Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - schlüssige Bezeichnung von Verfahrensmängeln - Rüge der Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter nach erfolglos gebliebenen Ablehnungsgesuchen - vermeintlich übergangenes Vorgehen
Gesetze: § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 177 SGG, § 202 S 1 SGG, § 557 Abs 2 ZPO, Art 101 Abs 1 S 2 GG
Instanzenzug: Az: S 40 AS 321/17 Urteilvorgehend Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Az: L 7 AS 2151/17 Urteil
Gründe
1Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der bezeichneten Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 Satz 2 SGG).
2Nach § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Eine allgemeine Überprüfung des Rechtsstreits in dem Sinne, ob das LSG in der Sache richtig entschieden hat, ist nicht zulässig.
3Die von der Klägerin allein geltend gemachten Verfahrensmängel sind in der Begründung der Beschwerde nicht schlüssig bezeichnet (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
4Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn ein Verfahrensfehler geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 (Anhörung eines bestimmten Arztes) und 128 Abs 1 Satz 1 SGG (freie richterliche Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
5Die schlüssige Bezeichnung eines Verfahrensmangels erfordert, dass in der Beschwerdebegründung die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden (vgl nur Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 160a RdNr 16).
6Soweit die Klägerin behauptet, nach der Stellung eines Befangenheitsantrags habe der Vorsitzende erklärt, er werde nun zunächst "die anderen Verfahren" verhandeln und man werde sich dann in zwei Stunden wieder treffen und weiter verhandeln, ist schon nicht klar, welche für das sozialgerichtliche Verfahren geltende Vorschrift ("es hätte durchverhandelt werden müssen") die Klägerin für verletzt hält. Zudem widerspricht der Vortrag, ihr Prozessbevollmächtigter sei dann etwa zehn Minuten vor der festgesetzten Zeit wieder eingetroffen, wisse aber jetzt nicht mehr genau, welche Uhrzeit vereinbart gewesen worden sei, einer zeit- und nicht sachbezogenen Verhandlungsunterbrechung und ist in sich nicht schlüssig.
7Wegen der dem LSG vorgeworfenen erneuten Aufnahme der mündlichen Verhandlung vor dem Eintreffen des Prozessbevollmächtigten der Klägerin ist nicht dargetan, welches Vorbringen der Klägerin (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) hierdurch entscheidungserheblich abgeschnitten worden sei. Zum behaupteten Übergehen einer Bitte der Klägerin, auf das Eintreffen ihres Prozessbevollmächtigten zu warten (Art 2 Abs 1 iVm Art 20 Abs 3 GG) ist der Vortrag unsubstantiiert, nachdem dem Vortrag nicht zu entnehmen ist, dass die Formulierung einer solchen Bitte in der Niederschrift festgehalten worden sei.
8Wegen der Rüge der Verletzung der Öffentlichkeit des Verfahrens, weil dem neben dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der Verhandlung anwesenden Beistand die Verlesung eines (zweiten) schriftlichen Befangenheitsantrags versagt worden sei, fehlt jedes Vorbringen dazu, dass einem Publikum die Teilnahme an der Verhandlung allgemein nicht möglich gewesen wäre, weil sie nicht öffentlich durchgeführt worden sei. Dass die Entgegennahme des Antrags und die Entscheidung über ihn durch das LSG abgelehnt worden sei, behauptet auch die Klägerin nicht.
9Soweit die Klägerin eine Verletzung ihres Rechts auf den gesetzlichen Richter (Art 101 Abs 1 Satz 2 GG) rügt, weil ihre Ablehnungsgesuche aus der Sitzung keinen Erfolg gehabt haben, fehlt jede Darlegung dazu, dass und warum diese nach § 177 SGG unanfechtbaren Entscheidungen des LSG einen willkürlichen Verstoß gegen Verfahrensvorschriften enthalten oder Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des gesetzlichen Richters verkannt habe. Dieser Darlegung bedarf es, weil insoweit nach § 557 Abs 2 ZPO iVm § 202 Satz 1 SGG die Verfahrensaufsicht des BSG auf die Einhaltung dieser Maßstäbe begrenzt ist (vgl Senatsbeschluss vom - B 14 AS 286/18 B - RdNr 3 mwN).
10Weitere einen Verfahrensfehler begründende Tatsachen werden in der Beschwerdebegründung nicht ausreichend konkret bezeichnet. Insoweit gilt, dass vom LSG vermeintlich übergangenes Vorbringen so genau zu bezeichnen ist, dass es für das Beschwerdegericht ohne Weiteres auffindbar ist. Es ist nicht Aufgabe des Beschwerdegerichts, sich den Sachverhalt, der zu dem Begehren und dem Vorbringen des Beschwerdeführers passen könnte, aus den Verfahrensakten herauszusuchen und zu ermitteln, was möglicherweise zur Begründung der Beschwerde geeignet sein könnte; dem BSG muss es vielmehr grundsätzlich allein aufgrund des Vorbringens des Beschwerdeführers möglich sein zu beurteilen, ob die Revision zuzulassen ist oder nicht (vgl nur Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 160a RdNr 13e mwN). Regelmäßig ist daher in der Beschwerdebegründung auch der Sachverhalt so zu schildern, dass das Gericht dadurch ohne Weiteres in die Lage versetzt wird, ausgehend von der Rechtsansicht des Beschwerdeführers zu prüfen, ob das verfolgte Begehren durchgreifen kann (vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 62; BSG Beschlüsse vom - B 7 AL 23/09 B - juris RdNr 8, vom - B 8 SO 60/10 B - juris RdNr 10 und vom - B 14 AS 3/11 B - juris RdNr 5).
11Hinsichtlich der von der Klägerin gerügten Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG fehlt es schon an der Bezeichnung des Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt sein soll. Die vor dem LSG rechtskundig vertretene Klägerin hat nicht einmal behauptet, im Berufungsverfahren die Vernehmung von Zeugen beantragt zu haben. Sie meint allein, sämtliche erstinstanzlich vernommenen Zeugen hätten auch im Berufungsverfahren noch einmal von Amts wegen befragt werden müssen.
12Die von der Beschwerde gerügte Verletzung von § 128 Abs 1 Satz 2 SGG ist nicht hinreichend dargelegt. Nach dieser Vorschrift sind in dem Urteil die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Eine Rüge der Verletzung der Norm mit der Nichtzulassungsbeschwerde setzt die Darlegung voraus, dass, ausgehend von der Rechtsauffassung des LSG, wesentliche entscheidungserhebliche Gesichtspunkte, insbesondere die Tatsachenfeststellungen, in den Entscheidungsgründen nicht behandelt worden seien (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 128 RdNr 18). Eine solche Darlegung enthält die Nichtzulassungsbeschwerde nicht. Es fehlt schon an der Beschreibung des Verfahrensgegenstands, zu dem sich das LSG in der angefochtenen Entscheidung eine Rechtsauffassung gebildet hat.
13PKH ist der Klägerin nicht zu bewilligen, da ihre Rechtsverfolgung aus den vorstehend genannten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 ZPO). Da die Klägerin keinen Anspruch auf Bewilligung von PKH hat, ist auch ihr Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts abzulehnen (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 ZPO).
14Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
15Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2020:140120BB14AS9819B0
Fundstelle(n):
YAAAH-42750