NWB Nr. 6 vom Seite 369

Der Weg für die „Whitelist“ ist frei

Harald Elster | WP/StB | Präsident des Deutschen Steuerberaterverbands e.V. (DStV)

Meldepflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen: Ende gut, alles gut?

Wendungsreicher als in den letzten zwölf Monaten ging es kaum: Gleich einem Paukenschlag eröffnete das Jahr 2019. Das BMF schickte einen Referentenentwurf an die Ministerien zur Abstimmung. Inhalt: Die Umsetzung der EU-Richtlinie (DAC 6) und on top die Meldepflicht für innerstaatliche Steuergestaltungen. Rasch stoppte das Bundeswirtschaftsministerium das Verfahren. Anschließend ruhte der See über Monate.

Wie aus heiterem Himmel erhielten die Verbände vom BMF Ende September einen Gesetzentwurf zur Stellungnahme. Überraschenderweise ohne die rein innerstaatliche Meldepflicht. In Windeseile passierte der Entwurf Bundestag und Bundesrat. Für einen kurzen Moment jedoch lebte die rein nationale Anzeigepflicht erneut auf. Der Finanzausschuss des Bundesrats empfahl, den Entwurf um sie zu ergänzen. Doch selbst im Bundesrat fand sich dafür keine Mehrheit mehr.

Ich bin froh, dass sich die politischen Kräfte vorerst von ihrem Sachverstand haben leiten lassen. Die grenzüberschreitende Pflicht wird für alle Verfahrensbeteiligten belastend genug. In den Kanzleiabläufen bündelt sie immense Ressourcen. Um die Pflicht halbwegs haftungssicher zu erfüllen, kann das Durchlaufen von über 50 Prüfschritten erforderlich sein.

Auf den letzten Metern des Gesetzgebungsverfahrens konnte manches erfreulicherweise abgewandt oder zumindest klargestellt werden. Der Regierungsentwurf sah die sanktionsbewehrte Pflicht vor, dass ein Intermediär weitere Intermediäre hätte melden müssen. Nach der Abgabe der Anzeige wäre der Intermediär verpflichtet gewesen, den anderen die Registriernummer mitzuteilen. Diese wären dann von der Anzeige befreit gewesen. Aus Sicht des DStV hätten diese Vorgaben unnötigen organisatorischen Aufwand bedeutet – zumal DAC 6 sie nicht vorschreibt. Eine Befreiung hätte ein Intermediär nur rechtssicher erreichen können, wenn er die Registriernummer und alle Angaben zur Meldung innerhalb der kurzen Frist von 30 Tagen erhalten hätte. Zur Risikominimierung ist es einfacher, selbst zu melden. Die Kritik des DStV hat der Finanzausschuss des Deutschen Bundestags gehört: Nunmehr sieht das Gesetz keine Pflicht, sondern nur noch eine optionale Benennung weiterer Intermediäre vor.

Viele Unsicherheiten bereiten der Praxis die unbestimmten, anzeigepflichtigen Tatbestände. Auch an dieser Stelle hat der Finanzausschuss des Bundestags Positives erzielt. Gesetzlich hat er klargestellt, dass das BMF mit den Ländern in einem Schreiben für bestimmte Fallgruppen vorsehen kann, dass sie nicht unter die Meldepflicht fallen – insbesondere, wenn sich der steuerliche Vorteil der grenzüberschreitenden Gestaltung ausschließlich innerhalb Deutschlands auswirkt. Damit ist der Weg für die von der Praxis nachdrücklich geforderte „Whitelist“ frei. Dem Vernehmen nach arbeiten Bund und Länder mit Hochdruck an der Verwaltungsanweisung. Vielleicht können Steuerpflichtige, steuerliche Berater und Finanzverwaltung schon bald aufatmen und klarer sehen, was es nicht anzuzeigen gilt.

Harald Elster

Fundstelle(n):
NWB 2020 Seite 369
KAAAH-41427