Besitzen Sie diesen Inhalt bereits, melden Sie sich an.
oder schalten Sie Ihr Produkt zur digitalen Nutzung frei.

Dokumentvorschau
BPatG Urteil v. - 4 Ni 73/17

Leitsatz

Lacosamid

1. Für die Wirksamkeit einer nach Art. 87 EPÜ in Anspruch genommenen Priorität kommt es bei der Prüfung des mangels Patentfähigkeit angegriffenen Streitpatents im Falle einer geschäftlichen Rechtsnachfolge – ebenso wenig wie im Falle eines identischen Vor- und Nachanmelders – nicht darauf an, ober der das Prioritätsrecht übertragende Erstanmelder zur Übertragung berechtigt war und diesem das Recht am Patent zustand. Allein maßgeblich ist, ob der Erstanmelder den formalen Erfordernissen des Art. 87 EPÜ folgend dem Rechtsnachfolger das aus der Erstanmeldung resultierende Recht auf Erteilung des Patents wirksam vermitteln konnte. Fehlzuordnungen können beim erteilten Patent nur im Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren nach §§ 21 I, 22 PatG (widerrechtliche Entnahme) oder betreffend EPÜ-Patente über Art. 60 (unberechtigter Anmelder) bzw. über Vindikationsansprüche (§ 8 PatG) oder im Anmeldeverfahren durch Unterlassungsklage, einstweilige Verfügung oder Übertragung der Anmeldung etc. geltend gemacht werden.

2. Ein mit der Nichtigkeitsklage angegriffenes ergänzendes Schutzzertifikat bei erloschenem Grundpatent erweist sich bereits dann als uneingeschränkt bestandskräftig, wenn es nur von einem Patentanspruch der Anspruchsfassung getragen wird, ohne Rücksicht darauf, ob es sich um einen abhängigen oder nebengeordneten Anspruch handelt und unabhängig davon, ob der Patentinhaber eine entsprechende Selbstbeschränkung auf diesen Anspruch durch Haupt- oder Hilfsanträge vornimmt.

3. Die in der Rechtsprechung geforderte und als Goldstandard bezeichnete Qualität einer neuheitsschädlichen Offenbarung, welche unmittelbar und eindeutig sein muss und in individualisierter Form erfolgen muss, erfährt für die Anforderungen der Offenbarung eines Stereoisomers keine Besonderheiten, hier der enantiomeren Form von Lacosamid. Eine explizite Nennung des konkreten Stereoisomers ist deshalb nicht zwingend erforderlich.

Es ist insoweit für eine neuheitsschädliche Offenbarung ausreichend, wenn in einer Schrift, die eine Vielzahl von asymmetrischen Kohlenstoffverbindungen auf ihre Geeignetheit für eine arzneiliche Verwendung (hier als antikonvulsive Wirkstoffe) diskutiert und insoweit nicht nur allgemein die Bedeutung ihrer Chiralität anspricht, sondern auch einzelne Racemate und Enantiomere ausdrücklich in den Fokus für eine medizinische Verwendung als Arzneimittel nimmt, dem Fachmann sich die Enantiomere unmittelbar erschließen. Dies gilt dann, sofern auch die Herstellbarkeit der in der Schrift nicht ausdrücklich genannten enantiomeren Form, hier von Lacosamid, für den Fachmann im Prioritätszeitpunkt allein aufgrund seines Fachwissens ohne weiteres möglich war (Abgrenzung von BGH GRUR 2010, 12 – Escitalopram).

Die neuheitsschädliche Offenbarung eines Stoffes als solcher ist von seiner – hier zu verneinenden – Offenbarung als bereit zu stellendes Arzneimittel zu unterscheiden. Ob eine solche Bereitstellung für den Fachmann nahelag, ist im Rahmen der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit zu hinterfragen.

4. Für das Erfordernis, dass das Heranziehen einer bestimmten technischen Lehre als Ausgangspunkt der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit der Rechtfertigung bedarf, insbesondere wenn sich diese rückschauend als nächstliegend zum Erfindungsgegenstand erweist, erscheint es – ebenso wie zur korrekten Formulierung der objektiven Aufgabe – sinnvoll, sprachlich zwischen einer technischen Lehre als „Ausgangspunkt“ des weiter zu bildenden Stands der Technik und ihrer Bedeutung als Lösungselement – als „Sprungbrett“ – zu unterscheiden.

Tatbestand

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BPatG:2019:120919U4Ni73.17.0

Fundstelle(n):
XAAAH-40040

In den folgenden Produkten ist das Dokument enthalten:

Kiehl Büroberufe
Kiehl Die Steuerfachangestellten Plus
NWB Lohn, Deklaration & Buchhaltung
Wählen Sie das für Ihre Bedürfnisse passende NWB-Paket und testen Sie dieses kostenfrei
Jetzt testen