Beihilfe zur Steuerhinterziehung: Strafrahmenverschiebung bei fehlender steuerlicher Erklärungspflicht des Gehilfen
Gesetze: § 27 Abs 2 StGB, § 28 Abs 1 StGB, § 49 Abs 1 StGB, § 370 Abs 1 AO, § 370 Abs 3 Nr 1 AO
Instanzenzug: Az: 10 KLs 2050 Js 13818/14 (2)
Gründe
1In einem ersten Rechtsgang wurde der Angeklagte wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Auf die Revision des Angeklagten hat der Senat dieses Urteil im Strafausspruch aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die der Strafzumessung zugrunde gelegten Feststellungen hat der Senat aufrechterhalten und ergänzende Feststellungen durch das neue Tatgericht ausdrücklich für zulässig erachtet.
2Das Landgericht hat den Angeklagten nun zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, die mit der Sachrüge hinsichtlich des Strafausspruchs Erfolg hat (§ 349 Abs. 4 StPO); hinsichtlich der von ihm ebenfalls angegriffenen Feststellungen ist seine Revision unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO). Die von der Strafkammer getroffenen ergänzenden Feststellungen bleiben bestehen.
31. Der Strafausspruch hält materiell-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
4Der Angeklagte hat nach den auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung beruhenden (ergänzenden) Feststellungen von der durch den Haupttäter verursachten Hinterziehung polnischer Verbrauch- und Umsatzsteuer in Höhe von 16.399.691,78 Euro lediglich 3.912.683,96 Euro (zum Additionsfehler, vgl. Antrag des Generalbundesanwalts) durch den Einsatz der von ihm zur „illegalen“ Produktion von Zigaretten in den Produktionshallen der Firma L. in B. (Polen) gelieferten Maschinen als seinen Tatbeitrag mit zu verantworten.
5Die Strafkammer hat allerdings einen besonders schweren Fall nach § 370 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 1 AO nach Abwägung strafmildernder und strafschärfender allgemeiner Strafzumessungsgesichtspunkte wegen des Gewichts seines Tatbeitrags nur unter Hinzunahme und Verbrauch des vertypten Strafmilderungsgrunds der Beihilfe (§ 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB) für entkräftet erachtet und die Strafe dem Strafrahmen des § 370 Abs. 1 AO entnommen. Eine Strafrahmenverschiebung nach § 28 Abs. 1 StGB hat es rechtsfehlerhaft nicht in den Blick genommen.
6a) Gemäß § 28 Abs. 1 StGB ist die Strafe nach § 49 Abs. 1 StGB zu mildern, wenn bei dem Teilnehmer besondere persönliche Merkmale fehlen, welche die Strafbarkeit des Täters begründen. Die sich auf die Tatbestandsvoraussetzungen der Pflichtwidrigkeit nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO gründende steuerliche Erklärungspflicht ist nach der geänderten Rechtsprechung des Senats, die das Landgericht bei seiner Entscheidung noch nicht kennen konnte, ein strafbarkeitsbegründendes besonderes persönliches Merkmal nach § 28 Abs. 1 StGB ( Rn. 17 ff.). Bei einem Gehilfen, der im Zeitpunkt der Gehilfenhandlung nicht selbst zur Aufklärung der Finanzbehörde verpflichtet ist, ist daher eine Strafrahmenverschiebung nach § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB neben der Milderung nach § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB vorzunehmen, es sei denn, das Tatgericht hätte allein wegen des Fehlens der Erklärungspflicht Beihilfe statt Täterschaft angenommen (vgl. Rn. 21; Beschluss vom – 1 StR 50/19 Rn. 6).
7b) Eine solche Pflicht zur Aufklärung der polnischen Finanzbehörden bestand nach den Feststellungen des Landgerichts beim Angeklagten nicht. Dieser stand mit seiner Firma M. (Sitz T. ) lediglich in Geschäftsbeziehungen mit der Firma L. , deren Inhaber „im Tatzeitraum als Verantwortlicher der der Firma L. entgegen seiner ihm bekannten steuerlichen Verpflichtung weder Verbrauch- noch Umsatzsteuern für die illegal produzierten Zigaretten an die zuständigen polnischen Behörden abführte“. Der Angeklagte war damit nicht Verfügungsberechtigter im Sinne des § 35 AO. Die Voraussetzungen einer Strafrahmenmilderung nach § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB lagen damit vor.
82. Der Senat kann ein Beruhen des Strafausspruchs auf diesem Erörterungsmangel nicht ausschließen; denn die Urteilsgründe lassen nicht erkennen, ob das Landgericht allein wegen des Fehlens einer sich aus § 35 AO ergebenden Erklärungspflicht nicht von Täterschaft, sondern von Beihilfe ausgegangen ist.
93. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es bei dem hier allein vorliegenden Wertungsfehler nicht.
104. Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, die Sache an ein anderes Landgericht zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO).
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:230719B1STR197.19.0
Fundstelle(n):
IAAAH-48752