Vorschriften für die „Nach-Corona-Zeit“
Liebe Leserinnen und Leser,
derzeit ist die „Bewegungsfreiheit“ der Steuerpflichtigen sehr eingeschränkt – allerdings aus gesundheitlichen und politischen Gründen, nicht aufgrund des Steuerrechts. Wegzüge aus Deutschland sind demnach zurzeit nicht „in Mode“. Und auch die Einkünfte, die man potentiell nicht mehr in Deutschland versteuern möchte, lassen dieses Jahr wahrscheinlich zu wünschen übrig.
Wer jedoch in der – hoffentlich bald einsetzenden – „Nach-Corona-Zeit“ das Weite sucht, wird auf die „alten Probleme“ stoßen:
Entweder seine Einkünfte werden weiterhin steuerlich in Deutschland erfasst – dafür hält der Gesetzgeber die beschränkte Einkommensteuerpflicht bereit. So etwa bei Vermietungsobjekten, deren Erträge auch unter den deutschen Doppelbesteuerungsabkommen regelmäßig in Deutschland erfasst werden. Wer es gar zu wild treibt und – neben weiteren Voraussetzungen – „in einem ausländischen Gebiet ansässig ist, in dem er mit seinem Einkommen nur einer niedrigen Besteuerung unterliegt“ – wird für einige Zeit vom deutschen Fiskus zusätzlich mit der erweiterten beschränkten Einkommensteuerpflicht des § 2 AStG bedacht.
Oder die Einkünfte werden dem deutschen Fiskus tatsächlich ganz oder teilweise entzogen. Hier greifen häufig „Entstrickungsregeln“. Menschliche Vernunft würde suggerieren, dass dies nur dann der Fall sein sollte, wenn der „Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder der Nutzung eines Wirtschaftsguts“ gegeben ist – so die „Mutter“ all dieser Regeln in § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG.
Dass es steuerliche Folgen beim Wegzug auch geben könnte, wenn sich eigentlich rein gar nichts ändert oder der Steuerpflichtige selbst nicht aktiv wird, ist hingegen gewöhnungsbedürftig. Dennoch hat der Gesetzgeber mit dem – Kandidaten für das Steuerberater-Examen wohl vertrauten – § 6 AStG eine solche Regel geschaffen. Dass „Nichtstun steuerliche Folgen auslösen“ kann, die auch § 6 AStG betreffen, hat der Kollege Prof. Dr. Franz Jürgen Marx an dieser Stelle (SteuerStud 2/2019 S. 73, NWB TAAAG-96923) bereits aufgezeigt („passive Entstrickung“).
Das Ganze gibt es jetzt auch in einer neuen, ebenfalls überraschenden Variante: Auch bei einer aktiven Handlung des Steuerpflichtigen, bei der aber kein deutsches Besteuerungsrecht beschränkt oder ausgeschlossen wird , können sich nach Meinung des FG Köln (Urteil v. - 15 K 2159/15, NWB SAAAH-21805) steuerlich die Folgen des § 6 AStG einstellen. Wer den § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG aufmerksam liest, merkt: Das auslösende „Event“ ist in der Tat nur das Ende der unbeschränkten Steuerpflicht „durch Aufgabe des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts“. Von Ausschluss oder Beschränkung des Besteuerungsrechts weit und breit keine Spur! Im Urteil des FG Köln war es der „Nebentatbestand“ des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AStG, der die Steuer auslöste, nachdem ein Vater seinem Sohn Anteile i. S. des § 17 EStG teilentgeltlich übertragen hatte. Der Ausschluss oder die Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts sind aber auch dort nach Meinung des FG nicht nötig.
Also: Großer Beratungsbedarf für junge Steuerberater – auf geht`s in den Rest der Vorbereitung!
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine angenehme Lektüre!
Ihr
Martin Weiss
Fundstelle(n):
SteuerStud 7/2020 Seite 425
NWB BAAAH-46809