ganzen: Senat, Beschlüsse vom - V ZB 99/14, NJW-RR 2015, 393 Rn. 7, vom - V ZB 115/15, NJW-RR 2016, 336 Rn. 6, vom - V ZB 138/15, MDR 2017, 238 Rn. 11 und vom - V ZB 150/16, NJW-RR 2017, 695 Rn. 6 jeweils mwN; vgl. auch BVerfG, ZfIR 2014, 874 Rn. 11 f.).

104. Diesen Vorgaben wird das Beschwerdegericht im entscheidenden Punkt nicht gerecht.

11a) Das bisherige Vorgehen sowohl des Vollstreckungsgerichts als auch des Beschwerdegerichts ist allerdings nicht zu beanstanden. Beide haben erkannt, dass der Schutz des Lebens nicht die Aufgabe des die Teilungsversteigerung betreibenden Miteigentümers, sondern eine staatliche Aufgabe ist (Senat, Beschluss vom - V ZB 319/10, NJW 2011, 2807 Rn. 8) und eine einstweilige Einstellung der Teilungsversteigerung nach § 765a ZPO ausscheidet, wenn der Suizidgefahr eines beteiligten Miteigentümers durch seine Ingewahrsamnahme nach polizeirechtlichen Vorschriften, seine Unterbringung nach den einschlägigen Landesgesetzen, eine betreuungsrechtliche Unterbringung (§ 1906 BGB) oder andere Maßnahmen der für den Lebensschutz primär zuständigen Stellen sichergestellt werden kann (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZB 150/16, NJW-RR 2017, 695 Rn. 7). Sowohl das Beschwerdegericht als auch das Vollstreckungsgericht haben ferner richtig gesehen, dass eine einstweilige Einstellung der Teilungsversteigerung in dem - hier eingetretenen - Fall einer Untätigkeit der für den Lebensschutz zuständigen Stellen geboten ist, wenn innerhalb eines überschaubaren Zeitraums eine Chance dafür besteht, dass die Freiheitsentziehung zu einer Stabilisierung des Suizidgefährdeten führen und durch therapeutische Maßnahmen während der Unterbringung die Grundlage für ein Leben in Freiheit ohne konkrete Suizidgefährdung gelegt werden kann (Senat, Beschlüsse vom - V ZB 115/15, NJW-RR 2016, 336 Rn. 8 und vom - V ZB 150/16, NJW-RR 2017, 695 Rn. 8). Sie haben deshalb das Teilungsversteigerungsverfahren seit inzwischen mehr als zehn Jahren einstweilen eingestellt.

12b) Mit den dargestellten Grundsätzen der Rechtsprechung des Senats steht es aber nicht in Einklang, das Teilungsversteigerungsverfahren jetzt fortzusetzen, obwohl die akute Suizidgefahr bei der Beteiligten zu 1 unverändert fortbesteht und obwohl nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts weder sichergestellt ist noch sichergestellt werden kann, dass sie sich im Falle eines Zuschlags nicht verwirklicht.

13aa) Richtig ist zwar, dass die grundrechtsbewehrten Positionen der Beteiligten eines Zwangsversteigerungsverfahrens, insbesondere das Recht auf Leben des suizidgefährdeten Schuldners bzw. hier Miteigentümers und das Eigentumsrecht des das Verfahren betreibenden Gläubigers bzw. hier des Miteigentümers, aber auch dessen Recht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG, umfassend gegeneinander abzuwägen sind. Es trifft auch zu, dass dem Gläubiger bzw. dem ein Teilungsversteigerungsverfahren betreibenden Miteigentümer eine dauerhafte Einstellung nur in extremen Ausnahmefällen zuzumuten ist (Senat, Beschluss vom - V ZB 99/14, NJW-RR 2015, 393 Rn. 9).

14bb) Dieser extreme Ausnahmefall liegt allerdings vor, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass sich ein Beteiligter eines Zwangs- oder Teilungsversteigerungsverfahrens das Leben nimmt, wenn der Zuschlag erteilt wird, und diese Gefahr nicht abgewendet werden kann.

15(1) Die einstweilige Einstellung eines Zwangs- oder Teilungsversteigerungsverfahren hat zwar den Zweck, dem suizidgefährdeten Beteiligten die Möglichkeit zu geben, seine Situation mit fachlicher Hilfe zu stabilisieren, und dient auch dazu, den für den Lebensschutz primär zuständigen Stellen die Möglichkeit zu geben, die gebotenen und ihnen möglichen Maßnahmen zu ergreifen. Sie kann durchaus zu einer Verbesserung der Situation und im Ergebnis dazu führen, dass das Zwangs- oder Teilungsversteigerungsverfahren mit einer dem Gläubiger zumutbaren Verzögerung letztlich doch durchgeführt werden kann. Nicht selten wird aber mit einer einstweiligen Einstellung des Verfahrens eine Verbesserung der Lage nicht erreicht, sei es, weil sich die psychische Situation des suizidgefährdeten Beteiligten auch mit ärztlicher Hilfe nicht beherrschen lässt, sei es, weil der Betroffene gerade wegen der einstweiligen Einstellung darauf vertraut, dass das Verfahren letztlich doch nicht durchgeführt wird, sei es, weil die primär für den Lebensschutz zuständigen Stellen keine geeigneten Eingriffsmöglichkeiten haben oder von entsprechenden Möglichkeiten keinen Gebrauch machen. In einer solchen Fallgestaltung führt die ggf. auch wiederholte einstweilige Einstellung des Verfahrens im Ergebnis dazu, dass die Versteigerung des Grundstücks und damit bei der Zwangsversteigerung die Vollstreckung des Titels und bei der Teilungsversteigerung die Verwirklichung des Auseinandersetzungsanspruchs auf unabsehbare Zeit hinausgeschoben und unter Umständen am Ende nicht erreicht wird.

16(2) Dieses Ergebnis beeinträchtigt die ebenfalls grundrechtsgeschützten Positionen des betreibenden Gläubigers einer Zwangsversteigerung oder des betreibenden Teilhabers einer Teilungsversteigerung. Das zeigt der vorliegende Fall sehr deutlich: Der Beteiligte zu 2 versucht seit mehr als zehn Jahren vergeblich, die Gemeinschaft der Beteiligten an dem Grundstück aufzulösen und den in seinem Miteigentumsanteil gebundenen Teil seines Vermögens für das Leben mit seiner neuen Frau einzusetzen. Es besteht wenig Aussicht, dass ihm das auf absehbare Zeit gelingt. Für den Beteiligten zu 2 kann das angesichts seines vorgerückten Alters bedeuten, dass er die Auseinandersetzung der Gemeinschaft nicht mehr erlebt. Eine derart starke Beeinträchtigung der Interessen des ein gerichtliches Versteigerungsverfahren betreibenden Gläubigers bzw. Teilhabers könnte es rechtfertigen oder auch erfordern, dem suizidgefährdeten Beteiligten stärkere Einbußen in seiner Freiheit und Lebensgestaltung etwa durch eine einstweilige Unterbringung zum Schutz seines Lebens zuzumuten.

17(3) Das Vollstreckungsgericht kann auf diesen Interessenkonflikt aber nur mit einer - gegebenenfalls auch wiederholten - einstweiligen Einstellung des Verfahrens reagieren. Es kann den Konflikt nicht selbst auflösen.

18(a) Die primäre Aufgabe des Vollstreckungsgerichts besteht in der Zwangsversteigerung in der Verwirklichung der Grundpfandrechte und der Zugriffsrechte anderer Gläubiger durch die Verwertung des belasteten Grundstücks und in der Teilungsversteigerung darin, die Gemeinschaft mehrerer Eigentümer an einem Grundstück aufzulösen und so deren Auseinandersetzungsanspruch zu realisieren. Die Aufgabe des Lebensschutzes ist demgegenüber primär Aufgabe der Polizei- und Ordnungsbehörden und, soweit die Bundesvorschriften über die Betreuung und die Landesvorschriften über die Unterbringung psychisch kranker Menschen dies erlauben, der entsprechenden Abteilungen der Amtsgerichte. Die Aufgabe des Lebensschutzes wächst den Vollstreckungsgerichten in der Regel deshalb zu, weil die primär zuständigen Stellen keine ausreichenden rechtlichen Handlungsmöglichkeiten haben oder bestehende Handlungsmöglichkeiten nicht nutzen. Denn das Untätigbleiben der primär für den Lebensschutz zuständigen Behörden und Gerichte dispensiert die übrigen beteiligten staatlichen Stellen nicht von der in Art. 1 und 2 GG verankerten Verpflichtung, die Menschenwürde und das Leben des suizidgefährdeten Beteiligten zu schützen. Das Vollstreckungsgericht muss deshalb „einspringen“ und mit den ihm zu Gebote stehenden Mitteln sekundären Lebensschutz leisten (vgl. BVerfG, ZfIR 2012, 139 Rn. 68).

19(b) Die Vorschriften über die Zwangs- und die Teilungsversteigerung geben dem Vollstreckungsgericht keine gesetzliche Handlungsbefugnis, die es ihm erlauben würde, den Konflikt zwischen den Interessen des betreibenden Gläubigers bzw. Teilhabers und dem suizidgefährdeten Beteiligten selbst aufzulösen. Es könnte deshalb beispielsweise nicht selbst eine einstweilige Unterbringung des suizidgefährdeten Beteiligten anordnen, auch wenn sich hierdurch der aufgezeigte Interessenkonflikt angemessen auflösen ließe, ohne das Leben des Betroffenen zu gefährden. Das Vollstreckungsgericht hat aufgrund der Vorschrift über den Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO nur die Möglichkeit, das Verfahren einstweilen einzustellen. Es kann und muss die einstweilige Einstellung mit Auflagen versehen, die die primär für den Lebensschutz zuständigen Stellen zu einer intensiven Prüfung ihrer Handlungsmöglichkeiten und den Betroffenen zu dem Versuch veranlassen, seine psychische Situation mit ärztlicher Hilfe in den Griff zu bekommen und eine Gefährdung seines eigenen Lebens zu vermeiden. Erzwingen kann das Vollstreckungsgericht aber beides nicht.

20(c) Es ist darauf angewiesen, dass die primär für den Lebensschutz zuständigen Stellen nach den jeweils maßgeblichen Vorschriften geeignete Maßnahmen überhaupt ergreifen können. Davon kann nicht als selbstverständlich ausgegangen werden. Diese Vorschriften sind auf die Sondersituation einer Suizidgefährdung durch ein Zwangsvollstreckungsverfahren nicht zugeschnitten. Sie erlauben ein Eingreifen nur, wenn diese Situation gleichzeitig auch einen Fall darstellt, in dem die maßgeblichen Vorschriften ein Eingreifen gestatten. Sollte das der Fall sein, kann das Vollstreckungsgericht nur abwarten, ob die primär zuständigen Stellen hiervon auch Gebrauch machen oder ob sie davon - nicht selten gerade mit Rücksicht auf die Verpflichtung des Vollstreckungsgerichts zur Gewährleistung sekundären Lebensschutzes - absehen. Entsprechendes gilt für die Auflagen, die sich an den Betroffenen und sein persönliches Umfeld richten. Das Vollstreckungsgericht ist hier darauf angewiesen, dass der suizidgefährdete Beteiligte und sein Umfeld die Auflagen erfüllen. Geschieht dies nicht, darf das Vollstreckungsgericht das Verfahren nicht ungeachtet der bestehenden akuten Suizidgefährdung fortsetzen. Es muss vielmehr auch dann den Lebensschutz im Wege der Einstellung gewährleisten, regelmäßig durch eine - auch wiederholte - einstweilige Einstellung, in seltenen Ausnahmefällen aber auch durch eine dauernde (vgl. dazu BVerfG, WM 2019, 1694 Rn. 40). Die im System der maßgeblichen Vorschriften angelegte Schwäche, dass die Vollstreckungsgerichte den Lebensschutz des Schuldners zu Lasten des Gläubigers gewährleisten müssen, wenn die primär zuständigen staatlichen Stellen nicht eingreifen, lässt sich mit den Mitteln richterlicher Rechtsauslegung und Rechtsfortbildung nicht ausgleichen. Sie kann nur durch eine Ergänzung der gesetzlichen Vorschriften über den Vollstreckungsschutz, über die Handlungsmöglichkeiten der primär für den Lebensschutz zuständigen Behörden oder Stellen oder durch eine Kombination von beidem behoben werden. Das ist die Aufgabe des zuständigen Bundes- oder Landesgesetzgebers.

21(d) Bis dahin wird das Vollstreckungsgericht deshalb ein Zwangs- oder Teilungsversteigerungsverfahren regelmäßig einstweilen einzustellen und in regelmäßigen Zeitabständen eine Veränderung der Lage zu prüfen haben, wenn sich weder durch eigene noch durch Maßnahmen anderer Stellen sicherstellen lässt, dass sich die akute Suizidgefahr durch den Zuschlag nicht verwirklicht (vgl. Senat, Beschlüsse vom - V ZB 67/07, NJW 2008, 586 Rn. 10 und vom - V ZB 150/16, NJW-RR 2017, 695 Rn. 8). Das gilt auch dann, wenn die für den Lebensschutz primär zuständigen Stellen an sich die Möglichkeit hätten, diesen auf andere Weise sicherzustellen, hiervon aber keinen Gebrauch machen, oder wenn der suizidgefährdete Beteiligte durch eigene Mitwirkung einen weiteren Aufschub der Teilungsversteigerung hätte vermeiden können oder künftig vermeiden könnte, es aber nicht tut.

IV.

22Die Zurückweisung des Einstellungsantrags der Beteiligten zu 1 kann danach keinen Bestand haben. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif. Die Beteiligte zu 1 ist nach den bisherigen Feststellungen zwar akut suizidgefährdet, und die Verwirklichung der Gefahr kann nach den getroffenen Feststellungen nicht sicher verhindert werden. Es bedarf aber der Feststellung, ob sich die Situation verändert hat und ob sowie ggf. unter welchen Bedingungen es möglich ist, die Teilungsversteigerung durchzuführen, ohne das Leben der Beteiligten zu 1 zu gefährden. Die Sache ist deshalb zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.

V.

23Das Beschwerdegericht wird bei der erneuten Entscheidung auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu entscheiden haben. Zwar ergeht bei der Entscheidung über den Einstellungsantrag eines Miteigentümers im laufenden Teilungsversteigerungsverfahren, ebenso wie bei der Entscheidung über den Einstellungsantrag des Schuldners im laufenden Zwangsversteigerungsverfahren, keine Kostenentscheidung nach den §§ 91 ff. ZPO (Senat, Beschluss vom - V ZB 19/18, WM 2019, 649 Rn. 9). Diese Vorschriften sind aber für das Rechtsbeschwerdeverfahren anwendbar, weil sich die Beteiligten bei einer Entscheidung über ein Rechtsmittel gegen die Einstellung oder Nichteinstellung der (Zwangs- oder) Teilungsversteigerung wie in einem kontradiktorischen Verfahren gegenüberstehen (vgl. Senat, Beschlüsse vom - V ZB 26/07, NJW-RR 2008, 1547 Rn. 12 und vom - V ZB 19/18, WM 2019, 649 Rn. 11).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:071119BVZB135.18.0

Fundstelle(n):
KAAAH-49985