Gläubigerbenachteiligungsvorsatz bei gleichwertiger Gegenleistung
Gesetze: Art 103 Abs 1 GG, § 133 Abs 1 S 1 InsO
Instanzenzug: OLG Celle Az: 4 U 47/18vorgehend LG Stade Az: 2 O 294/17
Gründe
I.
1Die Klägerin stand als Baustofflieferantin mit der F. GmbH (nachfolgend: Schuldnerin), über deren Vermögen am ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde, in Geschäftsverbindung.
2Der in dem Insolvenzverfahren bestellte Verwalter nahm in einem Vorprozess die Klägerin gemäß § 133 Abs. 1 InsO auf Erstattung von der Schuldnerin im Zeitraum vom bis an sie erbrachter Zahlungen in Höhe von 981.224,43 € in Anspruch. Das Landgericht gab der Klage gegen die durch die Beklagte vertretene Klägerin weitgehend statt. Im Berufungsrechtszug berief sich der von der Klägerin neu bestellte Verfahrensbevollmächtigte auf das Bargeschäftsprivileg des § 142 InsO. Das Oberlandesgericht wies die Berufung zurück, weil dieses neue Vorbringen gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nicht berücksichtigt werden könne.
3Vorliegend nimmt die Klägerin den Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch, weil er es versäumt habe, in dem Vorprozess bereits erstinstanzlich das Bargeschäftsprivileg geltend zu machen. Die Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde verfolgt die Klägerin ihr abgewiesenes Begehren in Höhe von 835.699,80 € weiter.
II.
4Die Revision ist nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, weil der angegriffene Beschluss den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt. Der Beschluss ist gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
51. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
6Selbst wenn man eine Pflichtverletzung der Beklagten wegen des fehlenden Vortrags zu einer bargeschäftlichen Lage unterstelle, sei der zu Recht aus § 133 Abs. 1 InsO in Anspruch genommenen Klägerin dadurch kein kausaler Schaden entstanden. Bei der Schuldnerin habe seit Februar 2012 drohende Zahlungsunfähigkeit bestanden. Der daraus folgende Benachteiligungsvorsatz sei auch gegeben, wenn ihre Zahlungen im Rahmen einer bargeschäftlichen Lage erfolgt seien. Nach den vorliegenden Beweisanzeichen sei davon auszugehen, dass die Schuldnerin fortlaufend unrentabel gearbeitet und weitere Verluste angehäuft habe. Deshalb habe sie gewusst, dass durch die Zahlungen andere Gläubiger benachteiligt würden. Auch die Klägerin habe erkannt, dass die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin gedroht und diese unrentabel gearbeitet habe.
7Einer Beweisaufnahme, ob die Schuldnerin profitabel gearbeitet habe, bedürfe es nicht, weil sämtliche Indizien unstreitig seien, die Klägerin daraus nur abweichende Folgerungen ziehe. Der von der Schuldnerin im Jahre 2012 ausgewiesene bilanzielle Gewinn habe keine Aussagekraft, weil ein positiver Bilanzgewinn trotz eines Verlusts ausgewiesen werden könne. Die Klägerin vermische zudem den handelsrechtlichen und den steuerrechtlichen Begriff des Verlustvortrags. Der handelsrechtliche Begriff des Verlustvortrags stelle immer ein Indiz für eine schlechte wirtschaftliche Lage dar.
82. Diese Ausführungen verletzen das Verfahrensgrundrecht der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs.
9a) Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Die Vorschrift verlangt auch die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge. Dazu gehört der Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens. Die Nichtberücksichtigung eines solchen Beweisangebots verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (, BauR 2019, 1011 Rn. 7; vom - VI ZR 157/18, Rn. 12).
10b) Im Streitfall hat das Vordergericht erhebliche Anträge der Klägerin auf Einholung eines Sachverständigengutachtens, auf welche die Klägerin in ihrer Erwiderung auf den Hinweisbeschluss Bezug genommen hat, unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG unbeachtet gelassen.
11aa) Befriedigt ein Schuldner einen Gläubiger, obwohl er zahlungsunfähig ist und seine Zahlungsunfähigkeit kennt, handelt er nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in der Regel mit dem Vorsatz, seine übrigen Gläubiger zu benachteiligen. In diesem Fall weiß er, dass sein Vermögen nicht ausreicht, um sämtliche Gläubiger zu befriedigen. In Fällen kongruenter Leistungen hat der Senat allerdings anerkannt, dass der Schuldner trotz der Indizwirkung einer erkannten Zahlungsunfähigkeit ausnahmsweise nicht mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz handelt, wenn er seine Leistung Zug um Zug gegen eine zur Fortführung seines Unternehmens unentbehrliche Gegenleistung erbracht hat, die den Gläubigern im Allgemeinen nutzt (, WM 2018, 2097 Rn. 3).
12(1) Der subjektive Tatbestand kann hiernach nicht festgestellt werden, wenn im unmittelbaren Zusammenhang mit der potentiell anfechtbaren Rechtshandlung eine gleichwertige Gegenleistung in das Vermögen des Schuldners gelangt, also ein Leistungsaustausch ähnlich einem Bargeschäft stattfindet. Dem liegt zugrunde, dass dem Schuldner in diesem Fall infolge des gleichwertigen Leistungsaustauschs die dadurch eingetretene mittelbare Gläubigerbenachteiligung nicht bewusst geworden sein kann. Auch im Falle eines bargeschäftsähnlichen Leistungsaustausches wird sich der Schuldner der eintretenden mittelbaren Gläubigerbenachteiligung allerdings dann bewusst werden, wenn er weiß, dass er trotz Belieferung zu marktgerechten Preisen fortlaufend unrentabel arbeitet und deshalb bei der Fortführung seines Geschäfts mittels der durch bargeschäftsähnliche Handlungen erworbenen Gegenstände weitere Verluste anhäuft, die die Befriedigungsaussichten der Gläubiger weiter mindern, ohne dass auf längere Sicht Aussicht auf Ausgleich besteht (BGH, aaO).
13(2) Die Voraussetzungen eines bargeschäftlichen Leistungsaustauschs hat der Anfechtungsgegner darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen, weil es sich dabei um einen für ihn günstigen Umstand handelt, der dem sonst möglichen Schluss von erkannter Zahlungsunfähigkeit auf einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners entgegenstehen kann (BGH, aaO Rn. 4). Allein aus der vom Schuldner erkannten Zahlungsunfähigkeit wird dann regelmäßig nicht auf seinen Benachteiligungsvorsatz geschlossen werden können. Anders kann es sein, wenn der Schuldner weiß, dass er fortlaufend unrentabel arbeitet und deshalb bei der Fortführung des Geschäfts auch mittels der in bargeschäftsähnlicher Weise erlangten Leistungen nur weitere Verluste anhäuft. Solche Umstände sind jedoch vom Insolvenzverwalter darzulegen und zu beweisen, dem im Grundsatz die Darlegungs- und Beweislast für sämtliche Voraussetzungen der Anfechtbarkeit einer Rechtshandlung obliegt (BGH, aaO Rn. 4).
14bb) Bei dieser Sachlage hätte die Klägerin in dem Vorprozess ihre Inanspruchnahme aus § 133 Abs. 1 InsO durch den von dem Beklagten versäumten Nachweis abwenden können, dass die ihr von der Schuldnerin gewährten Zahlungen Bargeschäfte betrafen und - insoweit gegenbeweislich - die Schuldnerin nicht unrentabel arbeitete. Den insoweit angetretenen erheblichen Sachverständigenbeweis hat das Berufungsgericht unter Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG nicht erhoben.
15Die Klägerin hat sich unter Bezug auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens darauf berufen, dass die Schuldnerin nicht unrentabel gearbeitet, sondern Gewinne erwirtschaftet habe. Insoweit hat die Klägerin geltend gemacht, Ergebnis und Liquidität der Schuldnerin hätten sich im Laufe des Jahres 2012 kontinuierlich erholt, so dass der Anstieg des Umlaufvermögens sowie der Verbindlichkeiten auf einem gewachsenen Umsatz beruhe und nicht auf eine unrentable Arbeitsweise sowie zusätzliche Verluste hindeute. Der Anstieg der Verbindlichkeiten sei durch ein überproportional gestiegenes Umlaufvermögen kompensiert worden. Demnach habe die Schuldnerin Gewinne erwirtschaftet und rentabel gearbeitet. Diesen erheblichen Sachverständigenbeweis hat das Vordergericht nicht berücksichtigt. Das Vordergericht konnte von der Beweiserhebung nicht deshalb absehen, weil die festgestellten Indizien eine unrentable Arbeitsweise der Schuldnerin nahelegen. Vielmehr hat die Klägerin mit ihrem Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens gerade die Aussagekraft der von dem Berufungsgericht angeführten Indizien für die darauf gestützten Schlussfolgerungen in Zweifel gestellt. Soweit sich das Berufungsgericht darauf bezieht, ein positiver Bilanzgewinn könne trotz eingetretener Verluste ausgewiesen werden, bedarf es jedenfalls sachverständiger Prüfung, ob diese Wertung im Allgemeinen und unter den tatsächlichen Gegebenheiten des Streitfalls zutrifft.
16cc) Für die nunmehr durchzuführende mündliche Verhandlung vor dem Berufungsgericht weist der Senat darauf hin, dass die Beweislastregeln des Vorverfahrens grundsätzlich auch für den Regressprozess gelten (, WM 2000, 189, 192; vom - IX ZR 211/00, WM 2004, 2220, 2221). Im Vorprozess trug die Klägerin als Anfechtungsgegner die Darlegungs- und Beweislast für den Einwand eines bargeschäftsähnlichen Leistungsaustauschs. Den Gegeneinwand, der Schuldner habe nicht mit einem Nutzen für die Gläubiger rechnen dürfen, weil er fortlaufend unrentabel gearbeitet und deshalb auch mittels der in bargeschäftsähnlicher Weise erlangten Leistungen nur weitere Verluste angehäuft habe, hatte der Insolvenzverwalter darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen (, WM 2018, 2097 Rn. 4). Vor dem Hintergrund eines behaupteten Baraustauschs hat vorliegend die Beklagte nach den Beweislastgrundsätzen des Vorprozesses zu beweisen, dass die Schuldnerin unrentabel arbeitete und die Klägerin dies erkannt hat.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:260919BIXZR25.19.0
Fundstelle(n):
DStR 2020 S. 59 Nr. 1
QAAAH-35308