Künstliche Befruchtung bei einer zu Beginn der Kinderwunschbehandlung 39 Jahre alten Frau im Anschluss an zuvor 4 durch chromosale
Mutationen verursachte Fehlgeburten nach jeweils auf natürlichem Wege eingetretenen Schwangerschaften: Aufwendungen für mit
eigenen Eizellen der Frau durchgeführte Kinderwunschbehandlungen als außergewöhnliche Belastungen abziehbar, nicht aber die
Aufwendungen für mit nichtkommerziellen Eizellenspenden der Schwester im Ausland durchgeführte Behandlungen
Leitsatz
1. Aufwendungen für die künstliche Befruchtung als Behandlung bei Sterilität sind als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigungsfähig,
wenn diese Behandlung in Übereinstimmung mit den Richtlinien der Berufsordnungen für Ärzte vorgenommen wird und mit der innerstaatlichen
Rechtsordnung im Einklang steht, also nicht nach nationalem Recht verboten ist. Die Aufwendungen für eine in Deutschland verbotene,
im Ausland aber zulässige und deswegen im Ausland durchgeführte reproduktionsmedizinische Behandlung einer Frau mit Eizellen
ihrer Schwester sind daher nicht als außergewöhnliche Belastungen abziehbar; insoweit liegt keine unzulässige Ungleichbehandlung
im Verhältnis zu einer künstlichen Befruchtung mittels einer Drittsamenspende vor.
2. Erforderlich für den Abzug als außergewöhnliche Belastung ist, dass die künstliche Befruchtung mit dem Ziel erfolgt, die
auf einer „Krankheit” der Frau (Empfängnisunfähigkeit) oder des Mannes (Zeugungsunfähigkeit) beruhende Kinderlosigkeit zu
beheben.
3. Das Alter der Frau, die bei Beginn der Kinderwunschbehandlung das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, stellt keinen
Umstand dar, der einer Berücksichtigung der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen entgegenstehen würde. Es liegen
weder Anzeichen dafür vor, dass die durchgeführte Behandlung in diesem Alter als medizinisch nicht erfolgversprechend zu erachten
wäre, noch kann davon ausgegangen werden, dass eine Schwangerschaft in diesem Alter keine gesellschaftliche Akzeptanz mehr
finden würde (Anschluss an ; gegen , EFG 2019 S. 106).
4. Hat eine Frau im Alter von 37 bis 39 Jahren nach natürlich eingetretenen Schwangerschaften insgesamt vier Fehlgeburten
infolge chromosomaler Mutationen erlitten, war deswegen nach einer ärztlichen Stellungnahme eine Kinderwunschbehandlung medizinisch
indiziert und waren eine Präimplantationsdiagnostik oder vergleichbare Verfahren gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 ESchG zulässig, so
sind die Aufwendungen für eine zulässigerweise mit eigenen Eizellen der Frau durchgeführte künstliche Befruchtung als außergewöhnliche
Belastung abziehbar (im Streitfall: ICSI-Therapie mit anschließender Trophektoderm-Biopsie).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n): EFG 2020 S. 50 Nr. 1 GStB 2020 S. 213 Nr. 6 AAAAH-38676
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