BAG Urteil v. - 10 AZR 38/18

Beitragspflichten zur Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft - Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes zur Sicherung der Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom (SokaSiG)

Gesetze: § 7 Abs 3 SokaSiG, Anl 28 SokaSiG, Art 9 Abs 3 GG, Art 20 Abs 3 GG, Art 2 Abs 1 GG, Art 3 Abs 1 GG, § 5 TVG

Instanzenzug: Az: 15 Ca 80785/16 Urteilvorgehend LArbG Berlin-Brandenburg Az: 22 Sa 1701/16 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über Beiträge zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft.

2Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien in der Rechtsform eines Vereins mit eigener Rechtspersönlichkeit kraft staatlicher Verleihung. Er ist tarifvertraglich zum Einzug der Beiträge zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft verpflichtet. Er nimmt die Beklagten als Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts auf der Grundlage des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom idF vom (VTV 2013 II) auf Zahlung von Durchschnittsbeiträgen für einen gewerblichen Arbeitnehmer für die Monate Juli und August 2014 iHv. jeweils 546,00 Euro in Anspruch.

3Die nicht originär tarifgebundenen Beklagten unterhalten im Ostteil des Landes Berlin einen Gewerbebetrieb, in dem Trockenbau- und Montagearbeiten ausgeführt werden.

4Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagten schuldeten die geltend gemachten Beiträge, weil sie mit ihrem baugewerblichen Betrieb dem VTV 2013 II unterfielen. An ihn seien sie aufgrund des SokaSiG gebunden, das verfassungsgemäß sei.

5Der Kläger hat beantragt,

6Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen. Sie seien nicht an den VTV 2013 II gebunden. Als Geltungsgrund komme insbesondere nicht das SokaSiG in Betracht. Indem sich der Kläger auf das SokaSiG berufe, habe er die Klage unzulässig geändert. Das SokaSiG sei jedenfalls verfassungswidrig. Es verstoße gegen das Verbot rückwirkender Gesetze und sei weder mit der Koalitionsfreiheit noch mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar. Zudem stelle es ein unzulässiges Einzelfallgesetz dar, das den Grundsatz der Gewaltenteilung verletze.

7Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit den vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revisionen verfolgen die Beklagten weiterhin ihr Ziel, dass die Klage abgewiesen wird.

Gründe

8Die Revisionen sind unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufungen zu Recht zurückgewiesen und die Klage als begründet angesehen.

9I. Der Kläger hat die zulässige Klage nicht geändert, indem er sich in der Berufungsinstanz erstmals auch auf das SokaSiG als Geltungsgrund für den VTV 2013 II berufen hat. Beitragsansprüche nach den Verfahrenstarifverträgen, für deren Geltungserstreckung sowohl eine Allgemeinverbindlicherklärung als auch § 7 SokaSiG in Betracht kommen, werden von demselben den Streitgegenstand umgrenzenden Lebenssachverhalt erfasst ( - Rn. 14; - 10 AZR 498/17 - Rn. 27; - 10 AZR 559/17 - Rn. 12; - 10 AZR 318/17 - Rn. 15; - 10 AZR 121/18 - Rn. 18 ff., BAGE 164, 201).

10II. Die Klage ist begründet. Der Kläger hat für die Monate Juli und August 2014 Beitragsansprüche für einen gewerblichen Arbeitnehmer iHv. insgesamt 1.092,00 Euro, für die die beiden Beklagten gesamtschuldnerisch haften. Ihre Haftung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 128 HGB. Für die Verbindlichkeiten einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts haften neben dem Gesellschaftsvermögen die Gesellschafter nach § 128 HGB analog grundsätzlich akzessorisch, persönlich, primär, unbeschränkt und in voller Höhe ( - Rn. 46;  - Rn. 23, BGHZ 188, 233). Die Ansprüche ergeben sich aus § 7 Abs. 3 iVm. Anlage 28 SokaSiG. Die Anlage 28 enthält den vollständigen Text des VTV 2013 II (vgl. den Anlageband zum BGBl. I Nr. 29 vom S. 283 bis 295). Die in § 7 Abs. 3 SokaSiG angeordnete Geltungserstreckung des VTV 2013 II auf nicht Tarifgebundene ist aus Sicht des Senats verfassungsgemäß. Die Beitragspflichten folgen aus § 15 Abs. 3 Satz 3, § 18 Abs. 1 Satz 1 VTV 2013 II. Die Voraussetzungen für eine Beitragspflicht sind erfüllt.

111. Der im Ostteil des Landes Berlin gelegene Betrieb der Beklagten unterfällt dem räumlichen Geltungsbereich des VTV 2013 II (§ 1 Abs. 1 VTV 2013 II). Der bei den Beklagten beschäftigte gewerbliche Arbeitnehmer wird vom persönlichen Geltungsbereich des VTV 2013 II erfasst (§ 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VTV 2013 II). Der betriebliche Geltungsbereich ist nach § 1 Abs. 2 VTV 2013 II eröffnet. Im Betrieb der Beklagten werden nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts arbeitszeitlich überwiegend bauliche Leistungen in Form von Trocken- und Montagebauarbeiten nach § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 37 VTV 2013 II ausgeführt.

122. Die Voraussetzungen der § 15 Abs. 3 Satz 3, § 18 Abs. 1 Satz 1 VTV 2013 II sind erfüllt.

13a) Die Beklagten sind der Behauptung des Klägers, sie beschäftigten mindestens einen gewerblichen Arbeitnehmer, nicht entgegengetreten. Da der Betrieb der Beklagten im Ostteil des Landes Berlin gelegen ist, besteht nach § 15 Abs. 3 Satz 3 VTV 2013 II eine Beitragspflicht iHv. 23,35 vH der Bruttolohnsumme.

14b) Der Kläger ist berechtigt, die geschuldeten Beiträge im Weg einer Durchschnittsbeitragsklage unter Heranziehung der vom Statistischen Bundesamt ermittelten durchschnittlichen Bruttomonatslöhne in der Bauwirtschaft geltend zu machen (vgl.  - Rn. 45; - 10 AZR 842/12 - Rn. 27 mwN). Die auf diese Weise ermittelten Beiträge wurden vom Kläger schlüssig begründet und führen bei einem gewerblichen Arbeitnehmer im Streitzeitraum zu Beitragsansprüchen von insgesamt 1.092,00 Euro.

153. Der VTV 2013 II kommt auf der Grundlage von § 7 Abs. 3 iVm. Anlage 28 SokaSiG zur Anwendung. Das SokaSiG ist als Geltungsgrund für die Verfahrenstarifverträge nach Auffassung des Senats verfassungsgemäß ( - Rn. 20 ff.; - 10 AZR 549/18 - Rn. 84 ff.; - 10 AZR 550/18 - Rn. 23 ff.; - 10 AZR 498/17 - Rn. 39 ff.; - 10 AZR 499/17 - Rn. 81 ff.; - 10 AZR 559/17 - Rn. 29 ff.; - 10 AZR 318/17 - Rn. 47 ff.; - 10 AZR 512/17 - Rn. 32 ff.; - 10 AZR 121/18 - Rn. 42 ff., BAGE 164, 201). Die Angriffe der Revisionen führen zu keiner anderen Beurteilung.

16a) § 7 SokaSiG ist aus Sicht des Senats entgegen der Auffassung der Beklagten formell verfassungsgemäß.

17aa) Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes ergibt sich aus Art. 70 Abs. 2, Art. 72 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG. Der Kompetenztitel „Arbeitsrecht“ begründet eine umfassende Zuständigkeit des Bundes für privatrechtliche und auch öffentlich-rechtliche Bestimmungen über die Rechtsbeziehungen im Arbeitsverhältnis (, 1 BvR 1375/14 - Rn. 36, BVerfGE 149, 126). Er umfasst neben dem Recht der Individualarbeitsverträge auch das Tarifvertragsrecht, ohne dem Vorbehalt der Erforderlichkeit des Art. 72 Abs. 2 GG zu unterliegen (, 1 BvR 1588/15, 1 BvR 2883/15, 1 BvR 1043/16, 1 BvR 1477/16 - Rn. 126, BVerfGE 146, 71;  - Rn. 44, BAGE 164, 201).

18bb) Aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber den Tarifvertragsparteien in § 5 TVG die Möglichkeit eingeräumt hat, die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen zu beantragen, ergibt sich keine wie auch immer geartete „Selbstbindung“ des Gesetzgebers. Insbesondere war er nicht wegen § 5 TVG daran gehindert, das SokaSiG zu erlassen.

19(1) Die Geltungserstreckung von Tarifverträgen auf nicht originär Tarifgebundene war allein mit Blick auf § 7 AEntG schon vor Inkrafttreten des SokaSiG nicht auf die Allgemeinverbindlicherklärung nach § 5 TVG beschränkt.

20(2) Der Gesetzgeber ist dazu befugt, die Funktionsfähigkeit des Systems der Tarifautonomie durch gesetzliche Regelungen herzustellen und zu sichern. Er kann auch bereits bestehende gesetzliche Rahmenbedingungen für das Handeln der Koalitionen ändern oder ergänzen, um dem Handeln der Koalitionen und insbesondere der Tarifautonomie Geltung zu verschaffen (vgl. , 1 BvR 1588/15, 1 BvR 2883/15, 1 BvR 1043/16, 1 BvR 1477/16 - Rn. 144, 147, BVerfGE 146, 71). Daher ist es ihm unbenommen, sich für eine andere Rechtsform als die in § 5 TVG geregelte Allgemeinverbindlicherklärung zu entscheiden ( - zu II 2 der Gründe).

21b) § 7 SokaSiG verstößt nicht gegen Art. 9 Abs. 3 GG ( - Rn. 85 ff.; - 10 AZR 498/17 - Rn. 41; - 10 AZR 559/17 - Rn. 30 ff.; - 10 AZR 121/18 - Rn. 45 ff., BAGE 164, 201).

22aa) Nach Auffassung des Senats verletzt das SokaSiG nicht die negative Koalitionsfreiheit. Soweit die gesetzliche Geltungserstreckung des VTV einen mittelbaren Druck erzeugen sollte, um der größeren Einflussmöglichkeit willen Mitglied einer der tarifvertragsschließenden Parteien zu werden, ist dieser Druck jedenfalls nicht so erheblich, dass die negative Koalitionsfreiheit verletzt würde ( - Rn. 21; - 10 AZR 559/17 - Rn. 34; - 10 AZR 318/17 - Rn. 48; - 10 AZR 121/18 - Rn. 52, BAGE 164, 201).

23bb) Ein Eingriff in die Koalitionsfreiheit kann entgegen der Auffassung der Revisionen nicht darin gesehen werden, dass der Gesetzgeber „erstmals derart in gesetzlich privatautonom geregelte Regelungsbereiche der Tarifvertragsparteien vordringt“ und es wegen des unterschiedlichen Grads der Grundrechtsbindung „einen erheblichen Unterschied macht, ob der Gesetzgeber eine Regelung trifft oder die Tarifvertragsparteien“. Die Tarifvertragsparteien hatten für alle von § 7 SokaSiG in Bezug genommenen Verfahrenstarifverträge einen Antrag auf Allgemeinverbindlicherklärung gestellt. Beim Erlass einer Allgemeinverbindlicherklärung unterliegt der Normgeber der Grundrechtsbindung (vgl. zur Grundrechtsbindung ausführlich  - Rn. 43 ff.).

24cc) Ein etwaiger Eingriff in die Tarifautonomie durch die gesetzliche Geltungserstreckung ist jedenfalls im Interesse der Sicherung der Funktionsfähigkeit des Systems der Tarifautonomie gerechtfertigt. Das SokaSiG dient einem legitimen Zweck, weil es den Fortbestand der Sozialkassenverfahren in der Bauwirtschaft sichern und Bedingungen für einen fairen Wettbewerb schaffen soll. Indem § 7 SokaSiG nicht nur Rückforderungsansprüche ausschließt, sondern auch den zukünftigen Beitragseinzug sicherstellt, kann dieser Zweck erreicht werden. Eine auf Rückforderungsansprüche beschränkte Regelung wäre zwar milder gewesen, aber nicht gleich wirksam ( - Rn. 35 ff.; - 10 AZR 318/17 - Rn. 48 ff.). Die mit § 7 SokaSiG verbundenen Belastungen für nicht tarifgebundene Arbeitgeber hält der Senat angesichts der mit der Norm verfolgten Ziele für zumutbar ( - Rn. 87; - 10 AZR 559/17 - Rn. 43 mwN).

25c) § 7 SokaSiG „annulliert“ nicht unter Verstoß gegen Art. 20 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG entgegenstehende höchstrichterliche Rechtsprechung. Mit der gesetzlichen Erstreckungsanordnung sollte - letztlich mit Rücksicht auf die Forderungen der Rechtsstaatlichkeit und der Rechtssicherheit - statt anfechtbaren Rechts unanfechtbares Recht gesetzt werden. Der Gesetzgeber hat dabei weder die Rechtsprechung des Senats „kassiert“ noch hat er „neues“ Recht geschaffen oder in die allein dem Bundesverfassungsgericht zukommende Kompetenz zur Aufhebung von Akten der Judikative eingegriffen. Vielmehr hat er lediglich eine aus formellen Gründen unwirksame Erstreckung der Normwirkung der Verfahrenstarifverträge durch eine wirksame - gesetzliche - Erstreckungsanordnung ersetzt, um auf diese Weise den weitreichenden Folgen der Beschlüsse des Senats vom entgegenzuwirken ( - Rn. 89; - 10 AZR 499/17 - Rn. 95; - 10 AZR 121/18 - Rn. 92 f., BAGE 164, 201).

26d) § 7 SokaSiG verletzt nicht das durch Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 20 Abs. 3 GG geschützte Vertrauen tariffreier Arbeitgeber, von rückwirkenden Gesetzen nicht in unzulässiger Weise belastet zu werden ( - Rn. 23 ff.; - 10 AZR 549/18 - Rn. 90 ff.; - 10 AZR 499/17 - Rn. 90 ff.; - 10 AZR 559/17 - Rn. 46 ff.; - 10 AZR 318/17 - Rn. 58 ff.; - 10 AZR 121/18 - Rn. 68 ff., BAGE 164, 201). Es kommt allein darauf an, ob die betroffene Personengruppe bei objektiver Betrachtung auf den Fortbestand der bisherigen Regelung vertrauen konnte ( - Rn. 91; - 10 AZR 559/17 - Rn. 47 mwN). Das ist nicht der Fall.

27aa) Mit Blick auf den von § 7 Abs. 3 SokaSiG erfassten Zeitraum konnte sich bei den Beklagten aufgrund der Entscheidung des Senats vom (- 10 ABR 48/15 - BAGE 156, 289) kein hinreichend gefestigtes und damit schutzwürdiges Vertrauen darauf bilden, nicht zu Sozialkassenbeiträgen herangezogen zu werden. Vielmehr mussten sie nach der rechtlichen Situation in dem Zeitpunkt, auf den der Eintritt der Rechtsfolge von § 7 Abs. 3 SokaSiG zurückbezogen wird, damit rechnen, dass die tariflichen Rechtsnormen durch Gesetz rückwirkend wieder auf nicht originär tarifgebundene Arbeitgeber erstreckt werden würden. Der Gesetzgeber brauchte auf zwischenzeitlich dennoch getätigte gegenläufige Vermögensdispositionen keine Rücksicht zu nehmen (vgl.  - Rn. 82 ff., BAGE 164, 201). Der in diesem Zusammenhang von den Revisionen angebrachte Hinweis auf § 48 Abs. 2 Satz 2 VwVfG verfängt schon deshalb nicht, weil die Norm nur das Vertrauen in die Wirksamkeit, nicht aber in die Unwirksamkeit eines Verwaltungsakts schützt. Selbst mit der von den Beklagten offenbar für möglich gehaltenen analogen Anwendung der Vorschrift auf Allgemeinverbindlicherklärungen kann das von ihnen erstrebte Ziel nicht erreicht werden.

28bb) Soweit die Revisionen anführen, die Beklagten hätten seit jeher an der Wirksamkeit der im Streitfall einschlägigen Allgemeinverbindlicherklärung gezweifelt, war ein - etwa - dadurch bei ihnen entstandenes Vertrauen auf die letztlich höchstrichterlich bestätigte Unwirksamkeit dieser Allgemeinverbindlicherklärung jedenfalls nicht schützenswert. Entscheidend ist eine objektive Betrachtung ( - Rn. 64, BVerfGE 135, 1). Objektiv durfte niemand auf die Unwirksamkeit dieser Allgemeinverbindlicherklärung vertrauen, weil die weit überwiegende Rechtsansicht sie jedenfalls bis zu den Entscheidungen des Senats vom für wirksam gehalten hatte ( - Rn. 26; - 10 AZR 549/18 - Rn. 92; - 10 AZR 498/17 - Rn. 46; - 10 AZR 559/17 - Rn. 49; - 10 AZR 121/18 - Rn. 76 ff., BAGE 164, 201).

29cc) Die Beklagten können sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sie aufgrund der Entscheidungen des Senats vom trotz der in der Folgezeit zu beobachtenden gesetzgeberischen Aktivitäten auf den Fortbestand des tariflosen Zustands vertraut hätten. Der Bildung von Vertrauen auf den Bestand dieser Rechtslage steht entgegen, dass die gesetzliche Wiederherstellung der Normerstreckung auf tariffreie Arbeitgeber bereits vor der Veröffentlichung der Entscheidungsformel im Bundesanzeiger absehbar war ( - Rn. 27; - 10 AZR 318/17 - Rn. 62; - 10 AZR 121/18 - Rn. 82 ff. mwN, BAGE 164, 201). Nach der Einbringung eines Gesetzentwurfs in den Deutschen Bundestag war ein - etwa - entstandenes Vertrauen der Betroffenen auf den Fortbestand der bisherigen Rechtslage jedenfalls wieder zerstört ( - Rn. 151, BVerfGE 148, 217;  - Rn. 90, aaO).

30e) Das SokaSiG verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG ( - Rn. 57; - 10 AZR 121/18 - Rn. 63 ff., BAGE 164, 201).

31aa) § 7 SokaSiG führt entgegen der Auffassung der Beklagten nicht zu einer Ungleichbehandlung, sondern zu einer Gleichbehandlung aller Baubetriebe, die unter den räumlichen und fachlichen Geltungsbereich der dort genannten Verfahrenstarifverträge fallen, unabhängig von einer bestehenden Verbandsmitgliedschaft. Die tarifgebundenen Betriebe müssen dieselben Beiträge leisten wie die Nichtmitglieder. Sie genießen ihnen gegenüber auch keine sonstigen Privilegien ( - Rn. 57; - 10 AZR 121/18 - Rn. 65, BAGE 164, 201).

32bb) Ob die entgegen der Auffassung der Revisionen nicht vom Gesetzgeber, sondern von den Tarifvertragsparteien vorgenommene Differenzierung zwischen den Tarifgebieten West und Ost mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, kann dahinstehen. Eine sich als materiell unwirksam erweisende tarifliche Regelung wird durch § 7 SokaSiG nicht „geheilt“. Nach § 11 SokaSiG gelten die tarifvertraglichen Rechtsnormen, auf die in § 7 SokaSiG verwiesen wird, lediglich unabhängig davon, ob die Tarifverträge wirksam abgeschlossen wurden. Damit gelten die jeweils statisch in Bezug genommenen Verfahrenstarifverträge nur in verfassungskonformem Zustand. Ihre Normen unterliegen ebenso wie für allgemeinverbindlich erklärte Tarifnormen der Bindung an die Grundrechte nach Art. 3 Abs. 1 GG ( - Rn. 67, BAGE 164, 201).

33cc) Inwieweit ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG darin zu erkennen sein könnte, dass sich der Gesetzgeber nicht auf den Ausschluss bereicherungsrechtlicher Rückabwicklungsansprüche beschränkt hat, erschließt sich aus dem Vortrag der Revisionen nicht.

34f) Bei dem SokaSiG handelt es sich nicht um ein nach Art. 19 Abs. 1 GG unzulässiges Einzelfallgesetz. Die Bestimmung greift nicht aus einer Vielzahl gleichgelagerter Fälle einen einzelnen Fall oder eine bestimmte Gruppe heraus ( - Rn. 64; - 10 AZR 121/18 - Rn. 105 ff., BAGE 164, 201).

35III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 100 Abs. 4 Satz 1 ZPO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2019:301019.U.10AZR38.18.0

Fundstelle(n):
BAAAH-38346