Haftung des GmbH-Geschäftsführers für Zahlungen nach Insolvenzreife: Zulässigkeit eines Bestreitens mit Nichtwissen; Anwendbarkeit der Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs; notwendiges Vorbringen bezüglich einer positiven Fortführungsprognose
Gesetze: § 41 GmbHG, § 64 S 1 GmbHG, § 64 S 2 GmbHG, § 238 HGB, § 239 HGB, § 138 Abs 4 ZPO
Instanzenzug: Az: 23 U 3769/16 Urteilvorgehend LG Passau Az: 1 HKO 48/15
Gründe
1I. Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der G. Verwaltungs GmbH (im Folgenden: Schuldnerin), deren Geschäftsführer der Beklagte war. Der Kläger nimmt den Beklagten gemäß § 64 GmbHG auf Ersatz von Zahlungen in Höhe von rund 400.000 € in Anspruch, die dieser zwischen dem 1. August und durch Überweisung oder unterlassenen Lastschriftwiderruf an Gläubiger der Schuldnerin leistete. Er behauptet, dass die Schuldnerin spätestens ab dem zahlungsunfähig und überschuldet gewesen sei.
2Das Landgericht hat der Klage überwiegend in Höhe von 397.526,92 € nebst Zinsen entsprochen. Das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es diesem vorbehalten hat, nach Erstattung an die Masse seine Gegenansprüche, die sich nach Rang und Höhe mit den Beträgen decken, welche die durch die verbotswidrigen Zahlungen begünstigten Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätten, gegen den Kläger als Insolvenzverwalter zu verfolgen. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht teilweise zugelassene Revision des Beklagten, mit der er zusammen mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde die vollständige Abweisung der Klage erreichen will.
3II. Das Berufungsgericht (OLG München, ZIP 2017, 1368) hat die Revision beschränkt auf die im Berufungsurteil unter Gliederungsziffer 3.3.4.1. abgehandelten Zahlungen insbesondere für Löhne zugelassen. Hiervon gehen die Parteien zu Recht übereinstimmend aus.
4Allerdings ergibt sich die Beschränkung der Revisionszulassung nicht schon aus der Entscheidungsformel, sondern erst aus den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass der Tenor im Lichte der Entscheidungsgründe auszulegen und deshalb von einer beschränkten Revisionszulassung auszugehen ist, wenn sich dies aus den Gründen klar ergibt. Das ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn sich die vom Berufungsgericht als zulassungsrelevant angesehene Frage nur für einen eindeutig abgrenzbaren selbständigen Teil des Streitstoffs stellt, der Gegenstand eines Teilurteils oder eines eingeschränkt eingelegten Rechtsmittels sein kann (, ZIP 2019, 513 Rn. 17; Urteil vom - II ZR 16/16, ZIP 2017, 2379 Rn. 9; Beschluss vom - VIII ZR 247/17, NJW 2018, 1880 Rn. 10, jew. mwN). Hingegen hat es der Bundesgerichtshof wiederholt als unzureichend angesehen, wenn das Berufungsgericht lediglich eine Begründung für die Zulassung der Revision genannt hat, ohne weiter erkennbar zu machen, dass es die Zulassung der Revision auf den durch die Rechtsfrage betroffenen Teil des Streitgegenstands beschränken wollte (, ZIP 2019, 513 Rn. 17; Urteil vom - XII ZR 92/01, BGHZ 153, 358, 361 mwN; Urteil vom - IX ZR 45/04, NJW-RR 2005, 715, 716).
5Nach diesem Maßstab ist die Revision beschränkt zugelassen, da dem Berufungsurteil eine hinreichend klare Beschränkung auf die unter der Gliederungsziffer 3.3.4.1. abgehandelten Zahlungen insbesondere für Löhne entnommen werden kann. Das Berufungsgericht hat die Revision ausweislich der Entscheidungsgründe zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) wegen Divergenz zugelassen, da der Beklagte für diese Zahlungen einen unmittelbaren Zusammenhang von Leistung und Gegenleistung im Sinne von § 142 InsO dargelegt habe. Während bereits ein solcher Zusammenhang nach dem I-6 U 169/14 (NZI 2016, 642) die Entstehung des Ersatzanspruchs hindere, sei nach Auffassung des Berufungsgerichts für die Enthaftung des Geschäftsführers zusätzlich erforderlich, dass der Masse mit der Gegenleistung ein unmittelbar dem Gläubigerzugriff unterliegender Gegenstand zugeführt worden ist. Dagegen habe der Beklagte hinsichtlich der übrigen Zahlungen für den Wareneinkauf, die im Berufungsurteil unter der Gliederungsziffer 3.3.4.2. abgehandelt sind, schon keinen solchen Zusammenhang mit dem Massezufluss dargelegt.
6III. Der Zulassungsgrund ist nach Verkündung des Berufungsurteils entfallen und die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO).
71. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Beklagte sei als Geschäftsführer der Schuldnerin kraft seiner Organstellung für nach Insolvenzreife geleistete Zahlungen erstattungspflichtig, ohne dass er sich auf eine Haftungsbeschränkung nach den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs berufen könne. Der Kläger habe eine Überschuldung der Schuldnerin spätestens zum substantiiert durch Vortrag der Handelsbilanz 2013 mit einem nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von knapp 90.000 € sowie durch den Geschäftsbericht Mai 2014 mit einer bilanziellen Überschuldung von rund 68.000 € dargelegt. Dem sei der Beklagte nicht erheblich entgegengetreten. Der Beklagte habe zwischen dem 1. August und unstreitig Zahlungen in der ausgeurteilten Höhe vorgenommen. Soweit er einzelne Zahlungen in Höhe von insgesamt knapp 3.000 € mit Nichtwissen bestritten habe, sei dies unzulässig. Der Beklagte habe auch nicht dargelegt, dass die durch die Zahlungen verursachte Schmälerung der Masse in unmittelbaren Zusammenhang mit ihr ausgeglichen worden sei. Bezüglich eines Teils der Zahlungen insbesondere für Löhne sei der Masse kein dem Gläubigerzugriff unterliegender Vermögenswert zugeflossen; mit anderen Zahlungen für den Wareneinkauf seien vor dem erbrachte Vorleistungen entgolten worden, die auch sonst in keinem engen zeitlichen Zusammenhang mit den Zahlungen stünden. Der Beklagte habe auch nicht dartun können, dass einzelne Zahlungen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar gewesen seien.
82. Ein Zulassungsgrund liegt nicht (mehr) vor. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht mehr, nachdem der Senat mit Urteil vom - II ZR 319/15 (ZIP 2017, 1847), wie schon das Berufungsgericht, entschieden hat, dass die in die Masse gelangende Gegenleistung für eine Verwertung durch die Gläubiger geeignet sein muss. Für die Beurteilung nach § 552a ZPO, ob die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision vorliegen, ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Revisionsgerichts maßgeblich (, NJW-RR 2005, 650 f.).
93. Die Revision hat keine Aussicht auf Erfolg. Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision stand. Das Berufungsgericht hat den Beklagten rechtsfehlerfrei zum Ersatz der nach Insolvenzreife geleisteten Zahlungen insbesondere für Löhne verurteilt (§ 64 GmbHG).
10a) Die Revision wendet sich nicht gegen die Feststellung des Berufungsgerichts, dass die Schuldnerin bei den Zahlungen des Beklagten insolvenzreif war.
11b) Keinen Erfolg hat die Revision mit der Rüge, dass der Beklagte einzelne Zahlungen in Höhe von insgesamt knapp 3.000 € zulässigerweise habe mit Nichtwissen bestreiten dürfen, weil deren Zahlungsgrund nicht benannt worden sei.
12Eine Partei darf sich über eigene Handlungen oder Gegenstände eigener Wahrnehmung nicht mit Nichtwissen erklären (§ 138 Abs. 4 ZPO). Zu den Handlungen des Geschäftsführers einer GmbH im Sinne dieser Vorschrift gehört die von ihm nach §§ 238, 239 HGB, § 41 GmbHG zu verantwortende Buchführung, aus der sich die Zahlungen und ihr Zahlungsgrund ergeben. Insoweit oblag es dem Beklagten, etwaige Erinnerungslücken durch Einsicht in die Buchhaltung zu schließen (vgl. , ZIP 2018, 283 Rn. 23 f. mwN).
13Davon abgesehen hat der Beklagte nach den tatbestandlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht bestritten, nach Insolvenzreife Zahlungen in Höhe von insgesamt 397.526,92 € veranlasst zu haben. Er hat nicht eingewandt, dass einzelne dieser Zahlungen ohne sein Wissen und Wollen vorgenommen worden seien (vgl. , ZIP 2009, 956 Rn. 13 f.).
14c) Zu Recht und von der Revision nicht angegriffen hat das Berufungsgericht angenommen, dass den Zahlungen insbesondere für Löhne kein die Zahlungen ausgleichender Massezufluss gegenübersteht, der für eine Verwertung durch die Gläubiger geeignet ist (vgl. , ZIP 2017, 1847 Rn. 18 f.).
15d) Der Beklagte handelte bei den Zahlungen schuldhaft. Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 GmbHG rechtsfehlerfrei verneint.
16aa) Entgegen der Auffassung der Revision waren zugunsten des Beklagten nicht die Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs anzuwenden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird gemäß § 64 Satz 2 GmbHG das Verschulden des Geschäftsführers vermutet, wenn er trotz objektiv bestehender Insolvenzreife Zahlungen leistet (, ZIP 2012, 1557 Rn. 10 mwN). Da insoweit einfache Fahrlässigkeit genügt (, Rn. 13 mwN), scheidet ein Rückgriff auf die Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs, die gerade eine zumindest teilweise Haftungsfreistellung bei leichter und mittlerer Fahrlässigkeit vorsehen, schon begrifflich aus.
17Davon abgesehen kann sich ein Geschäftsführer auch nicht teilweise mit der Behauptung entlasten, "tatsächlich Arbeitnehmer der Schuldnerin und bloß verlängerter, weisungsgebundener Arm des Beirats gewesen zu sein". Soweit der Beklagte damit geltend machen will, dadurch an der Einhaltung des Zahlungsverbots nach § 64 Satz 1 GmbHG gehindert gewesen zu sein, hätte er sein Geschäftsführeramt niederlegen müssen (vgl. , ZIP 1995, 1134, 1336). Soweit der Beklagte damit ein anderes Gesellschaftsorgan für die Verletzung des Zahlungsverbots mitverantwortlich machen will, ändert dies nichts daran, dass ihm die Erfüllung der sich aus § 64 GmbHG ergebenden Pflichten persönlich oblag (vgl. , ZIP 2019, 261 Rn. 14 mwN für mehrere Geschäftsführer). Gemäß § 64 Satz 4 i.V.m. § 43 Abs. 3 Satz 3 GmbHG kann ihn selbst nicht entlasten, wenn er mit den Zahlungen den Gesellschafterwillen ausgeführt hätte.
18bb) Entgegen der Auffassung der Revision ist der Beklagte mit den Zahlungen u. a. an die Energieversorger nicht deswegen gemäß § 64 Satz 2 GmbHG entschuldigt, weil eine "konkrete Chance auf Sanierung und Fortführung im Insolvenzverfahren" bestanden habe und die Zahlungen auch ein vorläufiger Insolvenzverwalter getätigt hätte.
19Soweit ausnahmsweise eine konkrete Chance auf Sanierung und Fortführung im Insolvenzverfahren zunichte gemacht werden würde, wenn der Betrieb ohne Begründung neuer Forderungen oder ihrer Werthaltigmachung eingestellt werden müsste, können Zahlungen zwar zur Vermeidung noch größerer Nachteile mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar sein und damit das Verschulden entfallen lassen (, ZIP 2017, 1847 Rn. 21; Urteil vom - II ZR 366/13, BGHZ 206, 52 Rn. 24 mwN). Sanierungsabsicht allein entschuldigt Zahlungen nach Insolvenzreife aber nicht (vgl. , ZIP 2007, 1501 Rn. 5). Eine danach erforderliche konkrete Sanierungs- und Fortführungschance hat der Beklagte nicht dargelegt. Dafür genügt es nicht, auf eine Steigerung der Übernachtungen seit 2012 oder isoliert auf seit Insolvenzreife erzielte Einnahmen zu verweisen. Auch Zahlungen an Energieversorger sind nicht zwangsläufig zur Abwendung eines größeren Schadens für die Gläubiger erforderlich (vgl. , ZIP 2017, 1847 Rn. 21; ferner Strohn, NZG 2011, 1161, 1166).
20cc) Der Beklagte hat schließlich auch die gegen ihn streitende Vermutung der Erkennbarkeit der Insolvenzreife nicht widerlegt. Zu Unrecht rügt die Revision das Verfahren mit der Begründung, das Berufungsgericht habe gehörswidrig von der Erhebung angebotenen Beweises im Hinblick auf Widersprüche im Beklagtenvortrag abgesehen. Das Berufungsgericht hat nicht Beklagtenvortrag wegen dessen Widersprüchlichkeit unberücksichtigt gelassen, sondern vielmehr den Vortrag des Beklagten zu den eingeholten insolvenzrechtlichen Auskünften in der Sache als wahr unterstellt. Es hat angenommen, dass dem Beklagten im Rahmen der ihm obliegenden Plausibilitätskontrolle die Widersprüche in den Auskünften hätten auffallen müssen und die Auskünfte ihn deshalb nicht zu entlasten vermöchten.
21Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand. Der Geschäftsführer ist verpflichtet, die wirtschaftliche Lage des Unternehmens laufend zu beobachten. Bei Anzeichen einer Krise hat er sich durch Aufstellung eines Vermögensstatus einen Überblick über den Vermögensstand zu verschaffen. Stellt sich dabei eine rechnerische Überschuldung heraus, dann muss er prüfen, ob sich für das Unternehmen eine positive Fortbestehensprognose stellt (, BGHZ 126, 181, 199; Urteil vom - II ZR 171/10, ZIP 2012, 1174 Rn. 15). Da die Schuldnerin bei den Zahlungen rechnerisch überschuldet war, war es Sache des Beklagten, die Umstände darzulegen, die es aus damaliger Sicht rechtfertigten, das Unternehmen trotzdem fortzuführen (vgl. , BGHZ 126, 181, 200). Verweist er dazu, wie hier, auf externen Sachverstand, kann ihn eine Fortführungsempfehlung nur entschuldigen, wenn er sich unter umfassender Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft und Offenlegung der erforderlichen Unterlagen von einer unabhängigen, für die zu klärenden Fragestellungen fachlich qualifizierten Person hat beraten lassen (vgl. , ZIP 2016, 1119 Rn. 34; Urteil vom - II ZR 171/10, ZIP 2012, 1174 Rn. 16; Urteil vom - II ZR 48/06, ZIP 2007, 1265 Rn. 16). Die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters gebietet es zudem, das Prüfergebnis einer Plausibilitätskontrolle zu unterziehen (, ZIP 2016, 1119 Rn. 34; Urteil vom - II ZR 171/10, ZIP 2012, 1174 Rn. 16).
22Jedenfalls diese Plausibilitätskontrolle hat der Beklagte nicht mit der gebotenen Sorgfalt vorgenommen. Der Beklagte will die Auskunft erhalten haben, dass zwar eine Überschuldung vorliege, er aber bei Beachtung der Liquidität und Beauftragung einer weiteren Fortführungsprognose "auf der sicheren Seite" sei. Eine plausible Fortführungsempfehlung kann darin nicht gesehen werden. Bei gegebener Überschuldung kann niemand mit der bloßen Beauftragung einer aktuellen Fortführungsprognose ohne Rücksicht auf ihr Ergebnis "auf der sicheren Seite" sein.
23IV. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten ist unbegründet, weil keiner der im Gesetz (§ 543 Abs. 2 ZPO) vorgesehenen Gründe vorliegt, nach denen der Senat die Revision zulassen darf. Der Rechtsstreit der Parteien hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert er eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:240919BIIZR248.17.0
Fundstelle(n):
DStR 2020 S. 179 Nr. 4
DStR 2020 S. 938 Nr. 18
GmbHR 2020 S. 772 Nr. 14
NWB-Eilnachricht Nr. 11/2020 S. 752
StuB-Bilanzreport Nr. 12/2020 S. 488
ZIP 2020 S. 1239 Nr. 25
EAAAH-41147