Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Prozessunfähigkeit - Darlegungsanforderungen
Gesetze: § 160a Abs 1 S 1 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 71 Abs 1 SGG
Instanzenzug: SG Augsburg Az: S 3 AS 1203/15vorgehend Bayerisches Landessozialgericht Az: L 16 AS 331/16 Urteil
Gründe
1Die Nichtzulassungsbeschwerden sind unzulässig, denn die Kläger haben keinen der in § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe - grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Abweichung (Divergenz), Verfahrensmangel - in der gebotenen Weise schlüssig dargelegt oder bezeichnet (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Der Senat konnte deshalb über die Beschwerden ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 SGG entscheiden.
2Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) erfordert die Formulierung einer bestimmten abstrakten Rechtsfrage, der in dem Rechtsstreit eine grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung beigemessen wird (vgl BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11). Die abstrakte Rechtsfrage ist klar zu formulieren, um an ihr die weiteren Voraussetzungen der Revisionszulassung prüfen zu können (Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, IX. Kap, RdNr 181). Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn zu erwarten ist, dass die Revisionsentscheidung die Rechtseinheit in ihrem Bestand erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird.
3Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Es fehlt bereits an der Formulierung einer abstrakten Rechtsfrage. Die Begründung erschöpft sich in den Darlegungen, warum der Kläger zu 1. wegen der Einnahme von Psychopharmaka und Überlastung durch mehrere gerichtliche Verfahren prozessunfähig gewesen sei, als er in erster Instanz einen Vergleich abgeschlossen habe. Damit ist keine Rechtsfrage benannt, sondern sind lediglich Einschätzungen, bezogen auf den vorliegenden Einzelfall, vorgetragen worden.
4Soweit die Kläger das Vorliegen eines Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) rügen, haben sie einen solchen nicht schlüssig bezeichnet. Zwar stellt eine fehlende Prozessfähigkeit einen absoluten Revisionsgrund dar (§ 202 Satz 1 SGG iVm § 547 Nr 4 ZPO) und wäre bei einer zugelassenen Revision von Amts wegen zu prüfen. Wird jedoch in einer Nichtzulassungsbeschwerde gerügt, die Vorinstanzen seien zu Unrecht davon ausgegangen, ein Beteiligter sei bei Abschluss eines Vergleichs prozessfähig gewesen, so muss in der Beschwerdeschrift substantiiert und schlüssig dargetan werden, aufgrund welcher Umstände und Anzeichen die Gerichte ernsthafte Zweifel an der Prozessfähigkeit hätten haben und sich zu entsprechenden Ermittlungen hätten veranlasst sehen müssen ( - SozR 3-1500 § 160a Nr 32).
5An einer solchen Darlegung fehlt es hier. Ausgehend davon, dass gemäß § 104 BGB geschäftsunfähig ist, wer nicht das siebente Lebensjahr vollendet hat (Nr 1) oder wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist (Nr 2), erfüllt der allgemeine Hinweis auf die Einnahme von Psychopharmaka ebenso wenig die Darlegungsvoraussetzungen wie der Verweis auf Atteste, die inhaltlich nicht wiedergegeben werden und von denen lediglich erklärt wird, sie seien "aussagekräftig".
6PKH gemäß § 73a SGG iVm § 114 ZPO konnte nicht bewilligt werden, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung nach den obigen Ausführungen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Damit entfällt auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts (§ 73a SGG iVm § 121 ZPO).
7Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2019:190619BB14AS10418B0
Fundstelle(n):
FAAAH-35971