Unterstützung, Kontrolle oder Einnahmequelle?
Ergebnisse von Außenprüfung und Nachschau der Lohnsteuer in 2019
810,2 Mio. € – angesichts der Zahlen von Wirtschaftsschaden, Hilfspaketen, Schuldenaufnahme und Nachtragshaushalt, die seit Wochen täglich durch die Medien gehen, wirkt dieser Betrag fast bescheiden. Ohnehin dürfte die Zahl zum „Mehrergebnis“ aus den Ende letzten Monats vom BMF veröffentlichten Eckdaten zu den Ergebnissen von Außenprüfung und Nachschau bei der Lohnsteuer in 2019 außerhalb der Steuerwelt wenig Beachtung gefunden haben. Einen solchen Wert indes als „Peanuts“ abzutun, wäre nicht nur taktlos, sondern würde der Sache darüber hinaus gerade bei Inanspruchnahme für eine fremde Steuerschuld (§ 38 Abs. 2 Satz 1 EStG) nicht gerecht. Gleichwohl brachte die Ministeriumsmeldung aber selbst fachlich wenig Überraschendes: Das (Mehr-)Ergebnis bewegte sich auf einem im Vergleich über die Zeit durchaus gewohnten Niveau. Im letzten Jahr wurden dabei durchschnittlich 1.963 Prüfer eingesetzt, die 89.905 von den insgesamt 2.564.642 Arbeitgebern abschließend prüften.
Die Daten lassen sich allerdings gut als Anstoß nehmen, um über die Zielsetzung der Prüfungen bei der Lohnsteuer zu reflektieren. Fraglos kommt ihnen eine Sicherungsfunktion für das Gesamtsystem dieses Steuerabzugs zu, getreu dem Motto: Wenn gar nicht kontrolliert würde, würden die Vorschriften wahrscheinlich vielfach nicht eingehalten. Damit dienen die Maßnahmen dann zudem der Belastungs- und Wettbewerbsgleichheit – bezogen sowohl auf die Arbeitgeber als auch die Arbeitnehmer, um deren (Einkommen-)Steuer auf die Einkünfte nach § 19 EStG es ja schließlich geht. Schon an diesem Punkt kommt aber ganz entscheidend die Praxis ins Spiel: Aller Erfahrung nach fordern Unternehmen Lohnsteuer aus der Außenprüfung nur äußerst selten von ihren Mitarbeitern ein; wo möglich, wird auf Pauschalierungen zurückgegriffen. Hintergrund hierbei sind meist gar nicht etwaige faktische oder rechtliche Hindernisse, sondern vor allem personalwirtschaftliche Erwägungen. Gehaltsabrechnungen im Mai 2020 mit Abzügen für die Weihnachtsfeier 2017 – das dürfte das Arbeitsklima wohl kaum fördern. Lohnsteuer-Prüfungen helfen damit nur sehr bedingt, die korrekte Steuerbelastung beim Arbeitnehmer zu verwirklichen.
Blickt man auf die in vielerlei Hinsicht schwierige Position des Arbeitgebers im System, scheint die Forderung angebracht, dass bei der Prüfung und Durchsicht der Lohnsteuer nicht ein möglichst großes Mehr an Steuer, sondern vor allem das Ideal eines regelkonform und reibungslos funktionierenden Einbehalts im Vordergrund stehen sollte. Gerade dort liegt die Stärke und letztlich – sogar verfassungsrechtlich – auch nur die Legitimation des in Deutschland seit Dekaden praktizierten Verfahrens: In einer effizienten und bisher, aktuell sowie in Zukunft möglichst fehlerfreien Steuerabführung an der Quelle zum Wohl der Allgemeinheit. Die §§ 42f und 42g EStG mithin als Instrumente primär zur Unterstützung der Arbeitgeber bei Erfüllung der ihnen auferlegten mannigfaltigen Pflichten und nicht als gefürchtete Maßnahmen mit Sanktions- oder gar Strafandrohung, die über aufwendiges Compliance-Management im Zaum gehalten werden müssen – leider ist dies oftmals nicht die praktisch gelebte Realität.
Lukas Hilbert
Fundstelle(n):
NWB 2020 Seite 1449
NWB UAAAH-48453