BVerwG Urteil v. - 7 C 22/17

Fehlende Rügefähigkeit von Zuständigkeitsvorschriften im Rahmen der naturschutzrechtlichen Vereinsklage

Leitsatz

Regelungen über die Zuständigkeit der Planfeststellungsbehörde und des Vorhabenträgers zählen nicht zu den Rechtsvorschriften, die im Sinne von § 64 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG 2009 (§ 61 Abs. 2 Nr. 1 BNatSchG 2002) zumindest auch den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu dienen bestimmt sind.

Gesetze: § 61 Abs 2 Nr 1 BNatSchG 2002, § 61 Abs 3 BNatSchG 2002, § 44 Abs 1 Nr 3 BNatSchG 2009, § 44 Abs 5 S 1 BNatSchG 2009, § 44 Abs 5 S 2 BNatSchG 2009, § 64 Abs 1 Nr 1 BNatSchG 2009, § 75 Abs 1a VwVfG

Instanzenzug: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Az: 1 Bf 258/12 Urteilvorgehend Az: 15 K 3417/09 Urteil

Tatbestand

1Der Kläger, ein anerkannter Naturschutzverein, wendet sich gegen Teile eines wasserrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses für die Alte Süderelbe.

2Auf einen Antrag der gemeinsam als Vorhabenträger auftretenden Behörde für Wirtschaft und Arbeit, Amt Strom- und Hafenbau (jetzt: Hamburg Port Authority AöR, Beigeladene zu 2) und der Behörde für Umwelt und Gesundheit (jetzt: Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt, Amt für Naturschutz und Landschaftspflege) der Beklagten erließ die Behörde für Wirtschaft und Arbeit (jetzt: Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation) als Planfeststellungsbehörde am den Planfeststellungsbeschluss für das Vorhaben "Wasserwirtschaftliche Neuordnung der Alten Süderelbe". Damit soll u.a. der Wasserstand in der Alten Süderelbe verstetigt und auf NN + 0,30 m angehoben werden. Der Wasserstand war auf der Grundlage eines Planfeststellungsbeschlusses aus dem Jahre 1969 für die Hochwasserschutzanlage auf NN - 0,30 m festgesetzt worden; in der Praxis wurde er allerdings seit den 1990er Jahren im Mittel auf NN ± 0,00 m gefahren und im Frühjahr - von März bis Ende Mai - auf der Grundlage wasserrechtlicher Erlaubnisse auf NN + 0,20 m aufgestaut. Des Weiteren sind die Umgestaltung eines Deichsiels, der Neubau eines Schöpfwerks sowie Polderungsmaßnahmen in den südlich der Alten Süderelbe gelegenen Verbandsgebieten zweier Sommerdeichverbände sowie die Verlegung und Verbreiterung zweier Gräben vorgesehen. Hintergrund ist u.a. die Bereitstellung eines ausreichenden Wasserdargebots zur Frostschutzberegnung der benachbarten Obstbaumkulturen; die Frostschutzberegnung ist u.a. Aufgabe des Beigeladenen zu 1 und seiner örtlich zuständigen Mitgliedsverbände.

3Der Kläger, der bereits im Verwaltungsverfahren Einwendungen erhoben hatte, hat gegen den Planfeststellungsbeschluss Klage erhoben, mit der er sich gegen die Anhebung des Wasserstands und die damit verbundenen Polderungsmaßnahmen wendet. Auf den Hinweis des Verwaltungsgerichts, das einen Verstoß gegen die Verordnung zum Schutz des Naturschutzgebiets Finkenwerder Süderelbe und artenschutzrechtliche Defizite bei der Ermittlung von Brutstätten des Eisvogels bemängelte, wurde ein ergänzendes Verfahren durchgeführt. Mit Beschluss vom ergänzte die Planfeststellungsbehörde den Planfeststellungsbeschluss um eine Befreiung von Verboten der Naturschutzgebietsverordnung sowie um eine Bauzeitenregelung. Der hierzu erstellte artenschutzrechtliche Fachbeitrag kommt zum Ergebnis, dass unter Berücksichtigung der Bauzeitenregelung gegen Zugriffsverbote nach § 44 BNatSchG 2009 in Bezug auf den Eisvogel nicht verstoßen werde. Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom ab.

4Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung mit Urteil vom zurückgewiesen. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt: Eine öffentliche Auslegung der Unterlagen und die Durchführung eines Erörterungstermins seien im ergänzenden Verfahren nicht erforderlich gewesen, zumal die Planergänzung keine Änderung des Vorhabens enthalten habe. Der Kläger sei im Rahmen der naturschutzrechtlichen Vereinsklage nicht rügebefugt, soweit er vorbringe, dass die beiden als Vorhabenträger tätig gewordenen Behörden für die Planung nicht zuständig gewesen seien. Denn die Vorschriften über die Zuständigkeit als Vorhabenträger seien jedenfalls im vorliegenden Fall nicht dazu bestimmt, auch den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu dienen. Eine Verletzung des Abwägungsgebots könne losgelöst von der Frage festgestellt werden, wer das Abwägungsmaterial zusammengestellt habe. Der Planfeststellungsbeschluss verstoße auch nicht gegen die in der Naturschutzgebietsverordnung festgelegten Verbote. Der Kläger wende zu Unrecht ein, dass der derzeit gefahrene Wasserstand von etwa NN ± 0,00 m sowie die temporären Wasserstandsanhebungen zum Zwecke der Frostschutzberegnung gegen die Festlegung des Wasserstandsniveaus im Planfeststellungsbeschluss von 1969 verstießen und diese abweichende Regelung Vergleichsmaßstab des geplanten Vorhabens sein müsse. Denn die Pflanzen und Tiere, die in dem Flachsee Alte Süderelbe lebten, seien an den derzeitigen Wasserstand, der aus der stetig zunehmenden Verschlickung resultiere, angepasst; insoweit sei dieser zutreffender Bezugspunkt der Erwägungen im Planfeststellungsbeschluss und im Ergänzungsbeschluss. Dies gelte auch für die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung. Die Rüge, als Vergleichszustand werde ein rechtswidriger Zustand betrachtet, greife ebenfalls nicht durch. Ob ein Vorhaben zu einem Eingriff in den Naturhaushalt führe, könne nur danach bewertet werden, wie dieser sich vor der Durchführung des Vorhabens darstelle. Der Planfeststellungsbeschluss leide auch nicht an artenschutzrechtlichen Mängeln, die der Kläger geltend machen könne. Insoweit komme es nur auf den Eisvogel an. Hinsichtlich anderer Arten sei der Kläger entweder präkludiert oder eine Prüfung erübrige sich wegen des für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses maßgeblichen Zeitpunkts seines Erlasses. Die Präklusion gelte für diejenigen Arten, die schon zur Zeit des ursprünglichen Verfahrens im Vorhabengebiet vorhanden gewesen seien. Wegen des maßgeblichen Zeitpunkts, an dem sich ungeachtet der Durchführung eines ergänzenden Verfahrens nichts ändere, sei der Vortrag zu denjenigen Arten unbeachtlich, die - wie der Kammmolch und der Moorfrosch - erst später nachgewiesen worden seien. Es sei zweifelhaft, ob es zu einer relevanten Beschädigung oder Zerstörung von Fortpflanzungs- oder Ruhestätten des Eisvogels kommen könne. Lasse sich dies nicht völlig ausschließen, komme dem Vorhaben die Privilegierung des § 44 Abs. 5 Satz 1 und 2 BNatSchG 2009 zugute. Denn die ökologische Funktion der vom Vorhaben betroffenen Lebensstätten sei im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt. Schließlich sei die Abwägungsentscheidung nicht zu beanstanden. Die Verletzung des Abwägungsgebots sei nur insofern rügefähig, als Belange des Naturschutzes betroffen seien. Ein Abwägungsmangel liege entgegen den Ausführungen des Klägers insbesondere nicht in einer angeblich zu hohen Bewertung der Vorteile für den Naturhaushalt, die ein verstetigter Wasserstand gegenüber dem Ist-Zustand mit sich bringe.

5Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision macht der Kläger einen Gehörsverstoß geltend und rügt die Verletzung sachlichen Rechts. Das Oberverwaltungsgericht habe sein Vorbringen nicht gewürdigt, wonach es bei der Abwägung nicht auf eine Gegenüberstellung des Ist-Zustands und des zukünftigen Zustands der Ausbauvariante ankomme; maßgeblich sei vielmehr der auf das Projektjahr bezogene Unterschied zwischen Null- und Ausbauvariante. Dies habe sich auf die Ausführungen zur Bedarfsprüfung, zur Befreiung von den Verboten der Naturschutzgebietsverordnung und zur fachplanerischen Abwägung ausgewirkt. Die vom Oberverwaltungsgericht zur Präklusion im Artenschutzrecht vertretene Rechtsauffassung verstoße gegen § 2 UmwRG, der für die Planergänzung anwendbar sei. Bezugspunkt für die Einwendungen sei nicht das Vorhaben, sondern die ausgelegten Antragsunterlagen. Gegenstand der Planergänzung sei auch eine neue Gesamtabwägung, so dass ein unauflöslicher Zusammenhang mit anderen Themen gegeben sei. Die Ansicht des Oberverwaltungsgerichts sei mit unionsrechtlichen Vorgaben und Art. 9 Abs. 2 der Aarhus-Konvention nicht vereinbar. Bezüglich der Planergänzung zum Artenschutzrecht habe das Oberverwaltungsgericht den maßgeblichen Zeitpunkt für die Prüfung der Sach- und Rechtslage verkannt. Es komme hinsichtlich neuer Arten auf den Zeitpunkt der Planergänzung an; insoweit seien Probleme einer Neubewertung unterzogen worden. Es sei insbesondere unionsrechtlich nicht zulässig, im Rahmen der Fehlerheilung zulasten der Umwelt die Augen vor zwischenzeitlich eingetretenen Änderungen in relevanten Betroffenheiten zu verschließen. Die Bewertung der artenschutzrechtlichen Auswirkungen auf den Eisvogel verstoße gegen § 44 BNatSchG. Soweit das Oberverwaltungsgericht auf die Überflutung niedriger gelegener Lebensstätten abstelle, beruhe dies auf der fehlerhaften Prämisse der Fortsetzung rechtswidriger Wasserstandserhöhungen. Unter Verstoß gegen die aus § 9 Abs. 1 Satz 4 UVPG a.F. folgenden Maßstäbe habe das Oberverwaltungsgericht sich nicht damit auseinandergesetzt, ob es im ergänzenden Verfahren einer Öffentlichkeitsbeteiligung bedurft habe, weil der neue Fachbeitrag die Umweltbetroffenheiten wesentlich umfassender geprüft habe. Schließlich könne ein Naturschutzverband die Unzuständigkeit der Vorhabenträger rügen. Die auf den Naturschutz bezogene Zielrichtung müsse sich nicht aus der Auslegung der betreffenden Norm ergeben. Maßgeblich sei vielmehr, dass die Zuständigkeitsnormen eine Abwägungsbefugnis auch betreffend der Belange von Natur und Landschaft einräumten; zwischen dieser Befugnis und der Abwägung bestehe ein untrennbarer rechtlicher Zusammenhang.

6Der Kläger beantragt,

das Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom und das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom sowie den Planfeststellungsbeschluss der Beklagten vom in der Gestalt des Planergänzungsbeschlusses vom insoweit aufzuheben, als der Wasserstand der Alten Süderelbe auf einem Niveau von NN + 0,30 m verstetigt werden soll und infolgedessen Polderungsmaßnahmen in Gebieten der Sommerdeichverbände Vierzigstücken und Francop durchgeführt werden sollen.

7Die Beklagte und die Beigeladenen beantragen jeweils,

die Revision zurückzuweisen.

8Sie verteidigen die angegriffene Entscheidung.

Gründe

9Die zulässige Revision hat mit dem Ergebnis der Zurückverweisung Erfolg (§ 144 Abs. 3 Nr. 2 VwGO). Das angegriffene Urteil leidet zwar nicht an einem Verfahrensmangel (1.). Es beruht aber auf der Verletzung materiellen Bundesrechts (2.). Mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen des Oberverwaltungsgerichts kann der Senat nicht selbst in der Sache entscheiden; dies nötigt zur Zurückverweisung (3.)

101. Mit der Verfahrensrüge dringt der Kläger nicht durch. Das Oberverwaltungsgericht hat seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) nicht verletzt.

11Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG ist dann festzustellen und gegeben, wenn auf den Einzelfall bezogene Umstände deutlich ergeben, dass das Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung ersichtlich nicht erwogen worden ist (BVerfG, Beschlüsse vom - 1 BvR 426/77 - BVerfGE 47, 182 <187 f.> und vom - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 <146>). Solche Umstände sind vorliegend nicht erkennbar. Das Oberverwaltungsgericht setzt sich sehr wohl mit den Einwänden des Klägers zum zutreffenden Bezugspunkt der naturschutzrechtlichen Überprüfung - die Nullvariante dürfe keine rechtswidrige Verwaltungspraxis zugrunde legen, sondern müsse vom derzeit bestandskräftig planfestgestellten Zustand ausgehen - auseinander (siehe juris Rn. 177, 219, 273). Wenn das Gericht diesen Einwänden in der Sache nicht folgt, ist das keine Frage des rechtlichen Gehörs. Denn der Kläger wendet sich im Gewand einer Verfahrensrüge gegen die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts.

122. Das Urteil beruht auf der Verletzung materiellen Rechts, indem es den für die gerichtliche Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt bei der Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss, dem ein Planergänzungsbeschluss angewachsen ist, hinsichtlich artenschutzrechtlicher Fragen unzutreffend bestimmt und folglich sein Prüfprogramm verkürzt hat (a). Im Übrigen geht die vom Kläger erhobene Rüge eines unzureichenden Umfangs der gerichtlichen Nachprüfung fehl (b). Auch die vom Kläger bemängelten Ausführungen zur Sachprüfung sind von Rechts wegen nicht zu beanstanden (c).

13a) Das Oberverwaltungsgericht hat die artenschutzrechtlichen Erwägungen im Planergänzungsbeschluss, die auf dem im ergänzenden Verfahren erstellten Fachbeitrag beruhen, nur insoweit überprüft, als sie - wie vom Verwaltungsgericht im Hinweisbeschluss gefordert - den Eisvogel betreffen. In Bezug auf erst später ins Vorhabengebiet eingewanderte bzw. dort nachgewiesene besonders geschützte Arten aus dem Anhang IV - Amphibien - der FFH-Richtlinie, nämlich dem Moorfrosch und dem Kammmolch, hat es auf den allgemeinen Grundsatz abgestellt, dass der Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses für dessen gerichtliche Überprüfung maßgeblich ist, und eine Ausnahme hiervon nicht anerkannt. Das steht nicht in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts.

14Für die Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Planfeststellungsbeschlusses kommt es grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage bei dessen Erlass an (stRspr, vgl. zuletzt 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 21 m.w.N.). Wird nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses ein ergänzendes Verfahren durchgeführt mit der Folge, dass der festgestellte Plan und die nachträglichen Änderungen zu einem einzigen Plan in der durch den Änderungsbeschluss erreichten Gestalt verschmelzen ( 9 A 1.13 - BVerwGE 150, 92 Rn. 14 und vom - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 19), bedarf es einer differenzierenden Betrachtungsweise. Der Zeitpunkt für die gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit hängt maßgeblich von der Zielrichtung des Verfahrens ab. Beschränkt es sich darauf, einen punktuellen Fehler der früheren Entscheidung zu heilen, so bleibt der Zeitpunkt des (ersten) Planfeststellungsbeschlusses maßgeblich. Abweichendes gilt dann, wenn die Planfeststellungsbehörde ihre Entscheidung im ergänzenden Verfahren auf veränderte tatsächliche oder rechtliche Verhältnisse stützt und auf der Grundlage einer Aktualisierung der Beurteilungsgrundlagen eine Neubewertung etwa der Verträglichkeitsuntersuchung vornimmt; dann ist insoweit der Zeitpunkt der Aktualisierung maßgeblich. Letzteres gilt bei der Prüfung des FFH-Rechts insbesondere auch dann, wenn das ergänzende Verfahren zu einem Zeitpunkt durchgeführt wird, zu dem das rechtswidrig zugelassene Vorhaben bereits errichtet ist. In dieser Situation kann eine realitätsnahe Prüfung der Auswirkungen nicht auf eine gegebenenfalls von den tatsächlichen Gegebenheiten überholte prognostische Entscheidung gestützt werden (vgl. 9 C 3.16 - Buchholz 406.403 § 34 BNatSchG 2010 Nr. 14 Rn. 42 f. m.w.N.; u.a. [ECLI:EU:C:2017:589], Commune di Corridonia - NVwZ 2017, 1611 Rn. 41).

15Diese in der Sondersituation eines ergänzenden Verfahrens geltenden Maßstäbe hat das Oberverwaltungsgericht nicht hinreichend beachtet. Die Entscheidungen, auf die es verweist, beziehen sich auf andere Fallkonstellationen. Das unmittelbar zur Begründung (juris Rn. 254) herangezogene 9 A 64.07 - (BVerwGE 134, 308 Rn. 50) behandelt den Fall, dass nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses eine Bestandserhebung durch die Kläger, nicht jedoch auf Veranlassung der Planfeststellungsbehörde im Rahmen eines ergänzenden Verfahrens durchgeführt worden ist. Der Verweis (Urteil des Oberverwaltungsgerichts juris Rn. 251 sowie in Rn. 115) auf das 9 A 20.08 (Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 208 Rn. 41) betrifft die Verschiebung des maßgeblichen Zeitpunkts, wenn eine dem Vorhabenträger bzw. der Planfeststellungsbehörde potenziell günstige Veränderung eintritt (vgl. auch 9 A 14.16 - BVerwGE 160, 78 Rn. 20). Schließlich führt die Bezugnahme (Urteil des Oberverwaltungsgerichts juris Rn. 115) auf den 7 B 18.12 - (juris Rn. 27) auf die hier nicht einschlägige Fallgestaltung einer auf § 74 Abs. 2 VwVfG gestützten Verpflichtungsklage mit dem Ziel der Planergänzung um Schutzauflagen und des dabei maßgeblichen Planungshorizonts.

16Das angefochtene Urteil beruht auf der unterbliebenen Beachtung der oben angeführten rechtlichen Maßstäbe. Mangels insoweit bindender Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts kann der Senat den Planergänzungsbeschluss selbst würdigen und auslegen ( 7 C 11.17 - NVwZ 2019, 886 Rn. 27 m.w.N.).

17Der Planergänzungsbeschluss stellt ausgehend vom Hinweisschreiben des Verwaltungsgerichts - neben der Befreiung von Verboten der Naturschutzgebiets-Verordnung (Ziff. 2.3.4) - die (vermeintlichen) artenschutzrechtlichen Ermittlungsdefizite in Bezug auf den Eisvogel in den Mittelpunkt seiner Erwägungen. Insoweit sollte nur ein punktueller Fehler geheilt werden. Dessen ungeachtet hat die Planfeststellungsbehörde auf der Grundlage des neu und im Verfahren erstmals erstellten artenschutzrechtlichen Fachbeitrags die Sach- und Rechtslage zwar mit dem Schwerpunkt auf dem Eisvogel, aber auch unter Bezugnahme auf den Fachbeitrag - "vorsorglich" - in Bezug auf weitere potenziell betroffene Arten geprüft (Ziff. 2.3.1). Die insoweit als Ergebnis einer umfassenderen Relevanzprüfung (Ziff. 2.3.1.1) vorgenommene Betrachtung weiterer Wasservogelarten und Röhrichtbrüter nimmt auf die von den Vorhabenträgern auch im Interesse dieser Arten beantragte Bauzeitenregelung Bezug (Ziff. 2.3.1.2.2). Auch darauf beschränkt sich die sachliche Würdigung im Planergänzungsbeschluss nicht. So weist der Planergänzungsbeschluss die im Verfahren der Planergänzung erhobene Einwendung, die Artengruppen des Anhangs IV der FFH-RL seien unzureichend betrachtet worden, unter Hinweis auf die nach den Äußerungen der zuständigen Behörde gegebene "Aufwertung der Lebensraumstrukturen für den Moorfrosch und gegebenenfalls für weitere artenschutzrechtlich relevanter Amphibienarten" (S. 22) zurück. Hiermit macht sich der Ergänzungsbeschluss diese Neubewertung des Vorhabens in artenschutzrechtlicher Hinsicht zu eigen. Dies wird bestätigt durch die Ausführungen, wonach die artenschutzrechtliche Betrachtung nachweise, dass die Vergrößerung aquatischer und amphibischer Lebensräume an der Alten Süderelbe auch unter Beachtung des nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses novellierten Artenschutzrechts keine artenschutzrechtlichen Konflikte für einzelne Arten auslöse (S. 17 f.). Diese sachbezogene Verbescheidung der Einwendung unterscheidet sich deutlich von den Verweisen auf einen beschränkten Kreis der "Befassungsgegenstände" des ergänzenden Verfahrens, mit denen andere Einwendungen unberücksichtigt geblieben sind (siehe etwa S. 17 f. zu <4>, S. 18 zu <5>, S. 20 zu <2>). Der maßgebliche Zeitpunkt für die gerichtliche Überprüfung hat sich folglich verschoben. Das Oberverwaltungsgericht musste sich mit dem Vorbringen zu den genannten Arten sachlich auseinandersetzen. Führt diese Prüfung zum Ergebnis, dass die Voraussetzungen des artenschutzrechtlichen Zugriffsverbots nicht vorliegen, hat es insoweit mit der Verschiebung des entscheidungserheblichen Zeitpunkts sein Bewenden. Bedarf es hingegen der Prüfung einer Privilegierung, sind gegebenenfalls auch andere für die rechtliche Bewertung des Vorhabens erhebliche Feststellungen anzupassen.

18b) Im Übrigen hat das Oberverwaltungsgericht die Überprüfung des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses ohne Rechtsverstoß beschränkt.

19aa) Der Kläger kann einen Verstoß gegen Vorschriften über die Zuständigkeit des Vorhabenträgers nicht rügen.

20(1) Nach § 61 Abs. 2 Nr. 1 BNatSchG in der im Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses geltenden Fassung 2002, die mit der im Zeitpunkt der Entscheidung durch das Oberverwaltungsgericht geltenden Fassung des § 64 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 63 Abs. 2 Nr. 6 BNatSchG 2009 insoweit inhaltsgleich ist, sind Rechtsbehelfe nach Absatz 1 - hierzu zählen gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG a.F. Klagen gegen Planfeststellungsbeschlüsse über Vorhaben, die mit Eingriffen in Natur und Landschaft verbunden sind - nur zulässig, wenn der Verein geltend macht, dass der Erlass des betreffenden Verwaltungsakts Vorschriften dieses Gesetzes, Rechtsvorschriften, die aufgrund oder im Rahmen dieses Gesetzes erlassen worden sind oder fortgelten oder andere Rechtsvorschriften, die bei Erlass des Verwaltungsakts zu beachten und zumindest auch den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu dienen bestimmt sind, widerspricht.

21(2) Der Kläger kann sich neben der Verletzung ausdrücklich naturschutzrechtlicher Bestimmungen nur auf einen Verstoß gegen Vorschriften berufen, die zumindest auch den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu dienen bestimmt sind. Damit bringt das Gesetz zum Ausdruck, dass keine umfassende gerichtliche Kontrolle der von einem Verein angegriffenen Verwaltungsentscheidung stattfinden soll, sondern die betreffenden Vorschriften - anknüpfend an die Aufgabe des Naturschutzvereins als eines Sachwalters der Natur - sich durch einen besonderen naturschutzrechtlichen Bezug ausweisen müssen (vgl. 4 A 9.97 - BVerwGE 107, 1 <5 f.>). Dieser Bezug ist nicht bereits dann zu bejahen, wenn sich die Anwendung einer Norm auf das Ergebnis der Zulassungsentscheidung - und damit einhergehend auf Naturbestandteile - auswirken kann; denn dann ginge die im Gesetz angelegte Begrenzung der gerichtlichen Kontrolle weitgehend ins Leere. Vielmehr müssen sich die rügefähigen Vorschriften durch eine spezifische Schutzrichtung auszeichnen.

22Bei den unmittelbar naturschutzbezogenen Regelungen der Fachgesetze und unionsrechtlicher Vorschriften trifft dies ohne Weiteres zu; insbesondere die Vorschriften des integrierten Umweltschutzes zählen hierzu (siehe etwa Gellermann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Februar 2019, § 64 BNatSchG Rn. 17). Für das fachplanerische Abwägungsgebot gilt das ebenfalls, allerdings mit der Beschränkung der Überprüfung auf die Würdigung der naturschutzrechtlichen Belange, während es keiner gerichtlichen Kontrolle unterliegt, ob nicht naturschutzbezogene Belange, die für und gegen das Vorhaben sprechen, richtig ermittelt oder gewichtet worden sind (vgl. 4 A 9.97 - BVerwGE 107, 1 <6 f.> und vom - 9 A 33.02 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 173 S. 158). Bei Form- und Verfahrensvorschriften ist die erforderliche Schutzrichtung dann anzunehmen, wenn sie darauf abzielen, besonderen externen naturschutzfachlichen Sachverstand einzubringen (Schlacke, in: GK-BNatSchG, 2. Aufl. 2017, § 64 BNatSchG Rn. 55).

23Demgegenüber ist mit Zuständigkeitsvorschriften nicht jedenfalls auch der Schutz der Belange des Naturschutzes bezweckt. So fehlt Vorschriften, die lediglich die Aufgabenverteilung zwischen Anhörungs- und Planfeststellungsbehörde regeln, der naturschutzrechtliche Bezug ( 9 VR 11.02 - juris Rn. 7). Bei der Zuständigkeit der Planfeststellungsbehörde hat das Bundesverwaltungsgericht dies bislang offengelassen und - die Entscheidungserheblichkeit unterstellt - das Erfordernis betont, dass eine kompetenzwidrig in die Planfeststellung einbezogene Maßnahme jedenfalls kausal für die Beeinträchtigung materieller Schutzgüter der Natur sein müsse ( 9 A 12.10 - Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 13 Rn. 30). Die Rügefähigkeit kann aber mit dem Hinweis auf den Zusammenhang von Abwägungskompetenz und Abwägungsergebnis nicht begründet werden. Mit der Feststellung, dass aufgrund der nur eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle der fachplanerischen Entscheidungen die Zuständigkeit - nicht nur der Planfeststellungsbehörde, sondern auch des originär planenden Vorhabenträgers ( 9 A 11.03 - BVerwGE 121, 72 Leitsatz 3 und juris Rn. 70; siehe auch Urteil vom - 7 C 25.93 - BVerwGE 97, 143 <148 f.) - untrennbar mit dem zur Anwendung gelangenden materiellen Recht und dem daraus gewonnenen Ergebnis verbunden sei (hierauf abstellend etwa Gellermann a.a.O. Rn. 18; Kleve, in: BeckOK Umweltrecht, Stand , § 64 BNatSchG Rn. 11; Kerkmann, in: Gärditz, VwGO, 2. Aufl. 2018, Anhang IV, § 64 BNatSchG Rn. 24; Fischer-Hüftle, in: Schumacher/Fischer-Hüftle, BNatSchG, 2. Aufl. 2011, § 64 Rn. 29; a.A. Schlacke a.a.O. Rn. 55), kann lediglich die Erkenntnis belegt werden, dass die jeweils handelnde Behörde einen Einfluss auf die planerische Entscheidung ausübt, der auch durch die gerichtliche Kontrolle nicht ungeschehen gemacht und neutralisiert werden kann. Mit der möglichen Kausalbeziehung von Zuständigkeitsvorschriften und Eingriffen in Belange des Naturschutzes wird jedoch die gesetzlich vorausgesetzte Finalität einer Zuständigkeitsvorschrift nicht dargetan. Die Bestimmungen über die Zuständigkeit verfolgen originär organisationsrechtliche Anliegen im Sinne der Gewährleistung einer sachangemessenen Behandlung der anstehenden Aufgaben. Gerade die Bearbeitung komplexer Planfeststellungsverfahren, die ganz unterschiedliche oder gegenläufige Interessen ermitteln und bewerten muss, verbietet - jedenfalls mangels abweichender Anhaltspunkte, die das Oberverwaltungsgericht den einschlägigen landesrechtlichen Bestimmungen nicht entnommen hat und für die auch sonst nichts dargetan ist - die Annahme, dass mit der Zuweisung dieser Aufgabe an eine bestimmte Behörde ein sektorales Interesse in besonderer Weise geschützt werden soll.

24(3) § 61 Abs. 2 Nr. 1 BNatSchG 2002 ist mit diesem materiell-rechtlichen Gehalt zugrunde zu legen. Ob die Beschränkung der Rügebefugnis mit den Vorgaben der Aarhus-Konvention - AK -, zu deren Umsetzung die Bestimmungen über die Vereinsklage beitragen sollen (siehe BT-Drs. 14/6378 S. 27), in Einklang steht (siehe hierzu etwa Heselhaus, in: Frenz/Müggenborg, BNatSchG, 2. Aufl. 2016, § 64 Rn. 25a; Schlacke, in: Gärditz, VwGO, 2. Aufl. 2018, Vorb. §§ 1 - 8 UmwRG Rn. 56), kann hier dahinstehen. Wie das Oberverwaltungsgericht im Zusammenhang mit der Präklusion zutreffend ausführt (juris Rn. 128 f.), war die AK und die sie in Bezug auf Artikel 9 ins Unionsrecht überführende Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom jedenfalls deswegen noch nicht zu beachten, weil die Umsetzungsfrist bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses noch nicht abgelaufen war.

25bb) Das Vorbringen des Klägers zu verschiedenen Arten, die in dem artenschutzrechtlichen Fachbeitrag Erwähnung finden, aber bereits bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses im Vorhabengebiet vorhanden waren (Fledermäuse sowie - vermutet wegen geeigneter Habitatstrukturen bzw. erforderlicher Wirtspflanzen - Eremit, Grüne Mosaikjungfer), hat das Oberverwaltungsgericht im Einklang mit Bundesrecht als präkludiert eingestuft.

26(1) Die in § 61 Abs. 3 BNatSchG 2002 und inhaltsgleich in § 64 Abs. 2 BNatSchG i.V.m. § 2 Abs. 3 UmwRG i.d.F. vom (BGBl. I S. 2816) angeordnete Präklusion verspäteten Vorbringens findet auf die gerichtliche Kontrolle des Planfeststellungsbeschlusses weiterhin Anwendung. Die Umsetzungsfrist für die entgegenstehenden Vorgaben aus der Richtlinie 2003/35/EG war bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses noch nicht abgelaufen (vgl. [ECLI:EU:C:2013:712], Gemeinde Altrip u.a. -).

27Die Voraussetzungen für einen Einwendungsausschluss liegen beim Kläger vor. Die vom Kläger behaupteten Verfahrensfehler bei der Öffentlichkeitsbeteiligung stehen dem nicht entgegen. Der Kläger war anlässlich der in der Zeit vom 10. September bis erfolgten Auslegung der Unterlagen nicht als Naturschutzvereinigung zu beteiligen. Denn der Kläger wurde erst aufgrund des Urteils des Verwaltungsgerichts Hamburg vom mit Bescheid der Beklagten vom gemäß § 29 BNatSchG 1998, § 70 BNatSchG 2002 anerkannt. Die Anerkennung misst sich keine Rückwirkung bei, sondern wirkt ex nunc. Die Frage, ob etwas anderes gelten könnte, wenn die behördliche Umsetzung einer Gerichtsentscheidung ungebührlich verzögert wird, stellt sich hier nicht. Im Übrigen hat der Kläger, insoweit noch als Teil der allgemeinen Öffentlichkeit, mit Schreiben vom in Wahrnehmung seiner satzungsrechtlichen Aufgaben umfangreiche Einwendungen erhoben, und war später am mehrtägigen Erörterungstermin durch eines seiner Mitglieder vertreten.

28(2) Zu Recht ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Durchführung eines ergänzenden Verfahrens, das sich auch mit dem Artenschutz befasst, hieran nichts geändert hat.

29Die Fortdauer der Präklusionswirkung ist nicht auf die Durchführung eines ergänzenden Verfahrens im Anschluss an eine gerichtliche Entscheidung beschränkt, die sich im Interesse der Planerhaltung (bzw. Genehmigungserhaltung) mit der Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses (bzw. der Genehmigung) begnügt (§ 75 Abs. 1a VwVfG; § 7 Abs. 5 UmwRG). Ein solcher Entscheidungsausspruch, der zugleich die Feststellung enthält, dass der Planfeststellungsbeschluss (bzw. die Genehmigung) über die bezeichneten Beanstandungen hinaus an weiteren der gerichtlichen Überprüfung unterliegenden Fehlern nicht leidet, steht einem neuerlichen gleichgerichteten Einwand in einem nachfolgenden Gerichtsverfahren entgegen; die so verstandene Rechtskraftwirkung steht mit dem einheitlichen Streitgegenstand einer gegen den Planfeststellungsbeschluss (bzw. die Genehmigung) gerichteten Klage nicht in Widerspruch ( 9 B 43.16 - DVBl 2018, 1361 Rn. 65 m.w.N.; siehe auch Neumann/Külpmann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 75 Rn. 53c).

30§ 75 Abs. 1a VwVfG erkennt die vorausgesetzte materielle Befugnis der Planfeststellungsbehörde zur Behebung eines Mangels des Planfeststellungsbeschlusses an. Die Bestimmung schließt es folglich nicht aus, dass die Planfeststellungsbehörde jederzeit wegen eines von ihr erkannten oder auch nur als möglich angesehenen Mangels von sich aus die entsprechenden Schritte ergreift oder im Laufe eines gerichtlichen Verfahrens vor dessen rechtskräftigem Abschluss - wie hier - auf gerichtlichen Hinweis das Verfahren an der Stelle, an der der - unterstellte - Fehler unterlaufen ist, wieder aufnimmt und einen unselbstständigen Abschnitt eines einheitlichen Verfahrens hinzufügt (vgl. 4 A 15.02 - insoweit in BVerwGE 117, 149 nicht abgedruckt, juris Rn. 16, vom - 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 31 und vom - 9 A 9.15 - BVerwGE 155, 91 Rn. 33; sowie Beschlüsse vom - 7 B 180.92 - Buchholz 316 § 76 VwVfG Nr. 7 S. 5 f., vom - 4 B 17.05 - Buchholz 442.40 § 10 LuftVG Nr. 13 S. 2 f. und - zuletzt - vom - 9 A 12.17 - DVBl 2018, 1232 Rn. 6).

31Auch vor Erlass einer die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses teilweise bestätigenden gerichtlichen Entscheidung erlangt die Planfeststellungsbehörde bereits im Umfang des Einwendungsausschlusses Rechtssicherheit (vgl. 9 B 15.08 - Buchholz 451.91 Europ-UmweltR Nr. 35 Rn. 28). Hieran hat sich zwischenzeitlich durch den Wegfall der Präklusion aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts nichts geändert. Denn die Präklusion ist kein prozessuales Rechtsinstitut, dessen Änderungen in anhängigen Verfahren gegebenenfalls zu beachten wären, sondern hat materiell-rechtliche Wirkungen; sie beseitigt die betreffende Rechtsposition des Klägers und tritt ungeachtet des Erlasses einer gerichtlichen Entscheidung ein ( 9 A 12.17 - DVBl 2018, 585 Rn. 10 m.w.N). Dieser einmal eingetretene Rechtsverlust dauert fort, soweit und solange die Behörde bei unveränderter Sach- und Rechtslage nicht selbst durch die Wiederaufnahme des Verfahrens auch in dieser Hinsicht auf die Rechtswirkungen des Einwendungsausschlusses verzichtet. Hierfür ist angesichts der durch den gerichtlichen Hinweis umschriebenen Zielrichtung des ergänzenden Verfahrens nichts ersichtlich.

32c) Schließlich wendet der Kläger sich ohne Erfolg gegen die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses.

33aa) Das Oberverwaltungsgericht hat eine Pflicht zur umfänglichen Öffentlichkeitsbeteiligung im ergänzenden Verfahren mit Auslegung der neuen Unterlagen und Durchführung eines Erörterungstermins unter Hinweis darauf verneint, dass das Vorhaben nicht geändert worden sei. Die Bezugnahme (Urteil des Oberverwaltungsgerichts juris Rn. 137) auf das 4 A 5.14 - (BVerwGE 154, 73 Rn. 26 bis 28) verweist auf § 73 Abs. 8 Satz 1 VwVfG und § 9 Abs. 1 Satz 4 UVPG a.F., die eine Änderung des Plans verbunden mit einer erstmaligen oder stärkeren Beeinträchtigung der Belange Dritter bzw. die Besorgnis zusätzlicher oder anderer erheblicher Umweltauswirkungen voraussetzen. Der Kläger behauptet nicht, dass das Oberverwaltungsgericht die genannten Vorschriften fehlerhaft angewandt habe; dafür ist auch nichts ersichtlich. Er bemängelt vielmehr, dass das Oberverwaltungsgericht das behördliche Vorgehen nicht an den rechtlichen Vorgaben gemessen habe, auf die das 9 A 9.15 - (BVerwGE 155, 91 Rn. 34) abgestellt habe, und folglich hierzu keine Feststellungen getroffen habe. Die Rüge des Klägers greift nicht durch.

34Die Öffentlichkeit muss über die oben genannten Vorschriften hinaus nach § 9 Abs. 1 UVPG a.F. auch dann neu beteiligt werden, wenn nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses eine nach Gegenstand, Systematik und Ermittlungstiefe neue oder über die bisherigen Untersuchungen wesentlich hinausgehende Prüfung der Umweltbetroffenheiten vorgenommen wird, die für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Vorhabens insgesamt erforderlich ist und ihren Niederschlag in einer neuen entscheidungserheblichen Unterlage über die Umweltauswirkungen des Vorhabens (§ 6 Abs. 1 Satz 1 UVPG a.F.) findet. Diese Anforderungen gelten grundsätzlich auch in Verfahren wie dem vorliegenden. Es ist dabei unbeachtlich, dass der Planfeststellungsbeschluss (S. 150 f.) davon ausgeht, dass das Vorhaben nicht UVP-pflichtig ist. Der tragende Grund für die neuerliche Auslegung ist nämlich die Gewährleistung des Zwecks der Öffentlichkeitsbeteiligung ungeachtet des Umstands, auf welcher Rechtsvorschrift sie beruht. Es kommt folglich darauf an, ob bereits die ursprünglichen Antragsunterlagen die gebotene Anstoßwirkung entfalteten (§ 73 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 VwVfG), und den potenziell Betroffenen und den anerkannten Vereinigungen die Beurteilung ermöglichen, ob und in welchem Umfang ihre Belange oder ihre satzungsmäßigen Interessen von den Umweltauswirkungen betroffen sein können (siehe 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 28). Hiernach bedurfte es nicht der Auslegung der neuen Unterlagen.

35Es kann dabei offenbleiben, ob hier überhaupt nachträglich nach Gegenstand, Systematik und Ermittlungstiefe neue oder über bisherige Untersuchungen wesentlich hinausgehende Unterlagen erstellt worden sind. Zur Gewährleistung der Mitwirkungsmöglichkeiten der Verbände war eine erneute Auslegung entbehrlich; denn sie wurden gemäß § 63 Abs. 2 Nr. 6 BNatSchG 2009 beteiligt. Die Mitglieder der verbleibenden (sonstigen) Öffentlichkeit waren in Bezug auf ihre jeweiligen individuellen Interessen bereits durch die ursprünglich ausgelegten Unterlagen in den Stand gesetzt worden, ihre Betroffenheiten zu erkennen und Einwände zu artikulieren. Neue artenschutzrechtliche Erkenntnisse sind insoweit ohne Belang. Soweit es um die Bewertung der artenschutzrechtlichen Verhältnisse als solche geht, wird dem Anliegen der Öffentlichkeitsbeteiligung jedenfalls hier bereits durch die Mobilisierung des spezifischen, auch auf die Örtlichkeit bezogenen, naturschutzfachlichen Sachverstands des Klägers Rechnung getragen (siehe auch 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 34). Denn er setzt sich nach § 2 seiner Satzung in besonderer Weise gerade für das betroffene Naturschutzgebiet ein und hat sich zum Ziel gesetzt, "die Überlebensmöglichkeiten der (dortigen) Arten und Lebensgemeinschaften ... zu erkennen und ihrer Gefährdung entgegenzuwirken"; dieser Vereinszweck wird nach § 2 Abs. 4 der Satzung u.a. durch Stellungnahmen und Gutachten, regelmäßige Beobachtungen und deren Dokumentation sowie dem Amphibienschutz verfolgt.

36bb) Die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zur artenschutzrechtlichen Bewertung der Auswirkungen des Vorhabens auf den Eisvogel sind ebenso wenig wie die übrigen naturschutzrechtlichen Erwägungen von Rechts wegen zu beanstanden.

37Das Oberverwaltungsgericht unterstellt entscheidungstragend eine Schädigung von Fortpflanzungsstätten (§ 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG 2009) des Eisvogels durch die planfestgestellte Wasserstandsverstetigung auf NN + 0,30 m, sieht deren ökologische Funktion jedoch gemäß § 44 Abs. 5 Satz 1 und 2 BNatSchG 2009 im räumlichen Zusammenhang weiterhin gewahrt (siehe hierzu 9 A 12.10 - BVerwGE 140, 149 Rn. 140 f.). Ohne Erfolg wendet der Kläger ein, das Vorhaben könne diese Privilegierung für nach § 15 BNatSchG 2009 zulässige Vorhaben nicht in Anspruch nehmen, weil die gesamte naturschutzrechtliche Prüfung zu Unrecht von den derzeitigen Wasserständen ausgehe, die der Festlegung im Planfeststellungsbeschluss aus dem Jahre 1969 widersprächen. Die naturschutzfachliche und naturschutzrechtliche Bewertung der zu erwartenden Veränderungen eines Naturschutzgebiets als Teil des Naturhaushalts durch ein geplantes Vorhaben muss von dessen faunistischem und floristischem Inventar im gegenwärtigen Bestand ausgehen, der sich auf der Grundlage der dort vorfindlichen tatsächlichen Verhältnisse herausgebildet hat. Dies folgt für die artenschutzrechtlichen Fragestellungen schon aus dem individuenbezogenen Ansatz dieser Regelungen (vgl. etwa 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 54) und ist zugleich Ausgangspunkt der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung. Das in ihr enthaltene Vermeidungsverbot will zunächst den status quo der gegebenen Situation erhalten ( 4 A 11.04 - Buchholz 406.400 § 19 BNatSchG 2002 Nr. 1 S. 4), ohne jedoch naturräumlichen Entwicklungen entgegenzustehen. Fauna und Flora reagieren allein, wie das Oberverwaltungsgericht zu Recht ausführt, auf die tatsächlichen Gegebenheiten. Der Kläger überträgt zu Unrecht habitatschutzrechtliche Erwägungen, die insoweit insbesondere am Verschlechterungsverbot des Art. 6 Abs. 2 FFH-RL anknüpfen können, auf das abweichend geregelte Artenschutzrecht (siehe auch 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 57 f.). Soweit der Kläger insbesondere die jährlichen Wasserstandserhöhungen im Frühjahr zum Zwecke der Frostschutzberegnung nicht berücksichtigt wissen will, so fehlt es hierzu ebenfalls an jeglicher Grundlage. Schon aus den Regelungen in § 5 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 4, § 3 Nr. 3 der Verordnung über das Naturschutzgebiet Finkenwerder Süderelbe vom (HmbGVBl. S. 250) ist zu entnehmen, dass die Bereithaltung eines solchen Wasserdargebots eine "Hypothek" ist, die auf dem Naturschutzgebiet - in seiner spezifischen Situationsgebundenheit - lastet und es in seinen Entwicklungsmöglichkeiten bereits bislang geprägt hat. Im Übrigen sind die Wasserstandserhöhungen nach dem Vortrag der Beklagten, dem der Kläger nicht substantiiert entgegengetreten ist, nicht "formlos" und "auf Zuruf", sondern jeweils aufgrund wasserrechtlicher Erlaubnisse vorgenommen worden.

383. Der Senat kann weder beurteilen, ob sich das Urteil aus anderen Gründen als richtig erweist (§ 144 Abs. 4 VwGO), noch kann er selbst in der Sache entscheiden. Der Rechtsstreit ist gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO zur weiteren Sachverhaltsaufklärung, ausgehend vom zutreffenden entscheidungserheblichen Zeitpunkt, an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2019:270619U7C22.17.0

Fundstelle(n):
NJW 2019 S. 10 Nr. 46
BAAAH-32922