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WP Praxis Nr. 4 vom Seite 99

Die (mehrfache) Erwartungslücke im Kontext der nichtfinanziellen Berichterstattung

Die Prüfung der nichtfinanziellen Berichterstattung zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Mag. (FH) Josef Baumüller und M.Sc. Oliver Scheid

Mittlerweile in der dritten Berichtssaison legen Unternehmen innerhalb der EU ihre nichtfinanziellen Berichterstattungen vor. Aufgrund der teils offensichtlichen inhaltlichen Defizite, mit denen diese allerdings noch immer zu kämpfen haben, wurde bereits von vielen Seiten der Ruf nach einer grundlegenden Überarbeitung der rechtlichen Grundlagen hierfür laut. Ein entscheidender Grund für diese Defizite scheint dabei in einer nur mangelhaften Qualitätssicherung im Sinne der Prüfung der bisherigen Berichterstattung zu liegen. Auch dies ist z. T. wiederum der problematischen Rechtslage geschuldet – darüber hinaus aber scheinbar abweichenden Verständnissen über die Verantwortlichkeiten hierfür zwischen den relevanten Akteuren. Der vorliegende Beitrag skizziert diese Problemlage, die sich im Kontext der Prüfung der nichtfinanziellen Berichterstattung gegenwärtig stellt – und stellt dar, wie sich das bereits lange bekannte Phänomen der „Erwartungslücke“ für die nichtfinanzielle Berichterstattung dabei in einer besonders vielschichtigen Ausprägung zeigt.

Kirsch, Nichtfinanzielle Berichterstattungspflicht (HGB), infoCenter NWB CAAAG-79145

Kernaussagen
  • Wie für die finanzielle Berichterstattung, so stellt sich auch für die nichtfinanzielle Berichterstattung das Problem der Erwartungslücke. Diese beeinträchtigt den Informationsnutzen für die Adressaten und geht für die Prüfer mit Haftungs- und Strafrisiken einher.

  • Im konkreten Fall kann gar von einer mehrfachen Erwartungslücke gesprochen werden: betreffend die (Prüfungs-)Handlungen, die von Aufsichtsrat, Abschlussprüfer und auf freiwilliger Basis beauftragten Prüfungsdienstleistern gesetzt werden.

  • Der offenkundige Status quo trägt in diesen Punkten zu berechtigten Zweifeln am Nutzen der nichtfinanziellen Berichterstattung bei.

  • Die gegenwärtig laufende Konsultation zur Überarbeitung der CSR-Richtlinie bietet eine wichtige Gelegenheit, Beiträge zu einer zukünftigen Reduktion dieser Erwartungslücken zu leisten.

I. Hintergrund

Die 2014 verabschiedete CSR-Richtlinie stellt die bis heute gültige Rechtsgrundlage für die nichtfinanzielle Berichterstattung in der EU dar. Weit über bloße Vorgaben für eine erweiterte Unternehmensberichterstattung hinaus stellt sie mit ihren Transparenzpflichten ein Fundament der politischen Ambitionen der EU-Kommission dar, die das Erreichen einer nachhaltige(re)n Wirtschaftsordnung anstrebt. Anfang 2018 der Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums , Ende 2019 der „Green New Deal“ – all diese Maßnahmen stellen darauf ab, die Unternehmensfinanzierung mit der Nachhaltigkeitsleistung von Unternehmen zu verknüpfen. Um Letztere beurteilen zu können, benötigt es allerdings Informationen, wie sie die nichtfinanzielle Berichterstattung in umfassender und vergleichbarer Art und Weise zu geben bezweckt.

Die in der Vergangenheit jedoch mehrfach festgestellten Defizite in der Berichtsqualität rückten unmittelbar auch das Thema der Prüfung der generierten Informationen in den Fokus. Hierzu sieht die CSR-Richtlinie zwei Pflichtbestimmungen sowie ein Mitgliedstaatenwahlrecht vor: