Verbraucherinsolvenzverfahren: Angemessene Vergütung bei geringer Anzahl von Gläubigern und geringer Höhe der Verbindlichkeiten
Leitsatz
Im Verbraucherinsolvenzverfahren kann die Mindestvergütung des § 13 InsVV ausnahmsweise um einen Abschlag nach § 3 Abs. 2 Buchst. e InsVV gekürzt werden, wenn wegen der Überschaubarkeit der Vermögensverhältnisse und der geringen Anzahl der Gläubiger oder der geringen Höhe der Verbindlichkeiten der durchschnittliche Aufwand eines massearmen Verfahrens beträchtlich unterschritten wird, die Arbeitserleichterung nicht bereits darauf zurückzuführen ist, dass die Unterlagen nach § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO von einer geeigneten Person oder Stelle erstellt worden sind, und sich ohne die zusätzliche Kürzung eine unangemessene hohe Vergütung ergäbe.
Gesetze: § 3 Abs 2 Buchst e InsVV, § 13 InsVV, § 305 Abs 1 Nr 3 InsO
Instanzenzug: LG Krefeld Az: 7 T 54/18vorgehend AG Krefeld Az: 95 IK 5/16
Gründe
I.
1Der weitere Beteiligte zu 1 (fortan: Verwalter) war Verwalter in dem am eröffneten Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners. Der Schuldner hatte über seinen Verfahrensbevollmächtigten die Eröffnung des Verfahrens und Restschuldbefreiung beantragt und dem Antrag die in § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO genannten Verzeichnisse beigefügt, die von dem Verfahrensbevollmächtigten erstellt worden waren. Dem Schuldner wurden die Verfahrenskosten gestundet. In dem schriftlich durchgeführten Verfahren meldeten drei Gläubiger Forderungen im Gesamtbetrag von 34.571,29 € zur Insolvenztabelle an. Da lediglich unpfändbare Vermögenswerte vorhanden waren und der Schuldner Einkommen nur in unpfändbarer Höhe erzielte, konnte der Verwalter keine Vermögenswerte zur Masse ziehen. Mit Beschluss vom wurde das Insolvenzverfahren ohne Verteilung nach § 200 InsO aufgehoben.
2Mit Schreiben vom hat der Verwalter beantragt, seine Vergütung unter Zugrundelegung der nach § 13 InsVV auf 800 € gekürzten Mindestvergütung einschließlich Auslagen, Zustellungskosten und Umsatzsteuer auf 1.219,99 € festzusetzen. Das Insolvenzgericht hat einen Abschlag nach § 3 Abs. 2 Buchst. e InsVV in Höhe von 200 € vorgenommen und die Vergütung auf insgesamt 981,98 € festgesetzt. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Verwalters hat keinen Erfolg gehabt. Mit seiner vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Verwalter den abgewiesenen Teil seines Vergütungsantrags weiter.
II.
3Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO, §§ 4, 6 Abs. 1, § 64 Abs. 3 Satz 1 InsO) und auch im Übrigen zulässig. Entgegen der Ansicht des Schuldners war nicht schon die sofortige Beschwerde des Verwalters nach § 64 Abs. 3 Satz 2 InsO, § 567 Abs. 2 ZPO unzulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstandes, der nach diesen Bestimmungen 200 € übersteigen muss, bestimmt sich nach dem Unterschiedsbetrag zwischen dem in der angefochtenen Entscheidung zugebilligten und dem in der Beschwerdeinstanz beantragten Betrag (, ZInsO 2012, 972 Rn. 10). Dieser Unterschied beträgt hier 238,01 €. Der darin enthaltene, der abzuführenden Umsatzsteuer entsprechende und vom Verwalter nach § 7 InsVV zur Festsetzung beantragte Betrag ist nicht herauszurechnen.
4In der Sache bleibt die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg.
51. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, ein Abschlag nach § 3 Abs. 2 Buchst. e InsVV komme auch dann in Betracht, wenn die Mindestvergütung des § 2 Abs. 2 InsVV bereits nach § 13 InsVV gekürzt worden sei. Die Tätigkeit des Verwalters habe derjenigen eines früheren Treuhänders entsprochen. Bei Betrachtung der gesamten Umstände sei ein Absenken der Vergütung auf 600 € und damit auf das Vergütungsniveau eines Treuhänders nach altem Recht angezeigt.
62. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand. Maßgeblich für die Bemessung der Vergütung sind die Regelungen der Insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung in der ab dem geltenden Fassung, weil das Insolvenzverfahren nach dem beantragt worden ist (§ 19 Abs. 4 InsVV).
7a) Die Bemessung von Zu- und Abschlägen zum Regelsatz der Vergütung ist grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters. Sie ist in der Rechtsbeschwerdeinstanz nur darauf zu überprüfen, ob sie die Gefahr der Verschiebung von Maßstäben mit sich bringt (, WM 2017, 825 Rn. 8 mwN; st. Rspr.).
8aa) Der Senat hat bereits entschieden, dass die in massearmen Verfahren zu gewährende Mindestvergütung des § 2 Abs. 2 InsVV auch in Verbraucherinsolvenzverfahren um einen Abschlag nach § 3 Abs. 2 Buchst. e InsVV gekürzt werden kann, wenn der durchschnittliche Aufwand eines massearmen Verfahrens erheblich unterschritten wird. Voraussetzung ist, dass der qualitative und quantitative Zuschnitt des Verfahrens so weit hinter den Kriterien eines durchschnittlichen massearmen Verfahrens, das schon seiner Art nach regelmäßig mit einem verminderten Aufwand verbunden ist, zurückbleibt, dass der Regelsatz der Mindestvergütung zu einer unangemessen hohen Vergütung führen würde (, WM 2018, 242 Rn. 13 ff).
9bb) Ein Abschlag nach § 3 Abs. 2 Buchst. e InsVV kann auch von der nach § 13 InsVV gekürzten Mindestvergütung vorgenommen werden. Nach dieser durch das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte vom (BGBl. I, S. 2379) mit Wirkung vom neu gefassten Norm ermäßigt sich die Mindestvergütung des § 2 Abs. 2 Satz 1 InsVV auf 800 €, wenn in einem Verbraucherinsolvenzverfahren die Unterlagen nach § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO von einer geeigneten Person oder Stelle erstellt werden. Die Vorschrift zeigt, dass der Gesetzgeber die Mindestvergütung des § 2 Abs. 2 InsVV in Fällen verminderten Aufwands für unterschreitbar hielt. Es ist auch nicht anzunehmen, dass § 13 InsVV solche Fälle abschließend regeln will ( aaO Rn. 15). Entgegen einer im Schrifttum vertretenen Ansicht (Wischemeyer/Schur, ZVI 2017, 171, 177; Gortan, NZI 2016, 339, 341; Nerlich/Römermann/Stephan, InsO, 2017, § 13 InsVV Rn. 17; HK-InsO/Keller, 9. Aufl., § 13 InsVV Rn. 19; Stoffler in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2016, § 13 InsVV Rn. 9; HmbKomm-InsO/Büttner, 7. Aufl., § 13 InsVV Rn. 14 ff; Graeber/Graeber, InsVV, 3. Aufl., § 3 Rn. 316; Haarmeyer/Mock, InsVV, 6. Aufl., § 3 Rn. 119; BeckOK-InsO/Budnik, 2020, § 13 InsVV Rn. 9; ders. NZI 2020, 128) trifft es auch nicht zu, dass der ebenfalls durch das Gesetz vom neu geschaffene Abschlagstatbestand des § 3 Abs. 2 Buchst. e InsVV bereits in die Regelung des § 13 InsVV "integriert" sei und nicht beide Kürzungsvorschriften kumulativ angewandt werden könnten (offen gelassen von LG Münster, NZI 2020, 126). Die beiden Regelungen betreffen unterschiedliche Tatbestände (so auch Wischemeyer/Schur, aaO; Gortan, aaO S. 339). Während es bei § 13 InsVV um den im Vergleich zum Regelinsolvenzverfahren geringeren Arbeitsaufwand des Insolvenzverwalters infolge der von einer geeigneten Stelle erstellten und deshalb verlässlicheren Verzeichnisse des Vermögens und Einkommens des Schuldners, seiner Gläubiger und ihrer Forderungen geht (vgl. BT-Drucks. 17/11268, S. 37), betrifft § 3 Abs. 2 Buchst. e InsVV die Arbeitserleichterung, die sich für den Verwalter ergibt, wenn die Vermögensverhältnisse des Schuldners überschaubar sind und die Zahl der Gläubiger oder die Höhe der Verbindlichkeiten gering ist. Die jeweiligen Tatbestände können, müssen aber nicht zusammentreffen. Es kann Fälle geben, in denen die Voraussetzungen des § 13 InsVV, nicht aber diejenigen des § 3 Abs. 2 Buchst. e InsVV gegeben sind; die Mindestvergütung beträgt dann 800 €. Liegen zusätzlich die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Buchst. e InsVV vor, kann dies wegen des - nochmals - geringeren Arbeitsaufwands eine Herabsetzung der Mindestvergütung des § 13 InsVV rechtfertigen. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber den Abschlagstatbestand des § 3 Abs. 2 Buchst. e InsVV in die Regelung des § 13 InsVV habe einbeziehen wollen, sind nicht erkennbar. Der Sache nach gleicht § 13 InsVV einem weiteren Regelbeispiel zu § 3 Abs. 2 InsVV (Zimmer, InsVV, § 13 Rn. 2). Auch dies spricht dafür, dass auf der Grundlage der geltenden Regelung ein Abschlag nach § 3 Abs. 2 Buchst. e InsVV von der Mindestvergütung des § 13 InsVV möglich ist. Eine abweichende Regelung wäre vom Verordnungsgeber zu treffen.
10cc) Bei der Beurteilung, ob und in welchem Umfang die Mindestvergütung des § 13 InsVV nach § 3 Abs. 2 Buchst. e InsVV herabgesetzt werden kann, ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Insolvenzverwalter aus verfassungsrechtlichen Gründen (Art. 12 Abs. 1 GG) in einem seiner Qualifikation und seiner Tätigkeit angemessenen Umfang vergütet werden muss. Wegen des Grundsatzes der Querfinanzierung muss die Vergütung zwar nicht in jedem Einzelfall kostendeckend sein. Der Insolvenzverwalter muss aber auch dann, wenn er überwiegend in massearmen Verfahren beauftragt wird, im Durchschnitt dieser Verfahren eine auskömmliche Vergütung erzielen können (vgl. , BGHZ 157, 282, 286, 288 ff).
11Eine Kürzung der Mindestvergütung des § 2 Abs. 2 InsVV in Verbraucherinsolvenzverfahren sowohl nach § 13 InsVV als auch nach § 3 Abs. 2 Buchst. e InsVV darf deshalb nicht die Regel sein, sondern ist auf Ausnahmefälle zu beschränken. Massearme Verfahren, in denen die Mindestvergütung zum Tragen kommt, sind schon ihrer Art nach regelmäßig mit einem verminderten Aufwand verbunden. Nur wenn der durchschnittliche Aufwand eines massearmen Verfahrens nochmals beträchtlich unterschritten wird, kommt ein Abschlag von der Mindestvergütung in Betracht (vgl. aaO Rn. 14). Zu beachten ist ferner, dass Umstände, auf denen die Ermäßigung der Mindestvergütung nach § 13 InsVV beruht, nicht erneut bei der Prüfung eines Abschlags nach § 3 Abs. 2 Buchst. e InsVV berücksichtigt werden dürfen. Die Vergütung eines Insolvenzverwalters in einem Verbraucherinsolvenzverfahren kann sich im Ergebnis am Vergütungssatz eines Treuhänders nach früherem Recht (§§ 313, 314 InsO aF) orientieren, wenn seine Tätigkeit tatsächlich nicht über dessen Aufgabenbereich hinausgeht (, WM 2017, 825 Rn. 13); die Mindestvergütung von 600 €, die nach § 13 Abs. 1 Satz 3 InsVV aF einem Treuhänder zu gewähren war, darf jedoch nicht unterschritten werden ( aaO Rn. 16).
12b) Die Entscheidung des Beschwerdegerichts stimmt mit diesen Grundsätzen überein. Seine Annahme, die Voraussetzungen eines Abschlags nach § 3 Abs. 2 Buchst. e InsVV seien gegeben, lässt nach dem im Rechtsbeschwerdeverfahren für die Bemessung von Zu- und Abschlägen geltenden eingeschränkten Prüfungsmaßstab keinen Rechtsfehler erkennen.
13Die Zahl von drei am Verfahren teilnehmenden Gläubigern war gering und die Vermögensverhältnisse des Schuldners waren überschaubar. Hierfür wird zwar nicht stets die Feststellung genügen, dass keine Insolvenzmasse vorhanden ist. Es kann auch Fälle geben, in denen der Verwalter erst aufgrund umfangreicher Tätigkeit ermitteln kann, dass Vermögensgegenstände vorhanden, diese aber nicht pfändbar sind und auch Einkünfte des Schuldners die Pfändungsfreigrenze nicht übersteigen. Schwierigkeiten dieser Art hat der Verwalter hier aber nicht dargelegt. Soweit er sich auf umfangreiche Korrespondenz mit dem Schuldner und dem Finanzamt hinsichtlich der Steuererklärungen berufen hat, hat er hierzu nichts Näheres vorgetragen, auch nachdem das Insolvenzgericht darauf hingewiesen hatte, dass sich hiervon im Schlussbericht und im Vergütungsantrag nichts finde. Tätigkeiten, die über den Aufgabenbereich eines Treuhänders nach altem Recht hinausgingen, hat der Verwalter nicht behauptet.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:120320BIXZB33.18.0
Fundstelle(n):
DStR 2020 S. 12 Nr. 23
NJW 2020 S. 10 Nr. 23
NJW-RR 2020 S. 685 Nr. 11
WM 2020 S. 980 Nr. 21
ZIP 2020 S. 1197 Nr. 24
ZIP 2020 S. 42 Nr. 21
JAAAH-48487