BGH Urteil v. - 5 StR 130/19

Einziehung: Aus der Tat erlangter Vermögenswert; mehrere Tatbeteiligte; spätere Aufgabe der Mitverfügungsgewalt

Gesetze: § 73 StGB

Instanzenzug: Az: 5 StR 130/19 Beschlussvorgehend LG Dresden Az: 3 KLs 422 Js 64036/17 (2)nachgehend Az: 5 StR 130/19 Beschluss

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Bandendiebstahls in 14 Fällen, davon in 13 Fällen in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, und wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es 5.000 Euro als „Wertersatz“ eingezogen. Die gegen die Einziehungsentscheidung gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge Erfolg, führt jedoch zugunsten des Angeklagten (§ 301 StPO) auch zu der aus dem Tenor ersichtlichen Aufhebung des Strafausspruchs.

21. Das Landgericht hat festgestellt:

3Der Angeklagte war zu den Tatzeiten Mitglied einer international organisierten polnischen Bande, die in Deutschland hochwertige Kraftwagen entwendete und nach Polen verbrachte. Gemäß der Bandenabrede reisten jeweils mindestens zwei Bandenmitglieder in der Nacht nach Deutschland ein und suchten in nicht weit von der Autobahn entfernten „guten“ Wohngegenden nach wertvollen Kraftfahrzeugen, die frei auf nicht umzäunten Hausgrundstücken standen und über das „Keyless-Go-System“ verfügten. Ein Bandenmitglied scannte mit einem Funkstreckenverlängerer die Hauswand, um das Signal eines im Haus befindlichen Autoschlüssels aufzunehmen und zu „verlängern“. Währenddessen stand ein anderes Bandenmitglied an der Tür des ins Auge gefassten Kraftwagens, um das Signal mit einem technischen Gerät „aufzufangen“, damit die Tür zu öffnen und den Motor zu starten. Ein als Fahrer fungierendes Bandenmitglied steuerte das Auto mit Hilfe eines voreingestellten mobilen Navigationsgeräts vom Tatort zur Verwertung in Polen.

4In 13 der verfahrensgegenständlichen 14 Taten des schweren Bandendiebstahls war dem nicht über eine Fahrerlaubnis verfügenden Angeklagten zumindest die Funktion des Fahrers zugewiesen. Im Zeitraum vom 15. Juni bis verbrachte er elf Kraftwagen im Wert zwischen 21.632 Euro und 150.000 Euro nach Polen, von denen jedoch einer aus ungeklärten Gründen vor der Übergabe verbrannte. In den weiteren Fällen erlitt er mit einem BMW X5 (Zeitwert etwa 75.000 Euro) kurz vor der polnischen Grenze einen Unfall, bei dem das Auto liegenblieb, bzw. ließ er einen gestohlenen Mercedes AMG (Wert 80.000 Euro) auf seiner Flucht vor der Polizei in Thüringen zurück.

5In den zehn Fällen erfolgreicher Übergabe in Polen erhielt der Angeklagte als Entlohnung einen „Anteil an der Beute“ von jeweils 500 Euro, mithin insgesamt 5.000 Euro.

62. Das Landgericht hat die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe des „Gesamtlohns“ des Angeklagten von 5.000 € angeordnet. Nur insoweit habe der Angeklagte „etwas“ im Sinne von § 73 Abs. 1 StGB erlangt. Hingegen scheide eine Einziehung des Wertes der entwendeten Kraftwagen aus. Zwar habe er Mitverfügungsgewalt über die Fahrzeuge gehabt. Jedoch habe sich diese auf die vorgegebenen Strecken bis zum Übergabeort beschränkt. Dieser kurzzeitige und vorübergehende Zustand genüge nicht, um einen „Vermögenszufluss“ beim Angeklagten annehmen zu können.

73. Die Einziehungsentscheidung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

8a) Gemäß ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Vermögenswert im Rechtssinne aus der Tat erlangt, wenn er dem Beteiligten in irgendeiner Phase des Tatablaufs unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestands so zugeflossen ist, dass er hierüber tatsächliche Verfügungsgewalt ausüben kann (vgl. , BGHSt 52, 227, 246; vom – 4 StR 215/10, BGHSt 56, 39, 45 f.; vom – 5 StR 623/17 und 624/17, jeweils mwN). Bei mehreren Beteiligten genügt insofern, dass sie zumindest eine faktische Mitverfügungsmacht über den Vermögensgegenstand erlangt haben. Das ist der Fall, wenn sie im Sinne eines rein tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses ungehinderten Zugriff auf diesen nehmen können (vgl. , NStZ-RR 2018, 278, 279 mwN). Eine spätere Aufgabe der Mitverfügungsgewalt ist unerheblich (vgl. , NStZ-RR 2015, 310, 311).

9b) Nach diesen Maßstäben hat der Angeklagte die Kraftwagen im Sinne von § 73 Abs. 1 StGB durch die jeweiligen Taten erlangt. Er hatte während der Überführungsfahrten die faktische Herrschaft über und damit ungehinderten Zugriff auf die Fahrzeuge. Angesichts der alleine vom Angeklagten durchgeführten Transporte, der Fahrstrecken von oftmals mehreren hundert Kilometern und der daraus resultierenden langen Fahrzeiten waren ihm diese Autos auch nicht nur kurzfristig und „transitorisch“ überlassen (vgl. , NStZ 2019, 20, 21).

10c) Da die für die Einziehungsentscheidung relevanten Fahrzeugwerte bislang nicht durch eine Beweiswürdigung belegt sind (vgl. unten 4.a), hebt der Senat die entsprechenden Feststellungen auf (§ 353 Abs. 2 StPO).

11d) Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass bei Einziehung der jeweiligen Fahrzeugwerte die an den Angeklagten ausgekehrten Entlohnungen aus der Tatbeute nicht zusätzlich eingezogen werden dürfen (vgl. − 2 StR 311/18, aaO).

124. Die von der Staatsanwaltschaft vorgenommene Beschränkung des Rechtsmittels auf die Einziehungsentscheidung ist unwirksam. Denn zwischen dieser und dem nicht rechtsfehlerfrei getroffenen Strafausspruch besteht ein untrennbarer Zusammenhang.

13a) Das Landgericht hat die Bemessung der für die Taten des schweren Bandendiebstahls verhängten Strafen wesentlich am Wert der entwendeten Kraftwagen ausgerichtet (UA S. 22). Den Urteilsgründen lässt sich jedoch nicht entnehmen, auf welche Weise es den insoweit maßgebenden Zeitwert ermittelt hat und ob – wofür etwa die vielfach in Cent-Angaben aufgeführten Werte sprechen könnten – etwa die jeweiligen Kaufpreise übernommen wurden. Auch zum Alter und zum Zustand der Autos verhält sich das Urteil nicht. Der Senat kann daher nicht ausschließen, dass das Landgericht zu hohe Kraftfahrzeugwerte zugrunde gelegt und in der Folge zu hohe Strafen verhängt hat.

14b) Es würde den Grundsatz der Widerspruchsfreiheit der Feststellungen verletzen, wenn womöglich für die Strafbemessung andere Kraftfahrzeugwerte angesetzt würden als für die Einziehung. Die für die genannten Taten verhängten Strafen sowie die Gesamtstrafe waren deshalb mit den zugehörigen Feststellungen zugunsten des Angeklagten auch (vgl. den Senatsbeschluss vom heutigen Tage in dieser Sache) auf die Revision der Staatsanwaltschaft aufzuheben (§ 301 StPO).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:170719U5STR130.19.0

Fundstelle(n):
OAAAH-45889